02 April 2019

Die Dauerlacherin

Als die junge Frau den Großraumwagen betrat, fiel sie mir nicht auf. Sie steuerte die Reihe vor mir an, wo sie sich niederließ. Mit einem »Hallo« und einem lauten Lachen begrüßte sie die Person, die dort saß und die ich nicht sehen konnte.

Ich steckte die Nase wieder in mein Manuskript, versuchte standhaft, meine Umgebung auszublenden, und eifrig zu lesen. Doch vor mir hatte sich die ruhige Stimmung verwandelt, und schuld daran war das Lachen, das mich immer wieder aus allem herausriss.

Die junge Frau lachte ständig, gefühlt alle fünf Sekunden schallte ihr abgehacktes »Hahahaha« zu mir herüber. Es war kein fröhliches Lachen, das ich bei einem Witz oder einer witzigen Bemerkung angebracht gefunden hätte. Ich empfand es als künstlich. Und sie lachte einfach immer, egal zu welchem Thema.

»Schau mal, da draußen sieht man, wie schön das Wetter ist.« Hahahaha. »Oh, der Schaffner kommt.« Hahahahha. »Hier ist meine Fahrkarte.« Hahahahaha. »Vielen Dank für die Auskunft.« Hahahaha.

Ich wollte das dauernde Lachen ausblenden, es ging nicht. Jeder Satz von ihrer Nebensitzerin oder vom Schaffner wurde mit einem kurzen Gelächter kommentiert. Wenn sie selbst etwas sagte oder erzählte, unterbrach sie ihre eigenen Sätze mit Gelächter.

»Ich ging also die Straße entlang ...« Hahahaha. »... und da kam mir dieser Mann entgegen ...« Hahahahaha. »Er hatte einen Anzug an ...« Hahahaha. »... und trug einen Hut, so einen ganz breiten ...« Hahahaha. »... und er kam auf mich zu, und ...« Hahahahaha.

Es war unfassbar. Ich hasste sie irgendwann für ihre aufgesetzte Fröhlichkeit. Ich wollte sie aus meinem Bewusstsein ausblenden, aber es ging nicht. Sie lachte jegliche Schutzbarriere um mein Hirn weg, sie fräste sich in meinen Kopf und verschwand nicht mehr.

Es war alles unmöglich, ich konnte nicht mehr lesen. Ich merkte selbst, wie ich mich in etwa hineinsteigerte. Die junge Frau hatte schließlich ein Recht darauf, so zu lachen. Dass ich mich über sie ärgerte, sagte ja eher etwas über mich aus als über sie.

Aber auch die Selbstkritik half nichts: Sie ging mir auf die Nerven, ununterbrochen und ohne jegliche Pause. Als sie in Kassel endlich ausstieg, schloss ich vor Erleichterung die Augen. Mein Schlaf ging immerhin bis Frankfurt.

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