21 Dezember 2018

Kosmopoliten kontra Malocher

In den vergangenen Monaten las ich immer wieder einen Ansatz, der erklären sollte, woher ein Teil der aktuellen Konflikte komme. Die »Zeit« formulierte es in einem großen Artikel, irgendwelche Politiker schwatzen davon. Letztlich geht die Argumentation immer in eine Richtung, mal positiv, mal negativ konnotiert – ich fasse sie grob zusammen.

Auf der einen Seite der Gesellschaft stehen die urbanen Mittelschichten, also pfiffige Leute, die mehrere Sprachen können, meist gut Geld verdienen und weit gereist sind. Denen sind so Dinge wie die »deutsche Nation« egal, die haben auch kein Problem mit Menschen anderer Hautfarbe oder anderer sexueller Ausrichtung. Auf der anderen Seite der Gesellschaft stehen nach dieser Erzählung die »einfachen Leute«, die kaum aus ihrem Dorf herauskommen, die sich mit »einfacher Arbeit« herumschlagen müssen und die Angst um ihre Jobs haben, die keine Ausländer kennen und von Schwulen verschreckt werden könnten.

Man könnte es auch so sehen: Die coolen Kosmopoliten und die schlichten Malocher kommen nicht miteinander klar. Deshalb wählen die coolen Kosmopoliten eher die »liberalen« Parteien, während die Malocher neuerdings für die AfD und anderen Mist schwärmen.

Es ist eine einfache Erklärung, und wenn man sie schluckt, sieht man die Welt auf einmal viel klarer. Es ist eine Erklärung, die den Rechten dient: Sie können den »einfachen Leuten« erklären, sie würden für sie gegen die Kosmopoliten kämpfen. (Obwohl die AfD-Politikerin Alice Weidel sicher ein perfektes »Role Model« für eine Kosmopolitin abgeben könnte.) Und wer sich selbst zu den Kosmopoliten zählt, kann sich schön von den »Trotteln« abgrenzen und seine Ressentiments pflegen.

Es ist ja nicht so, dass ich eine komplette Theorie für die Probleme dieser Welt anzubieten hätte. Aber dass die Einteilung in Malocher und Kosmopoliten die Welt nicht schöner macht, liegt auf der Hand.

Als ob Menschen aus der Unter- oder Arbeiterklasse dazu verdonnert wären, ausländerfeindlich oder schwulenängstlich zu sein ... Als ob Menschen aus der Mittel- oder Oberschicht automatisch deshalb bessere Menschen wären, weil sie nichts dagegen haben, wenn ein türkischstämmiger Rechtsanwalt oder afrikanisch aussehender Ingenieur im benachbarten Reihenhaus wohnt …

Solidarität ist keine Frage des Geldbeutels, Menschenfeindlichkeit eine Frage von vielen Weltreisen. Der Prozentsatz an Idioten ist in den sozialen Schichten wahrscheinlich recht gleichmäßig verteilt. Und die Trennung in Kosmopoliten und Malocher, wie intellektuell diese auch herbeigeschrieben und herbeigeredet werden soll, wird an den Problemen unserer Gesellschaft nichts ändern – ganz im Gegenteil.

3 Kommentare:

RoM hat gesagt…

Aloha, Klaus.
Die Mär von der Klassengesellschaft wird ja gern dazu bemüht, um den eigenen Standesdünkel zu pflegen. Denn es stimmt auffallend, dass die Idiotie (speziell die politische) einmal quer durch die Gesellschaft geht.
Meine Hände werden zwar dreckig, bei der täglichen Arbeit, allerdings mache ich mir keine schmutzgen Hände, indem ich Neide, Ausgrenze oder Difamiere.
Das kann man/frau offensichtlich einer studierten Nasen (im höheren Staatdienst) überlassen, die sich gezielt (mit Mitte 50) in den vorzeitigen Ruhestand befördern lässt.
Wir sehen, das oben erwähnte Feuilleton-Geraschell ist keinen Pfifferling wert. :-)

bonté

Runrick hat gesagt…

"Es ist eine Erklärung, die den Rechten dient"

Das ist Dein ganzes Problem was du hast, dass Irgendetwas den blöden Rechten "dienen" könnte.
Damit ist aber nicht gesagt ob "Irgendetwas" richtig oder falsch ist.
Vielleicht hat die AfD einfach nur damit recht, dass am ISLAM nicht alles gut ist?

Dass diese selbsternannten "Cosmopoliten" in einer selbstgerechten Filterblase leben, das kann man auch sehr schön am BREXIT erkennen, oder in den USA an Donald Trump, oder in Italien die LigaNord, große Teile der Bevölkerung haben das Vertrauen in diese selbsternannte Elite verloren und wählen einfach eine "Alternative".

Und so schlecht machen es die "Alternativen" gar nicht.

RoM hat gesagt…

...@Runrick.
Dinge reihenweise gegen die Wand zu fahren, in Gleichschaltung zu denken & Keile anzulegen war noch nie gangbare Alternative - nur der Hunger nach Macht.

bonté