19 Juni 2009

Kopieren, klauen und die Moral

»Wissen muss befreit werden und nicht etwa weggesperrt, wie das die Urberrechtsverteidiger immer fordern.« Das schreibt Manfred in einem Kommentar zu einem Kommentar von meinerseits in diesem Blog. Es geht um das leidige Urheberrecht.

Da nehme ich eine konservative Grundstellung ein, was vielleicht damit zu tun hat, dass ich meine Kohle damit verdiene, dass ich »geistiges Eigentum« selbst erstelle und im Verlag auch publiziere. Wieviel Geld und Aufwand da bewegt werden muß, bis ein lesenswerter Roman auf den Markt kommt, kann sich wohl nur jemand vorstellen, der das selbst schon mal gemacht hat.

Werden die dabei entstandenen Produkte dann illegal kopiert und verbreitet, ist das schlicht Diebstahl. Jeder andere Begriff ist ein Euphemismus. Auch eine Kopie ist in diesem Fall Diebstahl, so nett das gemeint sein mag. (Mir geht's da im übrigen nicht um die legendären Privatkopien; schon klar, wie das gemeint ist. Aber wer sich Dateien vom »Esel« oder bei einer obskuren russischen Seite oder bei einer Torrent-Seite oder sonstwo besorgt, der stiehlt. Der begeht Diebstahl an einem Autor.)

Daß das Urheberrecht dann weiterhin bei den Autoren und Künstlern liegt, ist ja schön. Es dürfte die aber wenig begeistern, wenn diese Urheber erfahren, daß viele Leute ihre Bücher toll finden, aber dafür keinen Cent bezahlt haben. Und was im Musikbereich geht – nämlich einfach viel Kohle durch Live-Auftritte verdienen, um damit die Rückgänge im Plattengeschäft auszugleichen –, ist in der Buchbranche schlicht nicht möglich.

Autoren schreiben lange an einem Buch; sie werden in dieser Zeit nicht – wie beispielsweise ein Uni-Professor, der ein Sachbuch verfaßt – von jemandem finanziert. Der Verlag druckt das Buch, steckt vorher viel Arbeit und Geld in Lektorat, Korrektorat etc.pp., das ist ein großes Risiko. Da ist es dann auch vernünftig, dafür Geld zu nehmen und andererseits dafür zu bezahlen.

Wer hier von »freier Kultur« und »Open Source« faselt, hat einiges falsch verstanden. Und er verwechselt möglicherweise Hobby und Beruf.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Faseln und einiges nicht verstehen tust in diesem Zusammenhang eher du.

In der zitierten Passage (Originalzitat: "Urheberrecht heute ist fast nur noch eines: Urheberverwertungsrecht. Es liegt aber meist gar nicht in der Hand des Urhebers, sondern eben in den Händen von Verwertern. Das Urheberrecht i.e.S. ist nicht im geringsten in Gefahr! Lediglich das Urheberverwertungsrecht ist unter Druck. Und wie ich finde: mit Recht!") geht es nicht um das Urheberrecht, sondern um das Urheberverwertungsrecht. Das sind schonmal zwei verschiedene paar Schuhe.

Dieses Zusammenwürfeln von Sachen, die nicht wirklich zusammengehören (Was hat denn z.B. Open Source mit dem Verlagsbereich zu tun? Wahrscheinlich meinst Du eher Open Access?) ist leider symptomatisch in der ganzen Diskussion. Man kann sich ja noch glücklich schätzen, daß nicht gleich noch Google Books mit in den Topf geworfen und den Heidelberger Appell mitgezeichnet hast.

Momentan ist es so, daß die Verwertungsrechteinhaber und hier im speziellen die großen Wissenschaftsverlage wie Elsevier massiven Schindluder mit eben diesen Verwertungsrechten betrieben haben und aktuell betreiben, weswegen gerade aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft die Forderung nach Befreiung dieses Wissens kommt. Und ich kann mich dem zitierten Kommentator nur anschließen: Zu Recht! Und dabei verwechsle ich nicht Hobby und Beruf, wie du schnöselig unterstellst, sondern fordere dies gerade deswegen, weil mich die Monopolisierung des Wissens tagtäglich bei meiner Arbeit behindert. (Von der moralischen Seite, Wissen zu kommerzialisieren will ich gar nicht erst anfangen, auch wenn es laut Überschrift ja auch um Moral geht.)

