Da sind sie sich mal wieder alle einig: Nach dem sogenannten Amoklauf eines Schülers in Nordrhein-Westfalen fordern irgendwelche neunmalklugen Politiker wieder einmal, die angeblichen Gewaltcomputerspiele zu verbieten. Von »Killerspielen« ist sogar die Rede – und was einem Politiker wie Wolfgang Bosbach, dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Bundestagsfraktion, und anderen Kandidaten für gelungenen Wortwitz sonst noch einfallen mag.
Emsdetten, quasi zwischen Gronau und Münster gelegen, den einzigen Städten dieser Region, die ich schon mal besucht habe, wird sicher zu einem Fanal werden. Man wird die Stadt in einem Atemzug mit Erfurt nennen, die Boulevard-Presse überschlägt sich wahrscheinlich vor Begeisterung – und Politiker sowie selbsternannte Moralwächter finden eine tolle Gelegenheit, sich einmal mehr zu profilieren.
Es ist widerlich.
Daß ein Jugendlicher seine Schwierigkeiten mit Gewalt löst, ist kein neues Phänomen und hat nichts mit den Videos zu tun, die er auf seiner Homepage veröffentlichte, oder mit irgendwelchen Egoshootern, die er am Computer spielte. Daß sich jetzt irgendwelche Leute an ihm und seiner Leiche profilieren, hat damit nur indirekt etwas zu tun.
Und das treibt mir die Wut ins Gesicht.
7 Kommentare:
Ich könnte wirklich &%"§!§ wenn ich lese, was da jetzt wieder abläuft. Reflexartig springen wieder alle auf Computerspiele und wollen alles mögliche verbieten. Einzig der Spiegel scheint es etwas differenzierter zu sehen und lässt Leute zu Wort kommen die darauf hinweisen, dass es noch nicht EINEN empirischen Beweis für einen Zusammenhang zwischen Amokläufen oder anderen Gewalttaten und Computerspielen gibt. Das ist doch mal ein Fakt der erwähnenswert ist.
Und die taz hat gleich mal eine Counterstrike-Map aufgetan die der junge Mann nach seiner Schule gestaltet haben soll. Dort soll er den Amoklauf, laut taz, dann auch geübt haben. Auch das ist laut Spiegel erfunden und schlicht falsch.
Es greifen einfach die alten Mechanismen die früher Horrorfilme und noch viel früher wahrscheinlich Bücher wie Dracula verbieten wollen.
Hauptsache, man muss sich nicht mit den wirklichen Problemen und den wirklichen Ursachen beschäftigen...
Da kommt mir auch das große Kotzen. Killerspiele, als ich das heute morgen in der Zeitung las konnte ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Die Lehrer sollten sich vielleicht mal selbst an die Nase fassen ob sie da nicht einfach versagt haben, aber es wird natürlich alles mal wieder auf die Computerindustrie geschoben, weils so einfach ist und echt reißerisch aufgemacht werden kann. "Killerspiele" ist halt ein eingängigerer Titel als "Mangelnde psychologische Unterstützung"
*brech*
"Killerspiele" zu verbieten ist halt einfacher - wie die wirklichen Probleme zu lösen. Wenn die Teile mal verboten sind - dann gibt es keinen Amoklauf mehr...
Wo leben die Politiker eigentlich? Wenn man was verbietet macht man es doch viel interessanter damit.
Aber die richtigen Fragen haben Politiker und viele Medien noch nicht gestellt: Woher hat der Junge die Waffen und wo hat er gelernt damit umzugehen? Die Polizei fragt sich das sicher - aber die Politiker haben den Fall ja schon gelöst - die Computerspiele sind schuld - basta! Die Ermittlungen sind somit abgeschlossen. Warum fragt keiner nach dem Schützenverein wo der Junge angeblich drin war? Da hat er wohl den Umgang mit Waffen gelernt und nicht mit Counterstrike. Oder hat der Junge die Leute mit CDs beschossen?
