30 Mai 2025

Grenze an der Grenze

Bereits in den 70er-Jahren waren die Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich sehr oberflächlich. Wenn mein Vater mit uns in seinem VW-Käfer an die Rheinbrücke kam, wurden wir üblicherweise durchgewunken. Die Personalausweise hatte man zur Hand, aber man brauchte sie nicht, alles kein Problem – das gleiche bei der Rückfahrt.

Und lange vor den Schengen-Verträgen war klar, dass Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich ein Unding sind. Ich überquerte seitdem sehr oft die Grenze und wurde nie kontrolliert. In den vergangenen Jahren fuhr ich sogar mehrfach mit dem Rad einfach durch den Wald oder entlang des Rheins oder durch irgendwelche Weinberge und stand unversehens in Frankreich.

Das ist jetzt anders. Als ich kürzlich ins Elsass fuhr, gab es auf der anderen Stra0enseite einen riesigen Stau: Die deutsche Polizei hatte die Straße gesperrt und Zelte errichtet. Eine improvisierte Grenzabfertigung war entstanden, wo nun Leute kontrolliert wurden. Schon klar: ein Ergebnis unserer neuen Regierung – man will die illegale Migration stoppen, löst aber damit vor allem Stau und Ärger auf.

Als ich am gleichen Tag aus dem Elsass zurück in die Pfalz wollte, nahm ich eine Nebenstrecke, eine der vielen kleinen Straßen. Dort wurde nicht kontrolliert. Logisch – so viele Polizisten hat man ja gar nicht zur Verfügung, um jede Gemeindestraße zu blockieren. Aber mal ehrlich: Wenn schon so ein Durchschnittsdeutscher wie ich auf die Idee komme, auf eine Nebenstrecke auszuweichen – was wird dann einer dieser ach so schwerkriminellen Schleuser machen? Der stellt sich doch bestimmt nicht in die Schlange am offiziell kontrollierten Grenzübergang, sondern nimmt den Radweg entlang des Rheins oder eine ganz normale Dorfstraße ...

28 Mai 2025

Zwei phantastische Comics für Kinder

Unter dem Label Toonfish veröffentlicht der Splitter-Verlag seit mehreren Jahren phantastische Comics, die sich vor allem an Kinder und Jugendliche richten. Heute will ich euch zwei aktuelle Bände vorstellen, die jeweils den Auftakt zu einer größeren Geschichte bilden.

Aucha / Isabelle Lemaux-Piedfert: Die vergessenen Welten

Im Jahr 1920: Amy ist ein aufgeschlossenes Mädchen, das gerne forscht und von unstillbarer Neugierde erfüllt ist. Sie schafft es, ihren Vater, einen bekannten Forschungsreisenden, dazu zu bringen, sie nach Mittelamerika mitzunehmen. Dort hilft sie ihm bei den Ausgrabungen alter Maya-Tempel, geht aber bald ihre eigenen Wege.

So beginnt der erste Band von »Die vergessenen Welten«. Vordergründig geht es um uralte Kristallschädel und eine Jagd nach Atlantis, daneben wird aber auch erzählt, wie ein Mädchen gegen die Regeln seines Standes aufgebehrt und versucht, eigene Wege einzuschlagen. Die Geschichte ist turbulent, sie hat einen phantastischen Charakter, erinnert mit ihrem abenteuerlichen Grundton aber eher an »Indiana Jones« oder »Tomb Raider«.

Der Comic-Autorin Aucha gelingt es hervorragend, die Figur eines 13 Jahre alten Mädchens so zu beschreiben, dass man ihm gern durch das Abenteuer folgt. Andeutungen erster Liebe gibt es ebenso wie das Aufbegehren einer Generation – schön gemacht!

Die Bilder von Isabelle Lemaux-Piedfert ergänzen das sehr gut; sie sind schwungvoll, entsprechen dem aktuellen Stil und dürften der angepeilten Zielgruppe gefallen. Auch als erwachsener Leser macht die Lektüre Spaß.

Das erste Hardcover-Album der neuen Reihe trägt den Titel »Der Schädel von Lubaantun«, umfasst 80 Seiten und kostet 17,95 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-98721-722-7 kann man es überall im Comicfach- und Buchhandel bestellen.

Audrey Alwett / Nora Moretti: Der Garten der Feen

Mitte des 19. Jahrhunderts in der Normandie: Lucie ist ein aufgewecktes Mädchen, ein junger Teenager also, und hat wenig Lust darauf, aus dem mondänen Paris in ein Schloss auf dem Land zu ziehen. Doch schnell erkennt sie, dass dort nicht nur eine seltsame Familie auf sie wartet, mit der sie ihre Probleme hat, sondern auch ein geheimnisvoller Garten, in dem es tatsächlich Feen gibt.

Außer Lucie kann diese anscheinend niemand sehen, selbst der Garten ist vor den Augen anderer Menschen verborgen. Kein Wunder, dass das Mädchen alles versucht, um hinter dessen Geheimnis zu kommen – wobei Lucie bald feststellt, dass die Mysterien der Feen mit der Geschichte ihrer Familie verknüpft sind …

Die Comic-Autorin Audrey Alwett hat sich bei dieser gelungenen Phantastik-Serie, die sich vor allem an Mädchen richtet, vom Kinderbuch-Klassiker »Der geheime Garten« beeinflussen lassen, entwickelt auf dessen Basis aber eine eigenständige Geschichte, die sich flott lesen lest. Gelungen sind zudem die Bilder der Künstlerin Nora Moretti; die Figuren und die Hintergründe haben manchmal einen leichten Manga-Anflug, entsprechen stets dem Standard jener aktueller Comics, die sich an Jugendliche richten.

Mit »Die Feenhirtin« ist ein schöner Start in eine moderne Fantasy-Serie gelungen. Der erste Band ist als Hardcover erschienen; er umfasst 72 Seiten und kostet 17,95 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-98721-365-6 kann man das Buch überall im Comicfach- und Buchhandel bestellen.

