28 November 2025

Horror und Feminismus

Ein durchaus empfehlenswerter Podcast, der sich mit Literatur beschäftigt, kommt vom Deutschlandfunk und trägt den schönen Titel »Lesart«. Eigentlich ist es ja ein Bestandteil der Radiosendung, der hinterher als Podcast für Leute wie mich angeboten wird, die tagsüber selten Radio hören, im Auto aber gerne mal einem Podcast lauschen.

Eine der Folgen, die am 26. November angelegt wurden – »ausgestrahlt« stimmt ja nicht ganz –, trägt den Titel »Der Feminismus ist im Horrorgenre angekommen«. Der Moderator und ein Gast sprechen über das Thema, und die Unterhaltung ist wirklich interessant. 

Man könnte kritisch einwenden, ob man zum Thema Feminismus unbedingt zwei Männer miteinander reden lassen musste – gab’s da keine Frau, die sich mit dem Thema ein bisschen beschäftigt? –, und die leichte Arroganz, die mitschwingt, wenn sich Literaturleute über Phantastik unterhalten, ist feststellbar, aber insgesamt fand ich die Sendung gut.

Die Podcast-Folge ist angenehm kurz, in nicht einmal sechs Minuten ist das Thema angerissen, und am Ende hatte ich den einen oder anderen neuen Literatur-Tipp. So muss das sein!

27 November 2025

Großmutter und die Wölfchen

Ganz in der Nähe des Hauses, in dem ich wohne und schlafe, gibt es den Gutenbergplatz. Der sieht richtig badisch-romantisch aus: alte Giebelhäuser ringsum, Kopfsteinpflaster, Straßencafés. Selten sieht Karlsruhe bürgerlicher und gleichzeitig gemütlicher aus als an diesem Platz. Ich mag ihn, auch wenn ich mich dort selten aufhalte; einmal in der Woche besuche ich dort meist den Wochenmarkt, gelegentlich steuere ich den Bücherschrank an.

An diesem Mittwochabend im Spätsommer 2004 war einiges anders: Bei schwülwarmem Wetter, das mir bei jeder Bewegung den Schweiß aus den Poren und ins T-Shirt trieb, bewegte ich meinen Körper zum Gutenbergplatz. Dass sich in meinem Schlepptau eine Reihe von Menschen aufhielt, die ebenso schwitzten, tröstete mich dabei nicht so arg.

Aber Micha hatte die Devise ausgegeben: »Auf dem Gutenbergplatz ist was los, da spielt eine Band, und das ist bestimmt lustig.« Sie musste es wissen, und sie war sehr überzeugend in dem, was sie sagte.

Ich hätte misstrauisch sein sollen: Eine Exil-Pfälzerin, die in einem Dorf außerhalb von Karlsruhe lebt, hat sicher andere Vorstellungen von Lustigkeit als ich ... Aber ich ging mit, und ich hatte die beste Absicht, mich bombig zu amüsieren.

Zwei Viertel pfälzischen Weißherbst, die ich mir schon ins Hirn geballert hatte, sorgten zudem für gute Laune. Bei der Temperatur sorgte auch ein leichter Wein dieser Sorte normalerweise für gute Laune.

Was ich nicht wusste, war die Tatsache, dass eine Bäckerei auf dem Gutenbergplatz ihr zehnjähriges Jubiläum feierte und in einem Anfall von klugem Marketing nicht nur sich selbst feiern wollte, sondern dazu alle Nachbarn einlud. Die Bäckerei mit dem hübschen Titel »Großmudder‘s« hatte es geschafft, den ganzen Platz in eine Party-Zone zu verwandeln.

In eine Party-Zone für fiftysomethings, um es genauer zu sagen. Unsere fröhliche Delegation senkte glatt den Altersdurchschnitt auf dem Gutenbergplatz, zumindest unter den Besuchern, die sich auf Bierbänken breitgemacht hatten oder begeistert jener Band zujubelte, die vor einem bunten Lieferwagen auf einer improvisierten flachen Bühne stand und wie wild rockte.

Die Band nannte sich Peter & The Wolves, und sie bestand aus vier Männern und einer Frau. Im Schnitt waren sie an die fünfzig Jahre alt, durchaus versiert auf ihren Instrumenten, also etwa auf dem Niveau einer durchschnittlichen Schülerband, und unter dem Jubel des Publikums war kaum zu vernehmen, dass viele Einsätze nicht stimmten, das sich Gitarre und Schlagzeug gelegentlich nicht überholten, sondern gegenseitig langsamer machten.

Immerhin schafften die fünf Leute auf der Bühne es, Stücke von den Rolling Stones und von AC/DC in einer Art zu spielen, dass sie von jedem wieder erkannt wurden, wenngleich manchmal arg augenzwinkernd und magenverrenkend. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder schreien sollte, während Manne bei jeder Gelegenheit einen neuen trockenen Spruch absonderte, der sich auf das mangelnde spielerische Können der Band bezog.

Punkrock ist nicht gerade die Musikrichtung, die dafür bekannt ist, filigrane Töne in die Welt zu spucken. Aber da wird eben musikalisches Unvermögen dadurch ausgeglichen, dass die Attitüde stimmt oder die Aussagen die knallige Musik ergänzen. Bei der Band auf der Bühne paarten sich musikalisches Unvermögen mit dem Anspruch, gut zu klingen und irgendwie wichtig zu sein. Zumindest kam es mir an diesem Abend so vor.

Weil ich mit der Musik und dem schunkelnden Publikum meine Probleme hatte, schüttete ich mir ein weiteres Viertel Wein in den Schlund, diesmal einen leichten Italiener, was bei den tropischen Temperaturen einen netten Effekt auslöste: Ich wurde noch alberner, als ich es wegen des bisherigen Trinkens schon gewesen war.

Leider reichte es nicht dazu, so richtigen Unfug zu treiben. Mein soziales Umfeld verschleppte mich tatsächlich ins Innere von »Großmudder's Bäckerei«, wo wir einen Platz am Fenster bekamen, mit gutem Blick auf die Band. Ich war schon angetrunken und hatte große Angst, die Fassung zu verlieren; also legte ich eine drastische Pause ein, blieb bei Apfelschorle und überlegte mir bereits, ob ich den Kopf auf den Tisch legen sollte.

