18 Mai 2016

Lindenberg wurde 70

Wenn ich heute Udo Lindenberg im Fernsehen erblicke, schüttelt es mich häufig. Der ehemalige Chef des Panik-Orchesters ist meiner Ansicht nach meist eher peinlich: Seine Sprüche klingen wie in den 70er-Jahren, und seitdem hat sich einiges ganz schön verändert. Trotzdem finde ich es respektabel, dass der Mann bei seinem doch recht anstrengenden Lebenswandel siebzig Jahre alt werden konnte – diese Woche feierte er seinen Geburtstag, und die halbe Republik feierte mit.

Das war mal anders. Als ich anfing, bewusst Udo Lindenberg zu hören, fanden ihn die Erwachsenen durch die Bank schrecklich. Auch meine Klassenkameraden konnten mit Stücken wie »Alles klar auf der Andrea Doria« so viel nicht anfangen, mochten weder »Wir sind Rocker« oder auch nicht »Bodo Ballermann«, »Rudi Ratlos« und wie die schrägen Figuren aus den Lindenberg-Liedern hießen.

Ich fand das toll: Das war Musik, die gut ins Ohr ging, das waren Texte, die anders waren als alles andere, das ich bisher vom deutschen Radio her kannte. Okay, später kamen Punk und die Neue Deutsche Welle, und ab 1980 hatte Udo Lindenberg viel von seinem Reiz verloren.

Im Verlauf der 80er-Jahre fing er für mich an, peinlich zu werden. Ich sah ihn bei einem Festival gegen die Nato-Nachrüstung, das muss 1986 gewesen sein, und ob er in Wackersdorf bei dem großen WAA-Festival spielte, weiß ich schon nicht mehr. Udo Lindenberg hatte keine Relevanz mehr, weder für mich noch irgendwann für sonst jemanden. Das blieb in den 90er-Jahren so.

In den Nuller-Jahren wurde er quasi wieder entdeckt, und in den vergangenen Jahren legte er ein sentsationelles Comeback hin. Ich kann damit nichts anfangen – für mich ist das alles nur ein Abklatsch vergangener Jahre und Jahrzehnte. Der Lindenberg, der mich in den späten 70er-Jahren begeisterte, war mir schlichtweg näher. Der Lindenberg von heute ist ein Abziehbild seiner selbst.

Aber ich zolle ihm größten Respekt: Was der Mann über all diei Jahre und Jahrzehnte geleistet hat, das ist schlichtweg sensationell. Deshalb auch von mir: Alles Gute zum siebzigsten, alter Sack!

2 Kommentare:

Martin Marheinecke hat gesagt…

Was das Musikalische angeht, teile ich Deine Einschätzung. Lindenberg hatte seine "gute" Zeit in den 1970ern und frühen 1980ern.
Allerdings erlebte ich - ich bin geringfügig älter als Du - Lindenberg ab der 2. Hälfte der 1970er durchaus als "Mainstream". Mit meiner Vorliebe für "Lindi" und seine schrägen Wortschöpfungen stand ich keineswegs allein da, und er wurde auch ziemlich oft im Radio (NDR II) gespielt.
Der Grund dafür ist wohl, dass ich in Norddeutschland aufgewachsen bin (Hamburg und eine Weile "ostfriesische Provinz"). Lindenbergs Songs waren meiner Ansicht nach deutlich von seiner Herkunft aus der tiefsten emsländischen Provinz (Gronau) und seinem durchaus kritisch-ambivalenten Verhältnis - fast einer Hassliebe - zu seine Wahlheimat Hamburg geprägt.
Er profitierte auch davon, dass NDR II zwar damals keine formale "Deutschquote" hatte, aber es üblich war, dass etwa ein Drittel des Musikprogramms aus deutschsprachigen Titeln bestand. Das waren damals fast ausschließlich Schlager und eine Handvoll Liedermacher, die allerdings meistens nicht "fröhliche Mogenwelle"-kompatibel ware. Über jeden Deutschrocker waren die Redakteure heilfroh. Auf diese Weise kamen, wenn ich mich richtig erinnere, auch deutschprachige Rocktitel aus der DDR, z. B. von den Puhdys oder Karat ins "Westradio" (Lindenberg).

In der 1980 war er in der Tat zunehmen irrelevant, auch weil sich seine "Masche", die er bis heute mehr oder weniger durchhält, abgenutzt hatte.
Bezweichnenderweise wares es ja zwei mit deutschen Texten Lindenbergs versehene Cover, mit denen er in den 80er noch einmal den Nerv traf: Der "Sonderzug aus Pankow" und "Reperbahn", einer der ersten Titel über die Gentrifizierung und "Disneylandisierung" St.Paulis. "Kulisse für 'n Film, der nicht mehr lief, ich sag dir, das tut weh".

RoM hat gesagt…

Kia ora, Klaus.
Für meinen Gehörnerv funktionierte deutschsprachiger Rock nie wirklich - Punk sehrwohl! Von daher nahm ich den Panik-Rocker eher als gesellschaftliches Phänomen wahr - denn als Musiker.

bonte