(Diese Doppel-Rezension erschien bereits im März auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie; hier teile ich sie aus Gründen der Dokumentation auch endlich ...)

27 Mai 2025

Gesamtausgabe eines Phantastik-Klassikers

Zu den Comics, mit denen mich seit langem etwas verbindet, gehört der Dreiteiler »L’état morbide«, der in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Da seine Hauptfiguren allesamt Punks sind oder zumindest aus der Punk-Szene kommen, während die Geschichte zur Phantastik gezählt werden kann, fand ich die drei Bände großartig – auch wenn ich die komplette Handlung nicht so richtig kapierte.

Ich lieh die drei Bände oft aus, irgendwann waren sie völlig zerfleddert, und irgendwann waren sie verschwunden. Deshalb war ich sehr froh, als beim Splitter-Verlag eine schicke Hardcover-Ausgabe erschien, die nicht nur die drei originalen Alben enthält, sondern auch ein umfangreiches Nachwort mit Texten und Bildern – ich mag so etwas ja sehr.

Die Geschichte lässt sich sehr kompliziert und detailreich erzählen, oder man beschränkt sich auf die grundlegenden Motive. Das will ich versuchen: Charles ist ein Comic-Künstler, der ein wenig punkig aussieht und sich vor allem mit Leuten umgibt, die ebenfalls punkig aussehen, entsprechende Frisuren haben und auf ihren Jacken provokante Aussagen oder Buttons spazierentragen. Er bezieht eine düstere Wohnung in einem eigentlich schönen Viertel von Brüssel, wo er in immer seltsamere Visionen verfällt und langsam – wie es aussieht – den Verstand verliert …

Hat er es mit echten Geistern zu tun, bildet er sich alles nur ein? Seine Freunde, die ihm helfen wollen, werden ebenfalls in den Bann des Gebäudes gezogen. Die alptraumhaften Szenen halten bis zum Ende an, eine echte Auflösung gibt es nicht.

»L’état morbide« ist nach allen Jahren immer noch klasse: Die Geschichte ist mysteriös und spannend, als Leser tappt man ebenso im Dunkeln wie die Hauptfigur. Die unheimlichen Elemente gestalten die Handlung gruselig, und das liest sich nach wie vor faszinierend.

Die grafische Gestaltung überzeugt ebenfalls. Daniel Hulet hat einen Stil, der realistisch wirkt, auch und gerade bei den phantastischen Szenen; seine Figuren sehen glaubhaft aus, das alte Haus wirkt dämonisch, manche Szenen sind voller Fratzen, die man mit großem Staunen betrachtet.

»L’état morbide« ist immer noch ein überragender Phantastik-Comic. Starke Gesamtausgabe – unbedingt empfehlenswert!

26 Mai 2025

Die kleinen Dinge in einem Dorf

Was ich am französischen Kino immer wieder bewundere, ist die Tatsache, dass man es in unserem Nachbarland immer wieder schafft, Komödien zu drehen, die ganz nebenbei ernsthafte Themen verhandeln. So ist es auch mit dem Film »Es sind die kleinen Dinge«, der 2023 in Frankreich herauskam und 2024 in Deutschland veröffentlicht wurde – da verpasste ich ihn völlig. Nun ist er aber in diversen Streaming-Portalen zu sehen, also sah ich ihn mir an.

Der Film lebt von seinen Hauptdarstellern, die mir allesamt aus anderen Filmen bekannt waren. Julia Piaton spielt die Lehrerin Alice, die im Nebenberuf die Bürgermeisterin eines kleinen Dorfes ist. Michel Blanc wiederum spielt den Rentner Émile, der nicht lesen kann und sich als echter Sturkopf erweist. Und wie in solchen Fällen üblich: Die beiden müssen sich zusammenraufen.

Letztlich aber ist der Film vor allem das Porträt eines Dorfes, dessen Bewohner sich abgehängt fühlen. Es gibt keine Kneipe mehr, keinen Laden, nichts. Und wenn die Schule auch noch geschlossen wird, steuert das hübsche kleine Dorf auf sein Ende zu. Also versuchen die Bewohner alles, um ihre Schule zu retten.

Natürlich ist das letztlich ein Märchen. Dorfbewohner sind Menschen wie alle anderen auch – sie halten leider nicht so schön zusammen, wie es in diesem Film erzählt wird, sondern es gibt Nazis und Trottel unter ihnen, nette und engagierte Leute, Querköpfe und alles andere auch. Aber ich mag es dann doch, wenn mir in einem Film vermittelt wird, wie es sein könnte, wenn die Leute solidarisch wären und mit Witz und Engagement gegen blöde Bedingungen vorgehen würden.

So ist »Es sind die kleinen Dinge« ein Film, der keine große Geschichte erzählt, sondern Menschen in den Mittelpunkt stellt und sie vielleicht ein wenig schöner darstellt, als sie es wirklich wären. Es ist gut gemachte Unterhaltung mit einem ernsthaften Kern – und das ist das, was viele französische Komödien unterm Strich auszeichnet. Empfehlenswert!

23 Mai 2025

Finale im Eispalast

Auch der zweite Teil des Himalaya-Abenteuers innerhalb der Hörspielserie »Dorian Hunter« hat häufig Aspekte des Abenteuerromans oder der Fantasy und weniger der blutigen Horror-Geschichte. Das schadet aber nichts, finde ich – Ernst Vlcek, von dem die literarische Vorlage stammt, scherte sich Zeit seines Lebens nicht um die großen Unterschiede zwischen den phantastischen Genres.

Mit der Folge 51.2, die den Titel »Im Reich der Alraune – Hekates Garten« trägt, spielen noch einmal Yetis eine Rolle, ebenso mysteriöse Wurzeln, die im Hochgebirge wachsen. Es gibt aber auch einen Palast im ewigen Eis und mysteriöse Erinnerungen an eine Vergangenheit, die der Dämonenkiller Dorian Hunter gar nicht mehr kennt.

