Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
12 Dezember 2025
Gendersternchen und Soziopathen
Das aber sind alles Themen, die nicht so wichtig erscheinen. Worüber sich »die Leute« aufregen – zumindest in meiner Wahrnehmung –, sind »Ausländer« und Gendersternchen. Bei den Sternchen bin ich immer wieder verwundert über den Sturm der Entrüstung, der über einen hereinbricht, wenn man sie mal verwendet.
Manche Leser – männliche Form ist hier beabsichtigt; es sind ja nur Männer, die sich aufregen – scheinen zu glauben, das Abendland ginge unter, wenn man von »Leser*innen« schreibt. Andere belehren ausgiebig über die Rechtschreibung und verweisen auf angebliche Umfragen. Und einer schrieb gestern sogar, dass Leute, die Gendersternchen benutzen, allesamt »Soziopathen« seien.
Was stimmt nicht mit diesen Leuten? Haben die keine anderen Probleme? Haben die keine Dinge im Leben, über die sie sich freuen können? Woher kommt dieser Hass, woher diese Wut, andere Leute unbedingt belehren und bekehren zu müssen?
Ich benutze Gendersternchen normalerweise auch nicht; die Gründe sind vielfältig und füllen die Programme schlechter deutscher Komödianten. Ich will das übrigens nicht diskutieren; das kann jeder Mensch ja machen, wie er es möchte.
Aber diese Ausraster, wenn irgendwo ein Gendersternchen zu sehen ist, finde ich mittlerweile nur noch peinlich. Suche sich jeder einen Baum, an dem er sich ausheulen kann (männliche Form beabsichtigt!) …
11 Dezember 2025
Bereits der Teil 58
Der Roman spielt im Sommer 1996. Als ich mit der Arbeit daran anfing, war das also gut zwanzig Jahre her. Mittlerweile sind es fast dreißig Jahre, und ich merke, dass ich mit den Erinnerungen ins Trudeln geraten. Klar weiß ich noch, welche Musik ich damals hörte und zu welchen Konzerten wir gefahren sind.
Aber wie war das damals wirklich mit den Computern? Hatte ich schon einen Internet-Anschluss? Welche technischen Möglichkeiten, die heute selbstverständlich sind, waren damals reine Science Fiction? Tatsächlich stellen sich solche Fragen beim Schreiben eines fast schon historisch anmutenden Textes immer wieder aufs Neue.
Die Folge 58 kommt gut ohne technische Details aus. Meine Hauptfigur plagt sich mit dem Älterwerden herum – das machte mir 1996 tatsächlich mehr zu schaffen als heute, scheint mir … – und ärgert sich über politische Aktivisten auf der »linken Seite«, die er in Gedanken als »Automaten« beschimpft. Eine damals häufige Äußerung in den Kreisen von Leuten, die laute Musik hörten und in besetzten Häusern ihre Zeit verbrachten, aber nicht so begeistert von ausufernden Plenumssitzungen waren …
Aber das ist dann eine andere Geschichte!
10 Dezember 2025
Zwölf peruanisch-bayerische Texte
Die Geschichten sind angenehm kurz, man kann sie gut zwischendurch lesen. Sie spielen in Peru, aber auch in München oder Frankfurt, sie haben ganz selten einen leicht phantastischen Anflug und überzeugen zumeist. Nicht alle gefielen mir bei der Lektüre – aber das ist letztlich Geschmackssache.
Schön sind Texte, die das Thema der Fremdartigkeit behandeln. Die Autorin, eine gebürtige Peruanerin, hat beispielsweise ein anderes Verhältnis zu Meerschweinchen als ein Kind aus Deutschland, das die Tiere nur als Kuscheltiere begreift und sie nicht als Nahrungsmittel betrachtet. In anderen Texten geht es um das Benutzen von Tarot-Karten oder um den extremen Gestank, der sich in einer südamerikanischen Großstadt ausbreitet, ohne dass die Anwohner die Ursache gleich herausfinden können.
Künstler und eine spezielle Farbe, die sie benutzen, treten in dieser Storysammlung ebenso auf wie Frauen, die nachts allein durch die Straßen gehen und sich unwohl fühlen. Die Lektüre ist abwechslungsreich, die künstlerische Gestaltung zumindest interessant.
»Nachtschichten« ist durchaus lesenswert. Ob man für 120 Taschenbuchseiten in extrem großzügigem Layout und mit vielen Bildern dann allerdings zwanzig Euro ausgeben möchte, muss sich jede*r selbst überlegen. Ich habe den Kauf nicht bereut.
09 Dezember 2025
Carcosa zum sechsten
Kaufen und lesen kann ich nicht alles, was der Verlag veröffentlicht; das schaffe ich zeitlich nicht. Aber das sechste Carcosa-Programm, das im Frühjahr 2026 angeboten wird, enthält erneut einige Bücher, die ich unbedingt haben muss.
Großartig finde ich, dass ein Autor wie Kim Stanley Robinson mit neuen Romanen bei Carcosa präsentiert wird. Kurzgeschichten von Aiki Mira und Fantasy von Nicola Griffith – von ihr kenne ich bislang nichts – stehen ebenfalls auf dem »muss ich haben«-Zettel. Und wenn's im Frühsommer 2026 einen neuen Phantastischen Almanach gibt, freut mich das ebenfalls.
Verlage wie Carcosa füllen die Lücke, die von den großen Verlagen hinterlassen worden ist. Hier erscheinen nicht nur wertige Klassiker-Ausgaben, sondern hier gibt's zudem neue Phantastik mit Niveau. Das finde ich großartig!
08 Dezember 2025
Ein Glückskeks-Orakel
Seit vielen Jahren träume ich davon, endlich einmal eine dieser legendären Warnungen zu erhalten. »Hilfe, ich werde in einer Glückskekse-Fabrik gefangengehalten!« Bisher ist das nicht geschehen.
