Das Bild des Berliner Stadtteils Neukölln wird häufig von Medien bestimmt, die auf Sensationen aus sind: Armut, Kriminalität und Jugendbanden – das sind die Schlagworte, die unweigerlich fallen, wenn es um den angeblichen Problembezirk geht. Wie die Jugendlichen in Neukölln wirklich leben und denken, das schildert der lesenswerte Band »Jugend in Neukölln«, den das Archiv der Jugendkulturen herausgegeben hat.
Das Buch ist unterhaltsam und informativ zugleich: Interviews mit Jugendlichen, Foto-Reportagen von Jugendlichen sowie eigene Berichte von Jugendlichen bilden wesentliche Schwerpunkte. Berichte von Erwachsenen oder »seriösen« Berichterstattern sind eher am Rand zu finden.
So entsteht eine bunte Darstellung des Bezirks; ein Streetworker hat logischerweise einen anderen Blick als ein Jugendlicher, der sich für HipHop begeist
ert, oder ein junges Mädchen, das als Flüchtling aus Bosnien gekommen ist und seit 1994 in Berlin lebt. Verharmlost und beschönigt wird nichts, aber es wird ein anderes Bild gezeichnet.
Was ich persönlich stark finde, ist zudem der historische Blick auf Neukölln: Der Bezirk war nach dem Zweiten Weltkrieg der Schauplatz ausgedehnter Fehden zwischen Jugendbanden. Dabei wurde nicht gefackelt, stattdessen wurde geprügelt, was das Zeug hielt. Weitere Texte beschäftigen sich mit der Vorgeschichte des Bezirks – auch das finde ich stets interessant.
Solche Bücher sollte man all denjenigen als Pflichtlektüre aufs Auge drücken, die bei jeder Gelegenheit über »die Jugend« lästern oder darüber schimpfen, dass früher alles besser gewesen sei als heute. Aber ich kann jetzt schon davon ausgehen, dass die nächste Neukölln-Reportage mit den üblichen Klischees aufwartet ...
Das Buch umfasst 204 Seiten im quadratisch-praktischen Format und ist als Hardcover erschienen. Es kostet 20 Euro und kann überall im Buchhandel bestellt werden; die ISBN 978-3-940212-64-8 ist dabei behilflich. Die üblichen Online-Versender führen es ebenfalls, und selbstverständlich kann man es auch im Shop des Archives der Jugendkulturen bestellen.
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