28 Juli 2025

Weltenbau in Karlsruhe

Stephan Waldscheidt ist mir persönlich bekannt, ich habe aber noch nie ein Seminar bei ihm besucht. Trotzdem finde ich es interessant, dass der Autor und Schreiblehrer im Oktober ein Schreibseminar in Karlsruhe veranstaltet. Ich finde es vom Ansatz her gut, und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für Leute, die gern einen Roman schreiben oder ihr Handwerk verbessern wollen, sehr positiv sein könnte.

Es läuft am 25. und 26. Oktober 2025, also an einem Wochenende, die Gruppe soll klein sein, und es geht vor allem um das große Thema Weltenbau. Daran hapert es bei vielen Romanen und Geschichten schon im Manuskript, leider auch oft bei denen, die veröffentlicht werden.

Dabei konzentriert sich das Seminar nicht auf ein bestimmtes Genre. Ich zitiere: »Ob Liebesroman oder Fantasy-Epos, historischer Krimi oder Zukunftsthriller – jede packende Geschichte braucht eine Welt, die das Drama nicht nur möglich macht, sondern geradezu erzwingt. Selbst realistische Storys, die im Hier und Jetzt spielen, profitieren von Schauplätzen, die das Feuer der Handlung entfachen.«

Da kann ich an keiner Stelle widersprechen, ganz im Gegenteil: Das kann ich alles nur unterstreichen. Informationen dazu gibt es auf der Internet-Seite des Veranstalters, den man bei Fragen eh am besten direkt anschreibt.

25 Juli 2025

Das andere Ufer der Nacht

Dieser Tage hörte ich wieder einmal ein »John Sinclair«-Hörspiel; es trug den Titel »Das andere Ufer der Nacht« und spielte in Spanien. Es handelt sich um eine abgeschlossene Geschichte, die im Rahmen der Hörspiel-Sonderedition veröffentlicht wurde. Man kann sie also ohne jegliche Vorkenntnisse anhören; außer zwei Freunden des Geisterjägers ist sonst kein Bezug zur eigentlichen Serienhandlung vorhanden.

Sinclair und seine Freunde sind in einem kleinen spanischen Ort, der von einer alten Burg beherrscht wird, zumindest optisch. In dieser Burg wurde zur Zeit der Inquisition gemordet und gefoltert; bis heute gibt es Geschichten und Legenden dazu. Im Ort gibt es zudem ein merkwürdiges Beinhaus, das unsere Helden besichtigen wollen; angeblich gibt es auch einen Übergang zum anderen Ufer der Nacht, was immer das sein soll. Natürlich kommen Sinclair und seine Begleiter auf die Spuren des Mysteriums und können es am Ende lösen.

Das Hörspiel läuft auf zwei Zeitebenen: Sequenzen aus der Zeit der Inquisition wechseln sich ab mit Szenen in der Gegenwart. Vor allem die Vergangenheitsebene fand ich echt brutal; es wird gefoltert und gequält, das alles mit entsprechenden Schreien und sonstigen Geräuschen. Sehr anstrengend, sehr gruselig.

Die Handlung in der Gegenwart war typisch für »John Sinclair«: ein bisschen grobschlächtig (ein Fluss aus Blut, ein Boot aus Menschenknochen), ein bisschen unglaubwürdig (warum haben die Bösewichte immer so seltsame Pläne), aber unterm Strich sehr unterhaltsam. Ab und zu macht mir das einfach richtig Spaß …

24 Juli 2025

Dreimal Hardcore-Kracher

Ich freute mich schon sehr auf das Konzert, als ich am Sonntag, 20. Juli 2025, durch Karlsruhe in die Oststadt fuhr. In der »Alten Hackerei« sollten zwei große amerikanische Hardcore-Bands spielen, die ich beide mochte und bei denen ich davon ausgehen konnte, dass es mir gefallen würde.

Als ich in der »Alten Hackerei« eintraf, erfuhr ich, dass noch eine Band auf dem Programm stand. An diesem Abend würden mir also drei Bands die Ohren vollballern; ich war gespannt. Aber zuerst war ich damit beschäftigt, Bekannte zu begrüßen und Bier zu trinken. Alte Punk-Kollegen von der Schwäbischen Alb, aus dem Saarland oder aus Heidelberg waren eingetroffen, es gab viel zu reden, weil ich einige seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Dann standen Agrotoxico auf der Bühne. Ich kannte die brasilianische Band nur von ihren Platten her; das war mir eigentlich zu metallisch. Auch live herrschte eine starke Metal-Kante vor, aber das gefiel mir an diesem Abend sehr gut: Die Band machte keine Pause, verzichtete auf überflüssige Soli und oder Tempowechsel, knallte stattdessen ein Stück nach dem anderen raus, unterbrochen durch sehr kurze Ansagen in englischer Sprache.

Der rasante Sound ging sehr gut in die Ohren, es war laut und krachig, und danach war ich mit den Brasilianern versöhnt: Diese Art von Metal-Punk mag ich nicht jeden Tag hören, wirklich nicht, aber ab und zu lasse ich mir davon doch gern die Ohren putzen.

Channel 3 sind eine Band aus Kalifornien, die es seit den frühen 80er-Jahren gibt und die ich vor einigen Jahren schon einmal in der »Alten Hackerei« gesehen hatte. Auch an diesem Abend wussten sie zu überzeugen: Die Stücke kamen druckvoll und knallig rüber, schneller Hardcore kalifornischer Prägung eben, der auch einen tüchtigen Schuss Melodie enthielt.

Gespielt wurden Songs aus der frühen Periode, aber auch einige Stücke, die ich noch nicht kannte. Das war schon alles sehr gut und hätte normalerweise für einen großartigen Abend ausgereicht.

Aber dann kletterten D.I. auf die Bühne, die ich irgendwann in den späten 80er-Jahren in Pforzheim gesehen hatte. Seither sind nicht nur die Bandmitglieder über 35 Jahre älter geworden; ich bin’s ja auch. Trotzdem schafften sie es ohne Probleme, das Feuer zu entzünden.

Mit unglaublicher Energie pfefferten die Kalifornier einen 80er-Jahre-Hit nach dem anderen in das euphorisierte Publikum. Die Hitze im Raum stieg; man schwitzte schon vom Herumstehen. Und weil ich eh schon verschwitzt war, fing ich irgendwann an, ein wenig durch den Raum zu hüpfen. Alle um mich herum tobten und sprangen, lachten und sangen mit, ein einziger Mob aus grinsenden Gesichtern.

Am Ende war ich verschwitzt, hatte sicher den einen oder anderen blauen Fleck mehr, war aber insgesamt in bester Laune. Vor der Tür redete ich noch mit einigen Leuten, dieser Abend war eh wieder ein Punkrock-Familientreffen. Als ich gegen Mitternacht durch die Nacht von Karlsruhe flitzte, hatte ich während der ganzen Fahrt ein breites Grinsen im Gesicht und Hardcore-Punk im Ohr …

(Das Bild zeigt Channel 3. Bei D.I. konnte und wollte ich nicht mehr fotografieren. In den Kommentaren verlinke ich auf Videos, die Kalle Stille ins Netz gestellt hat.)

23 Juli 2025

Zynischer Blick auf die nahe Zukunft

Bei manchen Science-Fiction-Romanen ist die Zeit gnadenlos. Das merkt man vor allem dann, wenn sie sich auf aktuelle Themen beziehen und diese in eine nahe Zukunft extrapolieren. Das stellte ich fest, als ich dieser Tage »Profit« las, einen Science-Fiction-Roman von Richard Morgan.