Mein anderer Traum ist ja immer noch, Texter in einer Glückskekse-Fabrik zu werden. Das muss sich ja jemand ausdenken, und wenn ich dieser Jemand wäre, könnte ich glatt philosophisch werden.
Solange diese beiden Träume nicht erfüllt werden, halte ich mich an den Glückskekse-Texten fest, die ich eben erhalte. In diesem Fall: »Iss nach Belieben, aber trinke mit Maß«. Da nirgends steht, welches Maß einzuhalten ist, übersetze ich diesen Spruch damit, dass ich weiterhin essen und trinken kann, wie mir beliebt.
Wenn das mal nicht ein wunderbares Orakel für mich ist!
05 Dezember 2025
Eine Folge über Malawi
Der Podcast »55 countries« widmet sich dem afrikanischen Kontinent, und das macht er sehr gut. In der aktuellen Folge 61 geht es um Malawi; die Folge ist angenehm kurz und fasst die Themen gut zusammen. Man bekommt einen vernünftigen Eindruck von den Problemen und Hoffnungen des kleinen Landes in Südostafrika.
Was mir besonders gut gefiel: Als Interviewpartner wurden zumeist Einheimische vorgestellt. Ihr O-Ton wird nicht untertitelt; weil die englische Aussprache manchmal ein bisschen schwierig ist, muss man sich beim Zuhören sehr konzentrieren. Kein Problem – dafür ist das eben authentisch.
Ein guter Podcast, eine sehr gute Folge! Wer mehr über Afrika wissen will, sollte sich »55 countries« mal anschauen! Oder eher anhören, schon klar …
04 Dezember 2025
Der Beginn der Suppenzeit
Im Sommer ist mir oft ein leichter Salat lieber. Allerdings kann man mich mit Pizza oder Käsespätzle trotzdem immer kriegen; da bin ich also sehr inkonsequent. Im Winter stehe ich auf jeden Fall auf Suppen. Und so begann in diesen Tagen wieder die Suppenzeit.
Der Asia-Supermarkt in unserer Stadt, in Spaziergang-Entfernung von meiner Wohnung, wird dabei immer wichtiger. Ich bin noch nicht so weit, dass ich ein Stammkunde wäre, und niemand dort kennt mich – aber ich bin immer öfter dort und kaufe allerlei Dinge fürs Haus.
Und manchmal kommt sogar etwas dabei heraus, was sehr lecker ist. In diesem Fall eine Pho, zumindest das, was unsereins nach vietnamesischem Rezept hinbekommt. Ob der Sake jetzt wirklich so genau dazu passt, weiß ich nicht – aber für schnöselige Süddeutsche schmelzen Vietnam und Japan zu einer asiatzischen Kücheneinheit zusammen.
Lecker war's allemal. So. Und nun können die anderen Suppen zackig folgen. (Heute abend Blumenkohl?)
03 Dezember 2025
Ein Essay über fehlende Empathie und die Folgen daraus
An dieser Stelle will ich nicht über den schrecklichen Gaza-Krieg und die offensichtlichen Fehler und Verbrechen der israelischen Führung schreiben; darum geht's hier nicht. Darum geht's auch Jens Balzer nicht, der in seinem Essay »After Woke« über die Erschütterung nach dem 7. Oktober schreibt.
Sein Text ist als Taschenbuch in der Reihe »Fröhliche Wissenschaft« erschienen, die der Verlag Matthes & Seitz herausgibt, und ist streckenweise durchaus komplex. Für jemanden wie mich, der Habermas oder Adorno nie gelesen hat, boten sich bei der Lektüre einige Stolperfallen – ich fand das Büchlein in seiner strengen Beweisführung aber sehr lesbar und vor allem lesenswert.
Balzer zeichnet nach, wie der Begriff »woke« entstanden ist, was er eigentlich bedeutet und warum er sich zu einem Kampfbegriff der Rechtskonservativen entwickelt hat. Er schildert Parallelen zu Befreiungsbewegungen der Schwarzen in den USA und zeigt auf, wieso Teile der antikolonialen Bewegung in Israel einen Vorposten des Kolonialismus und Imperialismus sehen.
Was mir an dem Buch sehr gut gefallen hat, ist die Art und Weise, wie Balzer die Zusammenhänge darstellt. Vieles von dem, was er schreibt, ist und war mir durchaus bekannt; die Zusammenstellung war aber neu und umfassend; das Quellenverzeichnis lädt zur weiteren Recherche ein.
»After Woke« ist ein sehr gutes Debattenbuch, nicht zu umfangreich und auch nicht zu komplex, dessen Lektüre ich allen Leuten empfehlen möchte, die sich für Politik interessieren.
02 Dezember 2025
Thalia setzt auf Spiele
Das Unternehmen will wachsen und erweitert sein Portfolio auf den Spielefachhandel. Zuletzt hat man eine Ladenkette übernommen, in Lüdenscheid wurde jetzt mit »Thalia Spielzeit« ein erster Spieleladen eröffnet.
Spieleläden und Spielefachgeschäfte gab es früher haufenweise; sie sind zu einem großen Teil »ausgestorben«. Grund eins: Es gibt keine Preisbindung für Spiele, was dazu führte, dass das Fachgeschäft gegen die Kaufhäuser mit ihrer Marktmacht unterlag. Grund zwei: Der Onlinehandel ist noch preiswerter; wenn ich bei Amazon ein Spiel zum halben Preis bekomme, für den es der Fachhandel anbietet, muss man sich schon überlegen, wo man dann einkauft.
Das hier ist kein Plädoyer dafür, bei der Thalia sein Geld zu lassen. Aber wenn Thalia als einziges Unternehmen offensichtlich in der Lage ist, für solche Geschäfte in den Innenstädten von Mittel- und Großstädten zu sorgen, kann ich das nur begrüßen.
