25 April 2010

Kein Spannungs-Western

Es gilt ja als ein bisschen uncool, Western-Romane und Western-Filme gut zu finden. Da es mir aber recht egal ist, ob ich cool bin, gebe ich offen zu, dass »Spiel mir das Lied vom Tod« einer meiner Lieblingsfilme ist und dass ich »Die Söhne der Großen Bärin« mehrmals gelesen habe. So. Wer durch Winnetou und Old Shatterhand sozialisiert wurde, darf auch mit über vierzig Jahren noch auf den Wilden Westen stehen.

Deshalb schnappte ich mir den Roman »Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford«, als mir dieser preisgünstig in die Finger fiel. Verantwortlich für den Roman ist der amerikanische Autor Ron Hansen; das Ding erschien im Original bereits 1983, kam 1996 beim deutschen S. Fischer Verlag als Hardcover raus und wurde vor einigen Jahren verramscht. Dass der Roman mit Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt wurde, ging an mir vorüber – der Streifen war wohl auch ein Flop.

Kein Wunder, denn schon die literarische Vorlage liest sich recht zäh. Ron Hansen wollte nämlich keinen Western schreiben und schielte deshalb nicht auf das Wildwest-Publikum. Er versuchte, die Ermordung des Westernhelden Jesse James durch seinen jungen Gefolgsmann Bob Ford, als historisches Ereignis darzustellen.

Ich mochte den Roman dennoch. Hansen führt haufenweise Personal auf, nennt wirklich jeden Banditen, der in den Jahren 1865 bis 1882 in der James-Bande mitmischte, und erwähnt buchstäblich jeden Überfall. Zwischen all den sauber recherchierten Fakten gibt es Szenen, in denen sich der Bandit in seinem bürgerlichen Leben bewegt und immer schneller auf seinen Untergang zusteuert. Das ist nicht unbedingt spannend, liest sich aber unterhaltsam und interessant.

Auffallend ist, wie sehr sich der Westen in Hansens Roman von klassischen Filmen und Büchern unterscheidet. Die Polizei und die Pinkerton-Detektive erscheinen ordentlich, sie tragen Uniformen; die Städte sind meist geordnete Gemeinwesen, und dank der Eisenbahn lassen sich auch weite Entfernungen rasch zurücklegen. 1882 scheint der sogenannte Wilde Westen nicht halb so wild gewesen zu sein, wie man es ansonsten glaubt ...

Kein Knaller-Roman, wirklich nicht. Aber ein gutes Buch – zumindest für Leute, die sich fürs Thema interessieren und Spaß an einer romanhaften Umsetzung eines historischen Stoffes haben.

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