Der Roman wurde 2004 geschrieben und kam 2005 in deutscher Sprache heraus – der Heyne-Verlag veröffentlichte ihn als großformatiges Paperback. Das ist jetzt zwanzig Jahre her. Und zwei entscheidende Veränderungen in dieser Zeit hatte der Autor beim Verfassen nicht auf dem Schirm: Social Media und Smartphones. Sein Roman ist atemlos und spannend, aber die Kommunikation ist auf dem Stand der frühen Nuller-Jahre – dabei spielt er um 2050 herum.

Morgan greift in seinem Roman die damals noch neue Investment-Branche auf. Junge Banker kämpfen um Erfolg und Geld; diese Kämpfe werden auch körperlich ausgetragen – man liefert sich mörderische Rennen auf den Autobahnen, bei denen es häufig Tote gibt. Das passt zum Konzept: Die Banken spekulieren auf Kriege und Erfolge, ihre Mitarbeiter steuern Rebellen und Regierungstruppen, sie heuern Killern an und belügen die Öffentlichkeit.

»Profit« ist ein rasanter Roman, einer von der Sorte, die einen nicht mehr loslässt, wenn man einmal damit angefangen hat. Der Autor bleibt immer eng an seiner Hauptfigur, deren Handlungen stets nachvollziehbar sind, auch wenn man sie nicht gut finden wird. Es gibt recht viel Gewalt und Brutalität, an Sex wird ebenfalls nicht gespart.

Im Prinzip ist es ein Thriller, der sehr filmisch erzählt wird und bei dem die Science-Fiction-Elemente wie Versatzstücke wirken. Kein Wunder, dass der Roman als Thriller und nicht als Science Fiction veröffentlicht wurde.

Ich habe mich bei der Lektüre nicht gelangweilt. Empfehlen würde ich den Roman trotzdem nicht – er ist gewissermaßen aus der Zeit gefallen ...

22 Juli 2025

IndiePop im Kohi

Als ich am Samstagabend, 19. Juli 2025, mein Fahrrad auf dem Werderplatz in der Südstadt von Karlsruhe abstellte, wurde mir bewusst, wie lang ich nicht mehr im »Kohi« gewesen war. Ich hatte den sympathischen kleinen Club seit Jahren nicht mehr besucht, und ich bereute es schon, bevor ich ihn betreten hatte.

Ich bezahlte brav meinen Mitgliedsbeitrag – beim »Kohi« entrichtet man keinen Eintritt, sondern tritt für einen gewissen Zeitraum einem Verein bei –, holte mir an der Theke ein Bier und betrat den Konzertraum, der angenehm gefüllt war: Vielleicht fünfzig Leute hatten sich eingefunden, im Verlauf des Abends wurden es etwa hundert. Ich war nie gut im Schätzen, mochte es an diesem Abend aber sehr, dass alles so angenehm war.

Gut fand ich auch, wie jung das Publikum war: Die meisten schienen anfangs oder Mitte der zwanzig zu sein. Entsprechend wenige Leute kannte ich.

Die erste Band hatte sich den hübschen Namen The Krimis verpasst und kam aus Stuttgart. Der Sänger trug Schnauzer und Krawatte und hatte einen angenehmen schwäbischen Akzent. Musikalisch gab es etwas, das ich irgendwie zwischen Punk und IndieRock der 80e-Jahre einsortieren konnte. Die Ansagen waren witzig, die Musik erwies sich als abwechslungsreich, die englischsprachigen Stücke klangen sehr sympathisch. Ich kaufte mir hinterher gleich die EP, die es von der Band bereits gibt; eine »große Platte« ist noch in Arbeit.

The Rolacas waren aus Karlsruhe und machten im Prinzip Gitarren-Pop, wie man ihn in den 80er-Jahren ebenfalls gespielt hatte. Die englischsprachigen Stücke hatten einen Hang zur Melancholie; dem gegenüber stand das sympathische Grinsen, das die Band nicht aus dem Gesicht bekam. Mir war’s manchmal zu poppig und zu ruhig, aber unterm Strich legte die Band einen sehr gelungenen Auftritt hin.

Danach lungerte ich eine Weile vor der Tür herum. Es war eine laue Sommernacht, und ich hielt mich am Werderplatz auf. Da musste ich einfach nur ein bisschen herumstehen, und es kamen Leute vorbei, die ich kannte und mochte und mit denen ich plaudern und noch ein Bier trinken konnte. Trotzdem war ich vor Mitternacht wieder in der heimatlichen Weststadt, wo ich bei einem Gartenfest strandete. Das aber ist dann eine ganz andere Geschichte …

(Das Bild zeigt The Krims aus Stuttgart. Ich machte an diesem Abend genau ein Foto, das hier; ich halte nichts davon, stundenlang mit der Kamera oder dem Smartphone dazustehen und zu knipsen.)

21 Juli 2025

Ein Interview mit Lärm

Ich sah mir das sogenannte Sommer-Interview mit der Chefin der AfD nicht an, ich werde mir auch die Aufzeichnung ersparen. Was Faschisten und andere Rechtsextreme von sich geben, ist eigentlich bekannt, und Alice Weidel steht einer Partei vor, bei der klar ist, welche Ziele und Absichten sie verfolgt. Verwirrend finde ich, dass sich Leute allen Ernstes darüber beschweren, dass das Interview von der Antifa – oder wem auch immer – gestört worden sei.

Man regt sich nicht also über die Tatsache auf, dass die AfD-Chefin in einem Medium ihren Unsinn verbreiten darf, das sie nach einer Machtergreifung mit hoher Wahrscheinlichkeit »abwickeln« oder sonstwie negativ verändern würde. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist eines der Feindbilder Rechtsradikalen – dass dieses Fernsehen diesen Leuten dann immer wieder eine Bühne gibt, ist mir schleierhaft.

Der Versuch, dieses Interview zu stören, mag nicht hundertprozentig demokratisch sein. Ein höflicher Austausch von Argumenten ist das nicht. Aber man kann die erbitterten Feinde der Demokratie nicht dadurch bekämpfen, indem man sie umarmt und ihnen eine wunderbare Bühne zur Verfügung stellt!

Die AfD will die Republik verändern, sie will demokratische Prinzipien aushebeln und vertritt ein rassistisches Gedankengut. Mit solchen Leuten redet man nicht – solche Leute müssen gestört werden, wenn sie auftreten. Wer das nicht kapiert und die Demonstranten nun so stark kritisiert, spielt das Spiel der Rechtsradikalen.

18 Juli 2025

Auf der Zitadelle

Der Mann war untersetzt und schwitzte. Sein T-Shirt spannte sich um den Oberkörper und zeigte an mehreren Stellen ausgedehnte Schweißflecken. Ich vermutete, dass ich ebenso aussah – aber ich hatte mich am Morgen für ein weißes T-Shirt entschieden, bei dem man die Flecken nicht so gut wahrnahm, während er ein hellbraunes Oberteil trug.

Ich saß im Schatten eines Baumes und ruhte mich ein wenig aus. Die Zitadelle von Rethymno, einer Stadt auf Kreta, war durchaus interessant, und ich hatte mir das Bauwerk bereits zum größten Teil angesehen. Aber es war vielleicht keine gute Idee gewesen, die Besichtigung am frühen Nachmittag zu unternehmen, wenn die Sonne am höchsten stand. Also saß ich da, trank Wasser und genoss den frischen Luftzug im Schatten.