Zwei Gallier in Portugal
Es ist ein typischer »Asterix«-Band: Die beiden gallischen Helden – also Asterix und Obelix sowie der kleine Hund Idefix – müssen wieder einmal in die Ferne reisen, um Leuten zu helfen, die von den Römern unterdrückt werden. Entsprechende Reisen zu Belgiern, Spaniern und Briten gab es in der Vergangenheit. Nun also geht’s nach Lusitanien, ins heutige Portugal.
Die Geschichte selbst ist nicht weiter erwähnenswert; viele Gags fand ich erwartbar. Durchaus witzig fand ich, dass man die portugiesische Aussprache von Wörtern in den Text integriert hat, was anfangs ein bisschen kompliziert anmutet, sich dann aber gut lesen lässt. Und witzig fand ich die Anspielungen auf portugiesische Kultur-Klischees, etwa auf den Fado.
Es gibt darüber hinaus Anspielungen auf die französische Politik; so wird das Thema Renten kurz angerissen. Insgesamt hält sich Fabcaro, der nun für den zweiten »Asterix« die Texte geschrieben hat, aber mit den Polit-Details zurück – oder sie fielen mir nicht zu sehr auf.
Didier Conrad als Zeichner hat sich bei den »Asterix«-Geschichten nach einigen Jahren etabliert. Seine Figuren sehen sehr gut aus, die Dekors sind stimmig, die Action passt – er soll ja auch keine Neuerungen bringen, sondern die klassischen Abenteuer fortsetzen.
Das ist gelungen: »Asterix in Lusitanien« ist sicher kein Meisterwerk und zählt nicht zu den besten Geschichten der Reihe – aber er bietet solide Unterhaltung, und man kann sich selbst bei nochmaliger Lektüre gut amüsieren. Was will ich mehr?
01 Dezember 2025
Ein letzter Funke Hoffnung
Die Handlung spitzt sich auf zwei Figuren zu: Ewa, die letzte Überlebende nach den Klimakriegen, und Artur, ein Roboter, der auf sie aufpasst und sie ständig damit nervt, dass er von ihr ein Passwort will. Als sie aber irgendwann vergisst, sich das neue Passwort zu merken, gerät Ewa in eine lebensbedrohliche Situation ...
Tatsächlich gibt es mit Ewa nur einen einzigen Menschen in diesem Film. Sie bewegt sich zumeist auf dem Plateau eines Berges, wo sie ein Lager unterhält, das der Roboter Artur bewach; ab und zu fährt sie in die nahegelegene Stadt, wo sie in den Regalen nach verwertbaren Dingen sucht. Ansonsten versucht sie erfolglos, Kommunikation zu anderen Menschen aufzunehmen.
Der Film lebt von seinen Bildern: die triste Existenz am Rand einer toten Gesellschaft, der unaufhörliche Wind, die quietschenden Geräusche des alten, aber immer noch bewaffneten Roboters. Der Film ist allerdings ein bisschen zu lang: Wäre er etwa eine Dreiviertelstunde lang, käme die erzählerische Wucht stärker; so zieht er sich in manchen Szenen doch sehr.
Es gibt ernsthafte Vergleiche mit dem Kinder-SF-Film »Wall-E«. Das ist Unsinn. »The Last Spark of Hope« hat zwar einen gewissen Sarkasmus, aber der ist grimmig und überhaupt nicht für Kinder geeignet. Das Ende ist auch sehr unlustig.
»The Last Spark of Hope« wurde für sehr wenig Geld produziert und hat deshalb seine Schwächen. Als dystopische Science Fiction vermag er in weiten Teilen zu überzeugen, die Pointe fand ich ein wenig schlapp. Wer eine Chance hat, diesen Science-Fiction-Film anzugucken, sollte es zumindest mal versuchen.
28 November 2025
Horror und Feminismus
Ein durchaus empfehlenswerter Podcast, der sich mit Literatur beschäftigt, kommt vom Deutschlandfunk und trägt den schönen Titel »Lesart«. Eigentlich ist es ja ein Bestandteil der Radiosendung, der hinterher als Podcast für Leute wie mich angeboten wird, die tagsüber selten Radio hören, im Auto aber gerne mal einem Podcast lauschen.
Eine der Folgen, die am 26. November angelegt wurden – »ausgestrahlt« stimmt ja nicht ganz –, trägt den Titel »Der Feminismus ist im Horrorgenre angekommen«. Der Moderator und ein Gast sprechen über das Thema, und die Unterhaltung ist wirklich interessant.
Man könnte kritisch einwenden, ob man zum Thema Feminismus unbedingt zwei Männer miteinander reden lassen musste – gab’s da keine Frau, die sich mit dem Thema ein bisschen beschäftigt? –, und die leichte Arroganz, die mitschwingt, wenn sich Literaturleute über Phantastik unterhalten, ist feststellbar, aber insgesamt fand ich die Sendung gut.
Die Podcast-Folge ist angenehm kurz, in nicht einmal sechs Minuten ist das Thema angerissen, und am Ende hatte ich den einen oder anderen neuen Literatur-Tipp. So muss das sein!
27 November 2025
Großmutter und die Wölfchen
An diesem Mittwochabend im Spätsommer 2004 war einiges anders: Bei schwülwarmem Wetter, das mir bei jeder Bewegung den Schweiß aus den Poren und ins T-Shirt trieb, bewegte ich meinen Körper zum Gutenbergplatz. Dass sich in meinem Schlepptau eine Reihe von Menschen aufhielt, die ebenso schwitzten, tröstete mich dabei nicht so arg.
Aber Micha hatte die Devise ausgegeben: »Auf dem Gutenbergplatz ist was los, da spielt eine Band, und das ist bestimmt lustig.« Sie musste es wissen, und sie war sehr überzeugend in dem, was sie sagte.
Ich hätte misstrauisch sein sollen: Eine Exil-Pfälzerin, die in einem Dorf außerhalb von Karlsruhe lebt, hat sicher andere Vorstellungen von Lustigkeit als ich ... Aber ich ging mit, und ich hatte die beste Absicht, mich bombig zu amüsieren.