Bei der Diskussion um das Urheberrecht bzw. die Verwerterrechte geht es zu allerletzt um irgendwelche Autoren, die ihre Bücher in irgendwelchen Verlagen veröffentlichen wollen. Das wird leider immer wieder (bewußt?) falsch dargestellt. Daß für eine derartige Leistung auch eine gerechte Bezahlung berechtigt ist, bestreitet niemand. Allerdings müssen sich auch Schriftsteller an den technischen Fortschritt anpassen, da die bisherige Rechtslage auf das analoge Zeitalter zugeschnitten ist und den digitalen Möglichkeiten (wie man ja sieht) nicht gewachsen ist. Eine Kulturflatrate wäre hier bspw. eine angedachte Lösung für diese Diskrepanz.

Ich finde es sehr schade, solchen reaktionären, unreflektierten und uninformierten Stuss im Enpunkt zu lesen (und sei es nur in der digitalen Ausgabe).

Thea hat gesagt…

Anonym,

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Deine Partei und ihr Programm wäre mir sympathischer, wenn du auf die Argumentation des obigen Posts ordentlich eingehen würdest.
So, wie die Urheberrechtsfrage im Parteiprogramm auf der Haupt-Website dargestellt wird, fürchte auch ich kleines Licht um meine Existenzgrundlage, bin ich doch Autor und Textilkünstler. Wobei ich als Textilkünstler ja noch den Vorteil habe, dass meine Werke nicht mal eben einfach reproduziert werden können - meine Schriften aber schon, und die wären dann ja nicht mehr verkäuflich, da frei kopierbar. Dann muss ich eben mehr weben und weniger schreiben.
Ich schliesse mich da Klaus Frick an: Hobbyisten können ihre Werke verschenken, aber als Berufs-Künstler muss man von seinem Beruf leben können dürfen.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

MartinM hat gesagt…

Ich muss gestehen, dass ich in diesem Punkt zwischen den Stühlen sitze.

Vom "Heidelberger Apell" z. B. halte ich nichts, weil darin so verschiedene Modelle wie "Google-Books" (von dem ich gar nichts halte) und "Open Access" als eine sehr brauchbares und gegenüber den herkömmlichen Fachzeitschriften günstiges Publikationsmöglichkeit für Forschungsergebnisse sozusagen in einem Atemzug genannt werden.

Noch ganz anders sieht es im Bereich der Unterhaltungsliteratur aus. Es gibt, wie Du richtig anmerkst, praktisch kein Modell, an mit einem Roman Geld zu verdienen, als ihn zu verkaufen - als gebundenes Buch oder als E-Book ist dabei zweitrangig. Und zum Verkauf bin ich, da mein Tag auch nur 24 Stunden hat und ich nur wenig vom Verlagswesen verstehe, auf Verlage und evtl. literarische Agenten angewiesen.

Nun ist es aber so, dass, wie Du irgendwann mal erzähltest (und was mir von meiner literarischen Agentin auch bestätigt wurde) - es gibt kaum (noch?) "echte" Profi-Autoren unter den deutschen Unterhaltungsschriftstellern. Die meisten haben einen "Brotberuf", von dem sie ihre Miete und ihr Essen bezahlen, und für viele (so auch mich) lohnt sich die Arbeit nur unter dem Aspekt, sie als Hobby zu sehen - wenn ein bisschen Honorar oder ein paar Tantiemen ´reinkommen, ist das eine nette Zugabe, mehr nicht.
Da führt in der Tat zu einer "Scheißegal"-Haltung gegenüber dem (eigenen) Urheberrecht. Die Haltung eines Amateurs, da hast Du schon recht.

