Ich gestehe, dass ich das albern fand. Und ich fand, dass die deutsche Sprache von den »Innen«, wie man damals spottete, verunstaltet werde. Ich fand anfangs der 80er-Jahre auch die Versuche, mit Quoten mehr Frauen in politische Ämter zu bringen, ziemlich blöd. Ich war ein junger Mann – und die Zeit war damals offenbar noch nicht reif genug.
Wir schreiben das Jahr 2021, und viel hat sich seitdem nicht geändert. Wenn es ein Thema gibt, mit dem man – ohne weitere Probleme – ganze Menschenmassen aufstöbern kann, ist es offenbar das »Gendern«. Und zwar überall.
Schreibe ich »Autor*innen« oder »Autor/innen« oder »AutorInnen« in einem meiner offiziellen Texte, bekomme ich prompt Leserzuschriften – da melden sich Menschen, von denen habe ich noch nie zuvor gehört. (Bei manchen liegt der Verdacht eh nahe, dass es Spammer sind und keine Leser der Serie, für die ich arbeite.)
Dabei verstehe ich die ganze Aufregung nicht. Wer mag, kann ja weiterhin nur die männliche Form benutzen. Er oder sie bekommt dafür ja dann glatt noch Beifall, weil er oder sie so selbstbewusst oder gar rebellisch ist. Ich habe noch niemand dafür angegriffen, dass er nur die männliche Form benutzt. Das Risiko ist also eher gering ...
Im übrigen »gendere« ich selbst nicht die ganze Zeit. Nach wie vor finde ich die Sprachformen nicht unbedingt geschickt, die sich dabei ergeben. Deshalb schreibe ich immer mal wieder von »Autorinnen und Autoren« oder »Leserinnen und Lesern«, aber eben nicht durchgängig. Es geht darum, und das habe ich schon vor vierzig Jahren kapiert, dass Sprache halt etwas damit zu tun hat, was man wie sichtbar macht.
Manchmal täte weniger Aufregung echt gut. Wobei es eh klar ist, wem eine »Gendergaga«-Diskussion nutzt: nicht der korrekten Rechtschreibung, sondern den Kameraden von Rechtsaußen, die nun wieder ein Thema gefunden haben, mit denen sie die »bürgerlichen Menschen« für ihre Propaganda einspannen können. Das wissen hoffentlich auch die, die sich gerade so über das Gendern echauffieren ...
6 Kommentare:
Schade, dass man nicht zugleich Linker und Freund der deutschen Sprache sein kann. Ich finde es schrecklich, dass die Benutzung von Sprache zu einem politischen Ausdruck gemacht wird, nur weil man den Unterschied zwischen Genus und Sexus nicht wegwischen will.
Das Problem sind die Genderfans in den Bereichen, in denen die Gegner des Genderns unterdrückt werden. Lehrkörper an Unis und Schulen werden diskriminiert, wenn sie sich dem Genderwahn verweigern. Immer mehr Städte gehen dazu über, das Gendern vorzuschreiben (!); wer sich dem verschließt, hat verloren. In Zürich hat eine Stadtabgeordnete (vom Volke gewählt!) gerichtlich durchsetzen müssen, dass ihr erlaubt wird, ihre Einlassungen ungegendert zu formulieren. An einer österreichischen Uni (ich bin nicht sicher, ich glaube, es war in Wien) wurde eine Professorin aufgrund ihrer Weigerung zu gendern vom Unterrichtsbetrieb ausgeschlossen.
Das Problem sind nicht die Menschen, die sich - IMHO zu Recht - über das Gendern aufregen. Das eigentliche Problem sind die Genderfaschisten.
Und man erreicht mit dem Gendern nicht das, was immer behauptet wird: Gleichberechtigung. Schönes Zitat dazu: https://www.beckinsale.de/archive/5062. Und das Gendern im Text erreicht vor allem eines: sinkende Lesbarkeit des Schrifttums. Und Genderer gendern völlig unkritisch. Da hatte ich letztens ein Buch in der Mache (Lektorat, Korrektorat), in dem ständig Personenkreise gegendert wurden, die das Buch - weil intern - niemals zu Gesicht bekommen werden.
Ich finde, auch bei diesem Thema gilt: "Wehret den Anfängen!" Wir befinden uns mitten in einem tödlichen Rennen, in dem nur die Frage ist, wer die deutsche Sprache schneller zerstört: die Genderer, die Streichkulturisten oder die Anglizimusoberflächler.
Ach, und noch etwas: Das Gendern diskriminiert. Nicht nur Frauen werden nicht gleichberechtigter - die heute als sprachlich relevant erkannten "Diversen" werden völlig ignoriert. Wenn die Pseudofeministen argumentieren, das generische Maskulinum würde Frauen als nicht existent proklamieren, dann würde mich interessieren, was der Genderunfug für die anderen bewirken möchte. Ich gehe eher davon aus, dass Gendern nicht "pro Frau", sondern "kontra Divers" gedacht ist. Faschismus, Rassismus, Speziesismus.
Viele der von My. genannten Argumente kenne ich natürlich, und die Auswüchse des Genderns halte ich auch für überzogen. (Wenn AntifaschistInnen gegen Faschisten demonstrieren, finde ich es sogar witzig. Als ob es keine weiblichen Faschisten und Nazis gäbe.) Ich halte den Kampf gegen das Gendern trotzdem für überzogen und unterm Strich sogar für kontraproduktiv. Sinnvoll ist es m.E., einen halbwegs vertretbare Methode für sich zu finden ...
Wie erkennt man einen Veganer?
Er sagts dir......
Ich frage mich ernsthaft warum nicht einfach alles auf die weibliche Form umgestellt wird? Denn letztlich ist es doch völlig wurscht.
Herr, Frau, neuerdings auch Beliebig ... warum nicht einfach "Mensch"?
@My:
"Genderwahn" und "Genderfaschisten" - gehts ne Nummer kleiner? Gendern ist übrigens sowohl pro Frau, als auch pro divers gedacht.
Ja. Es kann davon gehalten werden, was jemand will, m. E. hat das auch mit Gewöhnung zu tun. Meine Lieblingsanekdote dazu: Vor nicht allzu langer Zeit wurde mal ein Gesetzestext in generischem Femininum geschrieben. Fand ich ne prima Idee, aber noch besser gefiel mir das Geplärre der Herren, die das dann für verfassungswidrig hielten und der Text dann in gewohnt männlicher Form erst durchgehen konnte. Spätestens das war für mich der Beweis, dass die "Genderwahnsinnigen" gar nicht so falsch liegen mit dem Pochen auf den */_Innen. Und wenn ich sehe, von woher die lauteste Kritik kommt, gendere ich umso lieber ;-)
Schöne Grüße
Andreas
(https://www.tagesschau.de/inland/streit-gesetzestext-weibliche-form-101.html)
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