Zwei Viertel pfälzischen Weißherbst, die ich mir schon ins Hirn geballert hatte, sorgten zudem für gute Laune. Bei der Temperatur sorgte auch ein leichter Wein dieser Sorte normalerweise für gute Laune.
Was ich nicht wusste, war die Tatsache, dass eine Bäckerei auf dem Gutenbergplatz ihr zehnjähriges Jubiläum feierte und in einem Anfall von klugem Marketing nicht nur sich selbst feiern wollte, sondern dazu alle Nachbarn einlud. Die Bäckerei mit dem hübschen Titel »Großmudder‘s« hatte es geschafft, den ganzen Platz in eine Party-Zone zu verwandeln.
In eine Party-Zone für fiftysomethings, um es genauer zu sagen. Unsere fröhliche Delegation senkte glatt den Altersdurchschnitt auf dem Gutenbergplatz, zumindest unter den Besuchern, die sich auf Bierbänken breitgemacht hatten oder begeistert jener Band zujubelte, die vor einem bunten Lieferwagen auf einer improvisierten flachen Bühne stand und wie wild rockte.
Die Band nannte sich Peter & The Wolves, und sie bestand aus vier Männern und einer Frau. Im Schnitt waren sie an die fünfzig Jahre alt, durchaus versiert auf ihren Instrumenten, also etwa auf dem Niveau einer durchschnittlichen Schülerband, und unter dem Jubel des Publikums war kaum zu vernehmen, dass viele Einsätze nicht stimmten, das sich Gitarre und Schlagzeug gelegentlich nicht überholten, sondern gegenseitig langsamer machten.
Immerhin schafften die fünf Leute auf der Bühne es, Stücke von den Rolling Stones und von AC/DC in einer Art zu spielen, dass sie von jedem wieder erkannt wurden, wenngleich manchmal arg augenzwinkernd und magenverrenkend. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder schreien sollte, während Manne bei jeder Gelegenheit einen neuen trockenen Spruch absonderte, der sich auf das mangelnde spielerische Können der Band bezog.
Punkrock ist nicht gerade die Musikrichtung, die dafür bekannt ist, filigrane Töne in die Welt zu spucken. Aber da wird eben musikalisches Unvermögen dadurch ausgeglichen, dass die Attitüde stimmt oder die Aussagen die knallige Musik ergänzen. Bei der Band auf der Bühne paarten sich musikalisches Unvermögen mit dem Anspruch, gut zu klingen und irgendwie wichtig zu sein. Zumindest kam es mir an diesem Abend so vor.
Weil ich mit der Musik und dem schunkelnden Publikum meine Probleme hatte, schüttete ich mir ein weiteres Viertel Wein in den Schlund, diesmal einen leichten Italiener, was bei den tropischen Temperaturen einen netten Effekt auslöste: Ich wurde noch alberner, als ich es wegen des bisherigen Trinkens schon gewesen war.
Leider reichte es nicht dazu, so richtigen Unfug zu treiben. Mein soziales Umfeld verschleppte mich tatsächlich ins Innere von »Großmudder's Bäckerei«, wo wir einen Platz am Fenster bekamen, mit gutem Blick auf die Band. Ich war schon angetrunken und hatte große Angst, die Fassung zu verlieren; also legte ich eine drastische Pause ein, blieb bei Apfelschorle und überlegte mir bereits, ob ich den Kopf auf den Tisch legen sollte.
Der Abend wurde noch skurril. Meine Begleiter fielen über den Kuchen her, den es in der Bäckerei gab. Abends um halb elf Uhr verspeisten sie Unmengen von süßem Zeugs und Kuchen, während ich mit schmerzenden Ohren auf den Gutenbergplatz schaute, Peter und seine Wolfbande abwechselnd verfluchte und verspottete und mir klarmachte, dass ich jetzt genau in dem Alter war, in dem man solche Veranstaltungen gefälligst gut zu finden hatte ...
(Der Text wurde im April 2005 in der Ausgabe 42 meines Egozines ENPUNKT veröffentlicht. Für diese Publikation wurde er noch einmal leicht bearbeitet. Mittlerweile bin ich so alt wie die Leute, die damals der Band zujubelten. Ich fände sie wahrscheinlich immer noch doof. Also die Band, nicht die Leute …)
26 November 2025
Ein Held der Pulp-Abenteuer
Das ist die Welt, die sich Leigh Brackett in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts ausdachte. Eric John Stark ist der Held dieser Abenteuer, die eine bizarre Mischung aus Science Fiction und Fantasy bilden. Sie wurden gelegentlich in Anthologien veröffentlicht, nun aber liegen die drei Novellen in einem Sammelband vor: »Schwelende Rebellion« erschien als schöne Ausgabe im Carcosa-Verlag. Die Texte wurden von Helmut W. Pesch neu übersetzt, der auch ein sachkundiges Nachwort beisteuerte.
Ich mag diese alte Science Fiction! Sie entspricht nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft, und sie war schon damals eher märchenhaft als an der »harten Physik« orientiert. Darum ging es Leigh Brackett offensichtlich auch nicht – hätte sie Hard-SF schreiben wollen, hätte sie das sicher gekonnt –, sondern ihr ging es um die Darstellung eines phantastischen Sonnensystems, das manchmal eher an die Schauplätze der klassischen »Conan«-Geschichten oder der epischen Fantasy wie in »Herr der Ringe« erinnert.
Farbige Beschreibungen, stimmungsvolle Einblicke, starke Szenen: Eric John Stark ist ein Außenseiter, der von allen auch so behandelt wird. Die Ureinwohner haben fremdartige Sitten, sehen aber weitestgehend menschlich aus; die Natur wird beeindruckend dargestellt.
