13 November 2025

Lenin auf einer Platte

Ich sah die Goldenen Zitronen in den 80er-Jahren zweimal: einmal als Vorgruppe der Toten Hosen, einmal als Hauptgruppe, wobei in diesem Fall dann Walter Elf die Vorgruppe machen durfte. Das ist lange her. Nachdem die Band aus ihrer Funpunk-Phase herausgewachsen war, konnte ich nicht mehr viel mit ihr anfangen.

Als ich sie aber vor einigen Jahren im »P8« vor einem frenetisch feiernden Publikum sah, fand ich sie großartig und kaufte mir einige Tonträger nach. Einer davon trägt den schönen Titel »Lenin« und ist typisch für die Musik und die Texte, die die Band in den Nuller-Jahren machte; veröffentlicht wurde die Platte im Jahr 2006.

Hits sind das keine, von Funpunk ist man meilenweit entfernt, und niemand würde diesen Sound ernsthaft als Punkrock betrachten. Und doch sind die Stücke auf »Lenin« auf ihre Art sehr wohl punkig. Wenn man ein wenig um die Ecke denkt und eine Punk-Definition aus den späten 70er-Jahren benutzt, versteht sich …

Die Texte sind sehr politisch, sie erzählen vom aktuellen Wahnsinn in deutschen Städten, sie sind auch extrem sarkastisch. »Schmeißt keine Schäferhunde aus dem Fenster« – auf so einen Satz muss man erst einmal kommen. Hier waren kluge Leute am Werk, die sich schlaue Aussagen ausdachten und in Texte packten. Dank des Textblatts kann man sich die auch noch einmal durchlesen und sich an einer Interpretation versuchen.

Und die Musik? Der Sound ist sperrig, die Texte werden auch mal als Sprechgesang ins Mikro gerotzt. Das ist nicht für den fröhlichen Pogo-Mob gedacht und manchmal eher dafür, dass man ein bisschen innehält und nachdenkt.

Manchmal wird es ein wenig elektronisch, manchmal geht es in Richtung Noise-Rock, dann wieder klingt es wie der Post-Punk der späten 70er-Jahre. Es ist keine Musik, die sich dem Publikum anbiedern möchte (und auf diese Weise wurde natürlich eben auch ein Publikum gefunden …).

Ich werde wohl älter. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte ich das blöd gefunden. Heute sage ich: gute Platte, durchaus!

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wie verschroben das teilweise auf der Platte »Lenin« der Goldenen Zitronen klingt, belegt wunderbar das Titelstück, das man sich unter anderem bei YouTube anhören kann.
Hier:
https://www.youtube.com/watch?v=RsssIl-t1ws