Es gibt Dinge, die hält man nicht für möglich. Und je länger man darauf schaut, desto seltsamer kommen sie einem vor. Man bringt sein früheres Ich nicht mit seiner aktuellen Existenz in Verbindung. (Diese distanzierte Schreibe hier hat einen echten Grund …)
So geht es mir manchmal, wenn ich in alte Egozines von mir hineinblicke. Diese waren immer sehr subjektiv geschrieben – das war ja der Sinn der Sache – und sind deshalb häufig sehr selbstentlarvend, manchmal sogar unfassbar peinlich. Mein jüngeres Ich ist mir sehr fremd, wenn ich manche Seiten anschaue.
Gleichzeitig ist es spannend, sich wie in einer Zeitmaschine quasi in der Vergangenheit zu beobachten. Wenn das keine Science Fiction ist ...
Dieser Tage hielt ich die sechste Ausgabe von »Der Freak« in den Händen, die 1982 erschien. In dieser Ausgabe wollte ich einige Dinge recherchieren, die ich längst vergessen hatte und die ich für einen Artikel als Grundlage benutzen wollte. Und weil ich so interessiert war, verbrachte ich wohl mehr Zeit als nötig damit, dieses zehn Seiten umfassende Blatt zu lesen.
Sagen wir es so: Manche Dinge sind witzig. Das Egozine besteht vor allem aus einem Bericht über den FreuCon II, der in diesem Frühjahr veranstaltet worden war. Das Jugendzentrum »Murgtäler Hof« in Freudenstadt war zum zweiten Mal für einen Con genutzt worden. Gut sechzig Besucher hatten sich eingefunden, darunter echte Szene-Prominenz.
Dieser Bericht ist sehr subjektiv, zeitweise saßen auch andere Leute als ich an der Schreibmaschine. Man erfährt ein wenig vom »seriösen Programm« des Cons, von den Lesungen und Vorträgen, mehr aber von dem getrunkenen Alkohol.
Überhaupt ist das komplette Mini-Fanzine voll mit protzigen Andeutungen zum »Saufen«. Peinliche Anmerkungen zum Thema Sex dürfen ebenfalls nicht fehlen – bei der Ausgabe sechs eines Fanzines vielleicht nachvollziehbar. Aber festzustellen ist: Man merkt sehr deutlich, dass ich bei der Niederschrift und Verbreitung dieser Seiten gerade mal 18 Jahre alt geworden war ...
Es passiert einiges um mich herum, und nicht alles gefällt mir. Vieles fasziniert mich, vieles interessiert mich – und das soll Thema dieses Blogs sein.
31 Januar 2019
30 Januar 2019
Ein moderner »Batman«-Klassiker
Keine völlig übergeschnappten Superschurken, keine Gegner aus anderen Universen und Dimensionen: Wenn Batman seine Abenteuer mit vergleichsweise gewöhnlichen Gangstern erlebt, ist und war diese Comic-Figur am besten. Das merke ich besonders bei manchen Geschichten aus früheren Jahren – so ab Mitte der 80er-Jahre wurden die Superhelden-Comics einfach erwachsen.
Als aktuelles Beispiel las ich zuletzt den Sonderband »Der Schamane«, der im Rahmen der Reihe »Batman – Legenden des Dunklen Ritters« erschienen ist. Erstmals wurde die Geschichte 1989 veröffentlicht, damals in den Ausgaben 1 bis 5 der Serie »Tales of the Dark Knight«, die hierzulande in den 90er-Jahren von Carlsen publiziert wurde.
Die Geschichte spielt in der Jugend des Milliardärs Bruce Wayne, also in der Zeit, in der er noch kein Dunkler Ritter ist und im Kostüm einer Fledermaus den Kampf gegen das Verbrechen führt. Der junge Mann ist im nördlichen Alaska unterwegs, verliert seine Ausrüstung und kann nur überleben, weil ihm ein indianischer Schamane hilft. Später wird er wieder mit dieser Vergangenheit konfrontiert: In seiner Funktion als Batman stößt er auf einen indianischen Kult, dem in Gotham City mehrere Menschen zu Opfer fallen.
Bei »Der Schamane« handelt es sich um eine Geschichte, die zwischen die Zeiten fällt: Es ist keine der altmodischen »Batman«-Geschichten mehr, die eigentlich sehr banal und albern waren, und es ist noch keine der ernsthaften »Batman«-Interpretationen, die um diese Zeit aufkamen. Mit Frank Millers beeindruckendem Comic »Year One« beispielsweise lässt sich diese Geschichte nicht vergleichen.
Das schadet nicht. Als Comic-Autor weiß Dennis O'Neill, wie man eine Geschichte spannend aufzieht. Er bringt düstere Effekte in die Handlung ein, verbindet sie mit indianischen Mythen und macht trotzdem den einen oder anderen Spaß in den Dialogen zwischen Bruce Wayne und seinem Butler. Das ist gut gemacht und unterhält gut.
Die künstlerische Darstellung fällt tatsächlich ein wenig ab. Ed Hannigan ist ein ordentlicher Zeichner, aber eben im Durchschnitt der amerikanischen Superhelden-Einheitskost anzutreffen. Er illustriert die Geschichte ansprechend, hat aber manchmal bei den Gesichtern seine Probleme; sie wirken gelegentlich verzerrt oder erinnern an alte Comic-Klischees.
Unterm Strich bleibt, dass »Der Schamane« eine starke Geschichte aus dem »Batman«-Universum erzählt, die vor allem die Fans der Figur hervorragend unterhalten wird. Für Neulinge empfehlen sich bessere Geschichten. (Ich gehöre zu denen, die sich sogar die Hardcover-Version gekauft haben. Aber da bin ich auch ein bisschen seltsam.)
Als aktuelles Beispiel las ich zuletzt den Sonderband »Der Schamane«, der im Rahmen der Reihe »Batman – Legenden des Dunklen Ritters« erschienen ist. Erstmals wurde die Geschichte 1989 veröffentlicht, damals in den Ausgaben 1 bis 5 der Serie »Tales of the Dark Knight«, die hierzulande in den 90er-Jahren von Carlsen publiziert wurde.
Die Geschichte spielt in der Jugend des Milliardärs Bruce Wayne, also in der Zeit, in der er noch kein Dunkler Ritter ist und im Kostüm einer Fledermaus den Kampf gegen das Verbrechen führt. Der junge Mann ist im nördlichen Alaska unterwegs, verliert seine Ausrüstung und kann nur überleben, weil ihm ein indianischer Schamane hilft. Später wird er wieder mit dieser Vergangenheit konfrontiert: In seiner Funktion als Batman stößt er auf einen indianischen Kult, dem in Gotham City mehrere Menschen zu Opfer fallen.
Bei »Der Schamane« handelt es sich um eine Geschichte, die zwischen die Zeiten fällt: Es ist keine der altmodischen »Batman«-Geschichten mehr, die eigentlich sehr banal und albern waren, und es ist noch keine der ernsthaften »Batman«-Interpretationen, die um diese Zeit aufkamen. Mit Frank Millers beeindruckendem Comic »Year One« beispielsweise lässt sich diese Geschichte nicht vergleichen.
Das schadet nicht. Als Comic-Autor weiß Dennis O'Neill, wie man eine Geschichte spannend aufzieht. Er bringt düstere Effekte in die Handlung ein, verbindet sie mit indianischen Mythen und macht trotzdem den einen oder anderen Spaß in den Dialogen zwischen Bruce Wayne und seinem Butler. Das ist gut gemacht und unterhält gut.
Die künstlerische Darstellung fällt tatsächlich ein wenig ab. Ed Hannigan ist ein ordentlicher Zeichner, aber eben im Durchschnitt der amerikanischen Superhelden-Einheitskost anzutreffen. Er illustriert die Geschichte ansprechend, hat aber manchmal bei den Gesichtern seine Probleme; sie wirken gelegentlich verzerrt oder erinnern an alte Comic-Klischees.
Unterm Strich bleibt, dass »Der Schamane« eine starke Geschichte aus dem »Batman«-Universum erzählt, die vor allem die Fans der Figur hervorragend unterhalten wird. Für Neulinge empfehlen sich bessere Geschichten. (Ich gehöre zu denen, die sich sogar die Hardcover-Version gekauft haben. Aber da bin ich auch ein bisschen seltsam.)
Maladroits brauchen ein wenig Zeit
Ein schrammeliger Sound, der schwer nach 1977 klingt, ein Sänger, dessen Stimme teilweise zu überschnappen droht – die Band Maladroits aus dem südlichen Baden habe ich schon zweimal live gesehen. Da hat sie mich immer gepackt, bei der Platte brauche ich aber einige Zeit, bis mir die Musik der Band ins Ohr geht. Das merke ich auch bei der Platte »Standby Me«, die ein schönes Science-Fiction-Cover aufweist – es ist der zweite große Tonträger der Band.
Die Gitarre ist bei jedem der Stücke dominant, sie klingt klar, obwohl sie schwer schrabbelt. Das führt zu einem Sound, der oftmals hektisch wirkt und bei ich man einige Zeit brauche, bis sich die Melodie in den Gehörgang schraubt. Dazu kommt eben auch die Stimme des Sängers, die eigenständig genug ist, dass man sie nicht so schnell vergisst, an die man sich aber auch gewöhnen muss.
Ich merkte, dass die Platte nicht gleich »mein Ding« war, sie benötigte wirklich einige Zeit. Abwechslungsreich genug ist sie, langweilig wird einem dabei nicht. Im Prinzip machen die Maladroits ja Pop-Musik, das tarnen sie aber erfolgreich hinter allem Geschrabbel und schnellem Gesang. Wenn man Pop so versteht, dass coole Melodien in flottem Tempo serviert werden, trifft das auf diese Band auf jeden Fall zu.
Live finde ich sie dennoch besser – aber das ist ja fast immer so. Die »Standby Me« lohnt sich, sie lohnt vor allem auch einen zweiten und dritten Versuch, wenn sie beim ersten Mal im Gehörgang nicht gleich zündet.
Die Gitarre ist bei jedem der Stücke dominant, sie klingt klar, obwohl sie schwer schrabbelt. Das führt zu einem Sound, der oftmals hektisch wirkt und bei ich man einige Zeit brauche, bis sich die Melodie in den Gehörgang schraubt. Dazu kommt eben auch die Stimme des Sängers, die eigenständig genug ist, dass man sie nicht so schnell vergisst, an die man sich aber auch gewöhnen muss.
Ich merkte, dass die Platte nicht gleich »mein Ding« war, sie benötigte wirklich einige Zeit. Abwechslungsreich genug ist sie, langweilig wird einem dabei nicht. Im Prinzip machen die Maladroits ja Pop-Musik, das tarnen sie aber erfolgreich hinter allem Geschrabbel und schnellem Gesang. Wenn man Pop so versteht, dass coole Melodien in flottem Tempo serviert werden, trifft das auf diese Band auf jeden Fall zu.
Live finde ich sie dennoch besser – aber das ist ja fast immer so. Die »Standby Me« lohnt sich, sie lohnt vor allem auch einen zweiten und dritten Versuch, wenn sie beim ersten Mal im Gehörgang nicht gleich zündet.
29 Januar 2019
Die Käfer-Kompanie
Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Ich musste meinem Vater dabei helfen, sein Auto winterfest zu machen. Er machte die Sommerreifen herunter und zog neue Winterreifen auf. Diese waren ziemlich teuer gewesen, wie er meinte, also mussten wir sie ordentlich behandeln. Danach wechselte er das Öl.
Ich stand neben ihm, und auf Zuruf reichte ich ihm das Werkzeug, das er brauchte, rollte die Reifen zur Seite und holte neue Reifen hinzu. Und weil ich noch ein Grundschüler war, fühlte ich mich richtig erwachsen, wie ich mit meinem Vater im Freien um das Auto herumwuselte.
Dabei erklärte er mir alles, sagte mir genau, wofür welcher Gegenstand gut war. Zu dieser Zeit glaubte er noch, mich zu einem »guten Handwerker« erziehen zu können. Und weil wir so schön gemeinsam arbeiteten, erzählte er Geschichten von seinem VW-Käfer und anderen Käfern, die er kannte.
So hörte ich zum ersten Mal die Geschichte von dem VW-Käfer, der im Krieg im Sand der afrikanischen Wüste verweht worden war, den man Jahrzehnte nach Rommels Afrikafeldzug wieder ausgrub und der dann – ohne Schwierigkeiten – sofort wieder ansprang. »So etwas ist nur mit einem Käfer möglich«, erzählte mein Vater nicht ohne Stolz und klopfte auf den Kotflügel des orangeroten Fahrzeugs. »So einer geht einfach nicht so schnell kaputt.«
Und weil wir ohnehin schon plauderten, rutschte er auf das Thema Krieg ab, das er ansonsten mied, wo es nur ging. »An der Ostfront hatten wir eine Volkswagen-Kompanie«, erzählte er. »Das waren gut ausgerüstete Soldaten, die mit VW-Käfern in Bereitstellung waren. Wenn es irgendwo brenzlig wurde oder die Russen schon durchbrachen, wurden die schnell an die Front geschickt.«
Als Kind konnte ich mir das nicht so richtig vorstellen. Ich mochte die knubbeligen VW-Käfer nicht nur, weil wir selbst einen besaßen. Das Auto war mit seiner speziellen Form und dem Kofferraum vorne etwas Besonderes, und ich fuhr gerne mit meinem Vater zur Tankstelle oder zum »Holzschlag« in den Wald.
In meiner Phantasie rollten nun bunte Volkswagen durch Russland. Während rings um sie eifrig geschossen wurde, fuhren sie an eine Front, die ich mir nicht richtig vorstellen konnte. Dann sprangen uniformierte Männer heraus, die Waffen trugen und auf angreifende Russen schossen. Am Ende waren alle glücklich.
In meiner Phantasie malte ich mir viele bunte Bilder. Ich dachte nicht an Leiche und Blut, an Tod und Vernichtung. Und meinen Vater fragte ich nie nach den Hintergründen, nach der Realität. So blieb die Volkswagen-Kompanie ein Mythos, der erstaunlich lang in meinem Gedächtnis blieb, begründet an einem Tag, an dem wir die Reifen unseres Käfers wechselten.