»Schwelende Rebellion« ist eine Sammlung, die drei klassische Science-Fiction-Novellen enthält, die ich allesamt faszinierend fand. Schön, dass das das jetzt in einer kompletten und schön gemachten Ausgabe angeboten wird!
25 November 2025
Kein Fahrradjahr für mich
Es war die Hose, die ich zuletzt bei einer kleinen Radtour angezogen hatte. Diese Tour war bereits Wochen und Monate her. Als ich die Hose anschaute und mir überlegte, dass das Wetter eindeutig nicht mehr für kurze Hosen an der frischen Luft geeignet war, fiel mir ein, dass mein Fahrradjahr 2025 ziemlich depressiv verlaufen war.
Im vergangenen Jahr hatte ich eine »gute Ausrede«: Corona und als Folge eine Thrombose hatten zuverlässig dafür gesorgt, dass mir die Ärzte alle sportlichen Aktivitäten anfangs verboten und später nur eingeschränkt genehmigt hatten. Doch 2025? Da gab es solche Regeln nicht.
Und trotzdem hatte ich 2025 nicht viel geschafft: Ich war jeden Tag mit dem Rad unterwegs, aber eine Fahrt zum Bäcker oder ins Training konnte man kaum als Tour bezeichnen. So kam ich auf vielleicht ein Dutzend kurzer Touren, die zwischen einer Stunde und zwei Stunden gedauert hatten, aber nichts, das darüber hinaus ging. Ich war nicht in der Pfalz oder gar im Elsass, ich war nicht im Kraichgau, und ich fuhr keine Berge am Rand des Schwarzwalds hoch.
Als ich die kurze Hose in die Waschmaschine steckte, war mir das alles doch ein wenig peinlich. Kein gedanklicher Rückblick im Stolz also …
24 November 2025
Der Elefant fasziniert einfach
Man hörte die Maschinen, die den Elefanten antreiben, man sieht die Technik, und trotzdem ist es ein beeindruckendes Bild: Das mechanische Tier ist riesig, es bewegt sich wie ein echter Elefant, und das wirkt fast schon naturnah. Die Ohren bewegen sich, die Beine haben die korrekten Bewegungsabläufe, die Haut ist lederartig; das hat schon viel von einer natürlichen Anmutung.
Für die Kinder ist es ein riesiger Spaß. Man kann auf dem Elefanten reiten, was ich eher langweilig fand, man kann ihn aber auch von unten oder von erhöhten Punkten aus bestaunen. Wer sich dem Elefanten in den Weg stellt, wird nassgespritzt: Das mechanische Tier richtet den Rüssel entsprechend aus und spuckt Unmengen von Wasser. Auch das ist ein riesiger Spaß für die Kinder.
Die Erwachsenen sind zumeist damit beschäftigt, das Schauspiel zu filmen. Das tat ich nicht: Ich guckte mir den mechanischen Elefanten lieber an und ließ ihn an mir vorübergehen, schoss nur eine Handvoll Fotos. Für die nächsten Jahre möchte ich die Bilder schließlich in meinem Gedächtnis bewahren.
21 November 2025
Die Chaostage als Theater
Der Sommer 1995 ist mehr als dreißig Jahre her, der Begriff »Chaostage« gehört längst zum ganz normalen Wortschatz in Deutschland. Da finde ich es interessant, dass ein Theater-Kollektiv in Hannover, das sich als »MÜH« bezeichnet, ein Live-Hörspiel unter dem Titel »No Chaos No Future« vorbereitet hat – es wird an diesem Wochenende erstmals aufgeführt und wird bis in den Januar hinein auf verschiedenen Bühnen der Stadt gezeigt.
Die Macher*innen des Stücks sind allesamt jung; die meisten waren 1995 noch nicht einmal geboren. Für die ist das alles eine Vergangenheit, und sie versuchen, sie auf ihre Weise aufzubereiten. Man sprach mit Leuten, die damals auf der Straße dabei waren; beispielsweise wurde auch ich befragt. Was dabei heerausgekommen ist, kann ich nicht beurteilen – ich werde das Stück so schnell nicht anschauen können.
Was mir an dem Projekt aber schon gefällt: Es wurde nicht von den höchsten Höhen des Kulturgeschäfts herunter entwickelt, sondern die Macher*innen sprachen mit Leuten, um herauszufinden, ob es bei den Chaostagen 1995 überhaupt eine Wahrheit gibt oder nicht vielmehr zahlreiche Geschichten, die sich teilweise extrem widersprechen. Mal schauen, wie das ankommen wird …
20 November 2025
Getippt mit der Kofferschreibmaschine
Sogar das Inhaltsverzeichnis schrieb ich schlicht mit der Schreibmaschine, deren Farbband irgendwann ausgeleiert war und deren Typen nicht mehr sauber saßen. Anton Atzenhofer hatte ein schönes Bild gezeichnet, das ich sehr ansprechend fand – um dieses Bild herum schrieb ich meinen Text so, dass ich hinterher alles zusammenkleben konnte.
Das Heft selbst war übrigens ganz gut. Wenn ich es mir heute anschaue, gruselt es mich bei dem Layout zwar teilweise, aber ich finde die Inhalte immer noch gut. Die Grafiken waren auf ordentlichem Niveau, die Kurzgeschichten sowieso, dazu gab es Artikel und sogar Gedichte.
Eine gelungene Mischung – wenn man bedenkt, dass ich damals gerade mal 19 Jahre alt war, muss ich mich heute dafür nicht schämen.
19 November 2025
Von Einstein zu Higgs und zurück
Wie der Titel schon nahelegt, geht es um die Physik, wie sie sich ab dem späten 19. Jahrhundert entwickelt habt. Die beiden Autoren stellen beispielsweise die Wissenschaftler vor, die gewissermaßen die Vorarbeiten für Einstein geliefert hatten. Die klassische Formel steht im Zentrum des Buches – und ihr leiten die Autoren die moderne Physik ab. Am Ende landen sie beim Higgs-Feld und beim Higgs-Teilchen.