Ganz klar: Mit dieser Folge werden erneut Verknüpfungen hergestellt. Wer die Serie gut kennt, freut sich bestimmt darüber; wer neu einsteigt, ist an diesen Stellen womöglich überfordert. Coco Zamis und ihre magischen Talente sind aber spannende Elemente, der Kampf um den Eispalast liefert reichlich Action – und damit entsprechende Hörspiel-Akustik.

Die Handlung ist spannend, die Dialoge und die Geräusche sind toll. Und mit der allerletzten Szene gibt es noch eine handfeste Überraschung für die Hörerinnen und Hörer dieses Zweiteilers. Klasse!

22 Mai 2025

Saarland-Hardcore von 1988

In den späten 80er-Jahren zählten Crowd Of Isolated zu den Bands, an denen man in Süddeutschland nicht vorbeikam. Die Jungs aus dem Saarland spielten landauf, landab in allen möglichen Jugendhäusern auf – auch im JuZ »Murgtäler Hof« in Freudenstadt – und veröffentlichten 1988 ihre erste Schallplatte »I Try To Tell About The Way«, die ich schon lange nicht mehr angehört habe. Ein Fehler, wie ich dieser Tage feststellen musste.

Die Platte bietet zwölf Stücke mit knalligem Hardcore-Punk und englischen Texten, wie er damals häufig gespielt wurde. Die Stücke sind schnell, sie enthalten immer wieder Tempowechsel, sie werden druckvoll gespielt, und sie bollern manchmal ordentlich durch. Das Schlagzeug poltert engagiert, die Gitarre singt geradezu und gibt so die Melodie vor; der Sänger hat eine Stimme, die man sich merkt und die vor allem auf der ersten Platte irgendwie gequetscht klingt. Das macht die Band eigenständig und ähnelt nicht den anderen Gruppen jener Tage.

Teilweise sind die Stücke arg lang, manche über fünf Minuten lang. Eigentlich finde ich das ja blöd, aber hier stört es mich gar nicht. So ist »My friend« mit über fünf Minuten echt gedehnt, gleichzeitig aber der »Hit« der Platte, der gut ins Ohr geht und mich tatsächlich an »Lo Spiritua Continua« von Negazione erinnert. Bei den englischsprachigen Texten werden politische und gesellschaftlche Themen verhandelt, die Band äußert ihren Missmut zur aktuellen Zeit, verzichtet aber auf plattes Polit-Gebolze,

Mit all ihren Spannungen und ihrer Dynamik ist die Platte frisch geblieben; sie gefällt mir immer noch, nicht nur unter historischen Gesichtspunkten. Es ist immer noch Musik, bei der ich Pogo oder Slamdance betreiben könnte ... Starke Scheibe – immer noch empfehlenswert!

21 Mai 2025

Krimi-Klassiker, erneut gelesen

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich »Der große Schlaf« zum ersten Mal gelesen habe. Es ist sicher einige Jahrzehnte her. Unlängst schmökerte ich die Neuübersetzung durch, die bei Diogenes erschienen ist, und wurde von dem Roman erneut gefesselt. Das Ding sollte man wirklich gelesen haben; es ist eine der ganz klassischen Geschichten um den Privatdetektiv Philip Marlowe.

Marlowe ist in gewisser Weise stilprägend, bis heute beeinflusst seine Darstellung zahlreiche Schriftsteller. Der Detektiv wird in Fälle verwickelt, die nicht nur mit Kriminalität zu tun haben, sondern auch seinen moralischen Kompass in Frage stellen. Als »Schnüffler« steht er nie an der Spitze der Gesellschaft, sondern ist auf der »unteren Etage« unterwegs, wo er immer wieder den Unrat wegschaffen soll, den reiche Leute hinterlassen.

So auch in »Der große Schlaf«. Marlowe wird von einem schwerreichen, aber sehr alten Mann engagiert, auf seine Töchter aufzupassen. Die sind jung und ein bisschen zu wild; sie haben sich mit den falschen Männern eingelassen und verkehren in einem Milieu, in dem ein Menschenleben nicht viel und Moral gar nichts gilt. Marlowe zieht seinen Auftrag durch, ohne mit der Wimper zu zucken, legt sich mit den jungen Frauen ebenso an wie mit Gangstern und der Polizei, und irgendwann hat er zwar keinen Auftrag mehr, macht aber ohne Pause weiter.

Das alles erzählt der Autor in einem Ton, der schnörkellos und oft nüchtern ist, manchmal mit Spuren von Sarkasmus unterlegt. Die Dialoge sind spannend und treiben die Handlung voran, die szenischen Beschreibungen sind knapp, ufern nie aus und bringen die Angelegenheit immer auf den Punkt. Chandler war ein Meister darin, Szenen so zu schreiben, dass sie im Kopf des Lesers gleich ein Bild ergaben.

Ob die neue Übersetzung wirklich besser ist als die alten, kann ich nicht beurteilen. Mittlerweile bekam ich zwei ältere Versionen des Romans in deutscher Sprache geschenkt. Die werde ich mir irgendwann genauer anschauen, das interessiert mich ja wirklich.

Generell aber gilt: Der Roman ist immer noch klasse!

20 Mai 2025

Überraschung aus dem Saarland

Eigentlich hätte am Samstagabend, 16. Mai 2025, beim Jahresfest in der »Alten Hackerei« Steakknife aus Saarbrücken zum Tanz aufspielen sollen. Dass die Band ausfallen würde, bekam ich erst mit, als ich vor Ort war – die vorherigen Informationen zu dem Thema hatte ich verpeilt.

Aber so ein Geburtstagsfest in der »Alten Hackerei« ist stets eine Gelegenheit, Leute zu treffen, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Also stand ich lange mit einer Bierflasche in der Hand im Biergarten herum und laberte mit Leuten.