(Wenn ich heute versuche, das hinterher zu recherchieren, stelle ich fest, dass die 78. Sturmdivision zumindest zeitweise tatsächlich eine »VW-Aufklärungskompanie« hatte. Das klingt natürlich nicht so exotisch wie das, was ich mir in meiner Grundschüler-Phantasie zusammenreimte.)
Ich musste meinem Vater dabei helfen, sein Auto winterfest zu machen. Er machte die Sommerreifen herunter und zog neue Winterreifen auf. Diese waren ziemlich teuer gewesen, wie er meinte, also mussten wir sie ordentlich behandeln. Danach wechselte er das Öl.
Ich stand neben ihm, und auf Zuruf reichte ich ihm das Werkzeug, das er brauchte, rollte die Reifen zur Seite und holte neue Reifen hinzu. Und weil ich noch ein Grundschüler war, fühlte ich mich richtig erwachsen, wie ich mit meinem Vater im Freien um das Auto herumwuselte.
Dabei erklärte er mir alles, sagte mir genau, wofür welcher Gegenstand gut war. Zu dieser Zeit glaubte er noch, mich zu einem »guten Handwerker« erziehen zu können. Und weil wir so schön gemeinsam arbeiteten, erzählte er Geschichten von seinem VW-Käfer und anderen Käfern, die er kannte.
So hörte ich zum ersten Mal die Geschichte von dem VW-Käfer, der im Krieg im Sand der afrikanischen Wüste verweht worden war, den man Jahrzehnte nach Rommels Afrikafeldzug wieder ausgrub und der dann – ohne Schwierigkeiten – sofort wieder ansprang. »So etwas ist nur mit einem Käfer möglich«, erzählte mein Vater nicht ohne Stolz und klopfte auf den Kotflügel des orangeroten Fahrzeugs. »So einer geht einfach nicht so schnell kaputt.«
Und weil wir ohnehin schon plauderten, rutschte er auf das Thema Krieg ab, das er ansonsten mied, wo es nur ging. »An der Ostfront hatten wir eine Volkswagen-Kompanie«, erzählte er. »Das waren gut ausgerüstete Soldaten, die mit VW-Käfern in Bereitstellung waren. Wenn es irgendwo brenzlig wurde oder die Russen schon durchbrachen, wurden die schnell an die Front geschickt.«
Als Kind konnte ich mir das nicht so richtig vorstellen. Ich mochte die knubbeligen VW-Käfer nicht nur, weil wir selbst einen besaßen. Das Auto war mit seiner speziellen Form und dem Kofferraum vorne etwas Besonderes, und ich fuhr gerne mit meinem Vater zur Tankstelle oder zum »Holzschlag« in den Wald.
In meiner Phantasie rollten nun bunte Volkswagen durch Russland. Während rings um sie eifrig geschossen wurde, fuhren sie an eine Front, die ich mir nicht richtig vorstellen konnte. Dann sprangen uniformierte Männer heraus, die Waffen trugen und auf angreifende Russen schossen. Am Ende waren alle glücklich.
In meiner Phantasie malte ich mir viele bunte Bilder. Ich dachte nicht an Leiche und Blut, an Tod und Vernichtung. Und meinen Vater fragte ich nie nach den Hintergründen, nach der Realität. So blieb die Volkswagen-Kompanie ein Mythos, der erstaunlich lang in meinem Gedächtnis blieb, begründet an einem Tag, an dem wir die Reifen unseres Käfers wechselten.
(Wenn ich heute versuche, das hinterher zu recherchieren, stelle ich fest, dass die 78. Sturmdivision zumindest zeitweise tatsächlich eine »VW-Aufklärungskompanie« hatte. Das klingt natürlich nicht so exotisch wie das, was ich mir in meiner Grundschüler-Phantasie zusammenreimte.)
28 Januar 2019
Familie Flöz und Dr. Nest
Ich bin ein großer Verehrer der Familie Flöz. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, dem versuche ich es hier zu erklären: Es handelt sich um ein Theater-Ensemble, das mit verschiedenen Stücken auf Tour ist. Kennzeichnend ist, dass die Stücke praktisch ohne Dialog auskommen, dass alle Figuren mit Masken gespielt werden, also eine völlig starre Mimik aufweisen, dass sie zwischen Komödie und Tragödie pendeln und dass sie durchaus ambitioniert sind. Am Sonntagabend schaute ich mir »Dr. Nest« im Theaterhaus Stuttgart an.
Im gut gefüllten Saal spielten fünf Schauspieler gut zwanzig unterschiedliche Charaktere. Von Szene zu Szene wechselte das Bühnenbild, und gezeigt wurde das Schicksal eines Mannes, der als Arzt in eine Heilanstalt kommt und dort irgendwann bleiben wird. Er versucht, die Kranken zu heilen und auf sie einzugehen. Der strenge Direktor der Anstalt und eine zickige Schwester – oder Ärztin? – haben andere Ansichten als er von den Kranken und wie man sie zu behandeln hat.
Dr. Nest geht auf den Mann ein, der sich offenbar für einen begabten Komponisten hält. Er nimmt die Frau ernst, die ein Handtuch so wickelt, dass sie es für ihr Kind hält. Er akzeptiert den seltsamen Mann, der sich mithilfe von Trommeln unterhält und sich ansonsten gern versteckt. Und er muss irgendwann erkennen, dass es offenbar nur der weiße Kittel ist, der die »Normalen« von den »Irren« unterscheidet.
Das klingt jetzt seltsam, trifft es aber sehr genau. Die Handlung des Theaterstückes, das mit vielen Geräuschen auskommt, aber keinen Dialog aufweist, ist mal skurril und witzig, dann wieder sehr traurig; man muss sich durchaus konzentrieren, um alles zu verstehen und richtig einzuordnen. Nach eineinhalb Stunden ging ich auf jeden Fall bewegt aus dem Theatersaal hinaus.
Ich kann jedem Menschen, der sich für ungewöhnliches Theater interessieren kann, nur empfehlen, in eines der Stücke der Familie Flöz zu gehen. Ich kenne jetzt drei verschiedene, und ich fand sie allesamt gut. »Dr. Nest« hat im Moment für mich den stärksten Eindruck hinterlassen ...
Im gut gefüllten Saal spielten fünf Schauspieler gut zwanzig unterschiedliche Charaktere. Von Szene zu Szene wechselte das Bühnenbild, und gezeigt wurde das Schicksal eines Mannes, der als Arzt in eine Heilanstalt kommt und dort irgendwann bleiben wird. Er versucht, die Kranken zu heilen und auf sie einzugehen. Der strenge Direktor der Anstalt und eine zickige Schwester – oder Ärztin? – haben andere Ansichten als er von den Kranken und wie man sie zu behandeln hat.
Dr. Nest geht auf den Mann ein, der sich offenbar für einen begabten Komponisten hält. Er nimmt die Frau ernst, die ein Handtuch so wickelt, dass sie es für ihr Kind hält. Er akzeptiert den seltsamen Mann, der sich mithilfe von Trommeln unterhält und sich ansonsten gern versteckt. Und er muss irgendwann erkennen, dass es offenbar nur der weiße Kittel ist, der die »Normalen« von den »Irren« unterscheidet.
Das klingt jetzt seltsam, trifft es aber sehr genau. Die Handlung des Theaterstückes, das mit vielen Geräuschen auskommt, aber keinen Dialog aufweist, ist mal skurril und witzig, dann wieder sehr traurig; man muss sich durchaus konzentrieren, um alles zu verstehen und richtig einzuordnen. Nach eineinhalb Stunden ging ich auf jeden Fall bewegt aus dem Theatersaal hinaus.
Ich kann jedem Menschen, der sich für ungewöhnliches Theater interessieren kann, nur empfehlen, in eines der Stücke der Familie Flöz zu gehen. Ich kenne jetzt drei verschiedene, und ich fand sie allesamt gut. »Dr. Nest« hat im Moment für mich den stärksten Eindruck hinterlassen ...
27 Januar 2019
Noch einmal Transmetropolitan gelesen
Die 90er-Jahre waren ein seltsames Jahrzehnt, nicht nur für mich. Die Popkultur veränderte sich in rasender Geschwindigkeit, mal in die eine, dann in die andere Richtung. Musikalische Stilrichtungen tauchten auf, wurden groß und versackten wieder. Der Ostblock verschwand, der weltweite Zynismus wuchs, und mit dem Internet keimte etwas herauf, dessen Auswirkungen man Ende der 90er-Jahre noch lange nicht zu Ende denken konnte.
Was auch hervorkam, war eine neue Comic-Serie. Mit »Transmetropolitan« kotzten der Autor Warren Ellis und der Zeichner Darick Robertson eine Serie in die Comic-Welt, die wie die Faust aufs Auge eines Jahrzehnts passte. Als die ersten Bände 1999 im deutschen Sprachraum erschienen, war ich baff und las sie mit wachsender Begeisterung.
Dieser Tage fing ich wieder mit der Lektüre an. Klar, viele der Sprüche und Aussagen von damals sind ein wenig überholt, vieles ist effekthascherisch und manchmal auch albern. Mit Spider Jerusalem schufen die beiden damals allerdings einen Comic-Helden, wie man ihn zuvor nicht kannte – ein Spiegelbild für eine zynische Zeit.
Ich bin mir nicht sicher, welche Wirkung der Comic auf heutige Leser hat oder haben könnte. In das ausklingende Jahrhundert/Jahrtausend passte er auf jeden Fall. »Transmetropolitan« hat einen Journalisten und Schreiberling als Hauptfigur, moderne Geräte wie Notebooks spielen ständig eine Rolle (in dieser Zukunftsvision gibt es aber keine Smartphones; wie so oft haben auch diese Comic-Künstler nicht an eine solche Entwicklung gedacht).
Politiker sind korrupt, die Polizei ist brutal, Journalisten erweisen sich als zynische Menschen, die buchstäblich über Leichen gehen: Warren Ellis hat einen Blick auf die Welt, der nicht eingängig ist, den nicht jeder mögen wird. Und 1999 war dieser gehässige Blick auf alles, was um einen herum abläuft, noch nicht so berechenbar wie heute. In den 90er-Jahren war er als Autor noch frisch, da passte das womöglich alles mit seinem Leben zusammen. Schriebe er heute die gleichen Szenarien, hätte es meiner Ansicht nach ein »G'schmäckle«.
Künstlerisch ist das Ganze eine Mixtur aus modernem Superhelden-Comic und bewusst schrammeligem Underground-Stil. Ein Polizeistiefel auf dem Kopf eines Demonstranten, nackte Menschen mit verzerrt wirkenden Körperteilen, krasse Darstellungen von Gesichtern und Massenszenen – das ist nicht unbedingt ein »schöner« Comic, sondern einer, der einen packt und mitreißt, vielleicht auch abstößt.
Sicher ist: »Transmetropolitan« hat mich 1999 ziemlich umgehauen und begeistert. Wenn ich ihn heute wieder lese, kann ich das gut nachvollziehen. (Ich lese natürlich die deutsche Ausgabe, die damals bei Speed Comics veröffentlicht wurde. Es gibt eine neue Ausgabe, die bei Panini erschienen ist.) Wer diese Serie noch nicht kennt und einen drastischen Blick in eine gehässige Science-Fiction-Welt werfen mag, sollte sie mal antesten.
Was auch hervorkam, war eine neue Comic-Serie. Mit »Transmetropolitan« kotzten der Autor Warren Ellis und der Zeichner Darick Robertson eine Serie in die Comic-Welt, die wie die Faust aufs Auge eines Jahrzehnts passte. Als die ersten Bände 1999 im deutschen Sprachraum erschienen, war ich baff und las sie mit wachsender Begeisterung.
Dieser Tage fing ich wieder mit der Lektüre an. Klar, viele der Sprüche und Aussagen von damals sind ein wenig überholt, vieles ist effekthascherisch und manchmal auch albern. Mit Spider Jerusalem schufen die beiden damals allerdings einen Comic-Helden, wie man ihn zuvor nicht kannte – ein Spiegelbild für eine zynische Zeit.
Ich bin mir nicht sicher, welche Wirkung der Comic auf heutige Leser hat oder haben könnte. In das ausklingende Jahrhundert/Jahrtausend passte er auf jeden Fall. »Transmetropolitan« hat einen Journalisten und Schreiberling als Hauptfigur, moderne Geräte wie Notebooks spielen ständig eine Rolle (in dieser Zukunftsvision gibt es aber keine Smartphones; wie so oft haben auch diese Comic-Künstler nicht an eine solche Entwicklung gedacht).
Politiker sind korrupt, die Polizei ist brutal, Journalisten erweisen sich als zynische Menschen, die buchstäblich über Leichen gehen: Warren Ellis hat einen Blick auf die Welt, der nicht eingängig ist, den nicht jeder mögen wird. Und 1999 war dieser gehässige Blick auf alles, was um einen herum abläuft, noch nicht so berechenbar wie heute. In den 90er-Jahren war er als Autor noch frisch, da passte das womöglich alles mit seinem Leben zusammen. Schriebe er heute die gleichen Szenarien, hätte es meiner Ansicht nach ein »G'schmäckle«.
Künstlerisch ist das Ganze eine Mixtur aus modernem Superhelden-Comic und bewusst schrammeligem Underground-Stil. Ein Polizeistiefel auf dem Kopf eines Demonstranten, nackte Menschen mit verzerrt wirkenden Körperteilen, krasse Darstellungen von Gesichtern und Massenszenen – das ist nicht unbedingt ein »schöner« Comic, sondern einer, der einen packt und mitreißt, vielleicht auch abstößt.
Sicher ist: »Transmetropolitan« hat mich 1999 ziemlich umgehauen und begeistert. Wenn ich ihn heute wieder lese, kann ich das gut nachvollziehen. (Ich lese natürlich die deutsche Ausgabe, die damals bei Speed Comics veröffentlicht wurde. Es gibt eine neue Ausgabe, die bei Panini erschienen ist.) Wer diese Serie noch nicht kennt und einen drastischen Blick in eine gehässige Science-Fiction-Welt werfen mag, sollte sie mal antesten.