Das Buch wurde 2009 erstmals in Großbritannien veröffentlicht, die deutschsprachige Ausgabe ist von 2015 – seither gab es natürlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Aber dass diese fehlen, merkt ein Laie wie ich kaum ... Ernsthaft: Die neuesten Erkenntnisse sind vielleicht nicht drin, aber die Grundlagen sind ja geblieben, und die werden von den beiden Autoren gut vermittelt.
Was mir gefallen hat, ist die Tatsache, dass man spgar die Formeln erläutert, auf denen die aktuelle Physik beruht. Das kann durchaus ins Detail gehen, und ich stieg an mancher Stelle rasch aus, weil ich nicht folgen konnte: Während ich so etwas lese, kommt es mir komplett schlüssig vor; klappe ich aber das Buch zu und versuche mich zu erinnern, fehlt das frisch erworbene Wissen bereits wieder.
Weil das Buch in sich logisch aufgebaut ist – von den Anfängen bis zur aktuellen Zeit –, kann ich die moderne Physik für mich aber greifbar machen und bei Gelegenheit einzelne Passagen nachlesen.
Das Buch selbst ist nämlich sehr locker geschrieben. Der Ton ist der von Journalisten, die sich bemühen, ihr Wissen an einen Laien weiterzugeben, und nicht der von Wissenschaftlern, die sich an Studierende oder andere Wissenschaftler richten. Dadurch fühlt man sich als Leser ernst genommen und auch »abgeholt«, glaubt zumindest stets, die Gedankengänge der Autoren verstehen zu können.
Ein Sachbuch für Leute wie mich, die sich am Rand für diese Themen interessieren, nicht so richtig Bescheid wissen, gern aber mehr Ahnung haben möchten … Lohnt! (Erschien als Hardcover mit Schutzumschlag bei Kosmos; es gibt aber auch eine Taschenbuch- und eine E-Book-Version.)
18 November 2025
Zombies und andere Monster
Es lasen eine Autorin und zwei Autorin; das Thema war die phantastische Literatur im weitesten Sinn. Die Veranstaltung war nicht supergut besucht, was ich schade fand; einige Leute tummelten sich auf den Bierbänken, die man im Konzertraum aufgestellt hatte.
Den ersten Text las Simona Turini, die ich immerhin schon persönlich kannte. Ihre Zombie-Szenerie, die in Deutschland spielte, war voller schräger Dialoge und grober Anspielungen; man stelle sich eine Mixtur aus Horrorgeschichte und Popliteratur vor, die oftmals an den Grenzen des guten Geschmacks rüttelt.
M. H. Steinmetz war eher in Cyberpunk-Gefilden unterwegs. Bei seinem Text ging es um ein Ritual, in dem magische und Cyber-Elemente gleichermaßen eingesetzt werden; auch dieser Text war eher grob und sicher nicht für sensible Gemüter gedacht.
Den Abschluss bildete Torsten Scheib, der eine SF-Erzählung brachte, die in Ludwigshafen angesiedelt war, in einer nahen Zukunft zwar, aber doch fremdartig genug. Sogar das BASF-Werk spielte eine Rolle, was ich witzig fand.
Nachdem ich die Lesung erfolgreich hinter mich gebracht hatte, stand ich noch recht lang herum, trank Bier mit den Anwesenden und amüsierte mich bei wenig intellektuellen Gesprächen. Und irgendwann radelte ich durch die Nacht in die Innenstadt zurück – ein Abend mit Horror, Science Fiction und Bier also …
17 November 2025
Abgewürgt
Vorsichtig fuhr Fred weiter. Der Wildhüter war für unsere Tour verantwortlich. Der gebürtige Sambier sprach sehr gut Englisch, kam aus einem Dorf in der Nähe und hatte uns schon eine Reihe von phantastischen Eindrücken verschafft. Wir hatten dösende Löwen in der Savanne gesehen, waren hautnah an Giraffen und Büffeln vorbeigekommen, und nun rollten wir mitten durch den Wald.
Ich fühlte mich bei Fred sicher. Es war nicht meine erste Fahrt in einen afrikanischen Wald, aber ich hatte das Gefühl, es könnte die interessanteste sein. Fred kannte sich gut aus, und er vermochte es, uns die Faszination für seine Heimat zu vermitteln. Das Gewehr, das er mit sich führte, lag gut sichtbar an zwischen Steuer und Windschutzscheibe des offenen Geländewagens. Er hatte es noch nie benutzt, um ein Tier zu töten, wie er uns erzählt hatte; es war vor allem dazu gedacht, im Ernstfall in die Luft zu schießen.
Wir waren eine gemischte Gruppe: sechs dänische Mädchen, die zwischen 19 und 22 Jahren alt waren und vor allem abends ununterbrochen kicherten, ein holländisches Geschwisterpaar Ende der 20, die ich sehr mochte, und ich als Alleinreisender aus Deutschland, zu diesem Zeitpunkt schon Ende der 30. Wir kamen gut miteinander aus, Konflikte hatten wir bislang keine gehabt.
Sehr langsam fuhr Fred den holperigen Weg hinunter. Die Piste bestand aus roter Erde, die man festgestampft hatte. Rechts und links wuchs undurchdringlich wirkender Wald, über uns berührten sich die Äste und Zweige der Bäume. Ich kam mir vor wie in einem Tunnel aus grünen Blättern, in dem es ununterbrochen raschelte und zwitscherte. Überall waren Tiere, aber ich sah keines von ihnen.
Ich hatte meine Baseballkappe so aufgezogen, dass sie mir Sonnenschutz gab, ich aber trotzdem ins Gebüsch spähen konnte. Einmal glaubte ich, links eine Bewegung zu sehen, und wollte schon aufgeregt »hier!« rufen. Aber ich ließ es sein, weil ich nicht sicher war, was wirklich durch das Unterholz krabbelte.
