Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Ob sie Christiane oder Christine hieß, weiß ich gar nicht mehr. Bei uns Kindern hieß sie im breiten Dialekt unseres Dorfes einfach »Dande Krischdee«, sie war eine entfernte Verwandte, die nur drei Häuser von dem unseren entfernt wohnte. Sie hatte einen Fernseher, im Gegensatz zu uns, und ab und zu saßen meine Schwester und ich bei der Tante, um zu schauen, was sich in der schwarzweiß flimmernden Welt des Fernsehprogramms tat.
Das behielten wir auch bei, als wir langsam älter wurden. Ich fing schon früh an, mich als Jugendlicher für die Nachrichten zu interessieren. Und so kam es durchaus vor, dass meine Schwester und ich bei der Dande Krischdee saßen, um die »tagesschau« anzugucken.
An dem einen Abend im Jahr 1980 war eine andere alte Frau anwesend, eine Nachbarin von der anderen Straßenseite. Wir fanden sie ein wenig unheimlich, weil sie einen leichten Kropf hatte und sich deshalb eine seltsame Sprechweise angewöhnt hatte. Jedes Wort kam gequetscht aus dem Mund, und wenn sie sprach, schwabbelte der geschwollene Hals hin und her. Sie hatte sich in einem Sessel niedergelassen, trank ein Glas Likör und starrte auf den Fernseher.
Meine Schwester und ich saßen auf Stühlen, während Dande Krischdee ebenfalls einen Sessel eingenommen hatte. Durch die Fenster sahen wir hinaus ins Freie, ab und zu fuhr ein Auto auf der Dorfstraße vorbei.
Die Nachrichten flimmerten in Schwarzweiß vorbei. Es ging um die aktuelle Politik, um Politiker wie Schmidt und Brandt. Und dann kam Franz-Josef Strauß ins Bild, polternd und maulend wie so oft, mit einem Deutsch, das stark Bayerisch eingefärbt war.
Und die Nachbarin beugte sich nach vorne, das Gesicht auf einmal verzückt. Mit einem strahlenden Lächeln und einer Stimme voller Andacht sagte sie: »Unser Führer.«
Wie es dann weiterging, weiß ich nicht mehr. Aber diesen Gesichtsausdruck und diese Wörter – die sollte ich in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr vergessen.
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