26 Januar 2019
Die Kids heute sind cooler als wir
1983 stand in unserer Schule eine Entscheidung an: Sollten wir uns aktiv an den Friedensdemonstrationen beteiligen, sollten wir auch demonstrieren? Es war klar, dass viele von uns Schülern zu den Demonstrationen gingen, die am Wochenende stattfanden. Die neuen Raketen, die die Nato in Europa stationieren wollte, fanden wir schließlich zumeist unnötig und gefährlich.
Aber sollten wir während des Unterrichtes demonstrieren? Sollten wir versuchen, einen Schulstreik zu organisieren? Es wäre doch ein starkes Signal, wenn die Schüler aus verschiedenen Schulen vormittags beispielsweise zum Marktplatz unserer Stadt marschieren würden – während des Unterrichts –, um ein klares »Nein!« auszusprechen.
Letztlich geschah das nicht. Wir waren zumeist zu feige. Also standen wir am »Aktionstag der Schulen« in der Großen Pause zusammen, hielten Schilder hoch, ich marschierte ins Lehrerzimmer – eine verrauchte Höhle – und hielt dort eine Rede, und das war eigentlich alles. Wir sahen die neuen Atomraketen als konkrete Bedrohung unseres Lebens an und waren zu feige, uns massiv dagegen auszusprechen.
Die Kids heute sind teilweise viel cooler als wir damals. Die streiken wirklich, weil sie merken, wie die Klimakatastrophe auf die Welt zurast, ohne dass viel Grundsätzliches dagegen getan wird. Sie streiken, sie demonstrieren, sie sagen lauthals ihre Meinung. Und sie haben recht: Meine Generation versaut ihnen die Zukunft.
Übrigens sind die Gegenargumente die gleichen wie damals. Das bringe nichts, es sei unnötige Effekthascherei, junge Leute hätten eh von nichts eine Ahnung – all diesen Mist hat man unsereins vor über dreißig Jahren um die Ohren gehauen. Es wiederholt sich offenbar sehr vieles.
Die Junge Union, schon damals die peinlichste Jugendbewegung, die man sich vorstellen konnte, ist sich auch heute nicht zu blöde, gegen die demonstrierenden Kids zu kämpfen. Vor allem in Baden-Württemberg haben sich ihre Sprecher durch Peinlichkeiten hervorgetan – aber so etwas hat Jungunionisten noch nie davor bewahrt, trotzdem eine Polit-Karriere hinzukriegen …
Aber sollten wir während des Unterrichtes demonstrieren? Sollten wir versuchen, einen Schulstreik zu organisieren? Es wäre doch ein starkes Signal, wenn die Schüler aus verschiedenen Schulen vormittags beispielsweise zum Marktplatz unserer Stadt marschieren würden – während des Unterrichts –, um ein klares »Nein!« auszusprechen.
Letztlich geschah das nicht. Wir waren zumeist zu feige. Also standen wir am »Aktionstag der Schulen« in der Großen Pause zusammen, hielten Schilder hoch, ich marschierte ins Lehrerzimmer – eine verrauchte Höhle – und hielt dort eine Rede, und das war eigentlich alles. Wir sahen die neuen Atomraketen als konkrete Bedrohung unseres Lebens an und waren zu feige, uns massiv dagegen auszusprechen.
Die Kids heute sind teilweise viel cooler als wir damals. Die streiken wirklich, weil sie merken, wie die Klimakatastrophe auf die Welt zurast, ohne dass viel Grundsätzliches dagegen getan wird. Sie streiken, sie demonstrieren, sie sagen lauthals ihre Meinung. Und sie haben recht: Meine Generation versaut ihnen die Zukunft.
Übrigens sind die Gegenargumente die gleichen wie damals. Das bringe nichts, es sei unnötige Effekthascherei, junge Leute hätten eh von nichts eine Ahnung – all diesen Mist hat man unsereins vor über dreißig Jahren um die Ohren gehauen. Es wiederholt sich offenbar sehr vieles.
Die Junge Union, schon damals die peinlichste Jugendbewegung, die man sich vorstellen konnte, ist sich auch heute nicht zu blöde, gegen die demonstrierenden Kids zu kämpfen. Vor allem in Baden-Württemberg haben sich ihre Sprecher durch Peinlichkeiten hervorgetan – aber so etwas hat Jungunionisten noch nie davor bewahrt, trotzdem eine Polit-Karriere hinzukriegen …
25 Januar 2019
Ein wuchtiger Sound, ein starkes Trio
Als ich am Mittwochabend im »Jubez« in Karlsruhe ankam, hatte ich die erste Band schon verpasst. Wie sollte ich auch ahnen, dass man die Uhrzeit für den Beginn eines Konzerts hier ernstnahm? Aber gut, ich schloss mein Rad vor der Tür an das Geländer an, stopfte Mütze und Handschuhe in die Tasche und ging ins Innere, entrichtete den vollen Eintrittspreis und schaute mir dann an, wen ich alles treffen würde.
Ich war schon immer schlecht darin, Menschenmengen zu schätzen. An diesem Abend waren sicher um die 400 Personen im »Jubez«, der Raum war gut gefüllt. Leute, die »punkig« aussahen, gab es nicht. »Szeniges« Aussehen sah ich schon, vor allem in Form von Tätowierungen. Ansonsten hätte ich ein ganz normales Rock-Konzert besuchen können. (Ich kannte ein halbes Dutzend Personen, mehr nicht.)
Aber gut, ich wusste ja, dass Fjørt ein anderes Publikum ansprechen würde als das, das ich sonst auf Konzerten antraf. Deshalb ließ ich mich bewusst auf das Abenteuer ein. Ich war dann doch kurz verwirrt, als die Band auf die Bühne kam: im Trockeneisnebel und begleitet von viel Geflacker und Lichteffekten. Dann legten Fjørt los, und ich verstand wieder, warum ich die Band wirklich gut finde.
Musikalisch ist das, was die drei Männer aus Aachen machen, eigentlich ja Metal, meinetwegen kann man auch Emocore dazu sagen oder irgendwelche intellektuellen Begriffe aus der Schublade fischen. Sie entfachten auf der Bühne einen »Wall Of Sound«, ließen ihren wummernden Sound über das Publikum hereinbrechen. Manchmal kam es mir vor, als hätte ich auf der Bühnen einen ununterbrochenen Mosh-Sound.
Das ging dann doch schnell in die Knochen. Vorne bewegten sich rasch die ersten Leute, irgendwann tanzten auch viele. Ich wollte ruhig stehen bleiben, um ja nicht zu schwitzen – wegen der Kälte und des Radfahrens –, bewegte mich dann doch auch ein wenig. Und als ich mich nach einer halben Stunde umsah, stellte ich fest, dass die ganze Halle in Bewegung war; es stand so gut wie niemand still.
Die Band wirkte authentisch in dem, was sie machte. Die Ansagen waren klar, die Texte sind es ohnehin. Rein textlich ist die Band nicht weit weg von dem Punk- und Hardcore-Sound, den ich mag. Man äußerte sich klar zum Rechtsruck in der Gesellschaft und dem Widerstand, den man gegen organisierte Faschisten und Nazis leisten müsse. Und auf der Bühne vermengten sich der wuchtige Sound, die klaren Ansagen und die deutschsprachigen Texte zu einem eindrucksvollen Gebräu.
Zwischendurch ging ich pinkeln und ein neues Bier holen. Als ich von außen in die Halle hineinblickte, sah ich einen wabernden Nebel aus Dampf und Schweiß, der über den Köpfen schwebte. Und als ich in die Halle ging, war mir, als liefe ich gegen eine Wand aus Dampf und Schweißgeruch. Das passte zu dem Druck und der Action, die das Trio auf der Bühne entfesselte.
Als ich am Ende vor der Tür stand und meine Jacke zuknöpfte, fühlte ich mich euphorisiert. Mein T-Shirt war verschwitzt, mein Haare noch feucht. Ich setzte die Mütze auf, zog die Handschuhe an, hatte die Musik noch im Kopf, setzte mich auf mein Rad und rollte dann langsam heimwärts, durch den feinen Schnee, der um diese Zeit durch die Straßen von Karlsruhe geblasen wurde.
Ich war schon immer schlecht darin, Menschenmengen zu schätzen. An diesem Abend waren sicher um die 400 Personen im »Jubez«, der Raum war gut gefüllt. Leute, die »punkig« aussahen, gab es nicht. »Szeniges« Aussehen sah ich schon, vor allem in Form von Tätowierungen. Ansonsten hätte ich ein ganz normales Rock-Konzert besuchen können. (Ich kannte ein halbes Dutzend Personen, mehr nicht.)
Aber gut, ich wusste ja, dass Fjørt ein anderes Publikum ansprechen würde als das, das ich sonst auf Konzerten antraf. Deshalb ließ ich mich bewusst auf das Abenteuer ein. Ich war dann doch kurz verwirrt, als die Band auf die Bühne kam: im Trockeneisnebel und begleitet von viel Geflacker und Lichteffekten. Dann legten Fjørt los, und ich verstand wieder, warum ich die Band wirklich gut finde.
Musikalisch ist das, was die drei Männer aus Aachen machen, eigentlich ja Metal, meinetwegen kann man auch Emocore dazu sagen oder irgendwelche intellektuellen Begriffe aus der Schublade fischen. Sie entfachten auf der Bühne einen »Wall Of Sound«, ließen ihren wummernden Sound über das Publikum hereinbrechen. Manchmal kam es mir vor, als hätte ich auf der Bühnen einen ununterbrochenen Mosh-Sound.
Das ging dann doch schnell in die Knochen. Vorne bewegten sich rasch die ersten Leute, irgendwann tanzten auch viele. Ich wollte ruhig stehen bleiben, um ja nicht zu schwitzen – wegen der Kälte und des Radfahrens –, bewegte mich dann doch auch ein wenig. Und als ich mich nach einer halben Stunde umsah, stellte ich fest, dass die ganze Halle in Bewegung war; es stand so gut wie niemand still.
Die Band wirkte authentisch in dem, was sie machte. Die Ansagen waren klar, die Texte sind es ohnehin. Rein textlich ist die Band nicht weit weg von dem Punk- und Hardcore-Sound, den ich mag. Man äußerte sich klar zum Rechtsruck in der Gesellschaft und dem Widerstand, den man gegen organisierte Faschisten und Nazis leisten müsse. Und auf der Bühne vermengten sich der wuchtige Sound, die klaren Ansagen und die deutschsprachigen Texte zu einem eindrucksvollen Gebräu.
Zwischendurch ging ich pinkeln und ein neues Bier holen. Als ich von außen in die Halle hineinblickte, sah ich einen wabernden Nebel aus Dampf und Schweiß, der über den Köpfen schwebte. Und als ich in die Halle ging, war mir, als liefe ich gegen eine Wand aus Dampf und Schweißgeruch. Das passte zu dem Druck und der Action, die das Trio auf der Bühne entfesselte.
Als ich am Ende vor der Tür stand und meine Jacke zuknöpfte, fühlte ich mich euphorisiert. Mein T-Shirt war verschwitzt, mein Haare noch feucht. Ich setzte die Mütze auf, zog die Handschuhe an, hatte die Musik noch im Kopf, setzte mich auf mein Rad und rollte dann langsam heimwärts, durch den feinen Schnee, der um diese Zeit durch die Straßen von Karlsruhe geblasen wurde.
24 Januar 2019
Als der Fandom-Führer kommen sollte …
An fannische Werbung, die gelegentlich schwer übertrieb, hatte ich mich in den 80er-Jahren irgendwann gewöhnt. Auch ich glänzte schließlich nicht immer mit Zurückhaltung und durch höfliche Umgangsformen. Trotzdem stolperte ich über die Werbung des Fanzines »skurril«, das im Frühjahr durch Anzeigen in anderen Fanzines auf sich aufmerksam machte.
Ein schöner Satz aus der Werbung lautete beispielsweise: »Wer anonyme Massen-Romane bevorzugt, sollte sich den 1. März 1988 lieber nicht vormerken.« Da wusste man gleich, wo man dran war … Die Macher dieses Fanzines wollten es anspruchsvoll haben, sie hatten keinen Lust auf die üblichen Inhalte anderer Zeitschriften, sondern strebten eindeutig nach Größerem. Aber das alles war nicht übermäßig verwunderlich.
Witzig fand ich viel eher den »Fandom-Führer«, der in dem Heft veröffentlicht werden sollte. Damit war offenbar nicht das gemeint, was mir als erste Assoziation durchs Hirn flutschte, sondern »ein Wegweiser durch das deutsche Club- und Magazinwesen«. Nicht dass jemand etwas in dieser Richtung benötigt hätte – aber die Macher von »skurril« hatten eine solche Einrichtung auf jeden Fall vor.
Wer auf die Idee kam, dieser redaktionellen Einrichtung den Begriff »Fandom-Führer« zu verleihen, habe ich völlig verdrängt und vergessen. Bei einem »Führer« dachte ich an alles mögliche, nur nicht an harmlose Science-Fiction-Fans. Es ging viel Spott und Hohn über die Macher des geplanten Fanzines nieder. Ob es jemals erschienen ist und ob dieser »Führer« je das Licht der Welt erblickt hat, das verschweigen die Chroniken allerdings ...
Ein schöner Satz aus der Werbung lautete beispielsweise: »Wer anonyme Massen-Romane bevorzugt, sollte sich den 1. März 1988 lieber nicht vormerken.« Da wusste man gleich, wo man dran war … Die Macher dieses Fanzines wollten es anspruchsvoll haben, sie hatten keinen Lust auf die üblichen Inhalte anderer Zeitschriften, sondern strebten eindeutig nach Größerem. Aber das alles war nicht übermäßig verwunderlich.
