Für die Reise nach Venedig wollte ich unbedingt ein Buch einpacken, das von einem Menschen stammt, der in der Stadt geboren worden ist und einen großen Teil seines Lebens dort verbracht hat. Gemeint ist der italienische Schriftsteller Tiziano Scarpa, von dem hierzulande einige Bände mit Kurzgeschichten erschienen sind.
In insgesamt zehn Texten, jeweils eingeleitet durch eine Schwarzweiß-Fotografie, führt der Autor durch seine Heimatstadt: Er beschreibt »Füße« und »Gesicht«, »Ohren« und »Herz«, um einige der Überschriften zu nennen. Dabei handelt es sich um literarische Miniaturen, gewissermaßen Spaziergänge durch eine phantastische Stadt.
Scarpas Buch ist kein Reiseführer, und es will einen solchen auch nicht ersetzen. Der Autor setzt auf den Zufall, er möchte die Leser dazu verleiten, sich intuitiv den Gassen der Stadt anzuvertrauen. Und wer sich darauf einlässt, bekommt Einblicke in dunkle Gassen und abgeschirmte Höfe, die er mithilfe eines Reiseführers nie gehabt hätte.
Der Autor beschreibt skurrile Menschen, er notiert Spiele der venezianischen Kinder oder erzählt Schauderhaftes aus der Vergangenheit der Stadt. Man erfährt einiges über die Unterschiede zwischen italienisch und venezianisch, hört von den Feinheiten der Gondeln und bekommt vermittelt, wie fragil die Schönheit der Stadt ist.
»Venedig ist ein Fisch« erweist sich als dünnes Buch mit eindrucksvollem Inhalt: Auf gerade 116 Seiten gibt es Einblicke zu Venedig, die ich in dieser Form sonst nirgends gelesen und gesehen habe. Wer schon mal in der Stadt war, für den ist es eine empfehlenswerte Lektüre. Und wer sich überlegt, nach Venedig zu reisen, sollte es in den Koffer packen – ich empfehle es reinen Gewissens.
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