Im meinem Fall sind, speziell bezogen auf "Perry Rhodan", die "reinen Hobbysachen" besonders problematisch: Mir persönlich ist zwar herzlich egal, wenn jemand die PR-Fanromane, die ich mal verbrochen habe, kopiert, aber ich habe ja die Rechte auf das PR-Universum nicht - im Grunde waren die Fanromane (von denen Du einige gelesen und besprochen hast) "geduldete Urheberrechtsverletzung". Solange die Dinger in einer Mini-Auflage als Fanzine erschienen, war das auch kein Thema, vermute ich, jedenfalls bin ich nie wegen Rechteverletzung angemahnt oder nur ermahnt worden. Heute kann es passieren, dass meine Fan-Romane irgendwo auf einem russischen Server liegen (wo ich sie nicht ´reingestellt habe. U. U. kann in diesem Fall durch Duldung von Raubkopien in Mithaftung genommen werden.
Unten diesen Gesichtspunkten denke ich mir oft: es war keine gute Idee, Fan-Fiction zu schreiben.

Grundsätzlich hege ich große Symphathien für die "Piratenpartei", trotz ihrer nicht ganz ausgegorenen Position zu Urheber- und Verwertungsrechte. Mir ist aber klar, dass ich damit Positionen unterstütze, die unter Umständen meinen eigenen Interessen zuwider laufen. Ich weiß nicht, ob ich die "Piraten" auch dann noch unterstützen würde, wenn ich meine Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Romanen bestreiten würde. Eigentlich ein schwaches Bild, dass meine politische Haltung so an materiellen Eigeninteressen hängt ...

Manfred hat gesagt…

He, Klaus, Danke für's Aufgreifen :-)

Noch etwas zur Klarstellung des Begriffs "geistiges Eigentum". Geistiges Eigentum gibt es nicht! Zu keinem Zeitpunkt! Das Urheberrecht stellt ein Entgegenkommen der Allgemeinheit gegenüber Autoren (und 70 Jahre über ihren Tod hinaus ihren Nachkommen) dar, ihnen ein Alleinverwertungsrecht über eine prinzipiell freie Sache zu gewähren, um Geistesarbeitern ein Einkommen aus ihrem immateriellen Produkt zu ermöglichen, weil es, wie Du richtig schreibst, anders gar nicht möglich ist - unter den herrschenden Verhältnissen natürlich nur. Eigentumsverhältnisse gegenüber dieser Sache werden Autoren allerdings niemals zugestanden! 70 Jahre nach ihrem Tod schließlich erlischt dieses spezielle Alleinverwertungsrecht und die Idee wird - entsprechend ihrer prinzipiellen Gemeinfreiheit - endgültig und wahrhaftig gemeinfrei.

Selbst wenn man diese weitestgehende These nicht hinnehmen mag, so ist das Urheberrecht immer noch ein explizites Versprechen der Allgemeinheit gegenüber, dass Autoren spätestens 70 Jahre nach ihrem Tod auf jeden Anspruch aus dem individuell geschaffenen Geisteswerk verzichten wollen.

Manfred hat gesagt…

So, das war natürlich nur die erste Hälfte. Den anderen Aspekt hatte ich mit den "herrschenden Verhältnissen" schon angesprochen; er soll hiermit vertieft werden.

Die Unterstellung, dass jemand (im Zusammenhang mit freier Kultur und Open Source) Hobby und Beruf verwechseln könnte, entspricht einem Diskurs-Typus, der heute leider immer selbstverständlicher wird, obwohl er uns weiter von der Aufklärung wegführt, statt zu ihr hin. Man nennt dies Realpolitik. Das Phänomen: Lösungsansätze werden nur noch innerhalb eines Korridors von rechtlich geltenden Normen und Konventionen gesucht. Dass Realpolitik nicht der richtige Weg sein kann, erkennt man schon daran, dass die der Realpolitik innewohnende Dynamik diesen Korridor im Laufe der Zeit immer weiter einengt. (Gerade wieder gut abzulesen am spickmich.de-Urteil des BGH, siehe bei SPIEGEL Online!)