Der Abend wurde noch skurril. Meine Begleiter fielen über den Kuchen her, den es in der Bäckerei gab. Abends um halb elf Uhr verspeisten sie Unmengen von süßem Zeugs und Kuchen, während ich mit schmerzenden Ohren auf den Gutenbergplatz schaute, Peter und seine Wolfbande abwechselnd verfluchte und verspottete und mir klarmachte, dass ich jetzt genau in dem Alter war, in dem man solche Veranstaltungen gefälligst gut zu finden hatte ...



(Der Text wurde im April 2005 in der Ausgabe 42 meines Egozines ENPUNKT veröffentlicht. Für diese Publikation wurde er noch einmal leicht bearbeitet. Mittlerweile bin ich so alt wie die Leute, die damals der Band zujubelten. Ich fände sie wahrscheinlich immer noch doof. Also die Band, nicht die Leute …)

26 November 2025

Ein Held der Pulp-Abenteuer

Das Universum ist ein gefährlicher Platz, zumindest die Bereiche, die von Menschen besiedelt worden sind. Auf der Venus, dem Mars oder dem Merkur oder auch auf verschiedenen Monden – überall haben sich Menschen niedergelassen. Sie haben sich teilweise mit den einheimischen Kulturen vermischt, die dort bereits leben, oder sich an sie angepasst. Zwar kann man mit Raumschiffen von Planet zu Planet reisen, auf der Oberfläche der Welten benutzt man trotzdem archaische Waffen.

Das ist die Welt, die sich Leigh Brackett in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts ausdachte. Eric John Stark ist der Held dieser Abenteuer, die eine bizarre Mischung aus Science Fiction und Fantasy bilden. Sie wurden gelegentlich in Anthologien veröffentlicht, nun aber liegen die drei Novellen in einem Sammelband vor: »Schwelende Rebellion« erschien als schöne Ausgabe im Carcosa-Verlag. Die Texte wurden von Helmut W. Pesch neu übersetzt, der auch ein sachkundiges Nachwort beisteuerte.

Ich mag diese alte Science Fiction! Sie entspricht nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft, und sie war schon damals eher märchenhaft als an der »harten Physik« orientiert. Darum ging es Leigh Brackett offensichtlich auch nicht – hätte sie Hard-SF schreiben wollen, hätte sie das sicher gekonnt –, sondern ihr ging es um die Darstellung eines phantastischen Sonnensystems, das manchmal eher an die Schauplätze der klassischen »Conan«-Geschichten oder der epischen Fantasy wie in »Herr der Ringe« erinnert.

Farbige Beschreibungen, stimmungsvolle Einblicke, starke Szenen: Eric John Stark ist ein Außenseiter, der von allen auch so behandelt wird. Die Ureinwohner haben fremdartige Sitten, sehen aber weitestgehend menschlich aus; die Natur wird beeindruckend dargestellt.

»Schwelende Rebellion« ist eine Sammlung, die drei klassische Science-Fiction-Novellen enthält, die ich allesamt faszinierend fand. Schön, dass das das jetzt in einer kompletten und schön gemachten Ausgabe angeboten wird!

25 November 2025

Kein Fahrradjahr für mich

Gestern befüllte ich wieder einmal eine Waschmaschine; in diesem Fall mit »bunter Wäsche, 40 Grad«. Bevor ich das Gerät einschaltete, suchte ich in der Wohnung nach herumliegenden Klamotten, die ebenfalls in die Maschine sollten. Ich fand eine Reihe von Socken, die an den unmöglichsten Ecken auftauchten. Und eine kurze Hose, die ich provisorisch an die Türklinke meines Arbeitszimmers gehängt hatte.

Es war die Hose, die ich zuletzt bei einer kleinen Radtour angezogen hatte. Diese Tour war bereits Wochen und Monate her. Als ich die Hose anschaute und mir überlegte, dass das Wetter eindeutig nicht mehr für kurze Hosen an der frischen Luft geeignet war, fiel mir ein, dass mein Fahrradjahr 2025 ziemlich depressiv verlaufen war.

Im vergangenen Jahr hatte ich eine »gute Ausrede«: Corona und als Folge eine Thrombose hatten zuverlässig dafür gesorgt, dass mir die Ärzte alle sportlichen Aktivitäten anfangs verboten und später nur eingeschränkt genehmigt hatten. Doch 2025? Da gab es solche Regeln nicht.

Und trotzdem hatte ich 2025 nicht viel geschafft: Ich war jeden Tag mit dem Rad unterwegs, aber eine Fahrt zum Bäcker oder ins Training konnte man kaum als Tour bezeichnen. So kam ich auf vielleicht ein Dutzend kurzer Touren, die zwischen einer Stunde und zwei Stunden gedauert hatten, aber nichts, das darüber hinaus ging. Ich war nicht in der Pfalz oder gar im Elsass, ich war nicht im Kraichgau, und ich fuhr keine Berge am Rand des Schwarzwalds hoch.

Als ich die kurze Hose in die Waschmaschine steckte, war mir das alles doch ein wenig peinlich. Kein gedanklicher Rückblick im Stolz also …

24 November 2025

Der Elefant fasziniert einfach

Als ich im Jahr 2018 zum ersten Mal in Nantes war, musste ich mir selbstverständlich die Insel der Maschinisten anschauen und bewunderte dort unter anderem den mechanischen Elefanten. Bei der diesjährigen Reise nach Nantes war das künstliche Tier wieder die Attraktion – da ich quasi um die Ecke wohnte, sah ich ihn gleich mehrfach.

Man hörte die Maschinen, die den Elefanten antreiben, man sieht die Technik, und trotzdem ist es ein beeindruckendes Bild: Das mechanische Tier ist riesig, es bewegt sich wie ein echter Elefant, und das wirkt fast schon naturnah. Die Ohren bewegen sich, die Beine haben die korrekten Bewegungsabläufe, die Haut ist lederartig; das hat schon viel von einer natürlichen Anmutung.

Für die Kinder ist es ein riesiger Spaß. Man kann auf dem Elefanten reiten, was ich eher langweilig fand, man kann ihn aber auch von unten oder von erhöhten Punkten aus bestaunen. Wer sich dem Elefanten in den Weg stellt, wird nassgespritzt: Das mechanische Tier richtet den Rüssel entsprechend aus und spuckt Unmengen von Wasser. Auch das ist ein riesiger Spaß für die Kinder.

