22 Januar 2015

Journalistische Sorgfalt

Als ich anfing, für die örtliche Tageszeitung zu arbeiten, wurden mir die journalistischen Standards massiv eingebläut – dass ich in diesen Jahren viel falsch gemacht habe, ist glücklicherweise unter dem Berg von über dreißig Jahren vergraben und vergessen worden. Aber man machte mir beispielsweise klar, dass ganz eindeutig zwischen Kommentar und Artikel zu trennen sei und dass es wichtig sei, immer die korrekten Begriffe so zu verwenden, dass jeder Leser und jede Leserin immer unweifelhaft wüssten, was ich als Schreiberling meine.

Das war 1983. Schaue ich mir die Medien zu Beginn des Jahres 2015 an, habe ich das Gefühl, dass die Standards, die ich mal gelernt habe, schon lange nicht mehr gelten.

Aktuelles Beispiel: Im Radio ist von einem Anschlag die Rede, den angeblich »Linksautonome« – was ist das eigentlich für ein Wort? – auf die Deutsche Bahn verübt haben sollen. Gemeint ist offensichtlich, dass durch Blockaden und andere Aktionen verhindert werden sollte, dass sich irgendwelche Nationaldeppen in der Innenstadt von Leipzig versammeln.

Dann soll das bitteschön auch so gesagt und geschrieben werden. Bei einem »Anschlag« assoziiere ich so etwas wie die Anschläge, die Terroristen in Ländern wie dem Irak oder Afghanistan fast täglich begehen. Oder so etwas wie die Anschläge auf die Züge in Madrid vor einigen Jahren.

Ein Anschlag ist ein Anschlag. Eine Blockade ist eine Blockade. Ein Nazi ist ein Nazi. Ich weiß nicht, warum die Medien an solchen Begrifflichkeiten so unklar herumeiern.

Oder auch: »viele Tote« in der Ostukraine bei den aktuellen Gefechten. Was heißt »viele Tote«? Sind es einige hundert wie bei den jüngsten Gemetzeln in Nordnigeria? Sind es ein Dutzend wie unlängst bei dem Bus, der beschossen wurde? »Viele« ist ein Wort, das immer heikel ist – und die Medien nutzen solche Worte entweder bewusst, um Dinge zu verschleiern, oder unbewusst, weil die Journalisten zu unsauber formulieren.

Ich glaube nicht an ein Medienkartell. Ich glaube nicht daran, dass irgendwelche finsteren Mächte die Medienschaffenden dazu treiben, so oft so unsauber und falsch zu berichten. Ich glaube, dass die meisten der sogenannten Journalisten einfach viel zu wenig Ahnung von dem haben, was sie tun, und durch ihre Ahnungslosigkeit jede Verwirrung noch verstärken.

Vielleicht sollte man den Pegidioten mal sagen, dass es nicht »Lügenpresse« heißt. Sondern eher »Deppenpresse« ...

1 Kommentar:

Jonas hat gesagt…

hehe, da ist einem die Entschleunigung wohl etwas auf den Magen geschlagen ;-)

vgl.

http://enpunkt.blogspot.de/2015/01/ein-stuckchen-entschleunigung.html

Was ich schlimm finde ist, dass viele Zeitungen z.B. dpa-Artikel einfach nicht mehr gegenchecken. Oft würde ein einfaches durchlesen genügen um offensichtliche Fehler ausmerzen zu können. Aber nein, wird nicht getan. Und wenn man den entsprechenden Fehler dann googled findet man ihn praktisch in jeder erfassten Tageszeitung, quer durchs Land.