Einer der Autoren, die ich vom Namen her seit Jahrzehnten kenne, von denen ich aber noch nie etwas gelesen habe, ist Gabriel Garcia Marquez. Der Mann erhielt 1982 den Nobelpreis für Literatur, seine Romane standen in den 80er- und 90er-Jahren immer wieder auf den Bestsellerlisten, und sie wurden mir oft empfohlen.
Im Urlaub nahm ich mir einen dünnen Roman von ihm vor, den ich recht schnell durchlas: »Die böse Stunde« ist eines der früheren Werke des Schriftstellers, bereits 1962 erstmals veröffentlicht. Anhand eines namenlosen Dorfes stellt er vor, wie Korruption und Machtgier in einer abgelegenen Region in Südamerika die Menschen im Griff haben, während der Tropenregen auf die Häuser herunterprasselt.
Offenbar gab es vor kurzer Zeit einen Militärputsch. Der Bürgermeister ist ein Offizier, der mit einigen uniformierten Banditen das Dorf regiert – einige Menschen gehören zur Opposition und wissen, dass sie jederzeit umgebracht werden können. Es gibt klare Klassenunterschiede, der Pfarrer spielt sein eigenes Spiel, und verschiedene Hetzschriften werden in Umlauf gebracht.
Alle Figuren umkreisen sich gewissermaßen. In der schwülen Hitze sind alle träge und auch aggressiv. Sex und Gewalt brechen auf, ein Gefangener im Polizeigewahrsam bekommt einige Tage lang einfach nichts zu essen, verkaufte Esel sterben unter merkwürdigen Umständen. Das Dorf und seine Bewohner leben unter einer Glocke des Grauens.
Mit 229 großzügig bedruckten Seiten ist der Roman schnell gelesen, und ich folgte der Handlung mit großem Interesse. Das Gesellschaftsbild, das der Autor entwirft, ist spannend und grausig, die Geschichte kann ich mir auch in einem Film sehr gut darstellen.
Im Roman nervte mich so manches. Nicht die Tatsache, dass es keine klare Hauptfigur ist und die Handlung buchstäblich von Kopf zu Kopf springt – das ist in diesem Fall ein Stilmittel und absolut nachvollziehbar. Auch dass keine einzige Figur im Roman vorkommt, die man mag, störte mich nicht im geringsten.
Nervend fand ich, dass die Absätze und Dialoge teilweise völlig erratisch gestaltet sind. Entweder hat das Lektorat »schon damals« geschlampert, oder man dachte bei der Übersetzung, man dürfe einen Literaten von Weltrang nicht lektorieren – teilweise ist nicht klar, wer was sagt, und das ist dann ganz eindeutig nicht »künstlerisch gewollt«, sondern schlichtweg falsch.
Alles in allem fand ich »Die böse Stunde« nicht schlecht, aber eben auch nicht gut. Das Taschenbuch kam nach erfolgte Lektüre direkt in den Bücherschrank bei uns in der Weststadt, wo es hoffentlich jemandem in die Hände fällt, der es eher schätzen wird als ich. Und ich überlege mir, ob ich Marquez mal wieder eine Chance geben soll ...
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