Erinnerung an den Venedig-Trip im April 2012
Es gibt kein ideales Wetter für einen Besuch auf dem Friedhof; da bin ich mir sicher. Insofern durfte ich nicht jammern, als wir am Montag, 9. April 2012, die Friedhofsinsel San Michele besuchten. Die Insel liegt nördlich der venezianischen Altstadt, gehört aber im Prinzip noch zum Stadtkern hinzu.
Wir betraten die Insel an der offiziellen Anlegestelle. Das Vaporetto hielt an einem Kai, wir gingen hindurch und standen im Innern einer Insel, die komplett von einer Mauer umschlossen war. Es war ein sehr windiger Tag, eigentlich schon richtig kalt, aber ich war entschlossen, mir nicht viel anmerken zu lassen; dennoch kam ich auf dieser Insel nicht aus dem Frieren heraus.
Die Insel ist in einzelne Bereiche gegliedert, die im großen und ganzen wie Quadrate angelegt sind. Die jeweiligen Quadrate wiederum widmen sich einzelnen Themen – etwa den Gräbern kleiner Kinder – oder sind optisch gegliedert: So gibt es flache Gräber ebenso wie ganze Gänge mit Urnengräbern.
Wir spazierten dazwischen herum; recht schnell bekam unser Spaziergang den Charakter einer Andacht. Ich hatte das Gefühl, zwischen Hunderten und Tausenden von Toten zu bummeln; immer wieder gaben Aufschriften auf den Urnen, an Wänden oder vor Grüften genauen Aufschluss darüber, wer hier eigentlich beerdigt war.
Die Begräbnisstätten von berühmten Menschen besuchte ich erst gar nicht; so spannend fand ich das nicht. Stattdessen ließ ich den Charakter des Ortes auf mich wirken, die wuchtigen Mauern aus Urnen, die Familiengrüfte mit ihren alten Bildern, der Kies, der unter unseren Füßen knirschte.
Da passte das Wetter dann doch: Es war so kalt und windig, dass wir die halbe Zeit mit gesenktem Kopf gingen, um dem Wind zu trotzen. Hätten wir wegen sommerlicher Temperaturen nur leichte Kleidung getragen, hätten wir einen anderen Eindruck von der Insel mitgenommen.
So blieb in meiner Erinnerung zweierlei: Es war kalt. Und ich bekam einen Eindruck von katholisch-christlicher Strenge, die über den Tod hinaus wirkt.
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