Witzig fand ich viel eher den »Fandom-Führer«, der in dem Heft veröffentlicht werden sollte. Damit war offenbar nicht das gemeint, was mir als erste Assoziation durchs Hirn flutschte, sondern »ein Wegweiser durch das deutsche Club- und Magazinwesen«. Nicht dass jemand etwas in dieser Richtung benötigt hätte – aber die Macher von »skurril« hatten eine solche Einrichtung auf jeden Fall vor.
Wer auf die Idee kam, dieser redaktionellen Einrichtung den Begriff »Fandom-Führer« zu verleihen, habe ich völlig verdrängt und vergessen. Bei einem »Führer« dachte ich an alles mögliche, nur nicht an harmlose Science-Fiction-Fans. Es ging viel Spott und Hohn über die Macher des geplanten Fanzines nieder. Ob es jemals erschienen ist und ob dieser »Führer« je das Licht der Welt erblickt hat, das verschweigen die Chroniken allerdings ...
23 Januar 2019
Werde ich ein Weitermacher?
So schnell kann es gehen: Für die Deutsche Rentenversicherung zähle ich ab dem Jahr 2019 zur Ziel- und potenziellen Lesergruppe der Zeitschrift »Zukunft Jetzt«. Zumindest wurde mir das Exemplar 4/2018 zugeschickt. Zuerst war ich ein wenig verwirrt, dann aber ergab es immer mehr sinnvolle Zusammenhänge für mich.
Schon klar und einsichtig: Ich bin mittlerweile 55 Jahre alt, ich sollte mir Gedanken über meine Rente und all den anderen Kram machen. Ich fische auch immer brav die Rentenscheide aus dem Briefumschlag, wenn ich sie erhalte, schaue sie kurz an, vergesse gleich wieder alles und werfe sie entweder weg oder hefte sie irgendwo ab. Mit der Zeitschrift möchte man mich wohl auf mein künftiges Dasein als Rentner vorbereiten.
Herausgeber der Zeitschrift ist die Deutsche Rentenversicherung, es gibt einen Chefredakteur und eine Redaktion. Als Verlag ist die Axel Springer Corporate Solutions in Berlin angegeben, also eine Tochtergesellschaft des Springer-Konzerns. Das macht, ich gestehe es vorsichtig, das Blatt nicht unbedingt sympathisch für mich.
Das Heft informiert über die »neuen Weitermacher«, also Leute, die nach der Rente weiter arbeiten; ein Soziologe schwafelt über »Ältere«, die »mehr Engagement« zeigen sollen; »ehrenamtliche Versichertenberater« werden ebenso vorgestellt wie die Möglichkeit des »Vorsorgen vor der Zielgeraden«– damit ist so etwas wie die Riester-Rente gemeint. Ich bin sicher, dass sich vor allem Leute, die ohnehin nicht gut verdienen, über solche Berichte besonders freuen.
Mir leuchtet ein, dass die Rentenversicherung sich auf die Leute einstellen will, die in absehbarer Zeit von ihr Geld bekommen sollen. Ob man denen unbedingt hilft, indem man ihnen von Zusatzversicherungen und einem Arbeiten nach der Rentengrenze erzählt, möchte ich bezweifeln. Ich habe mich dann dazu entschieden, das kostenlose Heft im Altpapier zu entsorgen und kein Abonnement abzuschließen – auch wenn es die Versicherung ja gern bezahlen würde …
Mal schauen, was ich mache, wenn die Rentengrenze immer näher rückt. Hut, Gehstock und Blouson in »gedeckten Farben« muss ich dann sowieso kaufen.
Schon klar und einsichtig: Ich bin mittlerweile 55 Jahre alt, ich sollte mir Gedanken über meine Rente und all den anderen Kram machen. Ich fische auch immer brav die Rentenscheide aus dem Briefumschlag, wenn ich sie erhalte, schaue sie kurz an, vergesse gleich wieder alles und werfe sie entweder weg oder hefte sie irgendwo ab. Mit der Zeitschrift möchte man mich wohl auf mein künftiges Dasein als Rentner vorbereiten.
Herausgeber der Zeitschrift ist die Deutsche Rentenversicherung, es gibt einen Chefredakteur und eine Redaktion. Als Verlag ist die Axel Springer Corporate Solutions in Berlin angegeben, also eine Tochtergesellschaft des Springer-Konzerns. Das macht, ich gestehe es vorsichtig, das Blatt nicht unbedingt sympathisch für mich.
Das Heft informiert über die »neuen Weitermacher«, also Leute, die nach der Rente weiter arbeiten; ein Soziologe schwafelt über »Ältere«, die »mehr Engagement« zeigen sollen; »ehrenamtliche Versichertenberater« werden ebenso vorgestellt wie die Möglichkeit des »Vorsorgen vor der Zielgeraden«– damit ist so etwas wie die Riester-Rente gemeint. Ich bin sicher, dass sich vor allem Leute, die ohnehin nicht gut verdienen, über solche Berichte besonders freuen.
Mir leuchtet ein, dass die Rentenversicherung sich auf die Leute einstellen will, die in absehbarer Zeit von ihr Geld bekommen sollen. Ob man denen unbedingt hilft, indem man ihnen von Zusatzversicherungen und einem Arbeiten nach der Rentengrenze erzählt, möchte ich bezweifeln. Ich habe mich dann dazu entschieden, das kostenlose Heft im Altpapier zu entsorgen und kein Abonnement abzuschließen – auch wenn es die Versicherung ja gern bezahlen würde …
Mal schauen, was ich mache, wenn die Rentengrenze immer näher rückt. Hut, Gehstock und Blouson in »gedeckten Farben« muss ich dann sowieso kaufen.
22 Januar 2019
Eine Kommunardin in Paris
Mit der Comic-Trilogie »Auf die Barrikaden!« setzt der französische Zeichner Wilfrid Lupano nicht nur dem Aufstand der Pariser Kommune im Jahr 1871 ein Denkmal – er sorgt auch dafür, dass man die besondere Rolle der kämpfenden Frauen in jener Zeit stärker wahrnimmt. Der dritte Band trägt den krassen Titel »Wir werden nichts über ihre Weiber sagen« – tatsächlich ein Zitat jener Zeit – und erzählt davon, wie die aufständischen Frauen auch nach der Niederlage noch weiter drangsaliert wurden.
Die Hauptfigur der Geschichte ist ein Kindermädchen. Sie steht, nachdem die Pariser Kommune von den Kräften der Reaktion zusammengeschossen worden ist, vor Gericht und wird von den Richtern buchstäblich fertiggemacht. Ihr Vergehen ist nicht nur, dass sie sich für die Freiheit eingesetzt hat, sondern dass sie auch noch in eine andere junge Frau verliebt gewesen ist – das wird ihr nachträglich zum Verhängnis.
Lupanos Geschichte ist spannend und mitreißend, man hat Mitleid mit der jungen Frau und empfindet gleichzeitig Wut über die Verhältnisse. Denkt man dann ein wenig länger nach, fällt einem vielleicht sogar auf, dass manche Verhältnisse auch heute noch nicht unbedingt optimal sind. So bezieht sich die gesamte Trilogie zwar aufs Jahr 1871, spiegelt aber bewusst heutige Diskussionen.
Bei den Bildern konnte mich Xavier Fourquemin durchaus überzeugen. In meinem Schrank habe ich den einen oder anderen Comic von ihm (er hat im Piredda-Verlag veröffentlicht); sein Stil ist manchmal spielerisch und dadurch nicht so realitätsnah, wie man es vielleicht bei einer solchen Geschichte erwarten würde. Ich mag seine Bilder, aber mir leuchtet ein – wenn man sich die Kritiken im Internet anschaut –, dass nicht jeder damit hundertprozentig klar kommt.
Alle drei Bände sind absolut empfehlenswert. Dass die Zeichner so unterschiedlich sind, empfinde ich als Bereicherung, nicht als kritisch. Und Lupano als Texter überzeugt immer! Das ist für alle Leser/innen spannend, die politisch wach sind und eine spannende Geschichte mit Hirn mögen.
Erschienen ist dieser Comic im Splitter-Verlag; ich empfehle an dieser Stelle unbedingt, die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages anzusehen. Man bekommt den Comic in allen Buchhandlungen, die ISBN 978-3-95839-280-9 kann dabei hilfreich sein. Und natürlich gibt's ihn auch im Internet ...
Die Hauptfigur der Geschichte ist ein Kindermädchen. Sie steht, nachdem die Pariser Kommune von den Kräften der Reaktion zusammengeschossen worden ist, vor Gericht und wird von den Richtern buchstäblich fertiggemacht. Ihr Vergehen ist nicht nur, dass sie sich für die Freiheit eingesetzt hat, sondern dass sie auch noch in eine andere junge Frau verliebt gewesen ist – das wird ihr nachträglich zum Verhängnis.
Lupanos Geschichte ist spannend und mitreißend, man hat Mitleid mit der jungen Frau und empfindet gleichzeitig Wut über die Verhältnisse. Denkt man dann ein wenig länger nach, fällt einem vielleicht sogar auf, dass manche Verhältnisse auch heute noch nicht unbedingt optimal sind. So bezieht sich die gesamte Trilogie zwar aufs Jahr 1871, spiegelt aber bewusst heutige Diskussionen.
Bei den Bildern konnte mich Xavier Fourquemin durchaus überzeugen. In meinem Schrank habe ich den einen oder anderen Comic von ihm (er hat im Piredda-Verlag veröffentlicht); sein Stil ist manchmal spielerisch und dadurch nicht so realitätsnah, wie man es vielleicht bei einer solchen Geschichte erwarten würde. Ich mag seine Bilder, aber mir leuchtet ein – wenn man sich die Kritiken im Internet anschaut –, dass nicht jeder damit hundertprozentig klar kommt.
Alle drei Bände sind absolut empfehlenswert. Dass die Zeichner so unterschiedlich sind, empfinde ich als Bereicherung, nicht als kritisch. Und Lupano als Texter überzeugt immer! Das ist für alle Leser/innen spannend, die politisch wach sind und eine spannende Geschichte mit Hirn mögen.
Erschienen ist dieser Comic im Splitter-Verlag; ich empfehle an dieser Stelle unbedingt, die Leseprobe auf der Internet-Seite des Verlages anzusehen. Man bekommt den Comic in allen Buchhandlungen, die ISBN 978-3-95839-280-9 kann dabei hilfreich sein. Und natürlich gibt's ihn auch im Internet ...
Wie Wasted Youth rotzten
Hört man sich heute die Platten der frühen amerikanischen Punk-Bands an, wirken viele von ihnen immer noch frisch und rotzig. Die Band Wasted Youth ist dafür ein typisches Beispiel. Ich habe keine Originalplatte von ihnen aus den frühen 80er-Jahren – damals kannte ich die noch gar nicht –, sondern eine sogenannte Fanclub-Ausgabe, die irgendwann in den Nuller-Jahren gepresst wurde.
Anders gesagt: Es handelt sich um eine illegale Pressung, auf der sich die Originalplatte mit ihren zehn Stücken befindet, zu denen Stücke vom ersten Demo-Tape sowie diverse weitere Aufnahmen kommen, die allesamt ordentlich scheppern. Laut Aufschrift wurde diese Platte nur 300-mal gepresst. Na gut, glauben wir das mal.
Die Langspielplatte »Reagan's In« kam 1981 heraus, sie ist das zentrale Werk der Neuauflage. Es war die erste Platte der Band, und die Stücke sind kurz und sehr knapp; das längst ist gerade mal zwei Minuten lang, andere teilweise kürzer als eine Minute. Mit Aussagen wie »Fuck Authority« sagte die Band klar, wo es lang ging, bei »Punk For A Day« war klar, was sie von manchen Auswüchsen der Szene hielt.
Wasted Youth zählte zu den frühen Bands des kalifornischen Hardcore-Sounds; wer unbedingt einen Vergleich ziehen mag, nehme die Circle Jerks in ihren frühen Phase. Der Sound ist ungestüm, die Stücke werden allesamt nach vorne gepeitscht, und man hält sich nicht mit musikalischen Experimenten oder längeren Textzeilen auf.
Schaut man sich die Fotos aus jener Zeit an, ist irgendwie klar, dass zu diesem Sound das Stagediven aufkam. In Los Angeles krachte es ziemlich, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse waren im Umbruch – das spiegelt sich in der Musik ebenso wieder wie im wild tobenden Publikum.
Die Platte »Reagan's In« ist als »Fanclub-Ausgabe« auf jeden Fall ein Zeugnis dieser Zeit, als Punk und vor allem Hardcore noch neu und sehr aufregend waren. Zwar reicht es dann heute bei mir nur noch zum Sitz-Pogo – aber ich mag diesen alten Hardcore immer noch!
Anders gesagt: Es handelt sich um eine illegale Pressung, auf der sich die Originalplatte mit ihren zehn Stücken befindet, zu denen Stücke vom ersten Demo-Tape sowie diverse weitere Aufnahmen kommen, die allesamt ordentlich scheppern. Laut Aufschrift wurde diese Platte nur 300-mal gepresst. Na gut, glauben wir das mal.
Die Langspielplatte »Reagan's In« kam 1981 heraus, sie ist das zentrale Werk der Neuauflage. Es war die erste Platte der Band, und die Stücke sind kurz und sehr knapp; das längst ist gerade mal zwei Minuten lang, andere teilweise kürzer als eine Minute. Mit Aussagen wie »Fuck Authority« sagte die Band klar, wo es lang ging, bei »Punk For A Day« war klar, was sie von manchen Auswüchsen der Szene hielt.
Wasted Youth zählte zu den frühen Bands des kalifornischen Hardcore-Sounds; wer unbedingt einen Vergleich ziehen mag, nehme die Circle Jerks in ihren frühen Phase. Der Sound ist ungestüm, die Stücke werden allesamt nach vorne gepeitscht, und man hält sich nicht mit musikalischen Experimenten oder längeren Textzeilen auf.
Schaut man sich die Fotos aus jener Zeit an, ist irgendwie klar, dass zu diesem Sound das Stagediven aufkam. In Los Angeles krachte es ziemlich, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse waren im Umbruch – das spiegelt sich in der Musik ebenso wieder wie im wild tobenden Publikum.