Dabei wurde mir ein Mann vorgestellt, den ich zuerst nicht erkannte, bis klar wurde, wen ich vor mir hatte: Gurke erwies sich als der Sänger der Band, die an diesem Abend aufspielen sollte und der früher bei Crowd Of Isolated gesungen hatte. Die hatte ich in den späten 80er-Jahren mehrfach gesehen, sie hatten sogar einmal in unserem Jugendzentrum in Freudenstadt gespielt. Wir hatten uns seit über dreißig Jahren nicht mehr gesehen.

Diesem Gespräch mit dem Austausch von »was machst du eigentlich?« und »was ist denn aus dem und der geworden?« folgten weitere Gespräche mit anderen Leuten. So verpasste ich den Auftritt von Aka Rinde fast komplett: ein Gitarrist auf der Bühne, der mit einem Fuß nebenbei ein Schlagzeug bediente und dazu in deutscher Sprache sang. Das war sicher nicht schlecht, an diesem Abend aber nicht meine Tasse Bier. Ich hätte konzentriert zuhören müssen, und dazu war ich nicht in der Stimmung. Dann doch lieber Bier trinken und labern.

Bis Trust Issues auf der Bühne standen. Das war Gurkes aktuelle Band, die es seit 2019 gibt, die ich nur vom Namen her kannte und die ich noch nie live gesehen hatte. Die vier Herren auf der Bühne waren allesamt nicht mehr die Jüngsten; die Haare waren dünn oder grau. Aber das passte zum Publikum, in dem die ganz jungen Leute ebenfalls eine Minderheit bildeten.

Was die Band auf der Bühne bot, war alles andere als Alte-Männer-Musik. Serviert wurde Hardcore-Punk, wie man ihn in den späten 80er-Jahren oft gehört hatte, mit ordentlich Wumms und viel Schmackes, mit Melodie und sichtlicher Spielfreude. Der Sänger sprang auf der Bühne und im Publikum herum, als sei er immer noch Anfang der zwanzig, die Band grinste sich eins und verbreitete gute Laune.

Das alles sprang auf das Publikum über und wurde von dem quasi auf die Bühne reflektiert. Es gab keinen heftigen Pogo, aber die meisten Leute bewegten sich, und vorne wurde auch ein bisschen gehüpft. Ich zappelte altersgerecht ein bisschen an meinem Stehplatz herum und hüpfte zwei-, dreimal, weil es nicht anders ging. Ansonsten freute ich mich, grinste von einem Ohr zu anderen und johlte vor Begeisterung.

»Das ist wie früher!«, meinte irgendwann einer zu mir. »Aber ein Früher, wie wir es uns heute oft verklären.«

Damit hatte er recht: Trust Issues überzeugten an diesem Abend echt. Starke Band, tolles Konzert!

19 Mai 2025

Schlimmer kommen?

Wenn ich mich mit Bekannten über den Ausgang der Bundestagswahlen und die kommende Regierung unterhalte, höre ich oft einen Satz: »Es hätte ja auch schlimmer kommen können.« Nachdem ich diesem Satz anfangs gelegentlich zugestimmt habe, verwehre ich mich mittlerweile dagegen.

Hätte es wirklich schlimmer kommen können? Klar: Eine absolute Mehrheit der AfD wäre schlimmer. Eine Koalition aus CDU und AfD wäre schlimmer. Eine Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten ist keine völlige Katastrophe, sondern die derzeit einzige Möglichkeit, überhaupt eine halbwegs funktionierende Regierung hinzubekommen.

Aber muss ich das wirklich gut finden? Muss ich mich achselzuckend damit abfinden, dass nun eine Koalition aus grauen Mäusen das Land regiert, eine Koalition aus Leuten, die – wenn es gut läuft – alles so lassen wollen, wie es schon immer war, oder es – wenn es noch blöder kommt – in eine Richtung drehen wollen, die ich grausig finde.

Das laute Geschrei in Sachen Migration, das von beiden Parteien der aktuellen Regierung kommt, ist für mich widerwärtig. Das Ignorieren von Klimawandel und Umweltschäden finde ich erschütternd. Das Eindreschen auf Menschen, die arm sind – aus welchen Gründen auch immer –, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten: Politiker, die in ihrem ganzen Leben noch nie »richtig gearbeitet« haben, singen das Hohelied auf fleißige Arbeitnehmer.

Mir ist klar, dass Sozial- und Christdemokraten keine Liebeskoalition gegründet haben. Mir ist klar, dass man Kompromisse eingehen muss. Aber müssen die auf diesem erschütternden Niveau sein? Muss der Hass auf Ausländer und arme Leute wirklich das sein, was ich allem von dieser Regierung abbekomme?

Ja, es hätte schlimmer kommen können. Aber ich finde die aktuelle Regierung wirklich schlimm.

16 Mai 2025

Zweimal wurde ich »verarbeitet«

Es ist für mich mit einem seltsamen Gefühl verbunden, einen Text von Rainer Schorm zu lesen, den er geschrieben hat, als er noch gesund und fit war. Ich sehe ihn stets mit seinem verschmitzten Lächeln vor mir, obwohl ich weiß, dass er seit dem März 2025 verstorben ist. So ging es mir, als ich zwei weitere Texte in dem Buch »Das wüsste ich aber!« las, das zu meinem sechzigsten Geburtstag veröffentlicht wurde.

Rainer Schorms Geschichte trägt den Titel »Der Barbarossa-Effekt« und ist wie eine klassische Kurzgeschichte aufgebaut. Figuren treten auf, es gibt Dialoge und szenische Beschreibungen – und am Ende wird der Bezug zu mir hergestellt. Sehr schön erzählt; darüber freute ich mich sehr.

Nils Hirseland liefert mit »Für eine Handvoll Likes« ebenfalls eine gelungene Ergänzung. Der Autor, seit einiger Zeit als Vorsitzende der PERRY RHODAN-FanZentrale bekannt, erzählt in seiner Geschichte von einem Redakteur, der sich mit »Einhornkiller«-Romanen beschäftigt. Der Vergleich erheiterte mich gleich mehfach, die Geschichte an sich machte mir ebenfalls große Freude.