Auf einmal trat eine Frau auf den Mann zu; sie kam aus dem Häuschen, das in wenigen Metern Entfernung die Toiletten enthielt. »Wie siehst denn du aus?«, fragte sie laut auf deutsch und zeigte auf die Vorderseite seines T-Shirts.

Er sah an sich hinunter. In der Tat wirkte sein Hemd von vorne, als hätte er sich großmaßstäblich eingekleckert. »Ich habe die Wasserflasche nicht richtig aufgemacht und mir einen halben Liter neben das Gesicht geschüttet.«

Sie schüttelte den Kopf. »Wie blöd kann man denn sein? Hast du verlernt, richtig zu trinken?«

Die beiden redeten laut und ungeniert miteinander. Vielleicht kamen sie nicht einmal auf die Idee, jemand könnte sie auf Kreta verstehen, oder es war ihnen schlicht egal, dass ich zuhörte.

»Komm jetzt!«, sagte sie barsch. »Wir schauen uns die Anlage an. Da stört sich niemand an deinem Aussehen, sind ja nur alte Steine hier.«

Er erhob sich. »Ist doch nur Wasser«, sagte er lahm.

»Zu blöde zum Trinken und dann auch noch Ausreden finden!« Theatralisch warf sie die Arme in die Luft. »Warum habe ich so einen dummen Mann geheiratet? Das gibt es doch nicht.« Sie ging an mir vorbei, ohne mich zu beachten, und schlug den Weg zum Zentrum der Zitadelle ein.

»Das liegt an meinem guten Aussehen«, behauptete der Mann. Schwerfällig erhob er sich, nahm einen Rucksack auf, der neben ihm gelegen hatte, und folgte ihr.

Ich sah den beiden fasziniert nach. Sie schimpfte ununterbrochen über ihn, er gab maulige Antworten. Irgendwie schienen sie sich gut zu verstehen. Während ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche nahm, wünsche ich ihnen in Gedanken einen schönen Aufenthalt in der Zitadelle.

17 Juli 2025

Monsieur Velo in Avepozo

Als ich im Januar 1988 nach Avepozo kam, war ich ziemlich erschöpft. Ich hatte die Nacht zuvor in einer sehr schlichten Unterkunft am Nordrand von Lomé verbracht, der Hauptstadt von Togo, war dann am frühen Morgen wach geworden und mit meinem Rad quer durch die Stadt gefahren. Von der Hitze war ich ausgelaugt, von der Reise sowieso ein wenig überanstrengt.

Man hatte mir gesagt, »Chez Alice« in Avepozo sei ein guter Endpunkt für die Reise; dort würden sich viele Leute einfinden, die durch die Sahara und die Sahelzone gefahren waren. Ich erreichte das Lokal, das sich als »Bar au Rendez-Vous« bezeichnete, und wurde in einer sprachlichen Mixtur aus Französisch und Schweizerdeutsch empfangen.

Und weil ich mit einem klapprigen Rad angekommen war, bekam ich gleich den Spitznamen »Monsieur Velo«. Diesen Namen behielt ich in den folgenden Wochen.

Als »Monsieur Velo« wurde ich im Dorf bekannt, und wenn ich mit meinem Rad in die Stadt fuhr, riefen mir Leute auf der Straße den Namen zu. Vielleicht hielten sie mich einfach für bekloppt, vielleicht fanden sie es skurril, mit welchem Fahrzeug ich es von Mitteleuropa bis an die Küste von Westafrika geschafft hatte, irgendwie zumindest. 

Für einige Wochen war Avepozo mein Zuhause, und ich liebte es, dort zu sein. Dank meines Rads war ich unabhängig und konnte abends auch mal das eine oder andere Bier trinken – aber das sind dann andere Geschichten …

16 Juli 2025

Politisch, gesellschaftlich, lesenswert

Ich gehöre leider zu den Menschen, die sehr kritisch auf die Menschheit ihre Geschichte und ihre Gegenwart sehen. Häufig begegne ich anderen Leuten mit Misstrauen, oft zweifle ich an der menschlichen Gesellschaft. Meine Weltsicht ist eher pessimistisch, fürchte ich, auch wenn ich mir immer wieder selbst vorhalte, dass nicht alles »so schlimm« ist, wie es vielleicht scheint.

Mit dem Sachbuch »Im Grunde gut« legt der niederländische Autor, Journalist und Historiker Rutger Bregman ein Werk vor, das eigentlich das Gegenteil postuliert: So schlimm sind die Menschen gar nicht, wie viele immer glauben. Im Grunde, so der Tenor des lesenswerten und unterhaltsamen Sachbuchs, ist der Mensch gut, viel besser als sein Ruf. Wir leben in einer Welt, die viele positive Elemente aufweist, und sollten uns von den negativen Einflüssen nicht verwirren lassen.

Was im ersten Moment wie albernes Hippie-Geschwafel klingt, wird von Bregman durch zahlreiche Beispiele aus der Geschichte begründet. In der Not halten Menschen auffallend oft zusammen; in Kriegen schießen Soldaten absichtlich daneben; viele historische »Belege« für menschliches Fehlversagen kann man heute ganz anders beurteilen. Und Belege für besonders schreckliches menschliches Verhalten beschreibt Bregman in Einzelfällen sogar als erfunden oder zumindest sehr subjektiv eingefärbt.

Der Autor ist kein naiver Trottel, und er hält auch seine Leser nicht für naiv. Aber seine Belege weisen nach, dass man viele Dinge auf der Erde anders beurteilen kann. Sie zeigen zudem, wie verzerrt das Bild von der Welt ist, dass die Medien ständig zeichnen. Warum das so ist und welche Mechanismen dahinter stecken, erzählt Bregman ebenfalls.

»Im Grunde gut« ist ein erzählendes Sachbuch; es flutscht geradezu bei der Lektüre. Ein sehr umfangreiches Quellenverzeichnis führt zu weiteren Büchern und Artikeln, wo man sich – wenn das Interesse besteht – tiefer und gründlicher informieren kann. Mit seinem geschichtlichen, politischen und gesellschaftlichen Ritt durch die Jahrtausende ist dem Autor auf jeden Fall ein Werk gelungen, das ich nur empfehlen kann.

Starke, unterhaltsame und aufmunternde Lektüre! Genau das, was man in diesen so düster wirkenden Zeiten brauchen kann ...

15 Juli 2025

Jane Austen mit Manga-Einfluss

Ich habe den klassischen Roman »Stolz und Vorurteil« von Jane Austen nie gelesen und kenne – wie so viele – nur die Verfilmung mit Keira Knightley, die auch schon zwanzig Jahre alt ist. Umso erfreulicher ist es, dass es im Splitter-Verlag nun eine umfangreiche Graphic-Novel-Version des Romans gibt.

Die Geschichte ist ja allgemein bekannt; wer sie nicht kennt, möge sie in der Wikipedia ausführlich nachlesen. Elizabeth Bennet wächst mit ihren Schwestern in einem englischen Herrenhaus auf; sie alle haben in der höfischen Welt des neunzehnten Jahrhunderts nur eines im Sinn: einen möglichst vermögenden Mann zu heiraten, um dann eine treue und brave Ehefrau zu werden.

Elizabeth, die ihre Nase zu oft in Bücher gesteckt hat, ist allerdings selbstbewusst und träumt von der Liebe; sie will nicht des Geldes wegen heiraten, sondern möchte ihren Gefühlen folgen. Doch ausgerechnet der so schroff wirkende Mr. Darcy wird zu ihrem Alptraum ...

