Die aktuelle Ausgabe des - wie immer zu lobenden - Informations-Fanzines FANDOM OBSERVER hat mehr aus Zufall einen gewissen Frick-Schwerpunkt erlangt. Neben einem Leserbrief, in dem ich mich auf eine frühere Ausgabe beziehe, gibt es in der Ausgabe 231 glatt noch vier weitere Texte.
Das eine ist eine Besprechung zu einem »Zamorra«-Hörspiel, dann kommen noch zwei längere Meldungen hinzu, und es gibt zudem ein Artikel über eine seltsame Justizposse. Den dokumentiere ich hier im Kommentar - ich finde ihn nämlich höchst amüsant und interessant.
Wer sich für den kompletten FO interessiert, kann das Ding ja entweder als Print-Heft abonnieren oder einfach auf der Homepage downloaden.
2 Kommentare:
Justizposse – oder Widerstand gegen einen Großkonzern?
Eine ungewöhnliche Nachricht ging Ende Juli durch die Fachpresse: Der Verlag Random House in München wurde durchsucht, weil ein Autor, der sein Werk als »Book on Demand« veröffentlicht hat, das Verlagshaus wegen »gewerbsmäßiger widerrechtlicher Kennzeichenverletzung« angezeigt. Klingt komisch, ist aber so – um es mit einer bekannten Fernsehsendung zu sagen. Doch erst einmal der Reihe nach ...
Bereits im Jahr 2000 veröffentlichte der in Hamburg lebende Schriftsteller und Journalist Guido Krain den Roman »Elfenmond«. Er benutzte die Publikationsmöglichkeiten von »Book on Demand« für die Publikation des 500 Seiten starken Taschenbuches, um das Werk, wie er in eigenen Verlautbarungen schreibt, »nicht von irgendeinem Lektor zusammenstreichen und diskutieren zulassen«.
Der Roman wurde nach seinem Erscheinen mehrfach positiv besprochen, vor allem im Internet, auf Fan-Homepages oder auch in den Kommentarspalten des Internet-Buchhändlers Amazon.de. Nach Angaben des Autors hat er sich auch ordentlich verkauft; genaue Zahlen liegen leider nicht vor.
Im Jahr 2007 schaltete der Verlag cbt, eine Random-House-Tochter, in den entsprechenden Fachzeitschriften eine Titelschutzanzeige. In dieser ging es um das geplante Buch »Unter dem Elfenmond« des Schriftstellers O.R. Melling. Guido Krain bekam davon Wind und wandte sich an Random House; er forderte eine Titeländerung.
Die Verlagsleute in München reagierten. Laut Angaben der Fachzeitschrift »Buchmarkt« folgten sie den »Anraten der Rechtsabteilung« und änderten den Titel in »Im Schatten des Elfenmonds«; unter diesem Titel erschien das Taschenbuch im Januar 2008.
Bei Random House hoffte man, »die Sache sei erledigt«. Das war sie aber nicht für den Hamburger Schriftsteller, der auf der Homepage fantasybuch.de die Sache folgendermaßen darstellt: »Gegen diesen offensichtlichen Titeldiebstahl habe ich mich selbstverständlich mit allen Mitteln zur Wehr gesetzt.«
So kamen am Dienstag morgen, 29. Juli 2008, gleich zwei Kriminalhauptkommissare und eine gruppenleitende Staatsanwältin in den Verlagssitz, einen Durchsuchungsbefehl in der Hand, und verlangten, die Geschäftsräume und Nebenräume der Verlagsgruppe zu durchsuchen. Der Tatbestand der »gewerbsmäßigen widerrechtlichen Kennzeichenverletzung« stünde im Raum, der nach Angaben des »Buchmarkts« mit einer »Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft« werden könne.
