»Ich verstehe mich als linksradikal«, sagte der Mann neben mir an der Theke. Wir waren in ein Gespräch über Politik und Gesellschaft gerutscht, und ich hatte ihm erzählt, dass mir persönliche Freiheit sehr wichtig sei, dass ich unbedingt den Individualismus verteidigen würde und dass ich trotzdem ein Gemeinschaftsgefühl für wichtig hielte. Das eine schließe das andere nicht aus.
Der Mann neben mir sah das andere. Wenn es nach ihm ginge, so argumentierte er, könnte auch eine Diktatur das Land regieren. »Hauptsache, die Diktatur ist so, dass sie meine Meinung vertritt.«
Ich versuchte es noch eine Weile, aber gab es dann auf. Den Rest des Gespräches verbrachte ich damit, Witze zu reißen und über die DDR zu lästern. Er fühlte sich irgendwann verarscht.
Wenn ich das richtig sehe, sind politische Diskussionen mit mir kein Spaß. Der gute Mann tat mir dann fast schon leid ...
1 Kommentar:
Politische Diskussionen sind nicht nur mit dir kein Spaß, will meinen: es liegt nicht an dir. Politische Diskussionen in Deutschland sind allgemein kein Spaß, weil die Deutschen alles Politische auf eine krankhafte Weise verkniffen sehen. Neurotisch, paranoid, wie auch immer. Die Deutschen lästern über Koreaner und Japaner, die sich in ihren Parlamenten prügeln, sie lästern über die Beleidigungen, die Italiener, Spanier und Malteser in ihren Parlamenten austauschen. In Wirklichkeit sind die Deutschen nur neidisch über das, was in anderen Ländern in politischen Diskussionen vor sich geht.
In Malta habe ich einen einzigen Wahlkampf erlebt: Da wären in Deutschland mehr als Lichter angegangen. Nachdem die Kontrahenten ihre gegenteiligen Ansichten auch unter Anwendung physischer Gewalt ausgetragen hatten, haben sie zusammen getrunken, gegessen, gefeiert. Bis zum nächsten Disput.
Ein Deutscher kann das nicht. Für einen Deutschen bedeutete es immer einen Gesichts- und Ehrverlust, mit dem Feind Dinge zu tun, die er sonst höchstens - wenn überhaupt - mit einem Freund tun würde. Ein Bier trinken. Essen. Lachen. Die wenigen Gemeinsamkeiten finden, die Menschen immer finden, weil es immer welche gibt.
My.
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