Jane Austen schildert in ihrem Roman sehr klar die gesellschaftlichen Zusammenhänge und Belastungen des 19. Jahrhunderts. Dank ihrer Hauptfigur kann sie sich zugleich einen ironischen Blick auf die Gesellschaft erlauben; am Ende siegt ja trotzdem die große Liebe, und alles ist so, wie es gesellschaftlich gewünscht ist.

Die Graphic Novel schafft es, den umfangreichen Roman gut zu raffen. Soweit ich das überblicken kann, sind die wesentlichen Handlungselemente allesamt enthalten und werden entsprechend unterhaltsam vermittelt. Der Handlung kann man so jederzeit folgen.

Bei der Optik geht Aurore einen Weg, der durchaus spannend ist: Während die Gebäude, die Räumlichkeiten und auch die Kleidung der Figuren eher an frankobelgische Abenteuer-Comics erinnern, wirken die Gesichter so, als stammten sie aus einem Manga. Die Augen sind für meinen Geschmack zu groß, der gesamte Ausdruck der Figuren ist für mich nicht stimmig.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass genau das viele Leute toll finden. Letztlich ist das eine Frage des Geschmacks: Ich kann mich mit einem Stil, der Manga-Einflüsse mit englischen Adelshäusern verbindet, nicht anfreunden. Das mögen viele anders sehen – ich empfehle daher unbedingt das Betrachten der Leseprobe.

14 Juli 2025

Am Hattenkellenhohl

Karlsruhe gilt im Allgemeinen als eine Stadt ohne Berge. Man erkennt die Bürger der Stadt daran, dass sie beispielsweise die Hirschbrücke – an dieser Stelle überquert die Hirschstraße die Straßenbahn, und ich wohnte mehrere Jahre lang direkt daneben – als eine respektable Anhöhe betrachten. Wer in Karlsruhe mit dem Rad unterwegs ist, muss die Gangschaltung kaum betätigen.

Das mit der flachen Stadt ist allerdings ein Irrtum, was immer dann festzustellen ist, wenn man hinter Durlach oder Grötzingen in den Wald kommt. Es ist eben doch ein Randgebiet des Schwarzwalds. Am Samstag gelangte ich zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Straße, die den hübschen Namen Hattenkellenhohl trägt.

Sie erwies sich als geteert, und eigentlich konnte ich nach den letzten Häusern von Grötzingen gut auf ihr radeln. Es lag ein bisschen Unrat auf ihr herum, Berge von altem Laub und irgendwelche Äste und Zweige – aber ich kam gut voran. Allerdings benötigte ich alle Gänge meines Fahrrads: Die Straße war am Anfang moderat steil und wurde dann immer steiler.

Ich war ziemlich verschwitzt, als ich nach gerade mal einem Kilometer oben ankam. Dort aber war es dann sehr angenehm – und beim Riesenstuhl konnte ich mich mit Brom- und Himbeeren stärken, die an über mannshohen Hecken wuchsen …

11 Juli 2025

Dreißig Jahre nach Srebrenica

Heute ist es dreißig Jahre her, dass im ehemaligen Jugoslawien ein Massenmord verübt wurde, der in den meisten Medien in unserem Land ignoriert wurde und der heute fast vergessen ist. Ich weiß noch, dass ich vor allem in der »taz« und in der Zeitschrift »pogrom« darüber las. In den Nachrichten waren die dauernden Konflikte in Ex-Jugoslawien schon gar kein Thema mehr

Der Massenmord an über 8000 Zivilisten, der buchstäblich unter den Augen der UN-Truppen verübt wurde, machte mich damals fassungslos. Wie konnte das geschehen, und warum wurde das nicht verhindert? Bis heute sind die Überlebenden traumatisiert, während die meisten Täter ohne Probleme in ihr vorheriges Leben zurückkehren konnten.

Dank der zähen Arbeit von Menschenrechtsorganisationen konnten wenigstes einige der Täter vor Gericht gestellt werden. Es gibt mittlerweile Denkmäler, die an das Gemetzel erinnern, und viele der Toten haben ein Grab erhalten. Das ändert nichts an den schrecklichen Taten, aber es sorgt vielleicht dafür, dass sie nicht ganz vergessen werden.

Ich bin sicher, dass die meisten Leute nicht mehr wissen, was Srebrenica war. Die aktuellen Kriege im Nahen Osten oder in der Ukraine verdrängen viele andere Themen – etwa den Krieg in Sudan –, was dazu führt, dass auch ältere Themen schlicht vergesse und verdrängt werden.

Dabei ist das Gedenken an Srebrenica immer noch wichtig: Mitten in Europa gab es damals einen brutalen Krieg mit zahlreichen Vergewaltigungen, Morden und ethnischen Säuberungen. Wenn so etwas nie wieder vorkommen soll, muss man ab und zu an das Geschehen von damals erinnern …

10 Juli 2025

Hübsches Dorf an der Küste

Von dem Hotel, in dem ich abgestiegen war, ging eine schmale Straße in das Nachbardorf. Die Straße war recht stark befahren und verfügte – warum auch? – über keinen Streifen für Fußgänger oder gar Radfahrer. Ein Auto kam gut an mir vorbei; begegneten sich zwei Autofahrer, war es für den Fußgänger sinnvoll, ein wenig ins Gebüsch zu springen.

Das Dorf hieß Panormo und gefiel mir gut. Zwar war es teilweise auf Touristen ausgerichtet, was sich in englischsprachigen Schildern oder Speisekarten in deutscher und englischer Sprache zeigte, aber es sah so aus, als ob dort vor allem »ganz nomale Leute« ihrem Tagwerk nachgingen.

An einem kleinen Hafen mit ebensolchem Strand konnte man gut sitzen, etwas essen und trinken und der Dorfjugend zuschauen, wie sie im Wasser herumalberte. In Strandnähe gab es verschiedene Bars und Restaurants zur Auswahl, alle eher bescheiden, aber nett aussehend. Zwar wurde beim Hafen sogar ein historischer Ort ausgelobt – die Reste einer alten Festung –, aber dieser erwies sich als ein Stück Mauer, vor dem offensichtlich häufig Dosenbier und anderes getrunken wurde.

Mir gefiel Panormo. In den schmalen Straßen und Gassen fand ich mich schnell zurecht, und es war erstaunlich wenig los. Zumindest an den Tagen, an denen ich den Ort besuchte, wirkte er nicht so, als werde er von Touristen – wie ich ja einer war – völlig überrannt. Sehr angenehm!

09 Juli 2025

Dampfkessel

An einem dieser heißen Tage im Juni, bei denen ich bereits das Gefühl hatte, ich sei in Süditalien und nicht in Süddeutschland, radelte ich in die Innenstadt von Karlsruhe. Der Himmel hing voller Wolken, die Luft war drückend und schwül. Es fielen einige Tropfen, und ich hatte die Hoffnung auf einen kleinen Regenguss.

Ich stellte mein Rad auf dem Platz zwischen Kirche und Theater ab und betrat das mehrstöckige Haus. Als ich dann die Tür zum Kieser-Training aufdrückte, entwich mir ein erleichterter Seufzer: Die Klimaanlage lief. Das hieß: Ich würde zwar schwitzen, aber es war nicht so heiß.

Als ich in meinen Trainingsklamotten und miz meinem Trainingsplan die erste Maschine ansteuerte, sah ich, dass es tatsächlich ein bisschen regnete. Es sah aus wie der Tropfen auf dem heißen Stein: Wenn die Tropfen auf den Asphalt trafen, verdampften sie sofort.

»Wir lüften!«, rief eine der jungen Frauen, die an diesem Tag im Studio arbeiteten. Sie riss die Fenster zum Platz auf. Die andere Frau lief los und öffnete die Tür zum Innenhof.

