1983 stand in unserer Schule eine Entscheidung an: Sollten wir uns aktiv an den Friedensdemonstrationen beteiligen, sollten wir auch demonstrieren? Es war klar, dass viele von uns Schülern zu den Demonstrationen gingen, die am Wochenende stattfanden. Die neuen Raketen, die die Nato in Europa stationieren wollte, fanden wir schließlich zumeist unnötig und gefährlich.
Aber sollten wir während des Unterrichtes demonstrieren? Sollten wir versuchen, einen Schulstreik zu organisieren? Es wäre doch ein starkes Signal, wenn die Schüler aus verschiedenen Schulen vormittags beispielsweise zum Marktplatz unserer Stadt marschieren würden – während des Unterrichts –, um ein klares »Nein!« auszusprechen.
Letztlich geschah das nicht. Wir waren zumeist zu feige. Also standen wir am »Aktionstag der Schulen« in der Großen Pause zusammen, hielten Schilder hoch, ich marschierte ins Lehrerzimmer – eine verrauchte Höhle – und hielt dort eine Rede, und das war eigentlich alles. Wir sahen die neuen Atomraketen als konkrete Bedrohung unseres Lebens an und waren zu feige, uns massiv dagegen auszusprechen.
Die Kids heute sind teilweise viel cooler als wir damals. Die streiken wirklich, weil sie merken, wie die Klimakatastrophe auf die Welt zurast, ohne dass viel Grundsätzliches dagegen getan wird. Sie streiken, sie demonstrieren, sie sagen lauthals ihre Meinung. Und sie haben recht: Meine Generation versaut ihnen die Zukunft.
Übrigens sind die Gegenargumente die gleichen wie damals. Das bringe nichts, es sei unnötige Effekthascherei, junge Leute hätten eh von nichts eine Ahnung – all diesen Mist hat man unsereins vor über dreißig Jahren um die Ohren gehauen. Es wiederholt sich offenbar sehr vieles.
Die Junge Union, schon damals die peinlichste Jugendbewegung, die man sich vorstellen konnte, ist sich auch heute nicht zu blöde, gegen die demonstrierenden Kids zu kämpfen. Vor allem in Baden-Württemberg haben sich ihre Sprecher durch Peinlichkeiten hervorgetan – aber so etwas hat Jungunionisten noch nie davor bewahrt, trotzdem eine Polit-Karriere hinzukriegen …
2 Kommentare:
Richtig, so wie im Saarland, wo man als Sohn des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU im Landtag und jahrelangem "Engagement" in der JU auch ohne jegliche Berufserfahrung in irgend etwas oder Lebenserfahrung, außer der aus einem privilegiertem Haus zu stammen, zum Ministerpräsidenten werden kann. Manchmal kann ich gar nicht so viel essen, wie ich... ach Du weißt schon.
Ich finde nicht, dass sie cooler sind als wir. Sie sind oft genug nicht einmal intelligenter.
Sie haben nur andere Möglichkeiten, als es sie zu unseren Zeiten gab. Sie haben andere Vorbilder. Sie haben Vernetzungsmöglichkeiten - soziale Medien & Co. -, die sie von Medien unabhängig machen, die Aktionen wie die "Fridays for future" hätten geheimhalten, verschweigen können. Und sie haben ein größeres Bewusstsein über die Probleme, die sich weltweit entwickeln. Nicht nur der Klimawandel.
Möglichkeiten genutzt haben auch wir seinerzeit. Wenn wir sie erkannten, wenn sie sich uns boten. Mit Coolness hatte und hat das nichts zu tun.
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