18 März 2015

Das Herz der Finsternis aus deutscher Sicht

Ein glänzender Roman, eine tolle Geschichte, stilistisch auf höchstem Niveau erzählt und mit verschiedenen Handlungsebenen ausgestattet: Ich habe endlich den Roman »Eine Frage der Zeit« des deutschsprachigen Schriftstellers Alex Capus gelesen und bin von ihm mehr als angetan. Was wie ein historischer Roman um die Ecke kommt, ist in Wirklichkeit ein vielschichtiges Stück Literatur, das zeigt, dass es im deutschsprachigen Raum sehr wohl möglich ist, unterhaltsam und auf hohem Niveau zu schreiben.

Die Geschichte des Romans lässt sich rasch erzählen. Drei Werftarbeiter aus Papenburg erhalten 1914 den Auftrag, in der deutschen Kolonie in Ostafrika ein Schiff zusammenzubauen. Das Schiff wird in Einzelteile zerlegt, die deutschen Arbeiter erreichen irgendwann ihr Ziel und beginnen mit der Arbeit. Doch dann beginnt der Erste Weltkrieg, und die britische Marine beschließt, die deutschen Truppen in Ostafrika auch mithilfe von Schiffen auf den großen Seen anzugreifen.

Alex Capus schildert die soziale Herkunft seiner drei Hauptfiguren – und ihres englischen Gegenspielers – mit viel Liebe zum Detail. Er macht klar, warum sie was tun und wie sie Stück für Stück an der Realität scheitern. Sie werden zu Zeugen der unbarmherzigen Kolonialherrschaft und können sich dem Krieg, den sie ablehnen, beim besten Willen nicht entziehen.

Dabei hält der Autor eine hohe Fallhöhe für seine Figuren ein: Sie alle scheitern, sie alle haben Ziele, die sie nicht verwirklichen können; ihre Leben verwandeln sich in grausige Tragikomödien. Das beschreibt Capus so packend und so intensiv, dass ich als Leser kaum die Lektüre unterbrechen konnte.

Er verzichtet auf ausufernde Schilderungen seiner Umgebung, was für viele historische Romane ja stilprägend ist. Action findet man in seinem Roman praktisch gar keine. Dass es einem auf keiner Seite langweilig wird, belegt, wie hervorragend die Figuren aufgebaut sind, wie gut sie der Autor gegeneinander stellt und wie gelungen er sie durch die Handlung führt.

Ach, ich komme da kaum aus dem Loben heraus: Capus ist es gelungen, mich ziemlich zu begeistern. Man muss übrigens weder Afrika-Fan noch am Thema Erster Weltkrieg interessiert sein, um das Thema faszinierend zu finden.

(Die Hardcover-Ausgabe des Buches ist seit langem vergriffen; es gibt aber eine E-Book- und eine Taschebuch-Ausgabe. Checken!)

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