Ich wollte schon aufspringen und sie warnen, ließ es aber sein. Es gab genug alte weiße Männer, die ständig junge Frauen belehrten; da wollte ich in diesem Moment nicht dazu gehören. Stattdessen ging ich auf die Maschine und begann mit der Beinpresse.

Vielleicht hätte ich doch etwas sagen sollen, dachte ich wenige Sekunden später. Innerhalb kurzer Zeit verwandelte sich die anfangs so kühle und angenehm trockene Luft in die feuchte Schwüle, die auch außerhalb herrschte. Ich kam mir vor, als sitze ich am Rand eines Dampfkessels oder auch schon einige Zentimeter weit drin.

Aber ich sagte weiterhin nichts. Und darauf war ich dann doch ein bisschen stolz …

08 Juli 2025

Originelle Fantasy aus dem magischen Kairo

Der amerikanische Schriftsteller P. Djèlí Clark wurde in den vergangenen Jahren für so ziemlich jeden Preis in den Genres Science Fiction und Fantasy nominiert. Erfreulicherweise sind schon drei seiner Bücher in deutscher Sprache erschienen; ich las zuletzt »Der Spuk im Luftbahnwagen 015«. Dabei handelt es sich nicht um einen Roman, sondern um ein Buch mit zwei Erzählungen – diese spielen aber am selben Schauplatz, und eine Figur taucht in beiden Geschichten auf.

Clark hat ein eigenes Phantastik-Universum erschaffen, das eine Parallelwelt-Historie mit phantastischen Einflüssen verbindet. Schauplatz der Erzählungen ist Kairo zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts: ohne europäische Kolonialmächte, dafür aber mit dem Einfluss von Zauberei und allerlei magischen Wesen.

Wer möchte, kann die beiden Erzählungen auch als phantastische Kriminalerzählungen betrachten. Beides Mal geht es um Beamte, die unheimliche Fälle aufklären müssen.

Die allerdings haben es in sich: In der Titelgeschichte geht es um einen Spuk, der einen Straßenbahnwagen angegriffen hat und diesen nun »bewohnt«. Beamte aus dem Ministerium für Alchemie, Zauberei und übernatürliche Wesen müssen sich darum kümmern. Während sie versuchen, erst einmal herauszufinden, um was es sich bei diesem Spuk eigentlich handelt, bewegen sie sich durch das quirlige Kairo des Jahres 1912, verhandeln mit Geheimagenten und treffen Lebewesen aus Blech … vor dem Leser entfaltet sich so das Panorama eines wunderbaren und originellen Universums.

Auch die Kurzgeschichte »Ein toter Dschinn« hat Polizisten des genannten Ministeriums als Hauptfiguren. In einer Welt, in der Dschinns zum Alltag gehören, ist es besonders knifflig, einen Mord an einem dieser Wesen aufzuklären. Vor allem, wenn auch noch mörderische Ghule und der Durchgang in ein anderes Universum eine wesentliche Rolle spielen … 

Beide Erzählungen sind sehr gelungen. Als Leser taucht man in eine magische Welt ein, die einem als selbstverständlich präsentiert wird. Für europäische Leser ist der islamische Hintergrund zudem spannend; das ist eine andere Art von Fantasy als der »Mainstream« dieser Literaturgattung, der sich vorrangig aus der keltischen und germanischen Sagenwelt speist. 

Clark schildert seine Figuren ebenso glaubhaft wie die Welt, durch die sie sich bewegen. Er präsentiert Kairo als eine Stadt, in der es längst moderne Technik gibt – die Luftbahnwagen gehören ebenso dazu wie die Metallwesen, also Roboter, die immer wieder auftauchen –, die aber von magischen Einflüssen durchzogen ist. Daneben zeigt er Frauen, die ihre Rechte einfordern, und Beamte, die sich mit der Bürokratie herumschlagen – es ist also keine Fantasy, die in der Vergangenheit schwelgt, sondern eine, die ein fiktives Universum erfindet. 

Beide Erzählungen sind absolut lesenswert und machen auf das weitere Werk des Schriftstellers neugierig. Wer ungewöhnliche Fantasy mag, sollte zugreifen! 

Das mit 176 Seiten schmale, aber schön gestaltete Taschenbuch gibt’s für 14,00 Euro überall im Buchhandel und bei allen Versendern, etwa dem PERRY RHODAN-OnlineShop. Die ISBN 978-3-98666-443-5 kann dabei behilflich sein. Wer das E-Book bevorzugt, wird ebenfalls bei allen relevanten Shops fündig – es kostet 9,99 Euro.

(Diese Rezension veröffentlichte ich im Juni auf der PERRY RHODAN-Seite. Hier teile ich sie der Vollständigkeit halber.)

07 Juli 2025

Phantastisches Bilderbuch

Dass Kinder einen Blick für nicht-realistische Themen haben, den Erwachsene oft verloren haben, habe ich schon oft gesagt und geschrieben. Mit dem wunderbaren Kinderbuch »Der Hüter des Mondes« besteht die Möglichkeit, phantastische Ideen mit starken Bildern und einer wunderbaren Handlung zu vereinen.

Der Reihe nach: Die Geschichte spielt auf dem Mond, der zwar weitestgehend so aussieht wie in Wirklichkeit, aber einen wichtigen Unterschied aufweist. Jemand hat ein Gebäude auf dem Mond errichtet, in dem sich ein Schalter befindet.

An diesem Schalter sitzt ein alter Mann und arbeitet tagaus, tagein. Schnell wird klar, dass er einem Beamten oder kommunalen Angestellten ähnelt. Der alte Mann sammelt das ein, was Menschen auf der Erde nicht mehr brauchen und ablegen – vor allem aber kümmert er sich um Träume.

Diese sammelt er akribisch. Er geht sorgsam mit ihnen um, er verwaltet sie. Er möchte diese Träume und Gedanken vor dem Vergessen bewahren, denn ab und zu kommt jemand in seinen Gedanken zu ihm und möchte sie wieder haben. Die Welt des alten Mannes ist von Ruhe und Beständigkeit geprägt, aber sie verändert sich, als auf einmal ein kleines Mädchen bei ihm auftaucht und nicht mehr verschwindet.

Hartnäckig behält es seinen Platz – und so gibt es nicht nur einen alten Mann auf dem Mond, sondern auch ein kleines Mädchen ...

Beinharte Science-Fiction-Fans haben mit einer solchen Idee vielleicht ihre Probleme, weil sie sich nicht mit den Regeln der Physik und der Astronomie verbinden lässt. Aber mit Wissenschaft und Technik hat dieses phantastische Kinderbuch nichts zu tun. In »Der Hüter des Mondes« geht es um Träume und ihre Wirkungen, und es zeigt letztlich eine zarte Freundschaft, die langsam wächst.

Die Autorin Charlotte Bellière und der Illustrator Ian De Haes wohnen und arbeiten beide in Brüssel. Gemeinsam schufen sie ein Kinderbuch, das eine gelungene Lektüre bietet. Die einfühlsam erzählte Geschichte und die wunderschöne Illustration formen eine Einheit, die über die gesamte Strecke trägt. Die Geschichte ist in erster Linie für Kindern gedact, man kann sich aber auch als Erwachsener auf die Welt und ihre Ideen einlassen.

Erschienen ist das Werk als großformatiger Hardcover-Band im Carl-Auer-Verlag. Das Buch ist 56 Seiten stark und kostet 27,00 Euro. Man kann es mithilfe der ISBN 978-3-96843-052-2 überall im Buchhandel bestellen.

