30 Dezember 2016

Nur glückliche Gesichter an einem kalten Abend

Ich weiß nicht, wie oft in den 80er-Jahren ich die Band Walter Elf gesehen habe; es dürfte mehr als ein Dutzend Mal gewesen sein. Die Jungs aus Kaiserslautern spielten in allen möglichen Konzertorten in Süddeutschland, einmal veranstaltete ich – natürlich nicht allein – auch ein Konzert mit ihnen in Freudenstadt. Das ist alles lange her, die Band gibt es eigentlich nicht mehr, und die alljährlichen Gedenkkonzerte in Kaiserslautern hatte ich nie besucht.

Wenn Walter Elf allerdings in Karlsruhe spielt, muss ich hin – das war meine Devise, seit ich hörte, dass die Band zwischen Weihnachten und Neujahr in der »Alten Hackerei« auf der Bühne stehen würde. Am Donnerstag, 29. Dezember, war ich einigermaßen zeitig dort, stellte überrascht fest, wie viele bekannte Gesichter ich sah – nicht nur aus Karlsruhe –, und quetschte mich in den vollen Konzertraum.

Die Vorgruppe nannte sich Geld et Nelt, und ich verstand sie nicht. Das war irgendwie Musik-Kabarett: verkleidete Menschen auf der Bühne, die irgendwie Töne von sich gaben. Viele Leute lachten, ich konnte mit dem Witz der Pfälzer leider nichts anfangen. Man sagte mir aber, die Band sei sonst superwitzig. Vielleicht hatte ich schlichtweg einen schlechten Tag erwischt ...

Dafür überzeugte mich Walter Elf. Die schon recht angegrauten Herren sehen ja im Prinzip noch genauso aus wie vor dreißig Jahren, sind also »in Würde gealter«. Auf der Bühne zeigten sie keine Sekunde lang irgendwelche Alterserscheinungen. Es wurde mit breitem Grinsen gespielt und gesungen, die Band hüpfte wie in alten Zeiten herum und verbreitete ziemlich viel gute Laune.

Das übertrug sich sehr schnell auf das Publikum. In den vorderen Reihen wurde ein wenig gepogt, aber sehr zivil – kein Wunder bei den vielen Grauhaarigen im Saal ... –, in den hinteren Reihen wurde immerhin eifrig mitgesungen und getanzt. Die Stimmung war großartig, alles grinste, lachte und freute sich.

Ein großartiger Ausklang für das Konzertjahr 2016! Walter Elf können's immer noch, und das zeigten sie an diesem Abend. Gerne mal wieder: Auch wenn die 80er-Jahre schon verdammt lang vorüber sind, ist so eine Art von Vergangenheitsbewältigung witzig und gelungen genug.

29 Dezember 2016

Professor Klausen im Dienst

Da las ich also in aller Gemütsruhe den Hardcover-Band von »PERRY – Unser Mann im All«, erfreute mich an den skurrilen Geschichten und den mamchmal herrlich absurden Bildern, fühlte mich bestens unterhalten und kam irgendwann mal zur letzten Seite. Beim abschließenden Bild stutzte ich. Irgendwie kam mir der Kerl bekannt vor, den der Zeichner hier verewigt hatte.

Okay, ich blätterte wieder nach vorne und checkte die Geschichte noch einmal. Die Figur mit den seltsamen grünen Haaren und der seltsamen Brille wurde als »Professor Klausen« in die Geschichte eingeführt.

Das kann man auch als »Klaus N« lesen ... und so erhärtete sich der Verdacht. Ich finde ja nicht, dass ich so rundlich bin, und den debilen Gesichtsausdruck bekomme ich nur mit Übung hin, aber die Ähnlichkeit kann ich kaum abstreiten.

Um die lange Geschichte abzukürzen. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, in dem Comics der Alligator Farm »verarbeitet« wurden zu sein. Als »Professor Klausen« werde ich mich künftig dennoch nicht vorstellen; so weit kommt es nicht ...

