07 April 2016

Die Zukunft in der Hand?

»Wir sind doch alle fasziniert und begeistert von diesen kleinen Geräten«, sagte die Frau in dem eleganten Kostüm und hielt ihr Smartphone in die Höhe. »Und eigentlich können wir nicht ohne sie leben.«

»Ich kann das sehr gut«, gab ich zurück. »Mein Handy ist mehr als zehn Jahre alt, und ich benutze es nur in Notfällen. Ein Smartphone besitze ich erst gar nicht.«

Sie sah mich fassungslos an. Wir saßen in den Räumlichkeiten einer Agentur, die anscheinend gut Geld verdiente. Alles sah sehr ordentlich aus, der Erfolg strahlte aus allen Ritzen. Die Frau, mit der ich sprach, war jünger als ich, aber sie hatte die vierzig schon überschritten, war alles andere als ein Teenager oder »Digital Native«.

»Aber Sie sind doch Science-Fiction-Redakteur«, sagte sie dann. »Sie müssen doch ein solches Smartphone haben, sie müssen auf dem Laufenden sein, solche Geräte sind Science Fiction. Man muss doch mit den Entwicklungen laufend Schritt halten.«

Ich erklärte ihr, dass ein Smartphone mitnichten Science Fiction oder gar Zukunft sei. »Die Dinger sind Gegenwart, die sind schon da. Sie waren vor zwanzig Jahren noch Science Fiction.« Und ich sei sehr froh, wenn ich in meiner Freizeit aus dem dauernden Termindruck und aus der Informationsflut so weit aussteigen könne, wie ich es für mich gut befinde.

Sie verstand mich nicht. Wir verstanden einander nicht. Sie stellte dar, wofür sie ihr Smartphone benötigte. Ich stellte fest, dass mich das alles auf einer theoretischen Basis interessierte, dass ich das aber für mein Leben nicht brauchte. Ich sagte ihr nicht, dass ich sehr wohl mit dem Gedanken spielte, mir ein Smartphone zu kaufen – vor allem deshalb, weil sich mein Handy in seine Bestandteile auflöste.

Wir trennten uns in beidseitiger Irritation. Parallelgesellschaften ... überall!

4 Kommentare:

J. hat gesagt…

Du wirst es nicht vorstellen können, aber auch Smartphones kann man ausschalten. Und auf den Dingern kann man Emails lesen, muss man aber nicht. Wenn man will (oder auf dem Land wohnt) dann hat man auch nicht ständig Internet oder nur sehr rudimentär. Surf mal mit Edge.....

Aber auf den Dingern kann man dafür schon sehen, dass die Ansage "Die S-Bahn hat voraussichtlich 5 Minuten Verspätung", die gerade über den Bahnsteig schallt (wenn sie überhaupt was ansagen) leider nicht stimmen wird, da man auf seiner DB-App bereits 15 angezeigt bekommt. UNd meist gewinnt die App, bzw. wird per Durchsage nachgebessert.

Kurz gesagt, es ist wie immer im Leben, es kommt darauf an was du daraus machst. Das Smartphone zwingt dich zu nichts, es tut nur was du von ihm willst.

Jim hat gesagt…

Ich habe seit einem halben Jahr ein Smartphone. Als mein letztes normales Handy den Geist aufgab, kam ich dann auch nicht mehr daran vorbei. Und die Sucht hat mich schnell erfasst. Manchmal sehne ich mich zurück in die Vorsmartphonezeit.

Christina hat gesagt…

Ich besitze auch kein Smartphone rein aus Überzeugung. Ich fürchte nur, dass wir nicht umhinkommen, uns eines anzuschaffen. Inzwischen braucht man für alles mögliche so ein Ding und sei es nur, um in München ein Fahrrad auszuleihen.
http://www.christina-hacker.de/2015/12/die-zeit-der-lebenden-smombies/

Anonym hat gesagt…

Hi,

ich schätze es sehr, dass mein Smartphone mir im Café bekannt gibt, wann der Tee genug gezogen hat. So schmeckt er besser und man könnte sagen: richtig angewendet dient so ein Ding der Entschleunigung ;-)

LG

Uwe