(Diese Rezension wurde bereits im April 2025 auf der Internet-Seite von PERRY RHODAN veröffentlicht. Ich reiche sie hier aus dokumentarischen Gründen nach.)

04 Juli 2025

Sex, Gewalt und Zauberei

Vom Hochgebirge an die Küste Panamas: Die aktuelle Folge 52 der Hörspielserie »Dorian Hunter« bringt die zwei Hauptpersonen in neue Konflikte, die wieder mit der Vergangenheit der Hauptfigur zusammenhängen. Dorian Hunter und Coco Zamis suchen nach einer Spur ihres verlorenen Sohnes Martin – und Hunter weiß, dass er Antworten auf manche Fragen in der Vergangenheit finden muss.

Die aktuelle Folge bringt diesmal auch Sex ins Spiel. Keine Sorge – das bleibt harmlos ... Aber man bekommt mit, dass Sex im Spiel ist, und es klingt nicht peinlich. Bei einem Hörspiel kann so ein Thema ja ziemlich »verrutschen«, finde ich. Aber das Team von Zaubermond Audio umschifft diese Klippe ganz erfolgreich.

Mithilfe guter und klar definierter Geräusche werden die zwei Handlungsebenen getrennt. Ohne dass etwas erklärt werden muss, kapiert man als Hörer, was in der heutigen Zeit spielt und was in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Letztlich geht es um die Suche nach einer Alraune, einer mysteriösen Pflanze also, die menschliches Leben in gewisser Weise simuliert – und auch das hat mit Sex zu tun. 

»Schiff der verlorenen Seelen«, so der Titel des Hörspiels, ist wieder sehr gelungen. Für »Dorian Hunter«-Fans wird das Serienuniversum erneut erweitert – klasse!

03 Juli 2025

Das Aus für Browser History?

Seit einem Jahr bin ich ein begeisterter Hörer des Podcasts »Browser History«, der sich – wie der Name schon andeutet – mit der Geschichte des Internets beschäftigt. Die Moderatorin und der Moderator beschäftigen sich mit Memes und zeigen Entwicklungen auf, sie berichten über Programme und Ereignisse – viele der Themen, über die sprechen, bekam ich nur am Rande mit, von anderen hatte ich nie gehört. (Ich habe seit 1996 einen Bezug zum Internet, weil wir 1996 unsere erste Website »gelauncht« haben.)

Das macht immer Spaß, weil die beiden das mit viel Freude vermitteln. Es wird viel gelacht, es wird auch mal »Scheiße« gesagt, man bezieht klar Stellung zu gesellschaftlichen Themen, ohne dabei in Parteipolitik zu verfallen, und man vermittelt viele Informationen. In der aktuellen Folge geht es um Kryptowährungen und den Erfolg von Dogecoin, der eigentlich als Witz gedacht war – bis hin zu Elon Musk und seinem DOGE, wie seine »Behörde« im Auftrag von Donald Trump hieß.

Das soll jetzt alles vorbei sein. In der aktuellen Folge erläutern die beiden, dass sie aufhören und es die vorerst letzte Folge ist. Zu den Gründen schweigen sie sich aus: War das Format nicht wirtschaftlich erfolgreich? Gab es internen Druck? Keine Ahnung – das geht mich ja vielleicht auch nichts. Aber dass sie nach einem Jahr und 52 Sendungen so sang- und klanglos aufhören, finde ich schon traurig.

Es gibt die Hoffnung, dass die beiden auf anderem Weg weitermachen können. Dann heißt der Podcast vielleicht nicht mehr Browser History und kommt von einer anderen Firma – aber der Blick in die wilde Geschichte des Internets geht hoffentlich weiter ... 

02 Juli 2025

Zierfische und die 90er-Jahre

Ich erzähle immer mal wieder von meinem Fortsetzungsroman, den ich für das OX-Fanzine schreibe. Er trägt den Titel »Der gute Geist des Rock'n'Roll« und spielt im Juni 1996, in der letzten Woche der Fußball-Europameisterschaft. Es geht um Punkrock und Hardcore, um Jazz und Liebe und einen mysteriösen Mann mit schwarzen Klamotten.

Meine Geschichte ist leider nicht einmal halb so lustig wie »Zierfische in Händen von Idioten«. Dieser Roman von Manuel Butt, den ich zur Zeit lese, spielt zur selben Zeit wie der meine, also auch im Juni 1996 und während der EM. 

Der große Unterschied: Während ich versuche, einigermaßen nachvollziehbar zu erzählen, wie man als Punkrocker in den 90er-Jahren langsam älter und seriöser wurde, während man gleichzeitig versuchte, den »Spirit« alter Tage zu behalten, knallt Manuel Butt in seinem Roman eine irrwitzige Geschichte raus, die mich immer wieder zum Lachen bringt.

Ich gestehe neidlos ein: Der Roman biete großartige Sommerlektüre, und er verfügt über ausreichend anarchistischen Charme. Es geht um Jugendliche, die richtig viel Mist bauen, die sich mit der Polizei anlegen, die ein Auto klauen, die durch die Gegend fahren und eigentlich ziemlich viel ziemlich falsch machen. So kann man über den Juni 1996 also auch schreiben ...

01 Juli 2025

Die Via Canale feierte

In der Nordstadt von Karlsruhe existiert seit den 90er-Jahre mit der MiKa ein selbstverwaltetes Wohnprojekt. Auf dem Gelände stehen unter anderem das Kulturhaus »Mikado«, wo immer wieder schöne Konzerte veranstaltet werden, und das »Fünf«, mein liebstes Restaurant in der Stadt. Es gehört seit Jahr und Tag zur Tradition, das auf dem MiKa-Gelände ein Sommerfest gefeiert wird.

Am Wochenende war die Fiesta Via Canale; überall in Karlsruhe waren Stadtteil- und Straßenfeste, aber hier war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich Bekannte treffen konnte. Das war dann ja auch so. Das Bier war kühl, die Temperaturen fühlten sich tropisch an, die Stimmung war bestens.

Ich kam ein bisschen später in die Nordstadt; Taxi Sandanski spielten schon. Die Band ist aus Karlsruhe und Umgebung, man spielt einen Sound, der mit »Balkanbeats« ganz gut umschrieben ist. Es wurde eifrig getanzt, es herrschte gute Stimmung, die Band schunkelte sich durch ihre Stücke.

Die folgende Band hatte ich nicht auf dem Zettel: Obwohl es sie seit einigen Jahren gibt, hatte ich JxP noch nie gesehen. Was dann auf der Bühne auftauchte, hatte auch sonst niemand auf dem Zettel. Zuerst hörte es sich wie HipHop an, dann kam ein Saxophin ins Spiel, wuchtige Gitarren hämmerten, dazu ein rasantes Schlagzeug.

Die junge Band auf der Bühne spielte eine Crossover-Mischung, die direkt aus den 90er-Jahren entlehnt schien. Anklänge von »Body Count« und Refused waren zu hören, dazu kamen quatschige Ansagen und eine insgesamt sehr lockere Art. Das anfangs zaghafte Publikum feierte die Band völlig ab; der rasante Stil-Mix aus Metal, HipHop, Elektro und was auch immer sonst noch zu hören war fesselte Zwölfjährige genauso wie Siebzigjährige.

Das Konzert ging bis Mitternacht. Mitten in einem Wohngebiet ist das auch nicht so üblich ...