Die Platte »Reagan's In« ist als »Fanclub-Ausgabe« auf jeden Fall ein Zeugnis dieser Zeit, als Punk und vor allem Hardcore noch neu und sehr aufregend waren. Zwar reicht es dann heute bei mir nur noch zum Sitz-Pogo – aber ich mag diesen alten Hardcore immer noch!
21 Januar 2019
Jonger Soacher
Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Streuner war eine getigerte Katze, die uns eines Tages zugelaufen war. Sie war nicht besonders hübsch und wirkte immer ein wenig zersaust, aber wir Kinder liebten sie. Streuner war nicht sehr häuslich, trieb sich die meiste Zeit im Freien herum und wollte auch nicht die Nacht im Haus verbringen. Sie ließ sich aber gern streicheln und genoss das Essen, das sie bei uns bekam.
In jenem Frühsommer wurde ihr Bauch dicker und dicker. »Du wirst es sehen«, kündigte meine Mutter an. »Die wirft hier eine Bande von kleinen Katzen, und wenn die groß genug sind, lässt sie uns die Bande zurück und zieht weiter.« Sie sollte recht behalten, aber zuvor sollte Streuner zwei Würfe bei uns lassen.
Meist hielt sich Streuner in diesen Tagen im vorderen Hof auf. Vor dem Holzgatter lag sie oft auf den feinen Steinen und genoss die Sonne, die auf ihr getigertes Fell herunterbrannte. Gelegentlich spazierte sie zu einem dicken Holzpfosten, sprang mehr oder weniger elegant hoch und setzte sich so auf den Pfosten, dass sie den Weg in beide Richtungen überblicken konnte.
Ich saß auf der Treppe aus alten Sandsteinen, die zum »Vorhäusle« unseres Hauses führte, und bastelte mit Fischer-Technik. Seit die Firma Fischer neben Dübeln auch noch technische Elemente anbot, schenkten mir die Verwandten ständig neues Spielzeug von Fischer-Technik. Damit baute ich Fahrzeuge und Häuser, ich war völlig fasziniert.
Auf einmal rannte Streuner an mir vorbei, in völliger Panik, schlüpfte zwischen den Stangen des Holzgatters hindurch und hinunter in den Garten, versteckte sich dort hinter irgendwelchen Sträuchern. Ein Hund, lauthals kläffend, stand in unserem Hof. Er war nicht groß, ging mir – obwohl ich ein kleiner Junge war – höchstens bis an die Knie.
Ich sprang auf und schrie ihn an. Der Hund kläffte verwundert, dann drehte er um und flitzte los. Ich eilte ihm hinterher, er rannte den Weg hoch. Einer unserer Nachbarn, den wir alle nur als den »jungen Mattes« kannten, nahm ihn in Empfang.
»Was machsch du mit meim Hond?«, schrie er mich an. (»Was machst du mit meinem Hund?«)
Er habe meine Katze gejagt, und deshalb hätte ich ihn aus dem Hof gescheucht, gab ich zornig zurück. Der junge Mattes war ein großer blonder Mann mit Vollbart, sicher schon um die dreißig Jahre alt, und ich war nur ein Grundschüler, aber in diesem Augenblick war ich so zornig, dass mir der Unterschied nicht einmal bewusst wurde.
Drohend hob er seine Faust. »Wenn du meim Hond ebbis duasch, du jonger Soacher, schlag i dir's G'nick aa!«, brüllte er so laut, dass man es in den umliegenden Häusern sicher durch Türen und Wände hindurch hören konnte. (»Wenn du meinem Hund etwas tust, du junger Pisser, schlag ich dir das Genick durch!«)
Streuner und der Köter des Nachbarn wurden nie Freunde. Der junge Mattes und ich auch nicht.
Streuner war eine getigerte Katze, die uns eines Tages zugelaufen war. Sie war nicht besonders hübsch und wirkte immer ein wenig zersaust, aber wir Kinder liebten sie. Streuner war nicht sehr häuslich, trieb sich die meiste Zeit im Freien herum und wollte auch nicht die Nacht im Haus verbringen. Sie ließ sich aber gern streicheln und genoss das Essen, das sie bei uns bekam.
In jenem Frühsommer wurde ihr Bauch dicker und dicker. »Du wirst es sehen«, kündigte meine Mutter an. »Die wirft hier eine Bande von kleinen Katzen, und wenn die groß genug sind, lässt sie uns die Bande zurück und zieht weiter.« Sie sollte recht behalten, aber zuvor sollte Streuner zwei Würfe bei uns lassen.
Meist hielt sich Streuner in diesen Tagen im vorderen Hof auf. Vor dem Holzgatter lag sie oft auf den feinen Steinen und genoss die Sonne, die auf ihr getigertes Fell herunterbrannte. Gelegentlich spazierte sie zu einem dicken Holzpfosten, sprang mehr oder weniger elegant hoch und setzte sich so auf den Pfosten, dass sie den Weg in beide Richtungen überblicken konnte.
Ich saß auf der Treppe aus alten Sandsteinen, die zum »Vorhäusle« unseres Hauses führte, und bastelte mit Fischer-Technik. Seit die Firma Fischer neben Dübeln auch noch technische Elemente anbot, schenkten mir die Verwandten ständig neues Spielzeug von Fischer-Technik. Damit baute ich Fahrzeuge und Häuser, ich war völlig fasziniert.
Auf einmal rannte Streuner an mir vorbei, in völliger Panik, schlüpfte zwischen den Stangen des Holzgatters hindurch und hinunter in den Garten, versteckte sich dort hinter irgendwelchen Sträuchern. Ein Hund, lauthals kläffend, stand in unserem Hof. Er war nicht groß, ging mir – obwohl ich ein kleiner Junge war – höchstens bis an die Knie.
Ich sprang auf und schrie ihn an. Der Hund kläffte verwundert, dann drehte er um und flitzte los. Ich eilte ihm hinterher, er rannte den Weg hoch. Einer unserer Nachbarn, den wir alle nur als den »jungen Mattes« kannten, nahm ihn in Empfang.
»Was machsch du mit meim Hond?«, schrie er mich an. (»Was machst du mit meinem Hund?«)
Er habe meine Katze gejagt, und deshalb hätte ich ihn aus dem Hof gescheucht, gab ich zornig zurück. Der junge Mattes war ein großer blonder Mann mit Vollbart, sicher schon um die dreißig Jahre alt, und ich war nur ein Grundschüler, aber in diesem Augenblick war ich so zornig, dass mir der Unterschied nicht einmal bewusst wurde.
Drohend hob er seine Faust. »Wenn du meim Hond ebbis duasch, du jonger Soacher, schlag i dir's G'nick aa!«, brüllte er so laut, dass man es in den umliegenden Häusern sicher durch Türen und Wände hindurch hören konnte. (»Wenn du meinem Hund etwas tust, du junger Pisser, schlag ich dir das Genick durch!«)
Streuner und der Köter des Nachbarn wurden nie Freunde. Der junge Mattes und ich auch nicht.
18 Januar 2019
Die lesenswerte Ausgabe vom Januar 2018
Ich schaffe es schon seit vielen Jahren nicht mehr, Zeitschriften und Bücher so zeitaktuell zu lesen, dass entsprechende Rezensionen eine echte »Werbewirksamkeit« entfalten können. Der einfache Grund: Es gibt zu viele Dinge, die mich interessieren, und ich lese »privat« halt das, wozu ich Lust habe, zu einem Zeitpunkt, an dem es für mich passt. Schließlich muss ich sehr viel an beruflicher Lektüre absolvieren.
Immerhin kam ich mit einer Verspätung von einem Jahr dazu, die Ausgabe 37 der Zeitschrift »Exodus« zu Ende zu lesen. »Exodus« kenne ich noch aus meiner frühesten Fan-Phase. Anfangs der 80er-Jahre wurde es eingestellt, davor aber bekam ich mithilfe des Fanzines eine knallige Öffnung meines Science-Fiction-Weltbildes vermittelt.
Seit einigen Jahren ist »Exodus« wieder da: mit farbigem Titelbild, einem professionellen Layout und einem größtenteils professionellen Inhalt. Das heißt natürlich nicht, dass mir alles in dem Magazin gefällt. Die Ausgabe 37 ist dafür ein schönes Beispiel.
Selbstverständlich überzeugt die Optik, und die Galerie mit Werken von Mario Franke ist mit ihren vierfarbigen Darstellungen eindrucksvoll. Auch die Illustration der Geschichten kann mich zumeist überzeugen, daran kann ich nichts kritisieren.
Mit den Geschichten bin ich nicht immer einverstanden. So fand ich ausgerechnet den längsten Text – die Story »Die Läuterung« von Dirk Alt – nicht sonderlich überzeugend, vielleicht auch deshalb, weil der Autor politische Inhalte in ein SF-Szenario packte. Da steckte mir zu viel »erhobener Zeigefinger« im Text.
Die meisten Texte setzten sehr auf den Schlusseffekt, sind damit recht klar in der »klassisch« anmutenden Kurzgeschichte verankert. Da fand ich es dann tatsächlich interessanter, in einem Artikel – ebenfalls von Dirk Alt – einen Hinweis auf Literaturzeitschriften zu finden, die sich mit Science Fiction als Sonderthema beschäftigten. (Okay, »Der Erker« kannte ich schon, aber trotzdem ...)
Das mag jetzt alles ein wenig mäkelig daherkommen, ist aber ein Meckern auf hohem Niveau. Tatsächlich erweist sich »Exodus« als die Publikation im deutschsprachigen Raum, die ihre Science-Fiction-Texte so verpackt und anbietet, dass man auch als anspruchsvoller Leser zuverlässig »bedient« wird. Da muss einem auch nicht alles gefallen, wenn das Gesamtpaket stimmt.
Die Ausgabe 37 war und ist also lohnenswert, und man kann sie immer noch nachbestellen. Aber zu empfehlen ist sowieso ein Abonnement des Heftes!
Immerhin kam ich mit einer Verspätung von einem Jahr dazu, die Ausgabe 37 der Zeitschrift »Exodus« zu Ende zu lesen. »Exodus« kenne ich noch aus meiner frühesten Fan-Phase. Anfangs der 80er-Jahre wurde es eingestellt, davor aber bekam ich mithilfe des Fanzines eine knallige Öffnung meines Science-Fiction-Weltbildes vermittelt.
Seit einigen Jahren ist »Exodus« wieder da: mit farbigem Titelbild, einem professionellen Layout und einem größtenteils professionellen Inhalt. Das heißt natürlich nicht, dass mir alles in dem Magazin gefällt. Die Ausgabe 37 ist dafür ein schönes Beispiel.
Selbstverständlich überzeugt die Optik, und die Galerie mit Werken von Mario Franke ist mit ihren vierfarbigen Darstellungen eindrucksvoll. Auch die Illustration der Geschichten kann mich zumeist überzeugen, daran kann ich nichts kritisieren.
Mit den Geschichten bin ich nicht immer einverstanden. So fand ich ausgerechnet den längsten Text – die Story »Die Läuterung« von Dirk Alt – nicht sonderlich überzeugend, vielleicht auch deshalb, weil der Autor politische Inhalte in ein SF-Szenario packte. Da steckte mir zu viel »erhobener Zeigefinger« im Text.
Die meisten Texte setzten sehr auf den Schlusseffekt, sind damit recht klar in der »klassisch« anmutenden Kurzgeschichte verankert. Da fand ich es dann tatsächlich interessanter, in einem Artikel – ebenfalls von Dirk Alt – einen Hinweis auf Literaturzeitschriften zu finden, die sich mit Science Fiction als Sonderthema beschäftigten. (Okay, »Der Erker« kannte ich schon, aber trotzdem ...)
Das mag jetzt alles ein wenig mäkelig daherkommen, ist aber ein Meckern auf hohem Niveau. Tatsächlich erweist sich »Exodus« als die Publikation im deutschsprachigen Raum, die ihre Science-Fiction-Texte so verpackt und anbietet, dass man auch als anspruchsvoller Leser zuverlässig »bedient« wird. Da muss einem auch nicht alles gefallen, wenn das Gesamtpaket stimmt.
Die Ausgabe 37 war und ist also lohnenswert, und man kann sie immer noch nachbestellen. Aber zu empfehlen ist sowieso ein Abonnement des Heftes!
Statistik auf der Straße
Ich fahre jeden Morgen mit dem Auto zur Arbeit. Darüber kann man diskutieren, von wegen, ich wiese ein mangelndes ökologisches Verständnis auf oder so. Aber darum geht es hier und jetzt nicht. Im Verlauf einer Woche komme ich auf acht bis zehn Fahrten zwischen meinem Wohnort und meinem Arbeitsplatz,
Auf der Fahrt sehe ich viele andere Autos. Ich überhole auf der zweispurigen Strecke andere Autos, ich wiederum werde überholt. Mir kommen Fahrzeuge entgegen, es gibt Kreuzungen und Abbiegestellen. Weil ich Musik höre oder einem Hörbuch lausche, fließe ich recht entspannt und gelassen durch den Verkehr; zumindest glaube ich das.
Die meisten Fahrerrinnen und Fahrer, die ich auf der Straße mitbekomme, sind normal unterwegs. Sie fahren in einem durchschnittlichen Tempo, sie blinken an den richtigen Stellen und machen den Eindruck, sich nicht stressen zu wollen.
Doch gibt es alle zwei, drei Tage eine Person, die sich irgendwie seltsam verhält. Sie drängelt, sie fährt dicht auf, sie haut einem das Fernlicht ein oder überholt auf der rechten Spur oder gar auf der Abbiegespur. Es gibt kein Gesetz, wann das passiert, es kann morgens oder abends sein. Klar gibt es Tage, an denen es keinen Vorfall gibt, aber in der Woche gibt mindestens eine Person, deren Fahrverhalten ich als bescheuert einstufen würde.
