Beste Szene beim Spiel Deutschland gegen Argentinien war für mich (nein, nicht die Hauerei gegen Ende!), als Oliver Kahn vor dem Elfmeterschießen seinem Torwart-Konkurrenten Jens Lehmann die Hand drückte und alles Gute wünschte. Sehr gut. Hat auch geholfen, wie mir scheint – Lehmann war klasse.
Aber viel besser waren wieder einmal die Sozialstudien beim Publikum. Direkt vor mir stand eine Frau, die offensichtlich dem linksalternativen Milieu entstammte und für Argentinien schwärmte, wie es sich für eine anständige Linke anscheinend immer noch gehört.
»Für die Einstellung bin ich heute ja schon fast erschossen worden«, prahlte sie und nervte uns mit einem ununterbrochenen Redeschwall: Wie unfair der Schiedsrichter zu den Argentiniern sei, wie fürchterlich die FIFA sei, wie arrogant die deutschen Spieler seien, wie rassistisch die deutschen Fans seien, wie froh wir doch sein müßten, daß der von uns frenetisch bejubelte Odonkor »jetzt eben doch einen deutschen Paß hat« und was des Gesülzes noch mehr war.
Argentinien würde auf jeden Fall gewinnen, weil »die Deutschen das eh nicht können«. Und so weiter.
Ich überlegte mir schon, ihr einen körperlichen Verweis zu erteilen. Nicht, weil sie für Argentinien war (wäre ja in Ordnung), sondern weil sie ununterbrochen schwatzte, dabei das Spiel weitestgehend ignorierte, dafür aber ihre komplette Umwelt ihre Weltsicht aufdrückte. (Sie kam mir vor wie manche Diskussionsteilnehmer in manchen Diskussionsforen im Internet.) Unglaublich!
Ulf versuchte es im Guten: »Du, da vorne ist die Leinwand, da läuft das Spiel.« Sie warf ihm vor, er wolle ihr das Wort verbieten, und fing damit an, daß man »in Deutschland bald wieder für seine Meinung erschossen wird«. Angesichts solcher Dummheit wäre ich fast laut geworden, überließ den Part des bösen Mannes aber Ulf und lachte mich halb tot.
Nach dem Ausgleichstor durch Miroslav Klose war die Dame übrigens verschwunden, und später sah ich sie auch nicht mehr. War mir dann doch lieber.
2 Kommentare:
War auch für Argentinien, aber aus anderen Gründen und ganz still und leise... solo cruzada los dedos.
Im Berlin-Mitte-Publikum ist es inzwischen üblich, zum Hymnensingen aufzustehen. Hand aufs Herz. Leider meist versungen. Besonders textfest sind die Patrioten bisher nicht und eine Zeile schneller fertig als die im Fernsehen.
Freu mich auf die Bundesliga. Da bin ich auch wieder patriotisch.
- generatore -
In den Läden, wo ich mich aufhalte, wird weder das Deutschlandlied gesungen noch aufgestanden. Der am lautesten für Deutschland krakeelende Fußballfan in meiner Nähe war übrigens gebürtiger Mexikaner. So viel zu Multikulti.
Und die dunkelhäutigen Menschen, die am Freitag abend unter den zehntausend Feiernden in der Karlsruher Innenstadt ebenfalls die deutsche Fahne schwenkten, sahen nicht eben aus, als seien sie deutsche Nationalisten ...
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