Ich trank das eine oder andere Bier. Irgendwann saß ich mit nur noch einer Handvoll Leute auf einem Mäuerchen, alles war schon dunkel, und der Bierstand macht bald zu. Gegen halb zwei Uhr bewegten sich dann mein Rad und ich sehr gemütlich in Richtung Weststadt – bis zum nächsten Fest im Kanalweg!

30 Juni 2025

Am kleinen Bodensee

Seit ich aus dem Urlaub zurück bin, versuche ich öfter, mit dem Rad in die Natur zu kommen. Das gelingt gelegentlich – leider viel zu selten – in den frühem Morgenstunden. Da sind die Temperaturen noch nicht so hoch, und ich komme mit der Allergiebelastung einigermaßen klar. Dass ich nach einer Stunde trotzdem klatschnass geschwitzt bin, liegt auf der Hand.

Derzeit bevorzuge ich eine Runde, die von Karlsruhe aus an den Kleinen Bodensee führt. Das ist, wenn man mal an der Müllsammelstelle vorbeigekommen ist, die meiste Zeit recht schön. Es geht bis vor an den Rhein – kurzer Blick auf den Ölhafen –, dann durch den Auenwald und vorbei an stehenden Gewässern, irgendwann zurück nach Karlsruhe. 

Für die Strecke brauche ich etwas über eine Stunde, und ich vermute, dass das auch ein wenig schneller ginge. Ich fahre aber nicht auf Tempo, und irgendwelche Rekorde sind mir völlig egal.

Es ist bei dieser Strecke nicht ratsam, längere Pausen einzulegen und die Natur zu bewundern. Noch haben die Altrheinarme viel Wasser in sich, was bedeutet, dass es von Insekten nur so wimmelt. Auf Stiche kann ich gern verzichten. 

Trotzdem freue ich mich immer wieder über den schönen Anblick, der sich bietet. Es ist eben doch ein kleines Naturschutzgebiet, wenngleich es direkt ans Industriegelände anschließt ...

27 Juni 2025

Zehn Tage Kreta

Ab und zu muss ein Faulenzer-Urlaub einfach sein. Und so war ich im Juni für zehn Tage in Kreta, konkret im Nordwesten der Insel. Dort verbrachte ich meine Zeit in einem schicken Hotel, dessen dörflicher Charakter mir sehr gut gefiel.

Das Hotel bestand im Prinzip aus zweistöckigen Gebäuen, die sich an einem Hang entlangzogen. Es gab den einen oder anderen Pool, die üblichen Einrichtungen wie Fitness-Raum, Restaurants und Bars. Die einzelnen Ebenen des Hotels waren durch Treppen und Rampen verbunden. Von meinem Zimmer aus hatte ich an die dreißig Möglichkeiten und Varianten, zum Strand zu kommen.

Dort verbrachte ich meine Tage. Ich las viel, ich pennte am hellichten Tag, ich schwamm im wunderbaren Wasser, ich schnorchelte auch ein bisschen. Ein bisschen Sonnenbrand musste wohl sein, ansonsten hielt ich mich im Schatten aus und trug gern am Strand sogar ein T-Shirt.

Ich aß viel, trank guten griechischen Weißwein, nahm sicher zwei Kilo zu. Und weil das dann doch nicht so superspannend war, spazierte ich an zwei Tagen ins Nachbardorf, das gut drei Kilometer entlang war, und fuhr einmal mit dem öffentlichen Nahverkehr in die nächstgelegene Stadt.

Aber das Ziel wurde erreicht: Ich konnte gut ausspannen. Das Programm für die Pfingstferien konnte also umgesetzt werden …

26 Juni 2025

Lobgesang aufs Minestrone

Wir saßen auf der großzügigen Terrasse des »Minestrone«; es war ein sonniger Abend, und Karlsruhe präsentierte sich von seiner besten Seite. Vor allem das »Minestrone« gefiel mir gut, in dem es war gelegentlich Konzerte gibt, das ansonsten aber ein kleines Restaurant mit übersichtlicher Speisekarte und guten Getränken ist. Vor allem aber gefiel mir die Umgebung.

Von unten dröhnte ein Schlagzeug, immer wieder hörte man das Publikum, das tobte und schrie und hüpfte. Eine Metal-Band ließ es ordentlich krachen; das »Substage« zu unseren Füßen war ausverkauft.

Blickte ich geradeaus, sah ich auf das Dach des »Aurum«. Weiß gekleidete Leute standen zwischen Stühlen und Tischen herum, einige DJs liefen sich noch warm; irgendwann würde die Afterwork-Party in eine Techno-Party umgehen, die bereits angekündigt worden war und die dann ein anderes Publikum anziehen würde.

Hätte ich mich umgedreht, hätte ich das Gottesauer Schloss gesehen, das sich praktisch hinter mir erhob. In seinen Räumlichkeiten war unter anderem die Musikschule untergebracht; dort wurden professionelle Musiker ausgebildet – in klassischer Musik natürlich.

Und hätte ich versucht, ein bisschen ums Eck zu gucken, hätte ich auf die »Alte Hackerei« hinunterblicken können. Die kleine Punkrock-Bar, in der ich selbst schon viele Konzerte besucht hatte, die an diesem Abend aber kein Konzert anbot.

Ich liebte es, das »Minestrone« zu besuchen und diese Atmosphäre zu genießen. So viel Musik, so viel Vielfältigkeit! Das war einer der Abende, an denen ich bemerkte, wie gern ich in Karlsruhe lebte …

24 Juni 2025

Scarletts Tragödie zweiter Teil

»Vom Winde verweht« ist einer der großen Klassiker der amerikanischen Literatur; verfasst von Margaret Mitchell und aufwendig verfilmt – sogar der Kinofilm gilt als Klassiker. Ich las bereits vor einiger Zeit den ersten Teil der Comic-Version, die ich begeistert rezensierte; dieser Tage las ich den zweiten Teil, der mir ebenfalls sehr gut gefallen hat.

Die Geschichte setzt sich konsequent fort. Nach dem Bürgerkrieg werden die Verhältnisse in den Südstaaten umgekrempelt. Scarlett will nicht arm sein; also tut sie alles, um an Geld zu kommen. Sie geht sogar eine Ehe mit einem Mann ein, den sie nicht liebt. Und längst treibt der Ku-Klux-Klan sein Unwesen ...

Der Roman fängt eine Zeit ein, die von starken Umbrüchen geprägt ist. Die Menschen versuchen ihre Würde zu behalten, während sich alles um sie ändert. Ihr Standesdünkel ist wichtiger als vieles andere. Schwarze gelten immer noch als Menschen zweiter Wahl, daran hat sich nichts geändert.

Das alles setzt Pierre Alary in eine packende Geschichte um. Er fasst einige hundert Seiten eines Romans in eine Graphic Novel, die wesentliche Elemente rafft, sich auf die wesentlichen Szenen konzentriert und so eine Essenz der Handlung herstellt, die sich echt sehen lassen kann. Sowohl grafisch als auch erzählerisch finde ich das sehr überzeugend.

Auch der zweite Teil von »Vom Winde verweht« ist in der Comic-Version lesenswert. Nicht nur für Leute, die den Roman- oder den Film-Klassiker kennen …

23 Juni 2025

Dreißig Jahre und ein kleines Fest

Als ich am Gewerbehof eintraf, wurde ich von einem Satz empfangen, der meine Laune ein wenig senkte: »Die Punkrock-Band hat schon gespielt, aber es kommt ja noch HipHop.« Und das mir! Da fährt man quasi am ersten Tag nach dem Urlaub mit dem Rad quer durch die Stadt, um sich zur Feier von dreißig Jahren Querfunk einzufinden, und kommt zu spät zum Punk. So kann's passieren.