Wieder einmal fühlte ich mich sehr geschmeichelt; zwei gelungene Storys zu meinem Geburtstag. So macht mir das Buch immer noch große Freude!

14 Mai 2025

Dustin Hoffman als Cheyenne

Derzeit kann man sich in der ARTE-Mediathek einen Film anschauen, den ich vor gut vierzig Jahren einmal gesehen und seither nie vergessen habe. Es handelt sich um »Little Big Man«. Wer ihn noch nicht kennt, sollte unbedingt die Chance nutzen. Wer ihn kennt – so wie ich –, hat nun die Gelegenheit, ein klassisches Meisterwerk erneut zu betrachten.

»Little Big Man« gilt als Western, was nur eingeschränkt richtig ist. Wenn man wollte, könnte man den Streifen als Indianerfilm bezeichnen; andere bezeichnen ihn als Anti-Western oder als Western-Satire. Alles ist richtig – und doch nicht.

Zur Handlung nur so viel: Der Film spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Junge wird von den Cheyenne adoptiert und wächst bei den »Menschenwesen« – so nennen sie sich selbst – auf, obwohl er ein Weißer ist. Er bekommt den Anfang der Indianerkriege mit, versucht sich bei den Weißen, ist zwischendurch Quacksalber und Revolverheld, landet wieder bei den Cheyenne und nimmt – gegen seinen Willen – am Washita-Massaker und an der Schlacht am Little Big Horn teil.

Der Film ist mal skurril und witzig, mal unglaublich tragisch; Dustin Hoffman spielt einen jungen Mann, der staunend und ein wenig tölpelhaft durch den sogenannten Wilden Westen stolpert und nie so richtig weiß, wohin er gehört. Der Film wurde 1970 gedreht; man kann ihn natürlich politisch deuten – oder eben als einen realitätsnahen Film über den Untergang der Prärie-Indianer anschauen.

Empfehlenswert. Immer noch!

13 Mai 2025

Das Schwarze Brett der Kompanie

»Gefreiter Frick.« Der junge Mann, der mich auf dem Flur des Erdgeschosses ansprach, war vermutlich so alt wie ich.

Aber ich war Gefreiter in der Ausbildungskompanie und er ein Rekrut im zweiten Monat. Wir waren beide wehrpflichtige Soldaten, aber ich war sein Vorgesetzter. Er gehörte zu den Rekruten, deren Zimmer in direkter Nähe zu den Offiziersbüros lagen; sie wurden öfter kontrolliert, bekamen aber auch viel mit.

Ich hielt an. »Ja?«

Eigentlich war bereits Dienstschluss, die Zeit zwischen Abendessen und verordneter Bettruhe. Die Rekruten hatten frei, ich hatte ebenfalls frei. Und eigentlich wollte ich in das Zimmer, das ich mit einigen anderen Gefreiten bewohnte, um dort ein wenig zu lesen. Doch der Rekrut, der vor mir stand, wirkte unsicher und stur zugleich.

»Der Oberleutnant …«, fing er an, unterbrach sich dann, als ob er nicht wüsste, was er sagen sollte.

Ich ahnte es. »Hat er wieder etwas ans Schwarze Brett gepinnt?«, fragte ich.

Der Rekrut nickte nur.

»Ich kümmere mich«, versprach ich. »Danke, dass Sie mir das gesagt haben.« Ich nickte ihm zu und drehte mich um.

Bis zum Schwarzen Brett waren es nur ein Dutzend Meter. Es war im Eingangsbereich des Gebäudes befestigt, direkt neben dem Treppenhaus. Hier wurden Aushänge angebracht, die die gesamte Kompanie betrafen; hier hing gelegentlich auch ein offizielles Schreiben des Verteidigungsministeriums.

Es war streng verboten, private Aushänge am Schwarzen Brett anzubringen. Es war ebenso streng verboten, Dinge abzuhängen, ohne dafür einen offiziellen Befehl des Kompaniechefs zu erhalten. Die Regeln waren eindeutig; in diesem Frühsommer 1985 herrschte noch die Wehrplicht, und niemand konnte sich vorstellen, dass der Warschauer Pakt bald zusammenbrechen würde.

Ich blieb vor dem Schwarzen Brett stehen. Links unten hing ein Zeitungsartikel, der am Nachmittag nicht dort angebracht gewesen war. Schriftart und Inhalt wiesen darauf hin, dass er aus der »Nationalzeitung« stammte, dem rechtsradikalen Blatt, das ich gelegentlich bei den Unteroffizieren und auch bei den Offizieren gesehen hatte.

Mir war der Oberleutnant oft durch seine Sprüche aufgefallen. Jeder wusste, dass er Naziblätter las, und jeder wusste, dass er immer wieder heimlich Ausschnitte aus der Zeitung am Schwarzen Brett befestigte. So wie auch jeder zu wissen schien, dass ich sie immer abnahm, wenn ich davon erfuhr. Ein Rekrut traute sich noch nicht, das Schwarze Brett zu »säubern«, was mir einleuchtete, ich sah es mittlerweile als meine Aufgabe an.

Ich las den Dreck nicht, den der Oberleutnant für wichtig gehalten hatte, sondern riss ihn herunter, zerknüllte ihn und warf ihn einige Meter weiter in einen Mülleimer.

Als ich die Treppe hinaufging, hörte ich ein leises »Danke« aus dem Flur. Dann wurde die Tür zu einem Zimmer geschlossen. Achselzuckend ging ich weiter.

12 Mai 2025

Saskia aus Calw

Die SPD-Politikerin Saska Esken ist zwei Jahre älter als ich und wohnt in Calw. Ich komme aus Freudenstadt. Die zwei dünn besiedelten Landkreise Freudenstadt und Calw bilden bei Bundestagswahlen einen Wahlkreis. Ich habe mir deshalb oft überlegt, ob ich sie von früher her kenne – immerhin war ich in den 80er-Jahren mal Juso.