Das einzige Gesetz, das ich bisher finden konnte, die einzige Gemeinsamkeit dieser Fahrer – es sind meist Männer, sicher zu 95 Prozent – auf der Straße: Fast immer sitzt diese Person in einem SUV. Mir ist klar, dass ich mich auf einen Shitstorm einstellen kann, wenn ich das schreibe, aber: Drängler oder aggressive Fahrer sitzen mehrheitlich in einem SUV.
Etwas passiert mit den Menschen, wenn sie so einem rollenden Panzer sitzen. Ihre Bedeutung steigt, ihr Zeitdruck sowieso. Und das lassen manche von ihnen offenbar gern die anderen spüren.
Auf der Fahrt sehe ich viele andere Autos. Ich überhole auf der zweispurigen Strecke andere Autos, ich wiederum werde überholt. Mir kommen Fahrzeuge entgegen, es gibt Kreuzungen und Abbiegestellen. Weil ich Musik höre oder einem Hörbuch lausche, fließe ich recht entspannt und gelassen durch den Verkehr; zumindest glaube ich das.
Die meisten Fahrerrinnen und Fahrer, die ich auf der Straße mitbekomme, sind normal unterwegs. Sie fahren in einem durchschnittlichen Tempo, sie blinken an den richtigen Stellen und machen den Eindruck, sich nicht stressen zu wollen.
Doch gibt es alle zwei, drei Tage eine Person, die sich irgendwie seltsam verhält. Sie drängelt, sie fährt dicht auf, sie haut einem das Fernlicht ein oder überholt auf der rechten Spur oder gar auf der Abbiegespur. Es gibt kein Gesetz, wann das passiert, es kann morgens oder abends sein. Klar gibt es Tage, an denen es keinen Vorfall gibt, aber in der Woche gibt mindestens eine Person, deren Fahrverhalten ich als bescheuert einstufen würde.
Das einzige Gesetz, das ich bisher finden konnte, die einzige Gemeinsamkeit dieser Fahrer – es sind meist Männer, sicher zu 95 Prozent – auf der Straße: Fast immer sitzt diese Person in einem SUV. Mir ist klar, dass ich mich auf einen Shitstorm einstellen kann, wenn ich das schreibe, aber: Drängler oder aggressive Fahrer sitzen mehrheitlich in einem SUV.
Etwas passiert mit den Menschen, wenn sie so einem rollenden Panzer sitzen. Ihre Bedeutung steigt, ihr Zeitdruck sowieso. Und das lassen manche von ihnen offenbar gern die anderen spüren.
17 Januar 2019
Fanzine Nummer 8
Ein Fanzine mit dem Titel »Fanzine« zu belegen, zeugt von einem gewissen Selbstbewusstsein. In den frühen 70er-Jahren veröffentlichten die Aktivisten der »Science Fiction Gruppe Achim & Lüneburg« dieses kleine Heft, das vor allem Informationen über die damalige Fan-Szene vermittelte und im Umdruck hergestellt wurde. Es kam aus Lüneburg, sollte »mindestens jeden Monat einmal« erscheinen und ist heutzutage eine wunderbare Quelle für die fannischen Aktivitäten jenes Jahres.
Schaue ich mir beispielsweise die Ausgabe 8 an, die im Juni 1973 veröffentlicht wurde, stoße ich auf viele Namen von Fans, die ich in den 80er-Jahren kennenlernte. Einer von ihnen ist heute noch als Autor aktiv – Uwe Antons Fanzine »Ganymed Horror« wird kurz rezensiert –, ein anderer macht nach wie vor seine Fanzines (Kurt S. Denkena). Es werden viele Anschriften veröffentlicht, es gibt kurze Hinweise auf neue Fanzines, und es gibt allgemeine Blödeleien.
Cartoons, offenbar aus Zeitschriften abgezeichnet, lockern den Text des acht Seiten umfassenden Mini-Fanzines auf. Die Bilder, die gelegentlich »nackte Mädchen« – wie man das damals nannte – zeigen, werden mit fannischen Anspielungen untertitelt; der Humor ist heutzutage kaum mehr zu vermitteln.
Wenn ich in einem Fanzine stöbere, das aus dieser Zeit kommt, fühlt sich das für mich oft wie eine Zeitreise an. Ich kenne viele der beteiligten Personen vom Namen her oder lernte sie persönlich kennen. Und ein Mini-Heft wie »Fanzine 8« macht mir durch die amüsanten Sprüche sogar besonders viel Spaß.
Schaue ich mir beispielsweise die Ausgabe 8 an, die im Juni 1973 veröffentlicht wurde, stoße ich auf viele Namen von Fans, die ich in den 80er-Jahren kennenlernte. Einer von ihnen ist heute noch als Autor aktiv – Uwe Antons Fanzine »Ganymed Horror« wird kurz rezensiert –, ein anderer macht nach wie vor seine Fanzines (Kurt S. Denkena). Es werden viele Anschriften veröffentlicht, es gibt kurze Hinweise auf neue Fanzines, und es gibt allgemeine Blödeleien.
Cartoons, offenbar aus Zeitschriften abgezeichnet, lockern den Text des acht Seiten umfassenden Mini-Fanzines auf. Die Bilder, die gelegentlich »nackte Mädchen« – wie man das damals nannte – zeigen, werden mit fannischen Anspielungen untertitelt; der Humor ist heutzutage kaum mehr zu vermitteln.
Wenn ich in einem Fanzine stöbere, das aus dieser Zeit kommt, fühlt sich das für mich oft wie eine Zeitreise an. Ich kenne viele der beteiligten Personen vom Namen her oder lernte sie persönlich kennen. Und ein Mini-Heft wie »Fanzine 8« macht mir durch die amüsanten Sprüche sogar besonders viel Spaß.
16 Januar 2019
Der Junge muss an die frische Luft
Man kann nicht sagen, dass ich ein Fan von Hape Kerkeling bin. Ich kenne seine Figuren seit vielen Jahren; da ich aber keine Comedy-Sendungen im Fernsehen angucke, habe ich all seine berühmten Auftritte im Verlauf der Jahre verpasst. Man hat sie mir erzählt, ich habe mir den Witz von »Hurz« erzählen lassen – aber ich bin kein Fan.
Trotzdem ging ich dieser Tage ins Kino und sah mit »Der Junge muss an die frische Luft«. Dabei handelt es sich um die Verfilmung eines Romans von Hape Kerkeling, in dem er seine Zeit als Junge verarbeitete. Ich war im Vorfeld durchaus kritisch: Deutsche Komödien sind häufig ein wenig bemüht, und die Vorberichterstattung kam mir für meinen Geschmack sogar zu positiv.
Dann aber sah ich den Film. Der Saal war voll. Rings um mich wurde gelacht und geweint, mir liefen auch die Tränen übers Gesicht, die komplette Mixtur aus Trauer, Kitsch und Komik prasselte von der Leinwand auf mich herab. Und als ich aus dem Kino kam, war ich der festen Ansicht, dass der Film wirklich sehenswert ist.
Das Ruhrgebiet in den frühen 70er-Jahren: Hans-Peter ist ein dicklicher Junge, der große Freude daran hat, sich zu verkleiden und seine kranke Mutter mit albernen Späßen zu erfreuen. Zum Karneval geht er als Prinzessin, nicht als Cowboy, und bald schafft er es, die Nachbarinnen erfolgreich nachzuahmen. Somit ist der Junge die offenbar einzige Quelle der Freude für die depressive Mutter.
Der Schauspieler, der die Rolle des jungen Hape Kerkeling übernommen hat, spielt großartig. Wie der Junge es hinbekommt, die Zeit der frühen 70er-Jahren erfolgreich abzubilden, ist wirklich sensationell. In drei Jahren spielt sich ein großes Drama ab, sterben Menschen, gibt es feuchtfröhliche Feiern, wird getanzt und geweint, gesungen und gestritten.
Wer diesen Film mit Deko-Material ausstatten durfte, hatte sichtlich Freude. Angefangen von den Tapeten bis hin zu den Zeitungen und Zeitschriften, der Werbung und den Verpackungen von Nahrungsmitteln, dem Laden an der Ecke und den kleinen Autos auf der Straße – ein Sammelsurium von glaubhaften Dingen, die mich an meine eigene Kindheit erinnerten. (Der Film richtet sich offenbar auch an eine Ü40-Zielgruppe. Im Kino herrschte eine eher gehobene Altersgruppe vor.)
Ein starkes Drehbuch, eine Gruppe hervorragender Schauspieler und eine gelungene Abfolge von lustigen und traurigen Szenen: Deutsches Kino kann mich also doch begeistern. Ich empfehle den Film gern weiter!
Trotzdem ging ich dieser Tage ins Kino und sah mit »Der Junge muss an die frische Luft«. Dabei handelt es sich um die Verfilmung eines Romans von Hape Kerkeling, in dem er seine Zeit als Junge verarbeitete. Ich war im Vorfeld durchaus kritisch: Deutsche Komödien sind häufig ein wenig bemüht, und die Vorberichterstattung kam mir für meinen Geschmack sogar zu positiv.
Dann aber sah ich den Film. Der Saal war voll. Rings um mich wurde gelacht und geweint, mir liefen auch die Tränen übers Gesicht, die komplette Mixtur aus Trauer, Kitsch und Komik prasselte von der Leinwand auf mich herab. Und als ich aus dem Kino kam, war ich der festen Ansicht, dass der Film wirklich sehenswert ist.
Das Ruhrgebiet in den frühen 70er-Jahren: Hans-Peter ist ein dicklicher Junge, der große Freude daran hat, sich zu verkleiden und seine kranke Mutter mit albernen Späßen zu erfreuen. Zum Karneval geht er als Prinzessin, nicht als Cowboy, und bald schafft er es, die Nachbarinnen erfolgreich nachzuahmen. Somit ist der Junge die offenbar einzige Quelle der Freude für die depressive Mutter.
Der Schauspieler, der die Rolle des jungen Hape Kerkeling übernommen hat, spielt großartig. Wie der Junge es hinbekommt, die Zeit der frühen 70er-Jahren erfolgreich abzubilden, ist wirklich sensationell. In drei Jahren spielt sich ein großes Drama ab, sterben Menschen, gibt es feuchtfröhliche Feiern, wird getanzt und geweint, gesungen und gestritten.
Wer diesen Film mit Deko-Material ausstatten durfte, hatte sichtlich Freude. Angefangen von den Tapeten bis hin zu den Zeitungen und Zeitschriften, der Werbung und den Verpackungen von Nahrungsmitteln, dem Laden an der Ecke und den kleinen Autos auf der Straße – ein Sammelsurium von glaubhaften Dingen, die mich an meine eigene Kindheit erinnerten. (Der Film richtet sich offenbar auch an eine Ü40-Zielgruppe. Im Kino herrschte eine eher gehobene Altersgruppe vor.)
Ein starkes Drehbuch, eine Gruppe hervorragender Schauspieler und eine gelungene Abfolge von lustigen und traurigen Szenen: Deutsches Kino kann mich also doch begeistern. Ich empfehle den Film gern weiter!
15 Januar 2019
Eine Stadt voller hässlicher Menschen
Seit den 80er-Jahren mag ich die Serie »Jeremiah«. Es mögen sich Wissenschaftler und andere kluge Menschen darüber streiten, ob es sich bei diesem Comic nun um Science Fiction handelt – weil die Geschichten in der Zukunft spielen – oder eher um einen Western. Für den Western spricht die grundsätzliche Anlage: zwei Freunde, die unterwegs in einem gefährlichen Amerika sind und dort ihre Abenteuer im Kampf gegen allerlei Bösewichte erleben.
Zuletzt las ich den Band 34 der Serie, der den Titel »Jungle City« trägt und im Erko-Verlag erschienen ist. Von der Anlage her ist es echt ein Westen: Jeremia und Kurdy, die beiden Freunde, kommen mit ihren Motorrädern in eine kleine Stadt, in der sie schnell merken, welche Spannungen es gibt.
Science-Fiction-Elemente sind die Wasserknappheit in der geschilderten Zukunft. Müllsäcke mit »Monsanto«-Aufschrift deuten darauf hin, dass die Chemie-Industrie der Vergangenheit – also unserer Gegenwart – daran schuld ist, dass das Wasser in Jungle City teilweise lebensgefährlich ist.
Die beiden Helden wollen sich nicht in die Konflikte hineinziehen lassen, die zwischen zwei mächtigen Banden herrschen. Über allem thront gewissermaßen der lokale Potentat, der den Zugang zu sauberem Wasser kontrolliert und damit die wirtschaftliche Macht über die Stadt ausübt. Eigentlich wollen Jeremiah und Kurdy etwas essen und trinken sowie übernachten – doch dann werden ihre Motorräder gestohlen, und unversehens sind sie gezwungen, Partei zu ergreifen.
Ich liebe die Comics des belgischen Zeichners und Autor Hermann, seit ich sie in den 70er-Jahren erstmals im »Zack« kennengelernt habe. Der Belgier, der mit komplettem Namen Hermann Huppen heißt, ist Jahrgang 1938 und schon so lange im Geschäft, dass er sich Modernisierungen getrost verkneifen kann.
Seine zynische Science-Fiction-Geschichte ist spannend erzählt, endet ziemlich negativ und offen zugleich, und verzichtet auf Elemente, mit denen man eigentlich rechnet. Weder ergibt sich eine Liebesgeschichte – oder dergleichen –, noch findet der Oberbösewicht am Ende seine gerechte Strafe. Auf dem Weg zum tragischen Ende erhält man als Leser aber eine knallige Geschichte.
Künstlerisch weiß Hermann nach all den Jahrzehnten einfach, was er will und was er kann. Die Bilder sind realistisch, die Stadt wirkt heruntergekommen, und praktisch alle Figuren, die auftauchen, sind auf ihre Art echt hässlich. Mit den eindrucksvollen Bildern und der knalligen Actiongeschichte entsteht ein Comic, der nicht mehr nach dem großen Erfolg schreit, aber mir sehr gut gefallen hat.
(Ich hole mir dann auch die anderen »Jeremiah«-Bände aus dem Erko-Verlag. Na klar, es sind ja sogar schöne Hardcover-Ausgaben.)