Vier Bier später war meine Laune wieder super. Bei wunderbarem Abendwetter hatten sich im Gewerbehof, wo seit Juni 1995 der Querfunk sein Studio und seine Büros hat, vielleicht hundert Leute versammelt: Veteranen des Radioprojekts, neue Leute, einige Freunde und Bekannte, eine Heerschar an Kindern, die irgendwie dazu gehörten.

Ich laberte viel. Bei einigen Leuten, die ich teilweise seit acht Jahren nicht mehr gesehen hatte, kam es mir vor, als würden wir eine Unterhaltung aus längst vergangener Zeit nach einer kurzen Unterbrechung einfach fortsetzen. Die jungen Leute von damals hatten teils graue Haare, teils gar keine Haare mehr; leider waren einige der Aktivisten jener Zeit schon gestorben.

Ich sah mir die Büroräume an, stand voller Wehmut vor dem Regal, in dem es natürlich kein ENUNKT-Fach mehr gab, und staunte über den Fußboden im Büro: Der sah immer noch gut aus, dabei war ich bei der Verlegung und dem Abschleifen des Holzbodens im schweißtreibenden Sommer 1995 beteiligt gewesen.

Einige Biere später spielte Orgel Krüger. Ich hatte den Musiker, der sich immer mit einem speziellen Helm und einem Anzug verkleidet, noch nie live gesehen, mochte den Auftritt aber sehr: elektronische Musik, viel Quäken und Quieken von der Orgel, Kunstnebel, der durch die laue Sommerluft waberte – das war großes Kino.

Mit der Nomaden Clique konnte ich nicht so viel anfangen. Die Frau und der Mann rappten sich durch ziemlich clevere deutschsprachige Texte, die mit politischen Inhalten und gut verständlichen Aussagen aufwarteten; die Musik fand ich allerdings – wie eigentlich immer bei Hip Hop – komplett langweilig. Aber mir muss ja nicht alles gefallen.

Irgendwann war es Zeit zu gehen. Als einer der letzten wurde ich aus dem Hof gekehrt. Die Nachbarn wollten ihre Ruhe haben, was ich ja verstehen konnte. (Man kann sich kaum vorstellen, dass in diesem Gelände in den 80er-Jahren Punkrock-Konzerte stattfanden und wir noch in den 90er-Jahren recht krachige Partys feiern konnten. Aber so ändern sich die Zeiten und das Lärmempfinden.)

Ein wunderbarer Abend! Auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte des Freien Radios in Karlsruhe!

06 Juni 2025

Zu Emos in die Provinz

Die Gelehrten streiten sich gern über die Frage, was denn zu Punk gehöre und was nicht. Für mich zählte Emocore immer irgendwie dazu, aber ich konnte gut vorstellen, dass das viele Leute anders betrachten. Die »Emos« sahen in den 90er-Jahren, als die Emo-Welle anlief, schon anders aus als Punks, und sie verhielten sich anders.

(Von den heutigen Emos möchte ich gar nicht sprechen; das ist etwas völlig anderes, finde ich. Da ist ja nur der Name mit der alten Zeit identisch.)

Darum geht es in der aktuellen Folge meines Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock’n’Roll«, der in der aktuellen OX-Ausgabe 180 veröffentlicht wird. Mein Ich-Erzähler ist im Juni 1996 in einem badischen Dorf unterwegs – einem Vorort eigentlich – und schaut sich dort ein Konzert an. Es spielt eine Band, und deren Musik wird als Powerviolence bezeichnet. Für jemanden, der mit Punkrock sozialisiert worden ist, kann so eine Begegnung mit neuer Musik durchaus anstrengend sein …

Ich hoffe, es ist mir in diesem Teil der Fortsetzungsgeschichte gelungen, einen Teil des damaligen Zeitgeistes einzufangen. Punkrock war und ist in gewisser Weise konservativ; wenn es etwas Neues gab, wurde es immer kritisch beäugt. So war es 1982, so war es 1988, so war es 1996, und so ist es sicher auch heute noch – nur bekomme ich es nicht mehr großartig mit.

05 Juni 2025

Der zweite Fall für Skarabäus Lampe

Oft ist es so, dass der erste Band einer Serie oder einer Trilogie besonders gut ist, der zweite aber abfällt: Bei »Tod im Museum« ist das völlig anders. Dabei handelt es sich um den zweiten Band einer kleinen Fantasy-Serie, bei der Skarabäus Lampe als Detektiv ermittelt … und ich finde diesen Band noch besser als den ersten, der mir schon sehr gefallen hatte. (Und deshalb ist hoffentlich verzeihlich, dass »Tod im Museum« bereits seit eineinhalb Jahren auf dem Markt ist und diese Rezension recht verspätet erscheint.)

Meike Stoverock hat eine phantastische Welt erschaffen, in der Tiere wie Menschen agieren: Hasen und Löwen spazieren in Anzügen oder Abendkleidern herum, Vögel tragen Uniform, und sogar Fische sind in dieser Welt daheim, müssen aber ihre Sauerstoffversorgung anders regeln. Die Autorin folgt damit einer alten Tradition der Phantastik, die Tiere vermenschlicht, und sie macht das sehr originell und sehr gut.

Worum geht es in diesem Fall für Skarabäus Lampe? Der Vater des berühmten Detektivs stirbt; er war ein bekannter Archäologe, der auf der ganzen Welt forschte und Ausgrabungen leitete. Doch ausgerechnet bei der Trauerfeier gibt es einen Mord, und Skarabäus wird klar: Der Tod seines Vaters war kein Zufall, sondern ebenfalls ein Mord. In einer unruhigen Zeit, in der die Stadt von Demonstrationen und Polizeigewalt erschüttert wird, muss der Detektiv in der bürgerlichen Gesellschaft ermitteln …

Was sich in der Zusammenfassung anhört wie ein ganz klassischer Krimi, ist es im Roman auch. Alle Verdächtigen sind quasi in einem Raum – in diesem Fall in einem Museum –, während die Polizei das Gebäude abriegelt und außerhalb ein Bürgerkrieg droht. Der Detektiv muss ermitteln, ihm stehen aber nur wenige Möglichkeiten zur Verfügung, und die Polizei behandelt ihn mit Misstrauen. Zu allem Überfluss scheinen ihm alle Personen, die er verhört, eine neue, sehr kritische Sicht auf seinen Vater zu vermitteln.

Dieser Krimi wird von der Autorin durch die vielen phantastischen Ideen quasi überhöht. Die Tiere, die miteinander verkehren, die ungewöhnlichen Dialoge – das alles wirkt lebendig und so glaubhaft, wie man es sich eben vorstellen kann. Meike Stoverock bietet eine Fülle origineller Figuren auf, die der Romanhandlung immer ordentlich Tempo geben. Das machte mir bei der Lektüre richtig Spaß – man muss sich allerdings auf die doch etwas schräge phantastische Welt einlassen.

»Tod im Museum« ist gelungenes Lesefutter, eine tolle Mischung aus Krimi und Fantasy im weitesten Sinne. Wer sich nicht so richtig rantraut, möge sich die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlags anschauen – veröffentlicht wurde der Roman bei Klett-Cotta.

Man muss übrigens nicht den ersten Band mit Skarabäus Lampe kennen, um »Tod im Museum« verstehen zu können; beide Bände sind sehr unabhängig voneinander.

(Die Rezension hatte ich bereits im März auf der PERRY RHODAN-Seite; heute komme ich endlich dazu, sie auch an dieser Stelle unterzubringen ...)