10 März 2019

Warum ich kein guter Amerikaner sein konnte

Ich ging ins »Long Beach Cafe«, das sich gleich um die Ecke des Motels befand, in dem ich mich einquartiert hatte. Ich musste nur eine Gasse durchqueren, in der sich der Unrat in verborgenen Winkeln sammelte, dann über einen Parkplatz gehen, und ich war da. Die Einrichtung des Cafés erwies sich als eine Orgie in Grün: grüne Lederpolster auf den Bänken, viel Grün an den Wänden, eine grün gestaltete Speisekarte.

Die Werbung versprach »giant omelettes«. Nach nach dem sportlichen Vortag, an dem ich mit dem Rad durch die Gegend gefahren und lange spazieren gegangen war, fühlte ich mich hungrig und wie abgemagert. Also bestellte ich nach kurzem Überlegen ein Veggie Omelette; das sollte reichen.

Während ich auf das Essen wartete und meinen Kaffee trank, dessen Tasse ständig nachgefüllt wurde, betrachtete ich das Publikum. Viele Geschäftsleute hatten sich eingefunden, Männer in Anzug und Krawatte und Frauen in Business-Kostümen. Andere Leute sahen aus wie Vertreter, die eine Nacht im Motel verbracht hatten, oder eben Handwerker, die sich auf den nächsten Einsatz vorbereitet hatten. Sie alle aßen und tranken in rasantem Tempo.

Als das Essen kam, war ich erst einmal völlig irritiert. Allein das Omelette war so groß, dass ich es kaum schaffte; es hätte für zwei Personen locker gereicht. Dazu kamen Unmengen von Bratkartoffeln, die ebenfalls eine komplette Mahlzeit ergeben würden; die Leute im Café meine Pfanne zu Hause bis an den Rand gefüllt.

Dazu wurden mir noch zwei Toastbrote gereicht. Völlig verstört blickte ich auf den riesigen Berg von Essen, bevor ich vom Eiswasser trank und loslegte.

Ich wurde von meinen Eltern dazu erzogen, meinen Teller leerzuessen und mir nicht mehr zu bestellen, als ich essen könne. Bis heute ist es mir ein Greuel, Nahrungsmittel wegzuwerfen, und ich vermeide das, wo ich nur kann.

An diesem Tag ging es nicht anders. Ich sah Leute, die ebenfalls nur die Hälfte ihre Mahlzeit schafften, andere aber futterten alles.

Viel Zeit zum Zuschauen hatte ich nicht, weil ich mit dem Essen beschäftigt war. Die Kellnerin kam auch kurz danach, fragte schnell, ob denn alles in Ordnung sei und ob ich noch mehr wolle. Als ich verneinte, schmiss sie mir auch schon die Rechnung auf den Tisch und rauschte davon.

Von wegen Dienstleistungsgesellschaft Amerika, dachte ich und schaute dem anderen Kellner zu, der am Nachbartisch in etwa drei Sekunden die Fläche abwischte und dann zwei Servietten sowie eine Besteck-Garnitur hinpfefferte. Schnell waren sie ja, das musste man ihnen lassen.

Ich allerdings nicht. Schamhaft aß ich das Omelette, hatte noch Stunden danach ein fürchterliches Füllegefühl, futterte einige der Kartoffeln, ließ den Toast unberührt stehen, und dann verließ ich das Long Beach Cafe in einem schwankenden Gang, als hätte ich auf einen Schlag sechs Kilogramm Fett mehr auf dem Körper.

Es hätte für drei Leute meiner Statur gereicht. Mindestens. Und mir war hinterher einiges klarer, woher denn die Dickleibigkeit gewisser Amerikaner kam.

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