Als ich in der Nacht vor Silvester mit meinem Rad nach Hause fuhr, empfand ich die Kälte als grimmig. Zwar hatte ich gute Handschuhe und eine gute Jacke an, aber ich fror trotz der Mütze an den Ohren, und meine Beine wurden von Kilometer zu Kilometer kälter. Ich war nicht gut genug ausgerüstet für minus sieben Grad.
Während ich durch die Kälte strampelte, die Zähne mittlerweile eisig kalt vom Atmen, erinnerte ich mich an den Januar 1985. Meine Zeit bei der Bundeswehr, die ich schon sehr weit verdrängt hatte. Für zwei Wochen war ich zur AMF abkommandiert worden, der »Allied Command Europe Mobile Forces«, und mit dieser Einheit durfte ich »Winterkrieg« üben.
In Schneeklamotten und mit schwerem Maschinengewehr über die gefrorenen Wiesen bei Bruchsal marschieren, bei fiesen Minusgraden im Zelt übernachten und andere Späße. Bei einer Schießübung war mir so kalt, daß ich hinterher fast gekotzt hätte.
Als ich das damals meinem Vater erzählte, winkte der nur ab. »An der Ostfront war's kälter«, meinte er. Er hatte Weihnachten 1943 und die folgenden Monate bei bitterster Kälte im Schützengraben zwischen Orscha und Smolensk verbracht, und den Jahreswechsel 1944/45 erlebte er in einem eingeschneiten Stützpunkt im böhmisch-schlesischen Grenzgebiet.
Er erzählte nicht viel, der Krieg war meist ein Tabuthema. Doch die wenigen Sätze reichten, und ich verdrängte den Gedanken an alberne minus zehn bis zwanzig Grad im Winter-Camp der AMF.
Und an all das dachte ich, während ich meinen Hintern auf dem eisig kalten Sattel bewegte und so schnell wie möglich in Richtung Innenstadt fuhr. Auf einmal empfand ich die sieben Grad Kälte als gar nicht mehr so schlimm ...
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