Die Erwachsenen sind zumeist damit beschäftigt, das Schauspiel zu filmen. Das tat ich nicht: Ich guckte mir den mechanischen Elefanten lieber an und ließ ihn an mir vorübergehen, schoss nur eine Handvoll Fotos. Für die nächsten Jahre möchte ich die Bilder schließlich in meinem Gedächtnis bewahren. 

21 November 2025

Die Chaostage als Theater

Seit ich zum letzten Mal in Hannover die Chaostage besucht habe, ist ein Vierteljahrhundert vergangen – es war im August 2000. Schon damals wurden die Ereignisse des August 1995 von allen möglichen Menschen schon in einer verzerrten Art und Weise rekapituliert: Die einen redeten von schlimmen Straßenschlachten, die anderen von der »geilsten Party« ihres Lebens.

Der Sommer 1995 ist mehr als dreißig Jahre her, der Begriff »Chaostage« gehört längst zum ganz normalen Wortschatz in Deutschland. Da finde ich es interessant, dass ein Theater-Kollektiv in Hannover, das sich als »MÜH« bezeichnet, ein Live-Hörspiel unter dem Titel »No Chaos No Future« vorbereitet hat – es wird an diesem Wochenende erstmals aufgeführt und wird bis in den Januar hinein auf verschiedenen Bühnen der Stadt gezeigt.

Die Macher*innen des Stücks sind allesamt jung; die meisten waren 1995 noch nicht einmal geboren. Für die ist das alles eine Vergangenheit, und sie versuchen, sie auf ihre Weise aufzubereiten. Man sprach mit Leuten, die damals auf der Straße dabei waren; beispielsweise wurde auch ich befragt. Was dabei heerausgekommen ist, kann ich nicht beurteilen – ich werde das Stück so schnell nicht anschauen können.

Was mir an dem Projekt aber schon gefällt: Es wurde nicht von den höchsten Höhen des Kulturgeschäfts herunter entwickelt, sondern die Macher*innen sprachen mit Leuten, um herauszufinden, ob es bei den Chaostagen 1995 überhaupt eine Wahrheit gibt oder nicht vielmehr zahlreiche Geschichten, die sich teilweise extrem widersprechen. Mal schauen, wie das ankommen wird …

20 November 2025

Getippt mit der Kofferschreibmaschine

Die letzte Ausgabe von SAGITTARIUS, die ich ganz allein zusammenstellte, kam im Juni 1983 heraus. Sieht man von dem professionellen Titelbild ab, war das ganze Heft ansonsten von mir selbst abgetipppt worden: mit meiner alten Kofferschreibmaschine, die mir meine Eltern im Jahr 1980 geschenkt hatten und mit der ich wie ein Wilder meine Texte verfasste.

Sogar das Inhaltsverzeichnis schrieb ich schlicht mit der Schreibmaschine, deren Farbband irgendwann ausgeleiert war und deren Typen nicht mehr sauber saßen. Anton Atzenhofer hatte ein schönes Bild gezeichnet, das ich sehr ansprechend fand – um dieses Bild herum schrieb ich meinen Text so, dass ich hinterher alles zusammenkleben konnte.

Das Heft selbst war übrigens ganz gut. Wenn ich es mir heute anschaue, gruselt es mich bei dem Layout zwar teilweise, aber ich finde die Inhalte immer noch gut. Die Grafiken waren auf ordentlichem Niveau, die Kurzgeschichten sowieso, dazu gab es Artikel und sogar Gedichte.

Eine gelungene Mischung – wenn man bedenkt, dass ich damals gerade mal 19 Jahre alt war, muss ich mich heute dafür nicht schämen.

19 November 2025

Von Einstein zu Higgs und zurück

Ich werde nie ein Experte für Physik werden, auch wenn sie mich fasziniert. Bücher über wissenschaftliche Themen lese ich dennoch gern, vor allem dann, wenn sie mit meiner Arbeit und meiner Faszination für Science Fiction zu tun haben. Deshalb mochte ich das Sachbuch »Warum ist E=mc2?«, das die Journalisten Brian Cox und Jeff Forshaw verfasst haben.

Wie der Titel schon nahelegt, geht es um die Physik, wie sie sich ab dem späten 19. Jahrhundert entwickelt habt. Die beiden Autoren stellen beispielsweise die Wissenschaftler vor, die gewissermaßen die Vorarbeiten für Einstein geliefert hatten. Die klassische Formel steht im Zentrum des Buches – und ihr leiten die Autoren die moderne Physik ab. Am Ende landen sie beim Higgs-Feld und beim Higgs-Teilchen.

Das Buch wurde 2009 erstmals in Großbritannien veröffentlicht, die deutschsprachige Ausgabe ist von 2015 – seither gab es natürlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Aber dass diese fehlen, merkt ein Laie wie ich kaum ... Ernsthaft: Die neuesten Erkenntnisse sind vielleicht nicht drin, aber die Grundlagen sind ja geblieben, und die werden von den beiden Autoren gut vermittelt.

Was mir gefallen hat, ist die Tatsache, dass man spgar die Formeln erläutert, auf denen die aktuelle Physik beruht. Das kann durchaus ins Detail gehen, und ich stieg an mancher Stelle rasch aus, weil ich nicht folgen konnte: Während ich so etwas lese, kommt es mir komplett schlüssig vor; klappe ich aber das Buch zu und versuche mich zu erinnern, fehlt das frisch erworbene Wissen bereits wieder.

Weil das Buch in sich logisch aufgebaut ist – von den Anfängen bis zur aktuellen Zeit –, kann ich die moderne Physik für mich aber greifbar machen und bei Gelegenheit einzelne Passagen nachlesen.

Das Buch selbst ist nämlich sehr locker geschrieben. Der Ton ist der von Journalisten, die sich bemühen, ihr Wissen an einen Laien weiterzugeben, und nicht der von Wissenschaftlern, die sich an Studierende oder andere Wissenschaftler richten. Dadurch fühlt man sich als Leser ernst genommen und auch »abgeholt«, glaubt zumindest stets, die Gedankengänge der Autoren verstehen zu können.

Ein Sachbuch für Leute wie mich, die sich am Rand für diese Themen interessieren, nicht so richtig Bescheid wissen, gern aber mehr Ahnung haben möchten … Lohnt! (Erschien als Hardcover mit Schutzumschlag bei Kosmos; es gibt aber auch eine Taschenbuch- und eine E-Book-Version.)