Als der Geländewagen die Senke erreicht hatte, gab der Motor mit einem röchelnden Geräusch auf. Nichts ging mehr, wir standen mitten im Wald, und das Auto fuhr nicht weiter. Fred betätigte einmal den Anlasser; der Motor orgelte und gab seltsame Geräusche von sich, sprang aber nicht an.
Der Wildhüter blieb gelassen. »Das kann vorkommen«, sagte er ruhig. »Das Auto ist alt, und wir müssten den Motor dringend reparieren, aber es fehlen Ersatzteile.« Er lachte. »Ein bisschen anschieben, und dann geht alles wieder.«
Anschieben? Mitten im Wald? Ich rief mir in Erinnerung, wo wir uns aufhielten. Der South Luangwa Nationalpark in Sambia war ein Paradies für Tiere aller Art, und wir sahen sie ständig. Elefanten, Nilpferde und Affen lebten direkt neben den Zelten, in denen wir untergebracht waren. Und Leoparden galten als die gefährlichsten Raubtiere; ich hatte in diesem November 2001 noch keinen gesehen, rechnete aber ständig mit einer Begegnung. Aber so?
Die dänischen Mädchen waren still; sie waren enger zusammengerutscht und sahen sich um. Fred nickte dem Holländer und mir zu. »Das ist ein Job für euch zwei Männer«, sagte er. »Springt ab und schiebt den Wagen an; ich versuche ihn zu starten.«
Wahrscheinlich sahen wir ihn entsetzt an. Auf dem Fahrzeug fühlte ich mich sicher; auf dem Boden wäre das nicht mehr der Fall.
Fred lachte erneut. »Macht schnell!«, riet er. »Es wird ja nicht gleich ein Leopard aus dem Busch springen. Der beobachtet uns vielleicht, aber er greift nicht an. Also los – macht schon!«
Der Holländer sah mich an. Ich sah ihn an. Wir sahen beide nicht fröhlich aus in diesen Augenblicken. Dann nickten wir uns zu. Jeder sprang auf seiner Seite vom Wagen herunter; dann stellten wir uns hinter das Fahrzeug.
»Und los!«, rief Fred. Er löste die Handbremse, wie ich am knarrenden Geräusch vernahm.
Der Holländer und ich stemmten uns gegen die Rückseite des Geländewagens. Das verdammte Ding war ziemlich schwer und bewegte sich nur langsam über den unebenen Untergrund. Ich hatte anfangs das Gefühl, wir würden es gar nicht schaffen, aber dann ging es doch: Zuerst rollte das Fahrzeug ganz langsam, buchstäblich Zentimeter um Zentimeter, dann etwas schneller.
Mir lief der Schweiß über das ganze Gesicht, mein T-Shirt klebte am Körper. Immer wieder blickte ich nach rechts und zu dem Holländer, der ebenso schwitzte und angestrengt aussah, und immer wieder blickte ich nach links und in das undurchdringliche Dickicht des sambischen Urwalds. Tiere sah ich keine, die versteckten sich offenbar.
Mein Atem ging laut, er rasselte geradezu in meinen Ohren. Ich hörte keine Vögel mehr, deren Lärm sonst allgegenwärtig war. Mein ganzer Körper konzentrierte sich auf meine Arme, mit denen ich mich gegen das Fahrzeug stemmte.
Dann betätigte Fred den Anlasser, und gleich beim ersten Versucht klappte es: Der Motor sprang an, der Geländewagen rollte einige Meter aus eigener Kraft; langsam rollte er durch die Senke und steuerte den Hang an.
»Springt schon auf!«, rief Fred. »Ich kann jetzt nicht anhalten.«
Der Holländer und ich grinsten uns an, dann rannten wir los. So schnell war ich in meinem ganzen Leben noch nie auf einen Geländewagen geklettert.
Als ich saß, merkte ich, wie nassgeschwitzt ich war. Ich atmete tief durch und beruhigte mich. Es bestand ja keine Gefahr, machte ich mir klar; die Tiere hatten sich alle versteckt, und kein Leopard hätte uns angegriffen.
Aber etwas zu wissen und etwas zu spüren – das waren eben doch zwei ganz verschiedene Dinge.
14 November 2025
Ein Heft über Radio und Judenhass
Seit einiger Zeit gibt es neben den Büchern auch die sogenannten Maro-Hefte. Im Oktober erschien mit »Auf einer Wellenlänge« ein Heft, das besonders interessant war: Den Text schrieb Olaf Kistenmacher, die grafische Gestaltung übernahm Michaela Melián – trotz des künstlerischen Umfelds handelt es sich um eine hochpolitische Ausgabe, deren Lektüre ich für wichtig halte.
Kistenmacher erzählt die Geschichte des Mufti von Jerusalem, seine Verstrickungen in das Regime des sogenannten Dritten Reiches und das Radio Zeesen. Die Radiostation sendete ab Ende der dreißiger Jahre die Nazi-Propaganda in die Länder des Nahen und Mittleren Ostens. Ab 1941 war der Mufti von Jerusalem ein besonders prominenter Redner, der ununterbrochen seinen Hass auf Juden verbreiten konnte.
Der Hass auf Juden hatte sich schon 1929 in einem Pogrom entladen, bei dem im Mandatsgebiet Palästina zahlreiche Menschen getötet worden waren. Der Mufti konnte also auf Zustimmung rechnen. Am Kriegsende kam er übrigens ungeschoren davon und reiste nach Ägypten aus. Alles andere kann man eh den Geschichtsbüchern entnehmen.
Spannend fand ich, wie Kistenmacher die eigentlich bekannten Zusammenhänge zwischen den deutschen und islamistischen Judenhassern darstellt. Der Stil ist journalistisch, nicht reißerisch; es gibt zahlreiche Quellenverweise, damit man notfalls selbst nachlesen kann, was man an Ungeheuerlichkeiten vor sich hat.
