31 August 2013

Schlechter Dichter, mieser Ladendieb


In den frühen 80er-Jahren, als ich noch richtig jung war, hatte ich seltsame Anwandlungen. Unter anderem dachte ich, zum Verfassen von Lyrik geboren zu sein. In der Schule kritzelte ich sogenannte Gedichte auf karierte A4-Blätter, daheim tippte ich sie mit meiner alten Kofferschreibmaschine ab. So entstanden Dutzende von Texten, für die teilweise – mit dem Abstand von dreißig Jahren – der Begriff »Gedicht« nur mit Schmerzen zutrifft. Veröffentlicht wurden sie glücklicherweise nicht.

Eine echte Perle schrieb ich am 26. März 1983. Der Titel des Textes lautete »Kleptomane«, und das »Gedicht« ging so: »In den Laden eingedrungen / sich umgeschaut. / Niemand zu sehen, / kein Beobachter anwesend. / Erneutes vorsichtiges Umblicken / und dann / der Zugriff. / Niemand hat's gesehen, / der Nervenkitzel hat gewirkt. / Nach der Flucht die Freude / wieder der Gesellschaft / einen Zahn gezogen zu haben.«

Fairerweise muss ich heute anerkennen, dass zu der Zeit haufenweise Bücher erschienen, in denen sogenannte Gedichte abgedruckt wurden, deren lyrischer Gehalt ebenso jämmerlich gering war wie der meines Textes. Zwischen Charles Bukowskis rüden Versen, die mir durch den Maro-Verlag nahegebracht wurde, und der »neuen deutschen Innerlichkeit«, die zu der Zeit mit Gedichtsbänden sogar auf die Bestsellerliste kam, pendelten genug junge Leute.

Der Text verrät – jenseits des letzten Satzes – aber vor allem eines: Ich war Ladendieb. Dreißig Jahre danach ist das hoffentlich verjährt ... Wir nannten es im Freundeskreis halt spöttisch, halb ernsthaft stets »einklaufen«, und manchmal ging man als Clique in ein Kaufhaus oder ein Geschäft. Jeder klaute etwas, und hinterher saßen wir im Stadtpark zusammen und verglichen, was wir gestohlen hatten. Nervenkitzel für pubertierende Kleinstädter ...

Später wurde mir das sehr peinlich, obwohl ich es immer mal wieder durchaus schätzte, mit einer Horde Punks in einen Supermarkt zu gehen und mit Paletten von Bier herauszukommen – ohne zu bezahlen natürlich. Ich legte mir gewisse Normen zu: Bei »kleinen Leuten« wurde nicht geklaut, »in der Szene« sowieso nicht.

Und heute? Ich fühle mich so verbürgerlicht, dass ich sogar nervös werde, wenn ich versehentlich schwarz mit der S-Bahn fahre. Von 1983 bis 2013 ist in mancherlei Hinsicht ein weiter Weg.

(Dieser Text ist bereits als Kolumne im OX-Fanzine erschienen und wird hier in erster Linie zur Dokumentation wiederholt. Zudem passt er auch schön in diesen Blog, wie ich finde ...)

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