28 Februar 2024

Dreizehn starke Erzählungen

Die kanadische Schriftstellerin Alice Munro schätze ich, seit ich vor Jahren einen Sammelband ihrer Erzählungen gelesen habe. Nun endlich kam ich dazu, »Was ich dir immer schon sagen wollte« durchzuschmökern, einen weiteren Sammelband, der insgesamt 13 Texte enthält. Im englischsprachigen Original wurde das Buch bereits 1974 veröffentlicht, hierzulande liegt es seit 2012 vor.

Die Geschichten spielen oft in ländlichen Regionen Kanadas, zeitlich sind sie häufig in den fünfziger Jahren angesiedelt. Gelegentlich wird der Zweite Weltkrieg erwähnt, der noch nicht so lange vorüber ist. Oft sind die Figuren »einfache Leute«, deren Leben sich verändert und das die Autorin mit viel Sympathie für sie schildert. Zentral sind stets die Frauen, auf die sie ihre Aufmerksamkeit richtet. Und oft enden die Geschichten offen – man kann sich als Leser also den weiteren Verlauf selbst ausdenken.

Alice Munro erzählt beispielsweise von einer Frau, die sich in einen Schriftsteller verliebt hat – die Erzählung ist streckenweise eine scharfe Satire – und die mittlerweile seinen Erfolg aus der Ferne bewundert. Sie schildert zwei Mädchen, die drei Jungs dazu anspornen, ein altes Boot zu reparieren, um mit ihnen auf Reisen zu gehen. Sie zeigt zwei Schwestern, die gemeinsam alt werden, ohne dass sich an ihren grundsätzlichen Konflikten etwas ändert.

Es sind alltäglich wirkende Geschichten, in denen sich die Entwicklung von Figuren und ihrer Gesellschaft widerspiegelt. Wer nur Genres wie Science Fiction, Fantasy oder Krimi mag, wird hier vielleicht enttäuscht. Ich empfand die Texte als Bereicherung.

Jede Geschichte wird in einem Tonfall präsentiert, der auf unnötige Experimente verzichtet. Die Autorin lässt die Geschehnisse vor den Augen ihrer Leser abrollen, eine persönliche Wertung vermeidet sie, denn das ist Aufgabe der Figuren. Sie selbst hält sich zurück – damit bekommt man einen tiefen Einblick in das Innere der jeweiligen »Heldin«.

»Was ich dir immer schon sagen wollte« ist durchgehend gelungen. Man kann das Buch nicht am Stück lesen, denn jede Erzählung wirkt in einem nach – aber es sind 13 Texte, die man immer wieder lesen kann. Toll!

1 Kommentar:

Enpunkt hat gesagt…

Wer mehr über »Was ich dir immer schon sagen wollte« wissen möchte, gehe einfach auf die Internet-Seite des Dörlemann-Verlags, wo das schöne Buch erschienen ist:

https://doerlemann.ch/?id=488&k=9