Das Ganze ist 32 Seiten stark, die im A5-Format und auf sehr gutem Papier daherkommen, sogar einen Schutzumschlag aufweisen. Wir haben es also mit einem sowohl journalistisch als auch künstlerisch überzeugenden Produkt zu tun. Zu bestellen ist es über die Internet-Seite des Maro-Verlags.
13 November 2025
Lenin auf einer Platte
Als ich sie aber vor einigen Jahren im »P8« vor einem frenetisch feiernden Publikum sah, fand ich sie großartig und kaufte mir einige Tonträger nach. Einer davon trägt den schönen Titel »Lenin« und ist typisch für die Musik und die Texte, die die Band in den Nuller-Jahren machte; veröffentlicht wurde die Platte im Jahr 2006.
Hits sind das keine, von Funpunk ist man meilenweit entfernt, und niemand würde diesen Sound ernsthaft als Punkrock betrachten. Und doch sind die Stücke auf »Lenin« auf ihre Art sehr wohl punkig. Wenn man ein wenig um die Ecke denkt und eine Punk-Definition aus den späten 70er-Jahren benutzt, versteht sich …
Die Texte sind sehr politisch, sie erzählen vom aktuellen Wahnsinn in deutschen Städten, sie sind auch extrem sarkastisch. »Schmeißt keine Schäferhunde aus dem Fenster« – auf so einen Satz muss man erst einmal kommen. Hier waren kluge Leute am Werk, die sich schlaue Aussagen ausdachten und in Texte packten. Dank des Textblatts kann man sich die auch noch einmal durchlesen und sich an einer Interpretation versuchen.
Und die Musik? Der Sound ist sperrig, die Texte werden auch mal als Sprechgesang ins Mikro gerotzt. Das ist nicht für den fröhlichen Pogo-Mob gedacht und manchmal eher dafür, dass man ein bisschen innehält und nachdenkt.
Manchmal wird es ein wenig elektronisch, manchmal geht es in Richtung Noise-Rock, dann wieder klingt es wie der Post-Punk der späten 70er-Jahre. Es ist keine Musik, die sich dem Publikum anbiedern möchte (und auf diese Weise wurde natürlich eben auch ein Publikum gefunden …).
Ich werde wohl älter. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte ich das blöd gefunden. Heute sage ich: gute Platte, durchaus!
12 November 2025
Ein Kneipenabend als Punk-Roman
Okay, das klingt jetzt eher negativ; ich versuch's andersherum. Der Autor Jörg Ingenpaß, der bereits auf einige Veröffentlichungen zurückblickt – unter anderem bei BOD, wenn ich es richtig gesehen habe –, veröffentlichte mit »Geschäftsschluss« einen Roman, der viel über Punk aussagt und ohne jegliche Action auskommt. Zum Ausgleich packt er ein echt großes Thema an: Einer der Protagonisten des Romans hat Krebs und weiß, dass er bald sterben wird; deshalb sitzt er mit den Leuten seiner kleinen Punk-Plattenfirmen zusammen.
In den Gesprächen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln präsentiert werden, geht's um Punk und die Geschichte der einzelnen Figuren. Der Autor erzählt vom Aufstieg einer kleinen Plattenfirma, die auch bescheuerte Vermarktungstricks macht – »die abgefahrene Platte« etwa –, um sich über Wasser zu halten. Nun aber wird die Firma geschlossen – das ist folgerichtig, wenn der Gründer und Betreiber bald an Krebs sterben wird.
Der Autor charakterisiert die Figuren sehr klar; sie sind alle höchst unterschiedlich, was dazu führt, dass sie sich auch mal streiten – damit sorgt Ingenpaß für Spannung. Ich fand das unterhaltsam und mitreißend. Für Leute, die gern Punkrock hören, ist das sicher ebenso lesenswert wie für Menschen, deren Wege einmal die Deutschpunk im weitesten Sinn gekreuzt haben ...
Erschienen ist »Geschäftsschluss« als ein schön gestalteter Hardcover-Band im Hirnkost-Verlag; es gibt auch eine E-Book-Version. Einige Informationen dazu bietet die Internet-Seite des Verlags.
11 November 2025
Der Hype um die Zimtschnecke
Das ist lange her, und die Erinnerung der Kindheit wird so langsam überspült von dem, was in den meisten deutschen Bäckereien als Schneckennudel angeboten wird. Das sind oft irgendwelche Backwaren, auf denen gefühlt ein halbes Pfund Zuckerguss lagert und die nicht ansatzweise so schmecken wie die Schneckennudeln meiner Kindheit.
Seit einiger Zeit aber gibt es hierzulande eine andere Art von Backgerichten; sie erinnert entfernt an die Schneckennudel meiner Mutter, heißt aber anders. Gemeint sind die Zimtschnecken, die es mittlerweile in immer mehr Bäckereien gibt. Ihr Teig ist luftiger, die Zimtdosis ist hoch. Sie schmecken anders als die meiner Mutter, aber sie sind auf ihre Art sehr lecker.
Interessant finde ich: Vor fünf, sechs Jahren noch waren mir diese Zimtschnecken unbekannt. Entweder nahm ich sie nicht wahr, was ja durchaus sein kann, oder sie haben sich erst im Zuge der neuen »Hygge«-Welle durchgesetzt. Sie kommen mir vor wie so ein überraschend aufgetauchter Superheld, der mich immer wieder neu beeindruckt – ich prüfe gern in fremden Bäckereien, was die an »Cinnamons« anzubieten haben.
Kann es sein, dass ich einem Hype aufgesessen bin, dass ich gar bei einem Hype mitmache? Wenn diese Art von Zimtschnecken ein neuer Trend oder Hype sind, ist mir das aber egal: Ich finde sie lecker, und ich freue mich stets, wenn ich davon besonders gute bekomme ...
Endlich mal ein Hype für mich!