Zuletzt las ich den Band 34 der Serie, der den Titel »Jungle City« trägt und im Erko-Verlag erschienen ist. Von der Anlage her ist es echt ein Westen: Jeremia und Kurdy, die beiden Freunde, kommen mit ihren Motorrädern in eine kleine Stadt, in der sie schnell merken, welche Spannungen es gibt.
Science-Fiction-Elemente sind die Wasserknappheit in der geschilderten Zukunft. Müllsäcke mit »Monsanto«-Aufschrift deuten darauf hin, dass die Chemie-Industrie der Vergangenheit – also unserer Gegenwart – daran schuld ist, dass das Wasser in Jungle City teilweise lebensgefährlich ist.
Die beiden Helden wollen sich nicht in die Konflikte hineinziehen lassen, die zwischen zwei mächtigen Banden herrschen. Über allem thront gewissermaßen der lokale Potentat, der den Zugang zu sauberem Wasser kontrolliert und damit die wirtschaftliche Macht über die Stadt ausübt. Eigentlich wollen Jeremiah und Kurdy etwas essen und trinken sowie übernachten – doch dann werden ihre Motorräder gestohlen, und unversehens sind sie gezwungen, Partei zu ergreifen.
Ich liebe die Comics des belgischen Zeichners und Autor Hermann, seit ich sie in den 70er-Jahren erstmals im »Zack« kennengelernt habe. Der Belgier, der mit komplettem Namen Hermann Huppen heißt, ist Jahrgang 1938 und schon so lange im Geschäft, dass er sich Modernisierungen getrost verkneifen kann.
Seine zynische Science-Fiction-Geschichte ist spannend erzählt, endet ziemlich negativ und offen zugleich, und verzichtet auf Elemente, mit denen man eigentlich rechnet. Weder ergibt sich eine Liebesgeschichte – oder dergleichen –, noch findet der Oberbösewicht am Ende seine gerechte Strafe. Auf dem Weg zum tragischen Ende erhält man als Leser aber eine knallige Geschichte.
Künstlerisch weiß Hermann nach all den Jahrzehnten einfach, was er will und was er kann. Die Bilder sind realistisch, die Stadt wirkt heruntergekommen, und praktisch alle Figuren, die auftauchen, sind auf ihre Art echt hässlich. Mit den eindrucksvollen Bildern und der knalligen Actiongeschichte entsteht ein Comic, der nicht mehr nach dem großen Erfolg schreit, aber mir sehr gut gefallen hat.
(Ich hole mir dann auch die anderen »Jeremiah«-Bände aus dem Erko-Verlag. Na klar, es sind ja sogar schöne Hardcover-Ausgaben.)
14 Januar 2019
Es gab auch 2018 E-Book-Bestseller
Zu den Dingen, die mir persönlich nie wichtig sind und waren, zählen Bestsellerlisten. Aber rein beruflich interessieren sie mich. Also schaute ich mir die Liste der »E-Book-Bestseller 2018« an, die in der Ausgabe 2 des »buchreport.express« veröffentlicht wurde.
Auf Platz eins landete bei dieser Liste die Autorin Jojo Moyes. Ihr Roman »Mein Herz in zwei Welten« kostet 19,99 als E-Book, was ich ganz schön hochpreisig finde. Auf den folgenden Plätzen finden sich Autorinnen wie Lucinda Riley oder Mona Kasten, Nele Neuhaus – auch für 16,99 Euro – oder Rita Falk. Man könnte daraus schließen, dass das E-Book-Geschäft vor allem von Autorinnen dominiert wird.
Aber man sollte sich bei solchen Listen immer auch das Kleingedruckte anschauen. In diesem Fall: Zu Rate gezogen wurden die Shops der Tolino-Allianz sowie Shops, die über die Barsortimente beliefert werden. Was komplett fehlt, sind Apple sowie der Marktführer Amazon.
Vor allem bei Amazon finden sich – wie allgemein bekannt sein dürfte – die Selfpublisher und die niedrigpreisigen E-Books. Ohne Mathematik studiert zu haben oder mich selbst als »Fachmann« bezeichnen zu müssen – es gibt ja immer mehr »E-Book-Fachleute« ... –, stelle ich fest, dass die Statistik ein wenig zu holpern scheint. Es möge jeder Mensch selbst seine oder ihre Schlüsse daraus ziehen ...
Auf Platz eins landete bei dieser Liste die Autorin Jojo Moyes. Ihr Roman »Mein Herz in zwei Welten« kostet 19,99 als E-Book, was ich ganz schön hochpreisig finde. Auf den folgenden Plätzen finden sich Autorinnen wie Lucinda Riley oder Mona Kasten, Nele Neuhaus – auch für 16,99 Euro – oder Rita Falk. Man könnte daraus schließen, dass das E-Book-Geschäft vor allem von Autorinnen dominiert wird.
Aber man sollte sich bei solchen Listen immer auch das Kleingedruckte anschauen. In diesem Fall: Zu Rate gezogen wurden die Shops der Tolino-Allianz sowie Shops, die über die Barsortimente beliefert werden. Was komplett fehlt, sind Apple sowie der Marktführer Amazon.
Vor allem bei Amazon finden sich – wie allgemein bekannt sein dürfte – die Selfpublisher und die niedrigpreisigen E-Books. Ohne Mathematik studiert zu haben oder mich selbst als »Fachmann« bezeichnen zu müssen – es gibt ja immer mehr »E-Book-Fachleute« ... –, stelle ich fest, dass die Statistik ein wenig zu holpern scheint. Es möge jeder Mensch selbst seine oder ihre Schlüsse daraus ziehen ...
Artless und die Tanzparty
Punkrock und Hardcore gibt es schon ziemlich lang; die Gelehrten streiten sich noch über offizielle Definitionen. Die Musik und die Szene sind teilweise »museal«, sprich, man findet ihre Ausprägungen in offiziellen Sachbüchern und tatsächlich auch in irgendwelchen Museen wieder. Ich höre mir dann lieber bewusst mal wieder Musik von »damals« an ...
So fing Deutschpunk nicht mit den Toten Hosen an, wie junge Leute vielleicht meinen könnten, sondern mit Bands wie Artless. Deren kurze aber heftige Existenz währte von 1979 bis 1981. Die Band war für die Szene in Nordrhein-Westfalen von große Bedeutung: weg vom studentischen Sound, wie er zeitweise geprägt wurde, hin zu dem Punk, wie man ihn eigentlich bis heute kennt.
Ihr Demo-Tape »Tanzparty Deutschland« wurde 1990 als Vinyl-Scheibe gepresst – ich kaufte mir die Platte damals auch – und ist immer noch als CD erhältlich. Auf der CD findet sich neben dem Demo mit seinen zwölf Stücken noch insgesamt 13 Stücke eines Live-Konzertes, das 1981 in Essen gegeben wurde.
Die Platte ist nix für Freunde des filigranen Gitarrenspiels, nix für Leute, die vor allem saubere Aufnahmen mögen: Das hier ist rau und authentisch, das kracht und scheppert, und es gibt wunderbar die Atmosphäre der frühen Punk-Tage wieder. Eine Entdeckung nicht nur für die jüngeren, die man auch 2019 wunderbar anhören kann.
So fing Deutschpunk nicht mit den Toten Hosen an, wie junge Leute vielleicht meinen könnten, sondern mit Bands wie Artless. Deren kurze aber heftige Existenz währte von 1979 bis 1981. Die Band war für die Szene in Nordrhein-Westfalen von große Bedeutung: weg vom studentischen Sound, wie er zeitweise geprägt wurde, hin zu dem Punk, wie man ihn eigentlich bis heute kennt.
Ihr Demo-Tape »Tanzparty Deutschland« wurde 1990 als Vinyl-Scheibe gepresst – ich kaufte mir die Platte damals auch – und ist immer noch als CD erhältlich. Auf der CD findet sich neben dem Demo mit seinen zwölf Stücken noch insgesamt 13 Stücke eines Live-Konzertes, das 1981 in Essen gegeben wurde.
Die Platte ist nix für Freunde des filigranen Gitarrenspiels, nix für Leute, die vor allem saubere Aufnahmen mögen: Das hier ist rau und authentisch, das kracht und scheppert, und es gibt wunderbar die Atmosphäre der frühen Punk-Tage wieder. Eine Entdeckung nicht nur für die jüngeren, die man auch 2019 wunderbar anhören kann.
13 Januar 2019
Bei Evelyn in Lesmont
Eine Pension in einem kleinen Dorf in der Champagne, auf halbem Weg zwischen Karlsruhe und dem Endpunkt der Reise gelegen: Meine Erwartungen waren nicht so hoch, ich wollte vor allem gut schlafen, und – wenn man schon mal in der Gegend ist – einen besonderen Ort kennenlernen. Das wurde im »Bonheur à la Campagne« sehr klar und sehr treffsicher erreicht.
Wir hatten uns im Internet informiert, bevor wir das Zimmer gebucht hatten. Wir wussten also, dass uns eine Anlage erwarten würde, die es so kein zweites Mal gab. Als wir den kleinen Ort Lesmont erreichten, nicht weit entfernt von der schönen Stadt Troyes gelegen, waren die Internet-Bilder aber bereits wieder aus meiner Gedankenwelt verschwunden.
Fast wären wir an dem Tor vorbeigefahren. Gerade noch rechtzeitig bogen wir ab, verließen die Landstraße, die in einem weiten Bogen durch das Dorf führte, und standen dann in einem Hof zwischen Wohngebäuden, die alle recht alt wirkten. Zwischen zwei parkenden Autos stellten wir unseren Wagen ab, die Sonne schien, und es roch überall nach Pflanzen und Blüten.
Die Besitzerin der Pension – sie hatte in ihrem Anbau drei Zimmer zu vermieten – hieß Evelyn, erwies sich als unfassbar freundlich und überschüttete uns mit einem Schwall in französischer Sprache. Da mein Französisch leider schlecht ist und ihr Englisch kaum existierte, brauchten wir einige Zeit, bis wir uns »eingegroovt« hatten. Dann konnten wir gut kommunizieren.
Sie zeigte uns die Anlage. Es gab einen wunderbaren Garten, in dem man auf Stühlchen und unter Büschen sitzen konnte; alles wunderbar angelegt. Sowohl im Garten als auch in dem Gastgebäude waren überall Dekorationsgegenstände angebracht.
Blumen, Statuen, Bilder – ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Dingen empfing uns. Man kam sich vor wie in einem Museum, das einen verwirrenden Charakter hatte und sicher den einen oder anderen Schatz beherbergte.
Wir erhielten ein Zimmer, das vor allem durch den überladenen Prunk beeindruckte. Große Bilder, Statuen, Leuchter, ein altmodisches Sofa und ein unfassbares Himmelbett: Man kann nicht sagen, dass ich begeistert war, aber ich guckte völlig verblüfft. Alles war sauber, wenngleich der Geruch ein wenig muffig war, wie in einem Museum eben, das von haufenweise Zeugs angefüllt ist.
Das Frühstück war auch ein Erlebnis. Wir saßen in einem hellen Raum, überladen mit allerlei Krimskrams, bekamen Brioche und Marmelade, helle Brötchen und Honig, leckeren Kaffee und Obst. Evelyn sah aus, als ob sie uns am liebsten gestopft hätte.
Als wir aus dem Hof fuhren, hatten wir fast das Gefühl, eine Freundin zurückzulassen. Mir war alles ein wenig »too much«, aber ich war gleichzeitig unglaublich fasziniert.
Wir hatten uns im Internet informiert, bevor wir das Zimmer gebucht hatten. Wir wussten also, dass uns eine Anlage erwarten würde, die es so kein zweites Mal gab. Als wir den kleinen Ort Lesmont erreichten, nicht weit entfernt von der schönen Stadt Troyes gelegen, waren die Internet-Bilder aber bereits wieder aus meiner Gedankenwelt verschwunden.
Fast wären wir an dem Tor vorbeigefahren. Gerade noch rechtzeitig bogen wir ab, verließen die Landstraße, die in einem weiten Bogen durch das Dorf führte, und standen dann in einem Hof zwischen Wohngebäuden, die alle recht alt wirkten. Zwischen zwei parkenden Autos stellten wir unseren Wagen ab, die Sonne schien, und es roch überall nach Pflanzen und Blüten.
Die Besitzerin der Pension – sie hatte in ihrem Anbau drei Zimmer zu vermieten – hieß Evelyn, erwies sich als unfassbar freundlich und überschüttete uns mit einem Schwall in französischer Sprache. Da mein Französisch leider schlecht ist und ihr Englisch kaum existierte, brauchten wir einige Zeit, bis wir uns »eingegroovt« hatten. Dann konnten wir gut kommunizieren.
Sie zeigte uns die Anlage. Es gab einen wunderbaren Garten, in dem man auf Stühlchen und unter Büschen sitzen konnte; alles wunderbar angelegt. Sowohl im Garten als auch in dem Gastgebäude waren überall Dekorationsgegenstände angebracht.
Blumen, Statuen, Bilder – ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Dingen empfing uns. Man kam sich vor wie in einem Museum, das einen verwirrenden Charakter hatte und sicher den einen oder anderen Schatz beherbergte.
Wir erhielten ein Zimmer, das vor allem durch den überladenen Prunk beeindruckte. Große Bilder, Statuen, Leuchter, ein altmodisches Sofa und ein unfassbares Himmelbett: Man kann nicht sagen, dass ich begeistert war, aber ich guckte völlig verblüfft. Alles war sauber, wenngleich der Geruch ein wenig muffig war, wie in einem Museum eben, das von haufenweise Zeugs angefüllt ist.
Das Frühstück war auch ein Erlebnis. Wir saßen in einem hellen Raum, überladen mit allerlei Krimskrams, bekamen Brioche und Marmelade, helle Brötchen und Honig, leckeren Kaffee und Obst. Evelyn sah aus, als ob sie uns am liebsten gestopft hätte.
Als wir aus dem Hof fuhren, hatten wir fast das Gefühl, eine Freundin zurückzulassen. Mir war alles ein wenig »too much«, aber ich war gleichzeitig unglaublich fasziniert.