18 November 2025

Zombies und andere Monster

Im »Kohi« in der Südstadt von Karlsruhe besuche ich gelegentlich Konzerte; ich wusste, dass dort auch Kunstausstellungen ablaufen und Lesungen veranstaltet werden. Einen Besuch bei einer Lesung dort schob ich aber immer vor mir her – bis zum Freitag, 14. November 2025, an dem es mich dann doch in die Südstadt verschlug.

Es lasen eine Autorin und zwei Autorin; das Thema war die phantastische Literatur im weitesten Sinn. Die Veranstaltung war nicht supergut besucht, was ich schade fand; einige Leute tummelten sich auf den Bierbänken, die man im Konzertraum aufgestellt hatte.

Den ersten Text las Simona Turini, die ich immerhin schon persönlich kannte. Ihre Zombie-Szenerie, die in Deutschland spielte, war voller schräger Dialoge und grober Anspielungen; man stelle sich eine Mixtur aus Horrorgeschichte und Popliteratur vor, die oftmals an den Grenzen des guten Geschmacks rüttelt.

M. H. Steinmetz war eher in Cyberpunk-Gefilden unterwegs. Bei seinem Text ging es um ein Ritual, in dem magische und Cyber-Elemente gleichermaßen eingesetzt werden; auch dieser Text war eher grob und sicher nicht für sensible Gemüter gedacht.

Den Abschluss bildete Torsten Scheib, der eine SF-Erzählung brachte, die in Ludwigshafen angesiedelt war, in einer nahen Zukunft zwar, aber doch fremdartig genug. Sogar das BASF-Werk spielte eine Rolle, was ich witzig fand.

Nachdem ich die Lesung erfolgreich hinter mich gebracht hatte, stand ich noch recht lang herum, trank Bier mit den Anwesenden und amüsierte mich bei wenig intellektuellen Gesprächen. Und irgendwann radelte ich durch die Nacht in die Innenstadt zurück – ein Abend mit Horror, Science Fiction und Bier also …

17 November 2025

Abgewürgt

Fred hielt den Geländewagen an und wies auf die Senke, die sich vor uns erstreckte. »Wir fahren da ganz langsam durch«, sagte er. »Achtet auf die Büsche rechts und links. Hier sieht man immer viele Tiere, in der Senke ist auch ein Wildwechsel.«

Vorsichtig fuhr Fred weiter. Der Wildhüter war für unsere Tour verantwortlich. Der gebürtige Sambier sprach sehr gut Englisch, kam aus einem Dorf in der Nähe und hatte uns schon eine Reihe von phantastischen Eindrücken verschafft. Wir hatten dösende Löwen in der Savanne gesehen, waren hautnah an Giraffen und Büffeln vorbeigekommen, und nun rollten wir mitten durch den Wald.

Ich fühlte mich bei Fred sicher. Es war nicht meine erste Fahrt in einen afrikanischen Wald, aber ich hatte das Gefühl, es könnte die interessanteste sein. Fred kannte sich gut aus, und er vermochte es, uns die Faszination für seine Heimat zu vermitteln. Das Gewehr, das er mit sich führte, lag gut sichtbar an zwischen Steuer und Windschutzscheibe des offenen Geländewagens. Er hatte es noch nie benutzt, um ein Tier zu töten, wie er uns erzählt hatte; es war vor allem dazu gedacht, im Ernstfall in die Luft zu schießen.

Wir waren eine gemischte Gruppe: sechs dänische Mädchen, die zwischen 19 und 22 Jahren alt waren und vor allem abends ununterbrochen kicherten, ein holländisches Geschwisterpaar Ende der 20, die ich sehr mochte, und ich als Alleinreisender aus Deutschland, zu diesem Zeitpunkt schon Ende der 30. Wir kamen gut miteinander aus, Konflikte hatten wir bislang keine gehabt.

Sehr langsam fuhr Fred den holperigen Weg hinunter. Die Piste bestand aus roter Erde, die man festgestampft hatte. Rechts und links wuchs undurchdringlich wirkender Wald, über uns berührten sich die Äste und Zweige der Bäume. Ich kam mir vor wie in einem Tunnel aus grünen Blättern, in dem es ununterbrochen raschelte und zwitscherte. Überall waren Tiere, aber ich sah keines von ihnen.

Ich hatte meine Baseballkappe so aufgezogen, dass sie mir Sonnenschutz gab, ich aber trotzdem ins Gebüsch spähen konnte. Einmal glaubte ich, links eine Bewegung zu sehen, und wollte schon aufgeregt »hier!« rufen. Aber ich ließ es sein, weil ich nicht sicher war, was wirklich durch das Unterholz krabbelte.

Als der Geländewagen die Senke erreicht hatte, gab der Motor mit einem röchelnden Geräusch auf. Nichts ging mehr, wir standen mitten im Wald, und das Auto fuhr nicht weiter. Fred betätigte einmal den Anlasser; der Motor orgelte und gab seltsame Geräusche von sich, sprang aber nicht an.

Der Wildhüter blieb gelassen. »Das kann vorkommen«, sagte er ruhig. »Das Auto ist alt, und wir müssten den Motor dringend reparieren, aber es fehlen Ersatzteile.« Er lachte. »Ein bisschen anschieben, und dann geht alles wieder.«

Anschieben? Mitten im Wald? Ich rief mir in Erinnerung, wo wir uns aufhielten. Der South Luangwa Nationalpark in Sambia war ein Paradies für Tiere aller Art, und wir sahen sie ständig. Elefanten, Nilpferde und Affen lebten direkt neben den Zelten, in denen wir untergebracht waren. Und Leoparden galten als die gefährlichsten Raubtiere; ich hatte in diesem November 2001 noch keinen gesehen, rechnete aber ständig mit einer Begegnung. Aber so?

Die dänischen Mädchen waren still; sie waren enger zusammengerutscht und sahen sich um. Fred nickte dem Holländer und mir zu. »Das ist ein Job für euch zwei Männer«, sagte er. »Springt ab und schiebt den Wagen an; ich versuche ihn zu starten.«

Wahrscheinlich sahen wir ihn entsetzt an. Auf dem Fahrzeug fühlte ich mich sicher; auf dem Boden wäre das nicht mehr der Fall.

Fred lachte erneut. »Macht schnell!«, riet er. »Es wird ja nicht gleich ein Leopard aus dem Busch springen. Der beobachtet uns vielleicht, aber er greift nicht an. Also los – macht schon!«

Der Holländer sah mich an. Ich sah ihn an. Wir sahen beide nicht fröhlich aus in diesen Augenblicken. Dann nickten wir uns zu. Jeder sprang auf seiner Seite vom Wagen herunter; dann stellten wir uns hinter das Fahrzeug.

