Aus der Serie »Dorfgeschichten«
Es schneite stark in jenem Winter. Ich ging zur Grundschule, es war die zweite oder dritte Klasse, zu Beginn der 70er-Jahre also Wir Kinder toben stundenlang durch den Schnee, den unsere Eltern wohl verfluchten. Wir rutschten am liebsten an einem Hügel hinter dem Friedhof, wo wir mit genügend Schwung richtig weit auf die Wiesen hinauskamen.
Eines Tages entschloss sich die Gemeindeverwaltung zu einem tollkühnen Plan. Ein Weg, der leicht abschüssig war und mitten durchs Dorf verlief – man hätte ihn nicht als Straße bezeichnen können –, wurde für den Autoverkehr gesperrt. Am oberen Ende spannte der Dorfschulze eine Schnur, damit jeder Autofahrer wusste, dass er den Weg nicht als Abkürzung benutzen durfte.
Am unteren Ende, dem sogenannten Talweg, stellte sich der Dorfschulze selbst hin. Er hatte im Krieg einen Arm verloren und hielt eine große Glocke in seiner einen Hand. Mit der Glocke und lauten Rufen dirigierte er den geringen Autoverkehr, der an diesem Tag durchs Dorf floss.
Und wir Kinder konnten rutschen. Wir stellten uns mit unseren Schlitten oben am Weg auf, dann nahmen wir Anlaufen und rauschten durchs Dorf, vielleicht zweihundert Meter weit, für uns aber eine richtig große Entfernung, vorbei am Kindergarten und am Gemeindehaus, bis hinunter zur Metzgerei. Wir kreischten vor Begeisterung.
Es war ein Tag, den wahrscheinlich keines der Kinder vergessen wird, die daran teilnehmen konnten. Es schneite ununterbrochen, es war kalt und windig, wir hatten Schlitten aus Holz und trugen Handschuhe und Mützen, die unsere Mütter gestrickt hatten. Einige wenige Erwachsene waren unterwegs, ansonsten aber gehörte für einen Tag ein Weg im Dorf einer Bande kreischender und schreiender Kinder.
Sogar der strenge Dorfschulze lächelte manchmal unter seiner Mütze hervor, wenn wir an ihm vorbeischlidderten und in einem Gebüsch landeten. Ein Dorf-Paradies im Schnee.
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