Vor dem Urlaub sah ich den witzigen Film »Nichts zu verzollen«, im Urlaub las ich »Maigret bei den Flamen«. Beidesmal ging es um die Grenze und die Möglichkeiten und Probleme, die sich daraus ergeben – und beides mal um das Grenzgebiet zwischen Frankreich und Belgien, einmal zur heutigen Zeit, einmal in den 30er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.
Doch während der Film das Thema sehr witzig aufgriff, ist es bei dem von Georges Simenon geschriebenen Roman bitterer Ernst: Kommissar Maigret wird in einer halbprivaten Mission um Hilfe gebeten. Er möge einer flämischen Familie helfen, deren Angehörige zu Unrecht des Mordes beschuldigt werden.
Recht schnell merkt Maigret, dass nichts so ist, wie es sein sollte. Zwar haben viele Leute in dem kleinen Ort ein Motiv, sich gegenseitig zu hassen; für einen Mord reicht das nicht aus. Also fängt der Kommissar, der keinen konkreten Auftrag hat und nicht ernsthaft ermitteln kann, damit an, die Leute buchstäblich zu nerven.
Der Schluss des Romans ist übrigens recht offen; ich kann ihn immerhin andeuten: Es ist am Ende klar, wer den Mord begangen hat, auf eine Verurteilung verzichten Autor und Kommissar aber. Als Leser sitzt man am Ende wirklich irritiert da – aber es passt alles zusammen.
Der Roman gibt eindrucksvolle Schilderungen vom Leben der einfachen Leute wieder: Fischer, Handwerker, Ladenbesitzer – sie alle führen ihr eigenes Leben, und Franzosen und Flamen unterscheiden sich häufig sehr stark voneinander. Ganz nebenbei ist der Roman übrigens auch ein Plädoyer dafür, nicht die Nationalität der Menschen in den Vordergrund zu schieben, sondern sich bitteschön für ihren Charakter zu interessieren.
»Maigret beiden Flamen« ist wieder ein vielschichtiger Roman, der mit knappen Beschreibungen und knappen Dialogen arbeitet; wieder mal ein Beispiel dafür, wie gut Simenon schreiben und charakterisieren konnte. Sehr gelungen!
1 Kommentar:
Diesen Maigretroman habe ich noch vor mir -- und jetzt mit umso mehr Vorfreude!
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