29 Mai 2008

15 Jahre nach dem Familienmord

Es ist schon 15 Jahre her; ich hätte es tatsächlich schon vergessen und wurde durch die »taz« daran erinnert. In Solingen brannte ein Haus, angezündet von rassistischen Mordbrennern, und in den Trümmern starb der größte Teil einer türkischen Familie. Es war der Höhepunkt der rassistischen Mordkampagne in den Jahren 1991 bis 1993, in deren Verlauf die staatstragenden Parteien vor den Mördern so weit zurückwichen, daß sie die Ausländergesetze verschärften.

Ich steckte voller Wut und Haß, als ich an jenem Wochenende nach Solingen fuhr; zusammen mit anderen Leuten. Wir gehörten nicht zu einer organisierten Autonomen Gruppe, aber wir wollten an der Trauerkundgebung teilnehmen.

Es war ein grausiger Tag, ein Tag der Steine und Scherben, der Knüppel und des Blutes, der sackdoofen grünbürgerlichen Weicheier und der prügelgeilen Polizei. Ich erinnere mich nicht mehr an viel Details, ich weiß nicht mehr genau, was ich alles gemacht habe an diesem Tag. Jemand sagte hinterher zu mir, ich hätte Schaum vor dem Mund gehabt.

Der Marsch zur Kundgebung wurde bereits von rechtsradikalen Türken angegriffen; wir wehrten uns, während die Polizei den örtlichen »McDonald's« gegen Demonstranten schützten. Ich erinnere mich an den Schlachtruf: »Wo – wo – wo wart ihr in Rostock?« Und es gab genügend Polizisten, denen man die Scham ansah.

Später rannte eine prügelnde Hundertschaft in Kampfroboter-Outfit in die friedliche Kundgebung – Zigtausende sitzender und stehender Leute – hinein, blutige Gesichter überall um mich herum. Es war das Signal zum Aufstand.

Ich erinnere mich an Steinhagel und durchdrehende Leute; ich sehe die zersplitterte Innenstadt von Solingen vor mit, und ich erinnere mich an türkische Gruppierungen von links bis ultralinks und rechtsradikal, die mit Dachlatten und Holzstangen aufeinander losgingen. Alles war völlig konfus.

Als wir Stunden später von Solingen aufbrachen, steckten wir immer noch voller Wut und Haß. Die Empörung, daß die Polizei es fertig gebracht hatte, eine Trauerkundgebung anzugreifen, bekam ich während der ganzen Rückfahrt nicht los. Und dann die Lügen der Medien – es paßte alles zusammen.

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