Derzeit ist Helmut Kohl anscheinend wieder in aller Munde: Eine Briefmarke mit seinem Konterfei wird präsentiert, die Christdemokraten erinnern sich mit Tränen in den Augen an seine lange Regentschaft, und unsereins fragt sich, warum man sich über den Dicken früher mal so aufgeregt hat. War es nur ein arrogantes Lachen wegen seines Dialekts, oder war es ein berechtigter Hass?
Dreißig Jahre ist es jetzt her, seit Helmut Kohl die Macht übernommen hatte; ich nannte den Regierungswechsel von SPD-FDP zu CDU-FDP damals gerne einen »Putsch«, was selbstverständlich völlig falsch war, aber in meinen Ohren reichlich cool klang. Und ebenso selbstverständlich hasste ich Helmut Kohl mit jeder Faser meines Herzens.
Ich fand seine Politik gar nicht mal so schlimm, zumindest nicht viel schlimmer als das, was die anderen an seiner Stelle gemacht hätten. In der peinlichen Phase, in der ich sogar Juso-Mitglied war, dachte ich ja, man könnte die Christdemokraten auf »demokratischem Weg« wieder loswerden.
Den alten Helmut Schmidt, den anderen Helmut, wollte ich allerdings nicht zurück; ich hatte seltsame Vorstellungen von einer solidarischen Gesellschaft, in der klassische sozialdemokratische Werte den Ton angeben sollten. Ich war naiv und glaubte daran, dass man mit Parteien etwas positives bewegen konnte; ich ging zu Demonstrationen, bei denen sogar Kerzen gehoben und Friedenslieder gesungen wurden.
Helmut Kohl bekamen wir auf die Methode nicht weg. Und irgendwann war meine Wut so groß und so unreflektiert, dass ich beschloss, endgültig unpolitisch zu werden. Aber das ist eine andere Geschichte ...
Was bleibt aber von Kohl? Heute kann ich mich über den Mann nicht mehr ärgern; das ist alles viel zu lange her. In den heutigen Parteien gibt es ebenso schreckliche Menschen, nur haben die teilweise ein anderes Parteibuch.
Immerhin war Helmut Kohl kein Nazi, denke ich in solchen Fällen immer. Und mit ihm hätte Deutschland nicht am Kosovo-Krieg teilgenommen. Heute bin ich ja schon für kleine Dinge dankbar.
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