»Und los!«, rief Fred. Er löste die Handbremse, wie ich am knarrenden Geräusch vernahm.

Der Holländer und ich stemmten uns gegen die Rückseite des Geländewagens. Das verdammte Ding war ziemlich schwer und bewegte sich nur langsam über den unebenen Untergrund. Ich hatte anfangs das Gefühl, wir würden es gar nicht schaffen, aber dann ging es doch: Zuerst rollte das Fahrzeug ganz langsam, buchstäblich Zentimeter um Zentimeter, dann etwas schneller.

Mir lief der Schweiß über das ganze Gesicht, mein T-Shirt klebte am Körper. Immer wieder blickte ich nach rechts und zu dem Holländer, der ebenso schwitzte und angestrengt aussah, und immer wieder blickte ich nach links und in das undurchdringliche Dickicht des sambischen Urwalds. Tiere sah ich keine, die versteckten sich offenbar.

Mein Atem ging laut, er rasselte geradezu in meinen Ohren. Ich hörte keine Vögel mehr, deren Lärm sonst allgegenwärtig war. Mein ganzer Körper konzentrierte sich auf meine Arme, mit denen ich mich gegen das Fahrzeug stemmte.

Dann betätigte Fred den Anlasser, und gleich beim ersten Versucht klappte es: Der Motor sprang an, der Geländewagen rollte einige Meter aus eigener Kraft; langsam rollte er durch die Senke und steuerte den Hang an.

»Springt schon auf!«, rief Fred. »Ich kann jetzt nicht anhalten.«

Der Holländer und ich grinsten uns an, dann rannten wir los. So schnell war ich in meinem ganzen Leben noch nie auf einen Geländewagen geklettert.

Als ich saß, merkte ich, wie nassgeschwitzt ich war. Ich atmete tief durch und beruhigte mich. Es bestand ja keine Gefahr, machte ich mir klar; die Tiere hatten sich alle versteckt, und kein Leopard hätte uns angegriffen.

Aber etwas zu wissen und etwas zu spüren – das waren eben doch zwei ganz verschiedene Dinge.

14 November 2025

Ein Heft über Radio und Judenhass

Der Maro-Verlag aus Augsburg ist mir seit den frühesten 80er-Jahren ein Wegbegleiter. Dort kaufte ich Gedichtbände und Kurzgeschichten amerikanischer Autoren, die man hierzulande kaum bekam; Charles Bukowski war sicher derjenige davon, den man auch außerhalb einer »Szene« kannte. Das ist lange her, vieles hat sich verändert, aber den Verlag gibt es unter neuer Leitung immer noch.

Seit einiger Zeit gibt es neben den Büchern auch die sogenannten Maro-Hefte. Im Oktober erschien mit »Auf einer Wellenlänge« ein Heft, das besonders interessant war: Den Text schrieb Olaf Kistenmacher, die grafische Gestaltung übernahm Michaela Melián – trotz des künstlerischen Umfelds handelt es sich um eine hochpolitische Ausgabe, deren Lektüre ich für wichtig halte.

Kistenmacher erzählt die Geschichte des Mufti von Jerusalem, seine Verstrickungen in das Regime des sogenannten Dritten Reiches und das Radio Zeesen. Die Radiostation sendete ab Ende der dreißiger Jahre die Nazi-Propaganda in die Länder des Nahen und Mittleren Ostens. Ab 1941 war der Mufti von Jerusalem ein besonders prominenter Redner, der ununterbrochen seinen Hass auf Juden verbreiten konnte.

Der Hass auf Juden hatte sich schon 1929 in einem Pogrom entladen, bei dem im Mandatsgebiet Palästina zahlreiche Menschen getötet worden waren. Der Mufti konnte also auf Zustimmung rechnen. Am Kriegsende kam er übrigens ungeschoren davon und reiste nach Ägypten aus. Alles andere kann man eh den Geschichtsbüchern entnehmen.

Spannend fand ich, wie Kistenmacher die eigentlich bekannten Zusammenhänge zwischen den deutschen und islamistischen Judenhassern darstellt. Der Stil ist journalistisch, nicht reißerisch; es gibt zahlreiche Quellenverweise, damit man notfalls selbst nachlesen kann, was man an Ungeheuerlichkeiten vor sich hat.

Das Ganze ist 32 Seiten stark, die im A5-Format und auf sehr gutem Papier daherkommen, sogar einen Schutzumschlag aufweisen. Wir haben es also mit einem sowohl journalistisch als auch künstlerisch überzeugenden Produkt zu tun. Zu bestellen ist es über die Internet-Seite des Maro-Verlags.

13 November 2025

Lenin auf einer Platte

Ich sah die Goldenen Zitronen in den 80er-Jahren zweimal: einmal als Vorgruppe der Toten Hosen, einmal als Hauptgruppe, wobei in diesem Fall dann Walter Elf die Vorgruppe machen durfte. Das ist lange her. Nachdem die Band aus ihrer Funpunk-Phase herausgewachsen war, konnte ich nicht mehr viel mit ihr anfangen.

Als ich sie aber vor einigen Jahren im »P8« vor einem frenetisch feiernden Publikum sah, fand ich sie großartig und kaufte mir einige Tonträger nach. Einer davon trägt den schönen Titel »Lenin« und ist typisch für die Musik und die Texte, die die Band in den Nuller-Jahren machte; veröffentlicht wurde die Platte im Jahr 2006.

Hits sind das keine, von Funpunk ist man meilenweit entfernt, und niemand würde diesen Sound ernsthaft als Punkrock betrachten. Und doch sind die Stücke auf »Lenin« auf ihre Art sehr wohl punkig. Wenn man ein wenig um die Ecke denkt und eine Punk-Definition aus den späten 70er-Jahren benutzt, versteht sich …

Die Texte sind sehr politisch, sie erzählen vom aktuellen Wahnsinn in deutschen Städten, sie sind auch extrem sarkastisch. »Schmeißt keine Schäferhunde aus dem Fenster« – auf so einen Satz muss man erst einmal kommen. Hier waren kluge Leute am Werk, die sich schlaue Aussagen ausdachten und in Texte packten. Dank des Textblatts kann man sich die auch noch einmal durchlesen und sich an einer Interpretation versuchen.