Das kann natürlich nicht sein; sie trat erst in die SPD ein, als ich die Partei schon verlassen hatte. Theoretisch hätten wir uns trotzdem über den Weg laufen müssen: Sie wuchs in Renningen auf, wo ich oft war – dort wohnte Günther Freunek, und wir machten zusammen Fanzines –, sie engagierte sich im Jugendzentrum Weil der Stadt, das ich auch kannte, und sie tourte mit einer Gitarre als Straßenmusikerin herum.

Ich habe sie aber nie bewusst kennengelernt, kann nichts über sie persönlich sagen und weiß nicht einzuschätzen, wie ihre Rolle in der SPD ist und war. Ich stelle nur fest, dass ich sie aufgrund ihrer Biografie durchaus sympathisch fand. Solche Entwicklungen, wie Esken sie durchlebte, sind und waren mir ja nie fremd.

Die Art und Weise, wie die Partei mit ihr umgeht, finde ich trotzdem schäbig. Ich habe die SPD schon lange nicht mehr gewählt und kann mir nicht vorstellen, das mal wieder zu tun. Eine Partei, die ihren sozialen Kern verloren hat, ist für mich nicht mehr interessant. Und eine Partei, die sichtlich versucht, eine engagierte Sozialdemokratin an den Rand zu drängen – die Motive kenne ich nicht, sie sind mir letztlich egal –, verhält sich schäbig.

09 Mai 2025

Mönche, Yaks und Dämonen

Nachdem ich zuletzt den Anschluss an die »Dorian Hunter«-Hörspiele ein wenig verloren habe, möchte ich nun schnell aufholen. Deshalb hörte ich mir dieser Tage die Folge 50.1 der Hörspielserie an, die den schönen Titel »Im Reich der Alraunen – Aufstieg« trägt. Mit dem Reich sind irgendwelche Gebirgstäler in Nepal gemeint, und der Aufstieg bezieht sich auf die konkrete Geschichte.

Tatsächlich verlagert sich die Handlung nach Nepal. Warum es Dorian Hunter und Coco Zamis dorthin zieht, wird am Anfang in einem Rückblick erzählt. Dann geht die eigentliche Handlung los, die mehr an ein klassisches Abenteuer erinnert und nicht die üblichen Kämpfe mit Monstern und Dämonen zum Thema hat.

Man trifft sich mit Freunden und Bekannten in Kathmandu, dann beginnt man den Aufstieg in den Himalaya. Geschichten über Yetis, die als gefährlich bezeichnet werden, machen die Runde. Seltsame Mönche in roten Klamotten greifen an. Das Wetter macht unseren Helden zu schaffen.

Alles in allem ist das eine richtig »normale« Folge, die den Aufstieg auf mehrere tausend Meter glaubhaft erzählt. Starke Geräusche – etwa eine Lawine – und lebensnahe Dialoge prägen das Hörspiel, das an einer Stelle aufhört, die mich natürlich auf den zweiten Teil der Doppelfolge neugierig macht.

Das ist übrigens eine »Dorian Hunter«-Folge, die man auch potenziellen Neulingen empfehlen kann. Zwar tauchen viele Begriffe auf, die man nicht gleich kapieren wird – die eigentliche Handlung funktioniert aber sehr gut ohne Vorkenntnisse.

08 Mai 2025

Vor achtzig Jahren

Der heutige Tag gilt zu Recht als ein Tag der Befreiung. Die alliierten Truppen befreiten Mitteleuropa von der Herrschaft der Deutschen; letztlich waren es auch deutsche Ortschaften, die von der Tyrannei der Nazis befreit wurden. Nur fühlten sich die Menschen damals nicht unbedingt befreit, was aus ihrer Sicht verständlich war.

Mein Vater wäre am 1. Mai 2025 hundert Jahre alt geworden. Am 8. Mai 1945 war er gerade einmal zwanzig geworden und hatte fast zwei Jahre als Soldat hinter sich gebracht – an der Ostfront wurde er zweimal schwer verwundet und erlebte deshalb das Kriegsende in einem Lazarett am Bodensee. Dort wurde er Kriegsgefangener der Franzosen. 

Für ihn war das Kriegsende vor allem eine Erleichterung – er musste nicht mehr in den Krieg ziehen und konnte sich Hoffnung auf eine Heimkehr in das Dorf im Schwarzwald machen. »Befreit« fühlte er sich nicht. Wie auch? Er saß hinter Stacheldraht und war froh, dass er später als Elektriker für die französischen Streitkräfte arbeiten konnte.

Auch meine Mutter fühlte sich nicht befreit. Sie sprach vom »Umsturz« oder von der »schlechten Zeit«, wenn sie das Kriegsende meinte. Freudenstadt war abgebrannt, zahlreiche Frauen waren vergewaltigt worden, und noch Wochen nach der Eroberung herrschten Chaos und Willkür. Für meine Mutter war die direkte Zeit nach dem Krieg von Angst bestimmt, wie sie in den wenigen Erzählungen über diese Zeit sagte.

Meine Eltern waren in der Zeit des Nationalsozialismus aufgewachsen, für sie war das »normal«. Mein Vater bekam die deutschen Verbrechen mit, meine Mutter versicherte glaubhaft, nichts davon gewusst zu haben. Sie waren keine Nazis, aber sie waren jugendliche Mitläufer – so würde man das heute nennen. 

Zumindest haben sie nie versucht, die Zeit des sogenannten Dritten Reiches zu verklären. Und mit den Nazis, die in späteren Jahrzehnten ihr Unwesen trieben, wollten sie nie etwas zu tun haben.  Das rechne ich ihnen im Nachhinein hoch an.

