08 Januar 2015

Bewundernswerter Klassiker

Zu den literarischen Werken, mit denen viele Menschen in der Schule eine Begegnung der unangenehmen Art haben – weil die meisten Lehrer nicht in der Lage sind, Begeisterung für gute Literatur zu entwickeln –, zählt »Schachnovelle« von Stefan Zweig. Dieser Tage las ich endlich die Novelle, die es auch in einer schönen Hardcover-Ausgabe in der Bibliothek Suhrkamp gibt, inklusive eines Nachworts von Siegfried Unseld.

Wer sich ein wenig für den Text interessiert, findet im Internet haufenweise Informationen dazu; das muss ich hier nicht wiederkäuen. Die Geschichte eines Ich-Erzählers, der sich auf eine Fahrt mit dem Dampfschiff begibt und dann Zeuge eines ungeheuerlichen Schachspiels wird, klingt im ersten Moment gar nicht spannend – ist es aber.

Der Ich-Erzähler ist eine passive Figur, die vor allem Bekanntschaften macht und von deren Leben zehrt; er lässt sich viel erzählen. So bekommt er auch die Geschichte des Dr. B. mit, der lange Zeit in einer Art Isolationshaft der Gestapo saß und den nur ein Buch über das Schachspiel davon abhielt, verrückt zu werden. Ebenjener Dr. B. ist in der Lage, einen der weltbesten Schachspieler zu schlagen – weil er sich das Spiel in seiner Haft selbst beibrachte ...

Inwiefern Stefan Zweig, der die Novelle kurz vor seine Selbstmord im Exil verfasste, in den Text seine persönlichen Erlebnisse mit der Nazi-Diktatur einfließen ließ, ist mir nicht bekannt. Für den reinen Text ist das auch nicht wichtig: Er steht für sich.

Zweigs Sprache ist wuchtig, seine Sätze sind oftmals lang, bleiben aber immer verständlich. Er stellt seine Figuren klar auf, als stünden sie auf einem Schachbrett; die Räumlichkeiten, in denen seine Novelle spielt, sind klar begrenzt, was die Handlung noch weiter zuspitzt. Letztlich geht es nicht nur um Schach, sondern auch um den geistigen Willen eines einzelnen Menschen, der mit sich selbst und seinen Gedanken ringt.

Die Geschichte packte mich komplett, ist brillant geschrieben und ungeheuer spannend. Es gibt selbstverständlich keine Action und nichts von alledem, was heutzutage als unterhaltsam gilt – der Autor präsentiert seine Figuren aus der Perspektive seines Ich-Erzählers, und dieser nimmt zu allen Themen dann Stellungen.

Das macht Zweig so meisterhaft, dass seine Novelle noch heute zu einem der Meisterwerke der deutschsprachigen Literatur gilt. Zu Recht!, und ich werde auf jeden Fall bei Gelegenheit mal wieder ein Werk des klassischen deutschen Schriftstellers lesen.

1 Kommentar:

Matthias hat gesagt…

Großartiges Buch. Ich habe Zweig auch erst vor kurzer Zeit entdeckt.

Vielleicht an der Stelle noch der Hinweis, dass die Bücher seit Anfang 2013 gemeinfrei sind (Zweig ist 1942 gestorben) und auch kostenfrei als epub oder (teilweise für ein paar Cent) für den Kindle zu bekommen sind.