Und die Musik? Der Sound ist sperrig, die Texte werden auch mal als Sprechgesang ins Mikro gerotzt. Das ist nicht für den fröhlichen Pogo-Mob gedacht und manchmal eher dafür, dass man ein bisschen innehält und nachdenkt.

Manchmal wird es ein wenig elektronisch, manchmal geht es in Richtung Noise-Rock, dann wieder klingt es wie der Post-Punk der späten 70er-Jahre. Es ist keine Musik, die sich dem Publikum anbiedern möchte (und auf diese Weise wurde natürlich eben auch ein Publikum gefunden …).

Ich werde wohl älter. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte ich das blöd gefunden. Heute sage ich: gute Platte, durchaus!

12 November 2025

Ein Kneipenabend als Punk-Roman

Drei Männer und zwei Frauen, alle schon über fünfzig Jahre alt, sitzen an einem Tisch, essen, trinken und reden. So ließe sich der Inhalt des Romans »Geschäftsschluss« zusammenfassen, der als Hardcover-Band im Hirnkost-Verlag erschienen ist. Das klingt bei so einer nüchternen Beschreibung ein wenig langweilig, ist aber höchst unterhaltsam – wenn man sich für Punk als Lebensstil und Punkmusik als Geschäftsmodell interessiert ...

Okay, das klingt jetzt eher negativ; ich versuch's andersherum. Der Autor Jörg Ingenpaß, der bereits auf einige Veröffentlichungen zurückblickt – unter anderem bei BOD, wenn ich es richtig gesehen habe –, veröffentlichte mit »Geschäftsschluss« einen Roman, der viel über Punk aussagt und ohne jegliche Action auskommt. Zum Ausgleich packt er ein echt großes Thema an: Einer der Protagonisten des Romans hat Krebs und weiß, dass er bald sterben wird; deshalb sitzt er mit den Leuten seiner kleinen Punk-Plattenfirmen zusammen.

In den Gesprächen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln präsentiert werden, geht's um Punk und die Geschichte der einzelnen Figuren. Der Autor erzählt vom Aufstieg einer kleinen Plattenfirma, die auch bescheuerte Vermarktungstricks macht – »die abgefahrene Platte« etwa –, um sich über Wasser zu halten. Nun aber wird die Firma geschlossen – das ist folgerichtig, wenn der Gründer und Betreiber bald an Krebs sterben wird.

Der Autor charakterisiert die Figuren sehr klar; sie sind alle höchst unterschiedlich, was dazu führt, dass sie sich auch mal streiten – damit sorgt Ingenpaß für Spannung. Ich fand das unterhaltsam und mitreißend. Für Leute, die gern Punkrock hören, ist das sicher ebenso lesenswert wie für Menschen, deren Wege einmal die Deutschpunk im weitesten Sinn gekreuzt haben ...

Erschienen ist »Geschäftsschluss« als ein schön gestalteter Hardcover-Band im Hirnkost-Verlag; es gibt auch eine E-Book-Version. Einige Informationen dazu bietet die Internet-Seite des Verlags.

11 November 2025

Der Hype um die Zimtschnecke

Als Kind mochte ich – wie alle anderen Kinder auch – die Backwaren, die meine Mutter persönlich herstellte, besonders gern. Wenn sie Schneckennudeln backte, freute ich mich schon, während der Duft durch das Haus waberte, und ich hoffte immer darauf, die erste Schneckennudel noch lauwarm essen zu können.

Das ist lange her, und die Erinnerung der Kindheit wird so langsam überspült von dem, was in den meisten deutschen Bäckereien als Schneckennudel angeboten wird. Das sind oft irgendwelche Backwaren, auf denen gefühlt ein halbes Pfund Zuckerguss lagert und die nicht ansatzweise so schmecken wie die Schneckennudeln meiner Kindheit.

Seit einiger Zeit aber gibt es hierzulande eine andere Art von Backgerichten; sie erinnert entfernt an die Schneckennudel meiner Mutter, heißt aber anders. Gemeint sind die Zimtschnecken, die es mittlerweile in immer mehr Bäckereien gibt. Ihr Teig ist luftiger, die Zimtdosis ist hoch. Sie schmecken anders als die meiner Mutter, aber sie sind auf ihre Art sehr lecker.

Interessant finde ich: Vor fünf, sechs Jahren noch waren mir diese Zimtschnecken unbekannt. Entweder nahm ich sie nicht wahr, was ja durchaus sein kann, oder sie haben sich erst im Zuge der neuen »Hygge«-Welle durchgesetzt. Sie kommen mir vor wie so ein überraschend aufgetauchter Superheld, der mich immer wieder neu beeindruckt – ich prüfe gern in fremden Bäckereien, was die an »Cinnamons« anzubieten haben.

Kann es sein, dass ich einem Hype aufgesessen bin, dass ich gar bei einem Hype mitmache? Wenn diese Art von Zimtschnecken ein neuer Trend oder Hype sind, ist mir das aber egal: Ich finde sie lecker, und ich freue mich stets, wenn ich davon besonders gute bekomme ...

Endlich mal ein Hype für mich!

10 November 2025

Nantes bei den Docks

Street Art finde ich fast immer interessant, vor allem dann, wenn sie gut gemacht ist. Graffito sind in Karlsruhe oft sehr dilettantisch, da ist uns Nantes in mancherlei Hinsicht überlegen. Und so stieß ich bei meinem Aufenthalt in der französischen Stadt immer wieder auf Street-Art-Elemente, die künstlerisch waren und sich deutlich über das Niveau der üblichen Graffiti-Kunst hinausbewegten.

In der Nähe des Geländes der Maschinisten – dort geht der mechanische Elefant spazieren – und dort, wo sich früher die alten Docks erstreckten, stehen noch einige alte Lagerhallen. Überall dort haben sich Galerien, Kneipen und kleine Handwerksbetriebe angesiedelt; ein quirliges Leben, das nicht an die alte Zeit der Werften erinnert.

Den Zusammenschnitt der zwei Street-Art-Bilder mit dem alten Anker, der ihnen quasi zu Füßen liegt, fand ich faszinierend. Keine Ahnung, ob die Bilder parallel oder hintereinander entstanden sind – sie unterscheiden sich stilistisch, sehen aber beide gut aus und bilden mit dem rostigen Eisen ein schönes Gesamtkunstwerk. Sehr hübsch!

