28 September 2023

Wie ich fast Manga-Redakteur wurde

Die Verlagsleiterin stand unangekündigt und ein wenig aufgeregt in meinem Büro. »Herr Frick, Sie sind ja ein Manga-Spezialist«, sagte sie. Wir hatten den Sommer 2005, sie war recht neu im Verlag, und ich hatte keine Ahnung von Mangas.

Wie sie denn darauf komme, fragte ich verblüfft. Es stellte sich heraus, dass sie nach Artikeln über Mangas gegoogelt hatte. Ich verkniff mir die Bemerkung, dass mich vor allem die Tatsache verblüffte, dass sie überhaupt googeln konnte.

Bei ihrer Recherche war sie auf einen Artikel gestoßen, den ich für den »Fandom Observer« verfasst hatte und der schon einige Jahre alt war. Darin hatte ich über die Versuche amerikanischer Verlage geschrieben, in den USA die Adaption japanischer Comics zu veröffentlichen – und was das für den deutschen Comic-Markt bedeuten könnte.

Mein Artikel war so alt, dass er längst von der Wirklichkeit überholt worden war. Mittlerweile hatte sich Mangas in einer Reihe von deutschen Comic-Verlagen zu einem wachsenden Thema entwickelt.

Ihre Idee war nicht unbedingt originell: »Wir wollen bei uns im Buchverlag auch Mangas machen.« Dazu suchte man Kontakte. Ob ich diese hätte?

Ich hatte selbstverständlich welche. Ich kannte Leute, die für Comic-Verlage wie Ehapa und Carlsen arbeiteten. Ich wusste, welche Leute es in diesen Verlagen gab, die man für Kooperationen ansprechen könnte. Und weil ich das Thema selbst spannend fand, schrieb ich alles mögliche auf, was mir zum Thema einfiel.

In der Nacht träumte ich schon. Ich stellte mir vor, wie wir Comics aus Japan in deutscher Sprache veröffentlichen würden. Ich überlegte mir, zu der von mir betreuten Science-Fiction-Serie einen coolen Manga zu machen. Und ich sah in Gedanken schon mehrere Zimmer in der Nähe von meinem Büro, in dem Redakteurinnen und Redakteure mit allerlei kreativen jungen Leuten zusammenwirken würden.

Ich gab meine konzeptionellen Ideen ab. an »höherer Stelle«, wie man sagte, und bot an, auch telefonische Kontakte und persönliche Begegnungen herzustellen. Es geschah nichts. In den folgenden Tagen gab es keine Rückmeldung, in den folgenden Wochen und Monaten nicht.

Und als ich ein halbes Jahr später den Vertriebsleiter auf das Thema ansprach, winkte er ab: »Die Manga-Welle ist doch schon tot«, beschied er mir. »Niemand will mehr Comics aus Japan lesen. Es lohnt sich nicht, hier Geld zu investieren.«

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