12 Januar 2019
Die Schneerutsche
Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Es schneite stark in jenem Winter. Ich ging zur Grundschule, es war die zweite oder dritte Klasse, zu Beginn der 70er-Jahre also Wir Kinder toben stundenlang durch den Schnee, den unsere Eltern wohl verfluchten. Wir rutschten am liebsten an einem Hügel hinter dem Friedhof, wo wir mit genügend Schwung richtig weit auf die Wiesen hinauskamen.
Eines Tages entschloss sich die Gemeindeverwaltung zu einem tollkühnen Plan. Ein Weg, der leicht abschüssig war und mitten durchs Dorf verlief – man hätte ihn nicht als Straße bezeichnen können –, wurde für den Autoverkehr gesperrt. Am oberen Ende spannte der Dorfschulze eine Schnur, damit jeder Autofahrer wusste, dass er den Weg nicht als Abkürzung benutzen durfte.
Am unteren Ende, dem sogenannten Talweg, stellte sich der Dorfschulze selbst hin. Er hatte im Krieg einen Arm verloren und hielt eine große Glocke in seiner einen Hand. Mit der Glocke und lauten Rufen dirigierte er den geringen Autoverkehr, der an diesem Tag durchs Dorf floss.
Und wir Kinder konnten rutschen. Wir stellten uns mit unseren Schlitten oben am Weg auf, dann nahmen wir Anlaufen und rauschten durchs Dorf, vielleicht zweihundert Meter weit, für uns aber eine richtig große Entfernung, vorbei am Kindergarten und am Gemeindehaus, bis hinunter zur Metzgerei. Wir kreischten vor Begeisterung.
Es war ein Tag, den wahrscheinlich keines der Kinder vergessen wird, die daran teilnehmen konnten. Es schneite ununterbrochen, es war kalt und windig, wir hatten Schlitten aus Holz und trugen Handschuhe und Mützen, die unsere Mütter gestrickt hatten. Einige wenige Erwachsene waren unterwegs, ansonsten aber gehörte für einen Tag ein Weg im Dorf einer Bande kreischender und schreiender Kinder.
Sogar der strenge Dorfschulze lächelte manchmal unter seiner Mütze hervor, wenn wir an ihm vorbeischlidderten und in einem Gebüsch landeten. Ein Dorf-Paradies im Schnee.
Es schneite stark in jenem Winter. Ich ging zur Grundschule, es war die zweite oder dritte Klasse, zu Beginn der 70er-Jahre also Wir Kinder toben stundenlang durch den Schnee, den unsere Eltern wohl verfluchten. Wir rutschten am liebsten an einem Hügel hinter dem Friedhof, wo wir mit genügend Schwung richtig weit auf die Wiesen hinauskamen.
Eines Tages entschloss sich die Gemeindeverwaltung zu einem tollkühnen Plan. Ein Weg, der leicht abschüssig war und mitten durchs Dorf verlief – man hätte ihn nicht als Straße bezeichnen können –, wurde für den Autoverkehr gesperrt. Am oberen Ende spannte der Dorfschulze eine Schnur, damit jeder Autofahrer wusste, dass er den Weg nicht als Abkürzung benutzen durfte.
Am unteren Ende, dem sogenannten Talweg, stellte sich der Dorfschulze selbst hin. Er hatte im Krieg einen Arm verloren und hielt eine große Glocke in seiner einen Hand. Mit der Glocke und lauten Rufen dirigierte er den geringen Autoverkehr, der an diesem Tag durchs Dorf floss.
Und wir Kinder konnten rutschen. Wir stellten uns mit unseren Schlitten oben am Weg auf, dann nahmen wir Anlaufen und rauschten durchs Dorf, vielleicht zweihundert Meter weit, für uns aber eine richtig große Entfernung, vorbei am Kindergarten und am Gemeindehaus, bis hinunter zur Metzgerei. Wir kreischten vor Begeisterung.
Es war ein Tag, den wahrscheinlich keines der Kinder vergessen wird, die daran teilnehmen konnten. Es schneite ununterbrochen, es war kalt und windig, wir hatten Schlitten aus Holz und trugen Handschuhe und Mützen, die unsere Mütter gestrickt hatten. Einige wenige Erwachsene waren unterwegs, ansonsten aber gehörte für einen Tag ein Weg im Dorf einer Bande kreischender und schreiender Kinder.
Sogar der strenge Dorfschulze lächelte manchmal unter seiner Mütze hervor, wenn wir an ihm vorbeischlidderten und in einem Gebüsch landeten. Ein Dorf-Paradies im Schnee.
11 Januar 2019
»La Antena« verblüffte mich
Ich erinnere mich nicht daran, den Film »La Antena« hierzulande wahrgenommen zu haben, als er 2007 herauskam. Ich sah ihn zuletzt an, weil ich eine Gratis-DVD besaß, auf der sich der Streifen befand. Und ich legte ihn mit einer gewissen Langeweile in den DVD-Player, so nach dem Motto, »wenn's nicht taugt, schmeiße ich die DVD gleich weg«.
Das Gegenteil war der Fall. Der Science-Fiction-Film verblüffte mich, er verwirrte mich streckenweise, ich fand ihn skurril und unterhaltsam, spannend und phantastisch. Ich kapierte nicht alles, und ich bin sicher, dass ich die DVD nicht zum letzten Mal angeschaut habe. (Dann kapiere ich hoffentlich jede Wendung innerhalb der Geschichte.)
Und worum geht es jetzt? Schwer zu sagen: Für den Film ist ein argentinischer Regisseur namens Esteban Sapir verantwortlich. Er ist komplett in Schwarzweiß gehalten, hat eine durchaus anstrengende Ästhetik und eine manchmal stressige Musik, kommt praktisch ohne Dialoge aus und ist im Prinzip ein »klassischer« Stummfilm.
Der Vergleich zu »Metropolis«, dem Meisterwerk aus dem Jahr 1927, ist angebracht. Auch in »La Antena« geht es um eine Stadt, die unter einer faschistisch wirkenden Herrschaft steht. Die Menschen können nicht mehr sprechen, sie werden mithilfe eines allmächtigen Fernsehprogramms kontrolliert. Nur eine einzige Sängerin ist in der Lage, ihre Stimme zu benutzen.
Ein Techniker, dessen Tochter sich mit dem blinden Sohn der Sängerin – er verfügt auch über eine Stimme – angefreundet hat, nimmt den Kampf gegen die Diktatur an. Es kommt zu Kämpfen in einer Funkstation, also in der »Antena«, und am Ende kommen die Freiheit des eigenen Wortes zurück zu den Menschen.
Das klingt ziemlich schräg, und das ist es auch. Die Schauspieler grimassieren oft, wie man das von den alten Stummfilmen her kennt. Wenn sie etwas sagen oder rufen, fliegen Buchstaben und ganze Wörter durch das Bild; die hektische Musik begleitet jede Bewegung. Eindrucksvoll und ungewöhnlich ist das, kein harmloser Science-Fiction-Spaß, sondern durchaus eine Unterhaltung, für die man das Hirn anschalten muss.
Aber das schadet in diesen Zeiten ja eigentlich nicht.
Das Gegenteil war der Fall. Der Science-Fiction-Film verblüffte mich, er verwirrte mich streckenweise, ich fand ihn skurril und unterhaltsam, spannend und phantastisch. Ich kapierte nicht alles, und ich bin sicher, dass ich die DVD nicht zum letzten Mal angeschaut habe. (Dann kapiere ich hoffentlich jede Wendung innerhalb der Geschichte.)
Und worum geht es jetzt? Schwer zu sagen: Für den Film ist ein argentinischer Regisseur namens Esteban Sapir verantwortlich. Er ist komplett in Schwarzweiß gehalten, hat eine durchaus anstrengende Ästhetik und eine manchmal stressige Musik, kommt praktisch ohne Dialoge aus und ist im Prinzip ein »klassischer« Stummfilm.
Der Vergleich zu »Metropolis«, dem Meisterwerk aus dem Jahr 1927, ist angebracht. Auch in »La Antena« geht es um eine Stadt, die unter einer faschistisch wirkenden Herrschaft steht. Die Menschen können nicht mehr sprechen, sie werden mithilfe eines allmächtigen Fernsehprogramms kontrolliert. Nur eine einzige Sängerin ist in der Lage, ihre Stimme zu benutzen.
Ein Techniker, dessen Tochter sich mit dem blinden Sohn der Sängerin – er verfügt auch über eine Stimme – angefreundet hat, nimmt den Kampf gegen die Diktatur an. Es kommt zu Kämpfen in einer Funkstation, also in der »Antena«, und am Ende kommen die Freiheit des eigenen Wortes zurück zu den Menschen.
Das klingt ziemlich schräg, und das ist es auch. Die Schauspieler grimassieren oft, wie man das von den alten Stummfilmen her kennt. Wenn sie etwas sagen oder rufen, fliegen Buchstaben und ganze Wörter durch das Bild; die hektische Musik begleitet jede Bewegung. Eindrucksvoll und ungewöhnlich ist das, kein harmloser Science-Fiction-Spaß, sondern durchaus eine Unterhaltung, für die man das Hirn anschalten muss.
Aber das schadet in diesen Zeiten ja eigentlich nicht.
10 Januar 2019
Verlorene Schreibprojekte 2018
Wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke, packt mich gelegentlich die Wehmut: Ich habe vergleichsweise wenig geschrieben und publiziert. Das ist vielleicht nicht richtig, weil ich irrsinnig viele Texte produzierte, in denen es um eine gewisse Science-Fiction-Serie ging – aber schaue ich mir an, was ich an eigenständigen Texten auf meiner 2018er-Liste stehen habe, finde ich meine Bilanz nicht gerade überzeugend.
Nachdem 2016 meine Kurzgeschichtensammlung »Für immer Punk?« erschienen war und 2017 mein Fantasy-Roman »Das blutende Land« folgte, ging ich davon aus, dass ich 2018 ebenfalls ein Büchlein in den Handel schieben könnte. Es existiert bereits einen Arbeitstitel, es gibt einen Überblick zu den Dingen, die darin veröffentlicht werden sollen – aber ich wurde schlicht nicht fertig. Die geplante Sammlung der »Magira-Geschichten«, was ich an dieser Stelle nicht weiter erläutern möchte, wird sich also mindestens auf Ende 2019 verschieben.
Immerhin scheint im Frühjahr 2019 das Buch endlich zu seiner Produktion kommen, an dem ich in den vergangenen Jahren immer wieder gearbeitet habe. Es ist ein Projekt, an dem ein Freund und ich gemeinsam tätig waren. Wer genau was an dem »Totengräber«-Geheimprojekt bastelte, werde ich irgendwann erzählen, wenn es raus ist. Ich mache drei Kreuze – hier passt das ja! –, wenn dieses Buch endlich erscheint.
Eine offene Wunde für mich ist mein Roman »Und: Hardcore!«. Dieser erschien in vielen Fortsetzungen im OX-Fanzine, ist der dritte Teil der »Peter Pank«-Trilogie und sollte endlich als Buch erscheinen. Aber dazu müsste ich alle Fortsetzungen noch einmal durcharbeiten, viel streichen und zusammenfassen – und irgendwie graust es mich ziemlich vor dieser Arbeit. Deshalb schiebe ich sie immer wieder vor mir her …
Ebenfalls geschoben habe ich ein Science-Fiction-Konzept. Ich hatte ein Exposé und die ersten Kapitel geschrieben, weil ich von einem Verlagskollegen dazu aufgefordert worden war. Leider fand er mein Konzept dann doch nicht gut, so dass nichts daraus wurde. Ich würde es natürlich gerne irgendwann zu Ende bringen und veröffentlichen.
Aber seien wir realistisch: Es geht nur eins nach dem anderen. 2018 war nicht gerade optimal. Vielleicht schaffe ich 2019 ein wenig mehr. Schauen wir mal …
Nachdem 2016 meine Kurzgeschichtensammlung »Für immer Punk?« erschienen war und 2017 mein Fantasy-Roman »Das blutende Land« folgte, ging ich davon aus, dass ich 2018 ebenfalls ein Büchlein in den Handel schieben könnte. Es existiert bereits einen Arbeitstitel, es gibt einen Überblick zu den Dingen, die darin veröffentlicht werden sollen – aber ich wurde schlicht nicht fertig. Die geplante Sammlung der »Magira-Geschichten«, was ich an dieser Stelle nicht weiter erläutern möchte, wird sich also mindestens auf Ende 2019 verschieben.
Immerhin scheint im Frühjahr 2019 das Buch endlich zu seiner Produktion kommen, an dem ich in den vergangenen Jahren immer wieder gearbeitet habe. Es ist ein Projekt, an dem ein Freund und ich gemeinsam tätig waren. Wer genau was an dem »Totengräber«-Geheimprojekt bastelte, werde ich irgendwann erzählen, wenn es raus ist. Ich mache drei Kreuze – hier passt das ja! –, wenn dieses Buch endlich erscheint.
Eine offene Wunde für mich ist mein Roman »Und: Hardcore!«. Dieser erschien in vielen Fortsetzungen im OX-Fanzine, ist der dritte Teil der »Peter Pank«-Trilogie und sollte endlich als Buch erscheinen. Aber dazu müsste ich alle Fortsetzungen noch einmal durcharbeiten, viel streichen und zusammenfassen – und irgendwie graust es mich ziemlich vor dieser Arbeit. Deshalb schiebe ich sie immer wieder vor mir her …
Ebenfalls geschoben habe ich ein Science-Fiction-Konzept. Ich hatte ein Exposé und die ersten Kapitel geschrieben, weil ich von einem Verlagskollegen dazu aufgefordert worden war. Leider fand er mein Konzept dann doch nicht gut, so dass nichts daraus wurde. Ich würde es natürlich gerne irgendwann zu Ende bringen und veröffentlichen.
Aber seien wir realistisch: Es geht nur eins nach dem anderen. 2018 war nicht gerade optimal. Vielleicht schaffe ich 2019 ein wenig mehr. Schauen wir mal …