Als ich unlängst mal wieder im »Alnatura« einkaufte, einem von geschätzt zehn Bio-Supermärkten in Karlsruhe, erinnerte ich an meine ersten Versuche, mich vegetarisch zu ernähren. Das war in den 80er-Jahren, ich wohnte nicht mehr daheim, aber immer noch in der kleinen Stadt im Schwarzwald; der Öko-Laden ganz in meiner Nachbarschaft wurde fast zu meiner zweiten Heimat.
Ich fand Produkte, die ich nicht kannte, kaufte Fairtrade-Kaffee und biologisch korrekten Käse, vegane Plätzchen und allerlei Bratlinge auf Soja-Basis. Häufig schmeckte mir das Zeug nicht, aber ich wollte keine toten Tiere mehr futtern und mich gesund ernähren. Also stand ich alles tapfer durch, vor allem dann, wenn ich allein durch den übersichtlichen Laden gehen und meine Produkte »frei Schnauze« auswählen konnte.
Manchmal aber wurde ich in ein Gespräch verwickelt. Häufig geschah es beim Zahlen, manchmal sprachen mich aber auch die Leute »einfach so« an. Vorherrschend waren Spät-Hippies und Ökos über vierzig.
Ich war der einzige »junge Mann«, der in dem Öko-Laden einkaufte, und ich sah mit meinen löcherigen Hosen und dem rasierten Kopf nicht gerade ökobewegt, sondern eher politisch heikel aus. Wer ich denn sei, ob ich mich nicht politisch-gesellschaftlich engagieren wollte und andere kluge Frage bekam ich zu hören.
Irgendwann ging ich nicht mehr hin, weil ich das Gerede nicht mehr ertrug, irgendwann futterte ich wieder mit großer Begeisterung Döner oder Currywurst, Gulaschsuppe oder Bratwurst. Bis ich »richtig« – aber eben nicht religiös – zum Vegetarier werden sollte, dauerte es noch einige Jahre.
Im »Alnatura« fiel mir auf, dass ich längst zum Mainstream dieses Ladens gehöre: Ich fahre mit dem Rad hin, stelle es auf den Fahrradparkplatz, packe meine Stofftasche aus und kaufe dann das Zeugs, das ich will. Ein Einkauf ist da ganz schön hochpreisig, das kann sich nicht jeder leisten.
Immerhin ist der Altersschnitt heutzutage ein wenig gemischter: vom Jungmann mit Hipsterbart über die zottelige Hippie-Dame und den Anzugträger mit Krawatte bis zur feschen Rentnerin mit kurzem Grauhaar ist vieles vertreten, das auf den ersten Blick nicht zusammenpasst. Doch auch heute gibt es eine Übereinstimmung: Geld.
Der bürgerliche Mainstream ist unter sich: War ich in den späten 80er-Jahren mit meinem geringen Einkommen eine Ausnahme, wäre es heute ein Arbeitsloser oder ein sogenannter Geringverdiener – ein solcher Kunde fiele auf wie ich damals. Zum Bio-Einkaufsmarkt gehört offensichtlich das richtige Einkommen ...
3 Kommentare:
Lieber Klaus,
klar ist es da teurer, aber dafür rauche ich nicht mehr und ich habe auch zum Beispiel keine tollen Alufelgen auf dem Auto, lasse mir die Nägel "machen" oder trinke Feierabendbierchen ... Also AUCH eine Frage der Prioritäten ...Liebe Grüße vom Nicht-Robot Jule
Bio-Supermarkt ist halt Bio + Noch mal Aufpreis für Bequemlichkeit.
Ich kann Jule da nur zustimmen: Für Normalverdiener nur eine Frage der Prioritäten.
Wenn ich sehe, wie sich Jule die Prioritäten von Normalverdienern vorstellt, mache ich vielleicht irgendwas verkehrt. Ich rauche zwar und will weder auf mein Feierabendbierchen noch auf die damit einhergehenden Sozialkontakte verzichten, aber dafür habe ich gar kein Auto und lasse mir auch nicht die Nägel machen. Leisten, mich aus dem Reformhaus zu ernähren, kann ich es mir trotzdem nicht.
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