07 August 2025

Dreißig Jahre nach dem Chaos

Denke ich an die Chaostage im August 1995, habe ich ein Blitzlicht nach dem anderen vor Augen. Es sind keine Bilder, die einen kompletten Film ergeben, in meiner Erinnerung sind einzelne Aufnahmen und kurze Filme. (Ich müsste meine Notizen von damals konsultieren, und viele Erinnerungen würden konkreter.) Vielleicht sollte ich doch einmal ein Buch über die Chaostage-Trilogie 1994, 1995 und 1996 schreiben.

Mir wird wieder klar, wie verzerrt die Berichterstattung in der Presse ist, auch diesmal wieder, und wie die Journalisten ohne Nachfragen die Aussagen der Polizei übernehmen. So werden die Lügen von damals eins zu eins übernommen und in die heutige Zeit übertragen. Das finde ich ziemlich ärgerlich, aber es ist ein nachvollziehbares Verhalten.

Einige kurze Rückblicke …

Die ersten Tage waren chaotisch, aber weitgehend friedlich. Sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag erreichten bei schönstem Sommerwetter Hunderte von Punks aus ganz Deutschland und europäischen Ländern die niedersächsische Landeshauptstadt. Überall traf man auf Punks, die Stimmung war gelöst und friedlich.

Ich erinnere mich an die Polizei, die uns ab Donnerstagmittag brachial aus der Innenstadt vertrieb. Der Versuch, sich in die Parks zu begeben, scheiterte; man trieb uns buchstäblich in der Nordstadt zusammen. Leute wurden verhaftet und grundlos zusammengeschlagen. Dann wurden zur Verteidigung die Barrikaden errichtet, bald brannten bald die ersten Autos, zuletzt scheiterten die Angriffe der Polizei.

Ich erinnere mich an das euphorische Gefühl an diesem Abend. Ein Punk malte mit weißer Farbe »nazi- und bullenfreie Zone« auf den Asphalt; die Szenerie war friedlich und fröhlich. Überall wurde gefeiert, überall waren Punks auf der Straße.

Ich erinnere mich daran, am Freitagnachmittag auf offener Straße verhaftet zu werden. Ohne Begründung, »einfach so«. Wir kamen nach Langenhagen in eine große Lagerhalle; 1300 Leute auf zwei Etagen, auf verdrecktem Beton und anfangs ohne etwas zu essen und zu trinken. (Später gab es Leitungswasser und kalte Fertignahrung aus Bundeswehrbeständen.)

Ich erinnere mich an die skurrile Stimmung im »Punker-Lager«, an den Aufruhr, der ausbrach, als Brandsätze von außen auf das Gelände geworfen wurden, und an den Aufruhr, der losbrach, als es hieß, ein Mädchen sei bei einem Angriff der Polizei ums Leben gekommen. (Das stellte sich als Falschmeldung heraus.)

Ich erinnere ich, wie ich am Samstagabend mit dem Bus zum Hauptbahnhof gefahren und dort quasi gleich wieder interniert wurde, wie ich dann mit dem Taxi in die Nordstadt fuhr, wie ich mich dann zu Fuß und mit meinem eigenen Auto in einer chaotischen Nordstadt umsah, in der sich die Polizei in Hundertschaften wie in einem Feindgebiet bewegte, während überall Steine und Flaschen flogen.

Und ich erinnere mich an den Tag darauf, als wir durch die Nordstadt von Hannover zogen: Berge von Gerümpel auf den Straßen, der Penny-Mark geplündert, aber keine einzige Scheibe eines Privatwohnhauses auch nur angekratzt. Keine Polizei auf der Straße, nur Punks und Anwohner, und alles war wieder friedlich …

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