Ein erzürnter
Rainer
Salut @ tous,
naja, ich glaube, dass sich das alles nicht so einfach polarisieren lässt. Sicher ist eine Alleinschuld der sog. "Killerspiele" nicht gegeben, dies als Grund hinzuhalten, wäre undiffernziertes Denken. - Das Gegenteil aber auch: Jeden Einfluss der "Shooterspiele" wegzuweisen.
Ich glaube, dass, wie so oft, mehrere Faktoren zusammen kommen:
a) Natürlich *kann* der *übermäßige* Konsum von Shooter/Gewalt/"Killer"spielen zu der Herabsetzung einer Art von "Sensibilitätsschwelle" führen. Das bedeutet jetzt nicht, dass dies zwingend erfolgen muss, wohl aber kann. Dadurch wird man nicht zum Killer, aber es gibt einige Untersuchungen, die bestätigen, dass der Konsum von Gewaltspielen/-shows o.ä. die Schwelle zur Gewaltbereitschaft mindern.
b) Die private Umgebung, der familiäre Hintergrund wäre für mich sehr viel interessanter: Wie ist dieser gestaltet, dass sich ein Junge zu so einer Tat hinentwickelt, denn das ist ein Prozess und keine spontane Eingebung à la "heute knall ich mal ein paar ab".
Individuelle, d.h psychologische oder soziale Hintergründe werden sicher schwerer wiegen, als die Egoshooterei, aber diese zu ignorieren und beiseite zu wischen, finde ich zunächst einmal wenig hilfreich, um die Hintergründe der Attentate (es ist ja nicht der erste) zu beleuchten und eine Möglichkeit zu finden, weitere Attentate zu verhindern.
Was ist der Grund für solche Attentate, ist eine Frage, und welche Gemeinsamkeiten haben die Schüler (Alles Jungen? Alles "Killerspieler"? Alle aus schwierigen sozialen Verhältnissen?), und wie können solche Attentate in Zukunft verhindert werden, andere. Und um diese Fragen zu beantworten, ist es mir lieber, den Kreis der "Ursachen" so weit wie möglich zu fassen, um dann um so sicherer eine nach der anderen auszuschließen oder zu relativieren.
Ein grundsätzliches Shooter-Verbot auszusprechen halte ich für übereilt und "nur" für ein Zeichen der Hilflosigkeit; das Ignorieren der Shooter als *möglicher* Auslösefaktor (als einer von vielen) allerdings auch.
lg
Ten
Hallo Klaus,
schau zu diesem Thema vielleicht mal bei der tollen http://www.behindertenparkplatz.de/ vorbei.
Rät
Peter
Ich muss gestehen: Einigen Politikern kaufe ich das fast ab, dass sie in diesen Spielen ein tatsächliches Problem sehen. Die sind so weitab von der Lebenswirklichkeit Jugendlicher, die nehmen das vielleicht als echte Bedrohung wahr. Dass das wie immer in blinden Aktionismus und der Forderung nach härteren Gesetzen ausartet, ist halt der übliche Reflex von Politikern und Journalisten. Es gelingt mir nur noch bedingt, mich darüber aufzuregen, es verläuft ja doch wieder im Sande. Ärgerlicher für mich ist da schon, wenn man als Tätiger in der Computerspieleindustrie aufgrund solcher Kampagnen von leider viel zu vielen Leuten seltsame bis unerquickliche Reaktionen bekommt (ohne dass ich in meinen fast 20 Jahren in der Industrie jemals auch nur an einem Egoshooter mitgearbeitet hätte). Da merkt man aber dann bisweilen tatsächlich, was für eine völlig absonderliche Vorstellung sich manche Leute aus der Ferne von dem ganzen Medium machen.
Die meisten sind allerdings klug genug, ihre völlige Ahnungslosigkeit nicht im Spiegel Online-Interview auszuwalzen, anders als Onkel Edmund. :)
Ups, das sollte gar nicht anonym sein. Sich bei dieser verwirrenden Anzahl von Knöppen (2) für den richtigen zu entscheiden, ist aber auch nicht leicht. :)
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