»Ich will Ihnen eine Geschichte meines Scheiterns berichten.« So beginnt die diesjährige Berliner Rede unseres Bundespräsidenten, dem Herrn Horst Köhler, und das ist mal ein sehr ehrlicher Satz.
Nach allem, was ich bisher in den Medien über diese Rede gehört habe, fiel mir immer nur ein Gedanke ein: »Wo war das Gerede über Moral, als Köhler einer der führenden Personen war, die unsere aktuelle Finanzmarktkrise durch ihre Entscheidungen erst beflügelt haben?« (Nein. So kompliziert denke ich nicht; in meinen Gedanken sind weniger Kommata.) Immerhin war der Mann mal Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds.
Köhler, der als sympathischer Mann gilt (immerhin hat er jahrelang in Tübingen gearbeitet und war im Vorstand eines Dritte-Welt-Ladens in Herrenberg; das verbindet ihn glatt mit mir, der in diesen Städten viele Krachkonzerte erlebt hat), sieht einige Jahre danach jetzt ein, daß da ziemlich viel Mist produziert wurde. Damit ist er weiter als der durchschnittliche Bundespolitiker.
An holperigen Bildern mangelt es der Rede dennoch nicht. »Derweil stockt das Blut in den Adern des internationalen Finanzwesens«, hat sich der Redenschreiber ausgedacht. Stünde das in einem Heftroman-Manuskript, würde ich das Wort »pathos« an den Rand kritzeln.
Respekt löst Köhlers Rede dann in mir aus, wenn er klar auf Afrika eingeht: »Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas«, sagt er und verweist auf den Niedergang des afrikanischen Fischfangs - die Meere vor den Küsten werden von »unseren« hochsubventionierten Fischfangflotten leergefischt, so daß für die Fischer in ihren kleinen Booten buchstäblich nichts bleibt.
Ich habe die Rede im Fernsehen nur auszugsweise mitbekommen und fand sie - wie alle Reden Köhlers - dröge und vorhersehbar, langweilig und stockend vorgetragen. Lese ich sie aber komplett durch, bekomme ich glatt echte Sympathien für den amtierenden Bundespräsidenten.
Das Problem ist nur: Ich glaube ihm ja, wenn er seine Betroffenheit artikuliert. Aber hilft es den Menschen in Afrika und sonstwo wirklich, während ihre Länder von unseren Banken und Industrien ausgeplündert werden, wenn in Berlin ein Bundespräsident richtige Argumente in den Raum stellt, die dann von den entscheidenden Personen höflich abgenickt und - wahrscheinlich - gleich wieder vergessen werden?
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