Realpolitik kann also nicht zum Ziel führen. Es gibt aber auch ein grundsätzliches Argument gegen diese Verhaltensweise: Realpolitik ist nicht vergesellschaftet. Da Realpolitik von einem festen System ausgeht, ist sie blind für alle Systemänderungen und erst recht für den Systemwechsel. Realpolitik ist damit wie eine naturwissenschaftliche Methode, die unter Ausnutzung bestimmter Naturgesetze zu reproduzierbaren, Theorien verifizierenden oder falsifizierenden Ergebnissen führt. Die Gesetze und Regeln der Gesellschaft sind aber vergesellschaftet - Menschenwerk! - und ändern sich mit der Gesellschaft. Die Legislative hat einen Einfluss darauf und kann die Gesetze und Normen geänderten Verhaltensweisen anpassen, die bestehenden Verhältnisse also selbst ergänzen oder neu gestalten. Dies muss in der Politik berücksichtigt werden!

Im Fall des Urheberrechts wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Autoren doch von etwas leben müssten - gerade so, als müsste man die Geistesarbeiter, die üblicherweise die Argumente gegen das Urheber(verwertungs)recht anbringen, über solche Trivialitäten aufklären *kicher* Dabei gibt es mit der Kulturflatrate und dem bedingungslosen Grundeinkommen gleich zwei große Konzepte, mit denen beides gesichert wäre: das Auskommen der Autoren und die Freiheit des Wissens, die eine Bedingung für die Entstehung der Wissensgesellschaft ist.

Anonym hat gesagt…

Noch etwas zur Klarstellung des Begriffs "Eigentum". Eigentum gibt es nicht! Zu keinem Zeitpunkt! Das Eigentumsrecht stellt ein Entgegenkommen der Allgemeinheit gegenüber Besitzern und ihren Nachkommen dar, ihnen ein Alleinverwertungsrecht über eine prinzipiell freie Sache zu gewähren, um Arbeitern ein Einkommen aus ihrem materiellen Produkt zu ermöglichen und die Sicherheit zu geben, dass jemand ihnen nicht einfach alle Sachen davon trägt, wenn sie mal wegschauen. Trotzdem gilt, Eigentum ist Diebstahl, denn es verhindert die allgemeine Benutzung wertvoller Ressourcen...


Kulturflatrate und Grundeinkommen sind nahezu identisch. Ausgabenmäßig entspricht die Menge der Leute, die sich eine Kulturflatrate leisten können, der Menge der Leute, die das Grundeinkommen über Steuern finanzieren wären. Einnahmenmäßig, könnte man die Künstler nach der Popularität bezahlen, doch wie die GEMA zeigt, klappt dies nicht besonders gut. Die Entlohnunh nach der quantitativen Menge des erzeugten Kulturguts festzulegen macht keinen Sinn. Qualitativ lässt es sicht nicht beurteilen, also würde im ideal Fall jeder Künstler gleichviel erhalten, je nach Eintrittschwelle (Blogkommentar=>Autor), würde fast jeder zur Menge der Kulturerzeuger zählen, qed.
Gäbe es ein Grundeinkommen wäre ein fehlendes Urheberrecht nicht weiter problematisch, doch keines von beiden stellt für Autoren einen richtigen GAU dar.
Also sollte man mit der Diskussion über die Abschaffung des Urheberrecht bis zur Einführung des Grundeinkommen warten.

Enpunkt hat gesagt…

Ganz ehrlich: Mir fehlt ein wenig der Nerv, dieses Thema ausführlich zu diskutieren. Mein Standpunkt ist klar: Es gibt sehr wohl geistiges Eigentum, und wer Bücher und Tonträger illegal weiterverbreitet, begeht Diebstahl.

Die Kultur-Flatrate ist eine völlig schwachsinnige Theorie - wer soll denn den ganzen Mist dann bezahlen und verwalten? Der Staat? Irgendwelche Beamten?

Sicher nicht die Leute, die selbst keine Urheber sind, aber gern andere Leute bestehlen ...