Wenn ich eine Reise unternehme, habe ich gern Bücher dabei. Selbst wenn die Reise anspruchsvoll oder komplett unterhaltsam ist, gibt es immer wieder Phasen, in denen ich gerne lese: am Pool, abends im Bett, bei einer Pause unterwegs. Einer der Romane, die ich im Piemont dabei hatte, stammte von dem schweizerdeutschen Autor Urs Widmer – ein schmales Werk von 177 Seiten, das den schönen Titel »Ein Leben als Zwerg« trägt.
Es handelt sich tatsächlich um einen Roman, in dem ein Zwerg die Hauptrolle spielt. Das ist jetzt nicht vergleichbar mit den Zwergen-Romanen, die beispielsweise der geschätzte Kollege Markus Heitz verfasst hat: Bei Vigolette Alt handelt es sich um einen Zwerg aus buntem Gummi, ein Kinderspielzeug also – und er steht zusammen mit Kollegen wie dem Grünsepp oder Dunkelblöe vorzugsweise in einem Kinderzimmer herum.
Nachts erwachen die Zwerge aber zu einem seltsamen Leben: Sie gehen auf Wanderschaft, sie sprechen miteinander, sie erzählen sich erfundene Geschichten oder sie springen unaufhörlich von Regal auf den Boden und wieder zurück – ein spannendes Leben, wie man glauben könnte. Darüber spricht und erzählt Vigolette Alt.
Das ganze ist höchst skurril erzählt: Urs Widmer hat eine schräge Phantasie, und der Roman schildert das unbekümmerte Leben der Zwerge in einer Art und Weise, die zwar nicht spannend ist, aber stets unterhaltsam. Die Lektüre macht so richtig Laune – und als der Roman fertig war, fühlte ich mich ein wenig traurig.
Natürlich handelt es sich bei dem Ding auch um eine Art Biografie des Schriftstellers. Urs Widmer ist mit dem Kind Uti identisch, das den Gummizwerg geschenkt bekommt – und als erwachsener Schriftsteller hat Urs Widmer immer noch diesen Zwerg, der im Regal steht. Ein ungewöhnlicher Blick auf eine Künstlerfamilie und ihre Entwicklung!
Seien wir fair: Diesen phantastischen Roman muss man nicht gelesen haben. Aber er gehört zu den »Kleinoden«, an deren Lektüre man sich noch Jahre und Jahrzehnte später erinnert. (Erschienen ist das Buch bei Diogenes als Hardcover.)
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