Der Generalstaatsanwalt persönlich habe diesen Einsatz angeordnet. Und wenn Random House nicht mitspielen wolle, könnte man auch mit 15 Polizeibeamten wiederkommen und den gesamten Verlag durchsuchen. Random House übergab nach einigem Hin und Her den Ermittlern folgendes: die gesamte, aus drei Blättern bestehende Verfahrensakte, den Lizenzeinkaufsvertrag und die Lektoratsunterlagen sowie das betreffende Buch.
Die Verblüffung in der Szene war groß. Random House wolle, so hieß es sofort, die Durchsuchung anfechten. Zudem wolle man »dem Generalstaatsanwalt neben zumindest Grundkenntnissen des Titelschutzrechts zu vermitteln, dass es keine Pflicht deutscher Verlage gibt, englische Originaltitel wortwörtlich zu übersetzen und dass man sich darüber streiten kann, ob ein Buch, dessen aktueller Amazon-Verkaufsrang Platz 430.876 ist, tatsächlich sehr bekannt ist und derart massiven Schutz der bayerischen Ermittlungsbehörden verdient«.
In einem Interview äußerte sich auch der Justitiar des Verlags, Rainer Dresen, der sich nach wie vor verblüfft zeigte: »Mir ist ein völliges Rätsel, warum der Generalstaatsanwalt höchstpersönlich meint, hier derart massiv mit einschneidenden strafrechtlichen Maßnahmen und persönlichen Strafandrohungen gegen Verlagsverantwortliche in einen zivilrechtlichen Alltagsfall eingreifen zu müssen.«
Der Autor selbst sieht sich komplett im Recht. Seiner Ansicht nach liegt eine »vorsätzliche und mit Berechnung vorgenommene Urheberrechtsverletzung« vor, die er angezeigt hat, weil sich »das Bertelsmann-Unternehmen Random House in großem kommerziellem Stil bereichern möchte«. Guido Krain, der nach eigenen Angaben »seit über 15 Jahren nur vom Schreiben lebt und der schon mehrere Buchprojekte mit großen Verlagen realisiert hat«, weist darauf hin, dass jeder, der ein Buch veröffentlichen wolle, vorher Titel zu überprüfen hätte.
Er sieht die Politik des Verlages, der auf seine Korrespondenz im Jahr 2007 nicht ausreichend reagierte, durchaus kritisch: »In Wirklichkeit war Random House natürlich jederzeit klar, dass es einem Privatmenschen vollkommen unmöglich ist, auf zivilrechtlichem Weg einen Koloss wie den Bertelsmann-Konzern anzugehen.« Kran lobt den »mutigen« Staatsanwalt und sieht durch »dieses mutige und entschlossene Reagieren des Rechtsstaats« sein »Vertrauen in dieses Land« wiederhergestellt.
Und jetzt? Wir beobachten interessiert weiter ...
Tja, da hat man wohl eher bei Random House ein bisschen Nachhilfe in den Grundkenntnissen des Titelschutzrechts nötig, wenn man allen Ernstes glaubt, aus einer nicht existierenden Pflicht deutscher Verlage, englische Originaltitel wortwörtlich zu übersetzen, ein Recht auf völlig beliebige oder wie in diesem Fall gar fremde Titel abkupfernde und anderer Leute Veröffentlichungspläne gefährdende Titelübersetzungen ableiten zu können, zumal wenn es sich um Namen von Fantasy-Welten dreht, die der Erwartungshaltung nach fast immer in mehrbändigen Romanzyklen abgefeiert werden!
Man muss sich auch gar nicht darüber streiten, ob ein Buch, dessen aktueller Amazon-Verkaufsrang Platz 430.876 ist, derart massiven Schutz der bayerischen Ermittlungsbehörden verdient. Selbstverständlich verdient es diesen Schutz! Selbst ein Buch auf Amazon-Verkaufsrang Platz 999.999.999 - ich würde sogar sagen: gerade ein solches Buch! - verdiente den massiven Schutz der bayerischen Ermittlungsbehörden!
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