07 November 2025

Ein Besuch bei Mephistopheles

Die aktuelle Folge der Hörspielserie »Dorian Hunter« hat mich wieder gepackt; ich hörte sie dieser Tage an und war sehr davon angetan. Es handelt sich bereits um die Folge 54, und sie trägt den Titel »Mephistopheles«. Entstanden ist das Hörspiel nach einem Roman von Ernst Vlcek, mit dem ich selbst viele Jahre zusammengearbeitet habe, und produziert wurde es von Zaubermond Audio.

Es beginnt mit einem Fechtkampf; eine ungewöhnliche Situation. Coco Zamis, die junge Hexe, hat sich in ein Internat eingeschlichen, wo sie an wichtige Informationen gelangen will. Ihr ist klar, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Schule handelt, aber sie muss dringend ihre Nachforschungen weiter betreiben.

Die parallele Handlung spielt in der Vergangenheit: Georg Rudolf Speyer – dabei handelt es sich um eine frühere Inkarnation des Dämonenkillers Dorian Hunter, um es grob zu vereinfachen – ist in Wittenberg eingetroffen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts stößt er dort auf Doktor Faustus und einen geheimnisvollen Burgherrn, hinter dem der fiese Mephistopheles steckt.

Auf beiden Handlungsebenen spitzen sich die Ereignisse zu. Wie sie zusammenhängen, wird nicht ganz klar – sie enden jeweils mit einem packenden Cliffhanger, der mich dann schon auf die nächste Folge warten lässt. Diese Folge kommt ohne Horror- und Schocker-Elemente aus, ist aber trotzdem spannend, weil sich für die Figuren die Lage so kritisch verändert.

Wie immer ist das Hörspiel hervorragend gemacht: Die Dialoge sind pointiert, die Geräusche überzeugen mich, die Musik wird dezent eingesetzt. Sowohl das Internat in der Gegenwart als auch die Burg in der Vergangenheit sind spannende Schauplätze, die durch die Geschichte lebendig gemacht werden. Klasse!

06 November 2025

Kampfjacken auf Vinyl

Die Disco im Jugendzentrum lief auf Hochtouren, und ich fühlte mich ganz wohl. Mit einigen Freuden stand ich am Rand und trank mein zweites Bier an diesem Abend; unter dem Arm trug ich eine Plastiktüte, in der eine Schallplatte steckte.

»Was ist denn da drin?«, fragte Rode und zeigte auf die Tüte.

Ich hob sie an. »Eine LP natürlich. Von einer neuen Band, die ich klasse finde; von denen ist auch mein aktuelles Lieblingslied.«

»Ein Lieblingslied von dir?« Er sah mich skeptisch an. »Ist das wieder so ein Krach? Oder eher so etwas wie das da?«

Der DJ hatte ein Stück aufgelegt, das ich vom Radio her kannte; irgendetwas von Uriah Heep, zu dem die älteren Besucher der Disco die Haare wehen ließen. Auf der Tanzfläche tummelten sich gut zwei Dutzend Leute, durchaus gemischt: einige in unserem Alter und sogar jüngere Mädchen, aber auch einige Typen, die deutlich über zwanzig waren.

»Nein, das ist schon so, dass man dazu tanzen kann. Die Band heißt Mau Mau, und das Stück, das ich mag, geht echt in die Füße.«

»Dann bring die Platte doch dem DJ; der legt sie garantiert auf.«

Das war durchaus üblich. Wenn man im Jugendzentrum wollte, dass Musik gespielt wurde, die man selbst mochte, musste man eine Platte oder Kassette mitbringen. Ich nickte. Den ganzen Abend hatte ich eigentlich nichts anderes vor; ich wollte, dass auch mal »meine« Musik lief.

Also ging ich an das »Fenster«. So nannten wir die Durchreiche, von der aus der DJ einen Blick auf die Tanzfläche hatte, während wir zusehen konnten, wie er die Platten auflegte. Ich reichte ihm die Platte, wir wechselten ein paar Worte, ich nannte ihm das Stück, er sah mich sehr zweifelnd an, nickte dann aber doch.

Nervös ging ich zu meinem Platz zurück. Auf Uriah Heep kam ein populäres Stück von Visage oder sonst einer dieser Plastik-Bands, die in diesen Tagen das Radioprogramm bestimmten. Das Publikum auf der Tanzfläche wechselte teilweise: Einige der Älteren gingen, dafür kamen einige Jüngere, die vergleichsweise teure Klamotten anhatten.

»Oh, die Junge Union traut sich auch mal wieder zu uns«, raunte Rode, und wir lachten gehässig.

Das New-Romantic-Stück war vorüber, und der hektische Rhythmus begann, den ich so schätzte. Die Gitarre zirpte und zappelte, das Schlagzeug klopfte hektisch, und der Sänger versuchte nicht einmal, großartig zu singen, sondern haute seine Stakkato-Sätze raus.

»Wir tragen keine Kampfjacken mehr!«, dröhnte es aus den Boxen. War das Neue Deutsche Welle, oder war das Punk? Eigentlich klang es ein bisschen wie Funk, aber auch das passte nicht. Ich fand das Stück großartig und mochte die ganze Platte sehr.

Ich war begeistert, wahrscheinlich grinste ich bis über beide Ohren. Ich zappelte ein wenig herum, traute mich aber nicht auf die Tanzfläche. Ich wäre sowieso der einzige gewesen; innerhalb von wenigen Sekunden leerte sich die Fläche. Weder die jungen Leute mit den schicken Klamotten noch die Alternativen hatten ihre Freude an der Band und dem zackig gespielten Stück.

Der DJ sah dem Treiben eine Weile zu. Er nahm Blickkontakt zu mir auf und hob die Schultern an. Ich nickte nur. Die ersten Leute murrten; sie ärgerten sich über die Musik. Langsam wurde das Stück leiser, der DJ dimmte es herunter.

Ich verstand und ging zu ihm, während das nächste Stück anfing. Es lief »Bicycle Race« von Queen, und die Tanzfläche füllte sich rasend schnell wieder.

Der DJ beugte sich zu mir herunter. »Dein Zeugs will niemand hören!«, rief er so deutlich, dass es die Umstehenden trotz der Musik hören konnten.

Ich nickte erneut. Wieder einmal hatte ich verloren.