07 Mai 2025

Ein Literatur-Krimi im besten Sinn

Zu den ungewöhnlichsten Krimis, die ich in den vergangenen Jahren lesen konnte, zählt »Die Seele aller Zufälle«. Es ist der zweite Band einer kleinen Serie, was ich erst erkannte, als ich zu lesen begonnen hatte – aber man kommt sehr gut in die Geschichte hinein. Es gibt so gut wie keinen Fortsetzungscharakter, auch wenn es einige Hinweise auf den ersten Band gibt.

Die Hauptfigur ist ein gewisser Vince Corso, und er geht einem ungewöhnlichen Beruf nach. Er versteht sich als Bibliotherapeut – zu ihm kommen Menschen mit ihren Nöten, und er hilft ihnen unter anderem damit, dass er ihnen die richtige Literatur für ihr Leiden verspricht. Das klingt an dieser Stelle sicher sehr ungewöhnlich, wird im Roman aber glaubwürdig dargestellt. Als eine Frau auftaucht, die ihn eher als Detektiv beschäftigen will und nicht als Therapeuten, begibt sich Corso auf die Spur … er muss ein literarisches Rätsel lösen.

»Die Seele aller Zufälle« ist ein Roman, der sich nicht an die Regeln eines Krimis hält. Es gibt praktisch keine Action, die Polizei spielt so gut wie keine Rolle. Erzählt wird von einem Rätsel, und dessen Lösung ist in Büchern verborgen. Die werden dann ausgiebig zitiert, und auf sie wird hingewiesen.

Wer sich für Literatur interessiert, kommt in diesem Roman auf seine Kosten. Fabio Stassi zitiert viele italienische Autoren, von denen ich teilweise noch nicht einmal die Namen kannte,bringt aber auch deutschsprachige Autoren wie Franz Kafka oder Elias Canetti ins Spiel. Es wird ausgiebig zitiert, und man bekommt den Eindruck, es mit einem selten belesenen Autor zu tun zu haben.

Übrigens ist der Roman auch politisch. Er spielt in Rom, und es geht unter anderem um Migranten und deren Stellenwert in einer Gesellschaft, die immer rassistischer wird. Die einzige Action-Szene, sofern man das so nennen kann, ist dann auch eine Demonstration, die außer Kontrolle gerät und von der Polizei angegriffen wird.

Ich mochte »Die Seele aller Zufälle« sehr. Die Lektüre ist nicht immer einfach, und spannend ist das Buch nur in Maßen. Aber es steckt voller lesenswerter Details, die mir Freude bereitet haben.

Erschienen ist das Buch als Hardcover in der Edition Converso. Die sitzt in Karlsruhe, und ich stellte schamhaft fest, dass ich von diesem literarischen Verlag zuvor nie gehört hatte … Seit ich das weiß, habe ich mir vorgenommen, mehr von ihnen zu lesen – das Verlagsprogramm sieht interessant genug aus.

06 Mai 2025

In Auerbachs Keller

Es gibt in Deutschland allerlei Legenden und sagenumwobene Orte. Der Mummelsee aus meiner Schwarzwald-Heimat gehört dazu, aber auch Auerbachs Keller in Leipzig, der schon vor Jahrhunderten zu literarischen Ehren kam. Ich schaffte es aber nie, das Lokal zu betreten, obwohl ich seit den späten 80er-Jahren einige Dutzend Male in Leipzig war.

Unlängst schaffte ich es doch. Ich hatte eine gewisse Angst vor dem Lokal, weil ich befürchtete, in eine Touristenfalle zu geraten. Aber ich wurde angenehm überrascht.

Das Kellergewölbe war groß, zahlreiche Tische standen um die wuchtige Säulen herum, und alle waren besetzt. Weil so viele Leute anwesend waren, herrschte eine ziemliche Lautstärke; wer sich unterhalten wollte, musste also laut sprechen und erhöhte damit den Lärmpegel noch weiter. Aber damit musste man wohl rechnen, wenn man das Lokal betrat.

Was die Ausstattung angeht, so orientiert man sich an klassischen Vorbildern: Es gibt viel Holz zu sehen, und der Keller sieht wirklich aus, als stamme er vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts oder sei tatsächlich noch viel älter. Modern oder cool sah in diesen Räumlichkeiten nichts aus, aber damit war nicht zu rechnen. Letztlich sind es ja Fotomotive für die Touristen, zu denen wir an diesem Abend faktisch gehörten.

Das Bier schmeckte gut, die Weine probierte niemand an unserem Tisch. Aber das Essen fand ebenfalls seine Zustimmung: Unter anderem wurden die Wildschweingerichte sehr gelobt. Ich als Vegetarier fand aber mein Nudelgericht, das ich auf den Tisch gestellt bekam, sehr lecker. Da gab es nichts zu meckern – das war eine sehr ordentliche Gasthausküche, bei der ein pragmatischer und flotter Service zum positiven Gesamtpaket passte.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mal wieder in dieses Kellergewölbe hinabsteigen werde. Schließlich gibt es in Leipzig genügend andere Lokale, in denen man zu Abend essen kann. Bereut habe ich es aber nicht.

Dinosaurier und andere alltägliche Probleme

Mit den Comics um die Stewardess Natascha hat sich der belgische Comic-Künstler Francois Walthéry im Verlauf von Jahrzehnten ein eigenes Universum an Geschichten aufgebaut. Dabei ging ein wenig unter, dass er viel mit anderen Künstlern zusammengearbeitet und weitere Serien geschaffen hat.

»Natascha« allerdings ist seine bekannteste Schöpfung. Sie erscheint hierzulande bei Salleck Publications, und ich las zuletzt den sechsten Band der Gesamtausgabe.

Natascha ist eine Stewardess; sie sieht nicht nur gut aus, sie weiß sich auch in allen Situationen sehr gut zu behaupten. Ihr manchmal sehr trotteliger Kollege Walter ist ihr oft ein Klotz am Bein, gleichzeitig steht er jederzeit bereit, sie aus kniffligen Situationen zu befreien. Meist aber ist Natascha es, die Walter retten muss.

