Es ist ziemlich genau ein Vierteljahrhundert her: Der Völkermord in Ruanda begann, die Eskalation der Gewalt steigerte sich – und das Ganze war über Wochen hinweg in der deutschen Presse kein Thema. Es gab einige Berichte in überregionalen Zeitungen, ich las im Frühjahr 1994 immer wieder Texte darüber in der »taz«, und das war's. Im Fernsehen wurde das Gemetzel nicht thematisiert, der Bundestag schwieg dazu, von Friedensdemonstrationen konnte keine Rede sein.
Die Ermordung von bis zu einer Million Menschen wurde einfach kein großes Thema in Deutschland. Das finde ich verblüffend. Ich weiß noch, wie mich diese »Leerstelle« in der öffentlichen Wahrnehmung schon in den 90er-Jahren verwunderte. Wenn ich Leute auf Ruanda ansprach, wussten die meisten nicht einmal, dass es dieses Land gibt, geschweige denn, wo es liegt.
Ich hatte damals vor, eine Radiosendung zum Thema zu machen. Das war, als ich noch plante, »seriös-politische Berichterstattung« zu machen. Ich merkte dann schnell, wie aufwendig eine solche Sendung wäre, und entschloss mich – nach einer Testsendung über die Scientology Church – künftig nur noch über Musik zu berichten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Heute ist es ein bisschen anders. Ein Vierteljahrhundert, nachdem der Massenmord begonnen hat, schreiben viele Zeitungen über das Thema; auch in anderen Medien ist Ruanda stärker präsent. Vielleicht liegt es auch – zynischer Gedanke? – ein wenig daran, dass sogar die verschnarchten Industriebosse gemerkt haben, dass südlich des Mittelmeeres viele Leute leben, die gern die Produkte »made in Germany« kaufen würden, was 1994 noch nicht der Fall war. Ruanda gilt heute als Vorzeigeland, nicht unbedingt für demokratische Errungenschaften, aber für wirtschaftliche Entwicklung.
Welche Lehren aus dem seltsamen Stillhalten der Industrieländer zu ziehen sind, weiß ich nicht. Man würde heute dank des Internets schneller mitbekommen, was in einer »abgelegenen« Weltgegend passiert; ob sich jemand verantwortlich fühlen würde, den Massenmord zu stoppen, weiß ich noch weniger. (Frankreich griff damals bekanntlich ein, um die Massenmörder zu schützen. Aber das ist ein ganz anderes Thema, das bitteschön die Franzosen selbst klären wollen.)
Ich finde die Erinnerung an Ruanda im Jahr 1994 sehr unangenehm. Und ich werde an diesem Wochenende sicher nicht nur einmal an die grausigen Ereignisse in Ostafrika denken, die 25 Jahre her sind und für die meisten Leute hierzulande ganz weit weg.
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