Fuer zwei Stunden bricht der andalusische Spaetsommer aus, zwar mit sehr kuehlem Seewind, aber immerhin mit viel Sonne. Also eile ich an den Pool, Hartmut Kaspers wunderbares Buch "Drei-Maenner-Eck" unterm Arm, und beschliesse, endlich mal so richtig Tourist zu sein.
Ohne irgendwelche Blicke nach rechts und links geht es nicht. Ich sehe faltige Baeuche und haengende Brueste und finde mich auf einmal gar nicht mehr so alt und dick. Urlaube im Rentnerparadies machen einen deutlich juenger in der Selbstwahrnehmung. Das mag gemein klingen, ist aber so.
Eine Dame in der Naehe liest ein duennes gruenes Taschenbuch. Intensiv und mit grossem Interesse. Vor ihr glitzert der Pool, ueber ihr pirscht sich die naechste Wolkenfront an den Strand heran, das alles interessiert sie nicht: Ihre Welt ist sichtlich auf grauem Papier und gedruckt mit schwarzen Lettern.
Als ich gehe, eingeschuechtert vom duester werdenden Himmel und einigermassen frustriert vom Standard-Urlaubs-November-Wetter, gucke ich, was sie da eigentlich liest. Es ist ein Heimatroman, ich sehe das Moewig-M in weiss auf dunkelrotem Hintergrund, und neben ihr liegt ein Romantic Thriller in violettem Umschlag.
Massenkonfektionsware, wie sie unser Buchverlag exklusiv fuer den Weltbild-Vertrieb hergestellt hat, zu einer Zeit, als es noch einen Moewig-Buchverlag gab. Fach- und sachkundige Lektoren wie Peter Bramboeck, Otmar Fischer, Ulrich Magin und Dr. Marten Brandt haben sich jahrelang an diesem literarischen Fastfood verdienstvoll abgearbeitet.
Jetzt und in der Freme freue ich mich geradezu ueber dieses Zeichen von Heimat. Ich moechte der Dame ein "Herzlichen Glueckwunsch zu dieser gelungenen Wahl!" zurufen und ihr gratulieren, aber ich lasse es sein.
Das trockene Zimmer wartet. Und vielleicht die Bahn in das hoffentlich trockene Malaga.
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