Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Es schneite seit Tagen. Das Dorf versank buchstäblich in Weiß. Meine Eltern mussten jeden Tag mit der Schippe in den Hof, um den Weg für das Auto freizuschaufeln; sonst hätte es mein Vater nicht zur Arbeit und meine Mutter nicht zum Einkaufen oder sonstigen Erledigungen geschafft. Es ging auf Ostern zu, aber die Welt sah nicht so aus, als bekämen wir bald Frühling.
»Was ist mit dem Osterhasen?«, fragte ich am Samstag verzweifelt. Ich war ein kleiner Junge, der zwar nicht mehr so richtig an den Osterhasen glaubte, der sich aber stets freute, wenn er am Ostersonntag im Garten nach bunten Eiern und anderen Kleinigkeiten suchen konnte.
»Der steckt im Schnee fest«, antwortete meine Mutter. Mehr verriet sie nicht.
Wir saßen in der Küche und sahen durch das Fenster hinaus in das Schneetreiben. Wir konnten gerade einmal bis zum nächsten Haus sehen, nicht weiter. Die Wiesen und Hügel verschwanden hinter einem weißen Schleier.
Als ich am Ostersonntag geweckt wurde, sah die Welt immer noch so aus, als habe jemand Tonnen von Schnee über die Häuser und Höfe geschüttet. Meine Eltern schippten den Weg frei, wir gingen in die Kirche.
Danach mussten meine Schwester und ich in den Kindergottesdienst, der sich direkt an den Gottesdienst für Erwachsene anschloss. In dieser Zeit bereitete meine Mutter das Mittagessen vor. Wir kamen also deutlich nach den Eltern nach Hause.
Es hatte zu schneien aufgehört. Den Garten bedeckte eine geschlossene Schneeschicht von gut fünfzig bis sechzig Zentimetern. Mein Vater hatte die Einfahrt sowie einen Fußweg zum hinteren Gartentor freigeschaufelt. Aber es gab keine Spur von versteckten Ostereiern oder einem Hasen.
Wahrscheinlich sah man uns Kindern an, wie enttäuscht wir waren. Deshalb wurden wir auch nicht aufgefordert, die Winterkleidung abzulegen, uns die Hände zu waschen und an den Esszimmertisch zu sitzen.
Während meine Mutter hörbar in der Küche hantierte, winkte uns mein Vater zu sich. »Geht mal auf den Dachboden«, sagte er. »Ich hab da vorher was gehört. Vielleicht ist da etwas passiert.«
Noch während ich überlegte, ob ich sagen sollte, was mir ins Hirn schoss, schrie meine Schwester auf. »Der Osterhase!«
Wir stolperten die schmale Treppe hinauf, die der Großvater vor Jahrzehnten selbst gebaut hatte. Die schlichte Tür zum Dachboden, sonst immer verschlossen, stand offen, und wir rannten hindurch. Hinter uns hörten wir die Schritte unseres Vaters.
Das erste Ei fanden wir gleich; es lag schräg hinter der Tür auf dem Fußboden. Dass es auf dem Dachboden kalt war, störte uns nicht. Dass unser Vater aufpasste, dass wir nicht über Werkzeug fielen oder auf den Berg aus Brennholz kletterten, den wir unter dem Dach aufbewahrten, bekamen wir nur am Rand mit.
Wir stießen auf bemalte Eier, wir fanden ein wenig Schokolade, es gab sogar Spielzeugautos. Die meiste Verstecke waren schlicht, und wir hatten schnell den Dachboden durchstöbert. Erfreulicherweise war nichts im Holz versteckt oder an Stellen, zu denen wir hätten hochklettern müssen.
Für uns war es ein wunderbares Osterfest, eines von der Sorte, an das wir uns viele Jahre danach erinnerten. Der Osterhase hatte uns nicht vergessen, sondern hatte seine Geschenke einfach an einer anderen Stelle für uns versteckt!
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