08 November 2019

Dreißig Jahre ist es her …

In den 80er-Jahren war ich einige Male in der DDR. Ich besuchte nicht nur Ost-Berlin, sondern war auch in »Kalle-Malle«, also Karl-Marx-Stadt oder Chemnitz, und in Leipzig. Diese Reisen haben mir immer klargemacht – ebenso wie die Transitfahrten durch die DDR nach West-Berlin –, dass die DDR kein Land war, dass ich mochte. Ich fand die Zöllner und Polizisten grausig, und die Leute, mit denen ich sprach, lehnten ihren Staat ab, hatten wenig für den sogenannten Sozialismus übrig.

Als sich im Verlauf des Jahres 1989 die politische Situation änderte, verbrachte ich viel Zeit vor dem Fernseher. Mit Freunden und Bekannten verfolgte ich die Nachrichten; ich hatte ja keinen eigenen Fernseher. Ich las Zeitungen und Zeitschriften, ich diskutierte viel. Und ich freute mich sehr darüber, wie sich die Menschen in der DDR ihre Freiheit erkämpften.

Wir sahen, wie die Chinesen auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Demokratiebewegung zusammenschossen, und wir befürchteten ähnliche Verhältnisse in der DDR. Dann wieder sahen wir die mutigen Menschen, die friedlich demonstrierten und sich für die Demokratie einsetzten, und wir hofften für sie, dass alles friedlich bleiben würde.

Der plötzliche Mauerfall überraschte mich dennoch. Ich sah die jubelnden Menschen im Fernsehen, und ich sah die Hunderte von DDR-Bürgern, die auf einmal als Neubürger bei uns in der Stadt auftauchten und notdürftig in der Turn- und Festhalle untergebracht wurden. Ich empfand kein besonderes Gefühl von Patriotismus, sondern freute mich darüber, dass die Mauer bald endgültig fallen würde.

Im Dezember kletterte ich selbst über die Mauer, ich klopfte auch den einen oder anderen Stein aus dem Beton; davon ist nichts übrig geblieben. Das aber ist eine andere Geschichte.

Dass sich manche Dinge später anders entwickelten, dass sich in der DDR viele Westler schamlos bereichern konnten und die Wirtschaft der ostdeutschen Länder gnadenlos abgewickelt wurde – das konnte man vor genau dreißig Jahren weder sehen noch ahnen. Der neunte November war ein erster Höhepunkt einer Entwicklung, die sich über Monate zuvor angebahnt hatte und deren weitere Fortsetzung damals kaum jemand ahnen konnte.

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