11 September 2012

Die Fortsetzung eines kühn gedachten SF-Romans


Von dem kanadischen Schriftsteller Robert Charles Wilson las ich in den vergangenen Jahren mehrere Science-Fiction-Romane – vor allem sein Roman »Spin« begeisterte mich. Die direkte Fortsetzung dazu heißt »Axis«, erschien bereits vor einigen Jahren und wurde hierzulande in der Fan-Presse völlig verrissen. Deshalb lag der Roman lange Zeit im Stapel ungelesener Bücher.

Bis zum Urlaub. Bis zum Swimming-Pool im Piemont. Bis zu einem faszinierenden Lese-Erlebnis. Ich fand den Roman nämlich gut. Er ist kein Kracher wie »Spin«, aber weit davon entfernt, die Katastrophe zu sein, als die er bezeichnet wurde.

Kleines Problem: Man kann »Axis« nur richtig kapieren, wenn man »Spin« gelesen hat. Zwar ist der Roman theoretisch eigenständig, aber eben nur in der Theorie: Er baut direkt auf seinem Vorgänger auf – und spielt in der fremden Welt, die seit der »Spin«-Geschichte von den Menschen besiedelt wird.

Eine junge Frau sucht ihren Vater, der in der Fremde verschollen ist. Ein Pilot, der selbst nicht so recht weiß, wohin er mit seinem Leben möchte, hilft ihr bei der Suche. Und in der Wüste des Planeten lebt ein besonderes Kind, auf das sich die Bemühungen vieler Menschen konzentrieren.

Klingt seltsam, ist auch seltsam. Der Roman ist nichts anderes als die Geschichte von Menschen, die nach ihrer Bestimmung suchen, die dabei auch buchstäblich über Leichen gehen. Und ganz nebenbei präsentiert »Axis« einen Planeten, der langsam von den Menschen erkundigt wird.

Ich fand das sehr unterhaltsam, folgte fasziniert der Handlung und war durchgehend gefesselt. Und danach war mir klar, warum der Roman bei den Fans nicht gut angekommen ist: Eigentlich schreibt Robert Charles Wilson keine Science Fiction, sondern eher »normale Literatur«. Im Zentrum seiner Geschichten stehen ganz gewöhnliche Menschen, eigentlich sogar Familien.

Die Familien zerfallen wie in »Quarantäne«, die Menschen kämpfen für ihre Heimat wie in »Julian Comfort«, sie verhalten sich zu unerklärlichen Phänomenen wie in »Spin« oder sie suchen verschollene Angehörige wie in »Axis«. Es sind packende Geschichten, jede für sich, und im Zentrum steht stets der Mensch.

Das ist womöglich für einen durchschnittlichen Science-Fiction-Fan nicht »spacig« genug. Zumindest lassen sich so die fürchterlichen Verrisse für »Axis« nicht anders erklären ... Science Fiction ist für manche Leser eben eine besonders konservative Art von Literatur.

5 Kommentare:

Pogopuschel hat gesagt…

Kürzlich ist mit "Vortex" der abschließende Band der Tilogie auf Deutsch erschienen.

Enpunkt hat gesagt…

Stimmt genau. Und das ist der klammheimliche Grund, warum ich »Axis« trotz aller schlechten Kritiken gelesen habe: Bevor ich an »Vortext« gehe, wollte ich den Band zwischen den zwei Romanen gelesen haben ...

Pogopuschel hat gesagt…

Ich fand »Axis« jetzt nicht schlecht, war im Vergleich zu »Spin« aber etwas enttäuscht. Wobei mir bei »Spin« und auch bei allen anderen Romanen von Wilson die von dir erwähnte Konzentration auf die Figuren und die Familien im SF-Kontext besonders gefallen.
Auf »Vortex« bin ich gespannt, die bisherigen Kritiken waren ja sehr positiv.
Robert Charles Wilson ist gerade wegen seiner ruhigen Gangart momentan mein Lieblings-SF-Autor.

Enpunkt hat gesagt…

Na klar: So brillant wie »Spin« kann die Fortsetzung nicht sein. Ich bin ebenfalls auf den »Vortex« gespannt.

Christian Günther hat gesagt…

Ich war von "Axis" auch enttäuscht, was aber wohl vor allem daran lag, wie sehr mich "Spin" vorher begeistert hatte. Und jetzt bin ich auch gerade bei "Vortex" - kann ich noch gar nicht so viel dazu sagen, weil man doch erst nach und nach die Zusammenhänge erkunden muss. Auch ein ruhigeres Buch, aber spannend!