18 Dezember 2024

Mein erstes Krippenspiel

Mein Vater fand die Idee überhaupt nicht gut. »Das kommt nicht in Frage!«, rief er. »Mein Sohn steht nicht in dieser Kirche am Altar und trägt irgendwelche Reime vor.«

Ich war enttäuscht, und für mich als Kind war sein Verhalten nicht nachvollziehbar. Seit einem halben Jahr ging ich in den evangelischen Kindergarten des Dorfes, und dass ich einer anderen Konfession angehörte, spielte normalerweise keine große Rolle. Aber nun schien es wichtig zu sein.

Meine Mutter versuchte zu vermitteln. »Die Kinder sollen vorne am Altar stehen, und dort sagt jedes zwei Zeilen«, erläuterte sie zum wiederholten Mal. »Da machen alle Kinder aus dem Kindergarten mit.«

»Aber nicht mein Sohn«, blieb mein Vater standhaft. »In dieser Kirche hat man von der Kanzel herab gegen uns gepredigt, da gehen wir nicht hin.«

An diesem Tag blieb er stur, es gab keine Einsicht. Weder mein Weinen noch die Argumente meiner Mutter – sie war evangelisch konfirmiert worden, bevor ihre Familie in den vierziger Jahren zu unserer Religionsgemeinschaft gewechselt war – änderten daran etwas. Im Dezember 1968 war es von großer Bedeutung, in welche Kirche man ging und was man dort tat.

Es gab später doch eine Art »Happy-End« für mich. Meine Mutter und mein Vater sprachen das Thema wohl irgendwann in Ruhe durch. Und als der Tag des Gottesdienstes kam, an dem das Krippenspiel gezeigt werden sollte, besuchte ich zum ersten Mal die Evangelische Kirche unseres Dorfes.

Meine Mutter und ich saßen in der letzten Reihe. Wir waren die letzten, die in das Gotteshaus huschten, und wir waren die ersten, die es verließen. Aber ich sah meine Freunde aus dem Kindergarten, wie sie am festlich geschmückten Altar standen und ihre zwei Zeilen aufsagten. Ich war unglaublich neidisch auf sie!

»Nächstes Jahr will ich auch da vorne stehen«, sagte ich zu meiner Mutter, als wir über den verschneiten Dorfplatz gingen.

»Da gehörst du dann zu den Großen im Kindergarten«, gab sie zurück. »Mal sehen, was sich bis dahin noch alles tut …«

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