Unterschiedliche Autoren lieferten die Storys für diesen Band. Spielt »Die schwarze Witwe« im Innern eines Flugzeugs, in dem auf einmal Spinnen und Schlangen ihr Unwesen treiben, verschlägt es die Helden in »Natascha und die Dinosaurier« in ein abgeschnittenes Gebirgstal, wo sie auf Dinosaurier und andere Urzeitlebewesen treffen – im Prinzip ist das eine schon klassisch anmutende »Lost Race«-Geschichte.

»Das Felsenmeer« ist ein Thriller, der an der bretonischen Küste spielt – in einem Ort übrigens, den ich schon besucht habe –, und »Atoll 66« spielt in der Südsee, wo es aber allerlei kriminelle Machenschaften aufzuklären ist. Die Vielfalt der Geschichten ist groß, die Handlung stets turbulent, der künstlerische Ausdruck jederzeit hervorragend.

Man muss diesen klassischen franobelgischen Stil mögen; ich tu's ja. Die Geschichten richten sich nicht mehr nur an ein jugendliches Publikum, sind aber weiterhin jugendfrei. Es wird geschossen, es gibt Explosionen, und Menschen werden gelegentlich umgebracht; man sieht allerdings weiterhin kein Blut. Alle Geschichten sind aber in sich schlüssig und werden sehr dynamisch erzählt.

Man muss klar sagen: Wer »Natscha« schon immer mochte, wird auch diesen Sammelband mögen, der eher moderne Geschichten enthält. Alle anderen sollten unbedingt vorher die Leseprobe anschauen.

05 Mai 2025

Vier Jazzer bei Hemingway

Ich wohne nur einige hundert Meter von der »Hemingway Lounge« entfernt, habe es aber in all den Jahren nie geschafft, das Lokal zu besuchen. Dabei ist es ein Ort, in dem ständig Konzerte veranstaltet werden. Klar, es geht dabei in erster Linie um Jazz – aber damit kann man mich ja kriegen, wenn er live gespielt wird.

Und so war ich am Freitag, 2. Mai 2025, in der »Hemingway Lounge«, die mit vielleicht fünfzig Besuchern sehr gut gefüllt war. Bei Jazz-Konzerten sitzt man herum, da steht und zappelt man nicht, sondern hört konzentriert zu und klatscht am Ende des Stückes und nach den jeweiligen Solo-Einlagen. An diesem Abend fand ich das zurückhaltende Verhalten schon ein wenig seltsam.

Denn Jim Snidero, ein Saxophonist aus New York, und seine drei Begleitmusiker legten gleich zu Beginn ein rasend schnelles Tempo vor. Der Schlagzeuger, der Basser und der Pianist folgten diesem Tempo; da war keine Langweile, da herrschte keine Ruhe, da wurde in rasender Geschwindigkeit gespielt. Ich war völlig baff und fühlte mich auf meinem Barhocker echt ein bisschen unwohl. Das war zwar kein Pogo, aber definitiv eine Musik, bei der ich normalerweise nicht hätte stillstehen können.

Aber auch die ruhigen Stücke konnten überzeugen. Die Band spielte hervorragend zusammen, die Übergänge waren allesamt stimmig. Dazwischen machte Snidero seine Ansagen in einem gut verständlichen Englisch, so dass man auch verstand, wenn er irgendwelche Klassiker interpretierte oder halt ein sehr ruhiges Stück über den Tod intonierte.

Das Publikum applaudierte brav, die Stimmung war sehr gut. Aber natürlich blieben alle brav an ihren Tischchen sitzen und bewegten sich nur, wenn sie etwas tranken oder aufs Klo gingen. Das klingt negativer, als es ist – so sind halt nun mal die Regeln bei einem Jazz-Konzert.

Ich fand’s super. Vor allem die schnellen Stücke fand ich großartig. Und so ging ich nach dem langen Konzert mit angetrunkenem Kopf und von der Musik gut gesättigt nach Hause – ein schöner Abend und sicher nicht der letzte für mich in der »Hemingway Lounge«.

02 Mai 2025

Die jungen Nazis im Blick

Die Themenausgabe des aktuellen »Antifa-Infos« hat es in sich: Unter dem Titel »The Kids are all right« geht es vor allem um die ganz neue Generation an beinharten Neonazis, die sich derzeit auf den Straßen breit macht, vor allem junge Männer, die meisten im Alter von Teenagern. Das »White Power«-Zeichen wird in diesen Kreisen gern benutzt, wie das Titelbild belegt.

Das Heft zeigt wie immer die Zusammenhänge auf. Woher kommen Gruppierungen wie »Chemnitz Revolte«, wer sind die relevanten Leute bei ihnen, was sind ihre Ziele? Die teilweise sehr jungen Stiefelnazis hatten im vergangene Jahr CSD-Paraden gestört; queere Menschen scheinen ihr absolutes Feindbild zu sein. Teilweise lösen sich diese Neonazi-Gruppen schnell auf, teilweise werden sie aber auch größer.

Das »Antifa-Info« liefert bei solchen Themen stets die Hintergründe. Man stelle sich vor, jemand bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft würde so ein Heft abonnieren und damit arbeiten; da könnten die Beamten relevante Informationen für ihre Arbeit beziehen.

Neben dem Schwerpunkt auf die jungen Neonazis wirft das »Antifa-Info« diesmal auch Blicke auf andere Länder, etwa den Rechtsruck in Ungarn, neue Nazi-Gruppierungen in Island oder die sogenannten Proud Boys. Die Berichte sind teilweise echt gruselig. Deshalb ist es gut, dass ein Beitrag auch auf die aktuelle Situation eingeht und »die Antifa« dazu auffordert, sich angesichts der großen Herausforderungen stärker auf die eigene Struktur zu besinnen. (Grob vereinfacht.)

Das »Antifa-Info« ist kein Strategieblatt, sondern eher ein Magazin für Hintergründe. Ich halte es für unverzichtbar und empfehle es allen Leuten, die mehr über die rechtsradikalen Umtriebe unserer Tage wissen wollen.