05 November 2025

Klassisches Science-Fiction-Abenteuer

Ich hatte schon lange nichts mehr von Robert Silverberg in der Hand; seinen Roman »Die Stadt unter dem Eis« fand ich in einem Stapel ungelesener Bücher – also wurde es Zeit für ihn. Man kann davon ausgehen, dass Silverberg diesen Roman 1963 schrieb, in dem Jahr also, in dem ich auf die Welt kam. Unter dem Titel »Time Of The Great Freeze« wurde er 1964 veröffentlicht. Ich las die Ausgabe, die 1984 im Moewig-Verlag als Taschenbuch erschienen ist.

Die Handlung lässt sich rasch zusammenfassen: Nach einer Klimakatastrophe – ja, diesen Begriff kannte man schon in den 60er-Jahren – ist die Erde von einem Eispanzer überzogen. Die menschliche Zivilisation ist entweder untergegangen oder hat sich in unterirdische Städte zurückgezogen. Doch nach einigen Jahrhunderten in der Unterwelt gibt es Menschen, die davon träumen, wieder an die Oberfläche zurückzukehren und zu schauen, wie sich dort alles entwickelt hat.

Wenn man es genau nimmt, ist »Die Stadt unter dem Eis« eine reine Abenteuergeschichte. Die titelgebende Stadt unter dem Eis ist New York, wird aber nur am Anfang geschildert und spielt später keine Rolle mehr. Hauptsächlich erzählt der Roman von einer gefährlichen Reise: Die Abenteurer aus New York überqueren den – zum größten Teil – zugefrorenen Atlantik und erreichen nach allerlei Abenteuern endlich Europa. Sie treffen auf verschiedene Kulturen, die es geschafft haben, dem ewigen Eis zu trotzen, und haben es mit gefährlichen Tieren zu tun.

Das ist eigentlich alles: eine Abfolge von Action und Komplikationen, von Begegnungen und Reisen. Das ist unterhaltsam und dürfte 1964 sehr gut angekommen sein. Heute liest sich das immer noch gut, wenngleich emotionale Höhen und Tiefen der Figuren meist ausgeblendet werden. Das war damals nicht so üblich; der Autor konzentriert sich deshalb auf seine spannende Abenteuergeschichte.

»Die Stadt unter dem Eis« ist durchaus unterhaltsam, ein gelungener Science-Fiction-Schmöker. Als Klassiker, den man unbedingt gelesen haben sollte, würde ich den Roman aber nie betrachten.

04 November 2025

Der zweite Original-Einsatz für James Bond

Ich habe nie einen der Originalromane von Ian Fleming gelesen, die dieser über seinen Agenten James Bond verfasst hat. Ich kenne auch nicht alle Filme. Man kann schließlich nicht alles kennen, und ich bin kein »James Bond«-Fan. Die Comic-Version von »Leben und sterben lassen« wollte ich mir aber nicht entgehen lassen – und die ist ziemlich gut geworden.

Es handelt sich um eine Adaption des zweiten »James Bond«-Romans. Die Handlung ist in der fiesen Zeit des Kalten Krieges angesiedelt. In den USA herrscht eine paranoide Furcht vor russischen Angriffen, die Geheimdienste aus Ost und West bekämpfen sich mit brutalen Mitteln. Bonds Gegenspieler ist diesmal ein Amerikaner, der sich Mr. Big nennt und der in Harlem residiert.

Mit Mr. Big wird ein Gegenspieler etabliert, der schwarz und böse ist. Er ist gemein und intelligent zugleich, am Ende erhält er natürlich seine verdiente Strafe. Da dürfte der Comic sehr klar und eindeutig seiner literarischen Vorlage folgen.

Van Jensen erzählt die Comic-Version sehr spannend; die Szenen folgen rasch aufeinander und vermitteln ein Stimmungsbild der späten fünfziger Jahre, das ich für realistisch halte. Dass die Handlung manchmal ziemlich brutal ist, liegt nicht an den Comic-Texten, sondern sicher am Original-Roman.

Mit seiner Grafik konnte mich Kewbe5 Baal meist überzeugen. Die Dekors sind stimmig, vor allem Autos, Gebäude und Kleidung wirken realistisch und sehen aus, als seien sie sauber recherchiert worden. Action schafft der Illustrator auch; das sieht nicht immer elegant aus, dafür aber knallig. Er schwächelt bei den Gesichtern, das muss man akzeptieren.

»Leben und sterben lassen« ist eine spannende Comic-Adaption eines klassischen »James Bond«-Romans. Wer die Figur kennt und mag, sollte sich auf jeden Fall die Leseprobe anschauen – packend ist das allemal!

03 November 2025

Drei Superheldinnen für Paris

Für einige Tage schien es für die Medien in Deutschland kaum ein anderes Thema zu geben: In den Louvre in Paris war eingebrochen worden, zudem auf eine besonders dreiste Art und Weise, und die Einbrecher hatten es geschafft, echte Wertsachen mitzunehmen. Wer die Fernsehserie »Cat’s Eyes« kennt, die unter anderem in Paris spielt, konnte sich darüber nicht wundern: Die drei Hauptfiguren sind ständig damit beschäftigt, irgendwelche Einbrüche zu begehen …

Tatsächlich ist die Serie, deren erste Staffel immer noch in der ZDF-Mediathek anzuschauen ist, sehr unterhaltsam, wenngleich nicht unbedingt hochgeistig. Aber das brauche ich echt nicht ständig; manchmal gefällt es mir einfach, eine spannende Geschichte zu sehen, in der drei junge Frauen auf dem Eiffelturm, im Louvre, in Versailles, in einem Schloss auf dem Land und in einem Ausflugsboot unterwegs sind. Es geht um Kunstdiebstahl und ihren Vater, der angeblich tot ist, aber offensichtlich in mysteriöse Machenschaften verwickelt war.

Die acht Folgen sind allesamt gut gemacht; kein Wunder, dass bereits an einer zweiten Staffel gedreht wird. Man darf nicht immer nach der Handlungslogik fragen; ich saß einige Male vor dem Fernseher und sagte verblüfft, »wo haben sie denn das jetzt her?« oder »seit wann können die das?« – aber solche Fragen stellt man sich ja auch nicht, wenn man irgendwelche Marvel- oder DC-Filme anguckt. Sobald man die drei coolen Frauen bei »Cat’s Eyes« als Superheldinnen betrachtet, wird alles ein bisschen einfacher …

Ernsthaft: Die Serie bietet kunterbunte Unterhaltung. Das ist Zeiten, in denen die Nachrichten von Zynikern der Macht beherrscht werden, nicht das Dümmste.