28 Dezember 2016

Auf der Suche nach Alesia

Den Begriff »Alesia« kennt jeder, der auch nur einmal eine »Asterix«-Comic gelesen hat. In der Stadt Alesia fand im Jahr 52 vor Christi Geburt die große Schlacht statt, in der die römische Armee unter dem Befehl von Julius Cäsar die Gallier unter dem Kommando von Vercingetorix schlug. Das ist historisch, wenngleich die »Asterix«-Darstellung eher humoristisch ist.

Weil es an einem Tag während unseres Aufenthaltes in Burgund in Strömen regnete, steuerten wir den Museumspark Alésia an. Das architektonisch eindrucksvolle Gebäude liegt in der Nähe des Hügels, auf dem sich damals die Stadt Alesia erhob.

Die umliegenden Hügel waren Schauplätze erbitterter Kämpfe, in denen die Zukunft von Europa entschieden wurden. (Wer sich für die historischen Details interessiert, möge sich die entsprechenden Wikipedia-Einträge durchschauen oder ein vernünftiges Geschichtsbuch lesen.)

Der Museumspark besteht aus dem Nachbau römischer Festungsanlagen, die auch aus der Ferne interessant aussehen, die wir uns im strömenden Regen aber nicht anschauten, und einem schönen Interpretationszentrum. Dort kann man durch Ferngläser schauen und beispielsweise den Hügel betrachten, auf dem sich damals die gallische oder germanische Reiterei sammelte.

Die Ausstellung selbst ist – mithilfe von Audio-Guides in deutscher Sprache – echt toll gemacht. Es werden nicht nur die Waffen und die Kleidung der Soldaten präsentiert, sondern es wird auch darüber informiert, wie sich die Heere bewegten und wie die kulturellen Unterschiede damals aussahen.

Nicht nur weil es so sehr regnete, hielten wir uns über zwei Stunden in dem eindrucksvollen Multimedia-Museum auf. Als wir es verließen, hörte der Regen auf; dann konnten wir uns immerhin noch die Ausgrabungsstätte auf dem Hügel anschauen.

Wir standen auf den Trümmern des alten Alesia und sahen auf die Ebene hinunter, wo die Römer ihre kilometerlangen Gräben ausgehoben hatten. Schon faszinierend ... Dann regnete es allerdings wieder, und wir schauten, dass wir in ein Café kamen.

27 Dezember 2016

Die Springsteens aus Nova Scotia

Ich vermute, dass es die Jungs von den Stanfields irgendwann mal nerven wird, wenn ständig Vergleiche zu Bruce Springsteen aus der Schublade gezogen werden. Aber der »Boss« liegt als Verbindung einfach zu nahe.

Ich habe die Platte »Modem Operandi« gehört, die von der Band im September 2015 veröffentlicht worden ist. Die Band kommt aus Kanada, genauer gesagt aus Halifax in Neuschottland, und es handelt sich dabei um die dritte Platte.

Nach dem ersten Stück glaubte ich zuerst, die falsche CD in den Player gesteckt zu haben: »White Juan« ist ein heftiges Gewitter, knallig und kurz, nicht gerade Hardcore-Punk, aber doch sehr krachiger Rock’n’Roll. Danach werden die Stücke ruhiger, schon »The Marystown Expedition« könnte eher in Richtung Folk und Rock geschoben werden.

Unterm Strich macht die Band eine konservative Rockmusik, die gut gespielt ist und sich gut anhören lässt. Auf die Dauer finde ich es nicht sonderlich spektakulär, manchmal sogar ein wenig langweilig. Der Sänger erinnert in seinen stärksten Momenten tatsächlich an Springsteen; der Vergleich ist nicht falsch, und auch in den Songwriter-Abschnitten der Platte passt es.

Musik und Texte klingen nach den 80er-Jahren, aber im durchaus positiven Sinn. Die Stücke rollen in durchschnittlicher Geschwindigkeit vor sich hin, sie sind meist recht lang. Ganz klar: The Stanfields sind weit weg vom Punk oder Hardcore, den ich sonst gern höre – auf die Dauer finde ich sie trotz aller Qualitäten dann doch zu lahm.

24 Dezember 2016

Weihnachten 2016

Aus verschiedenen Gründen fuhr ich am Vormittag des 24. Dezember 2016 in die Innenstadt von Karlsruhe. Ich machte mich auf chaotische Verkehrsverhältnisse gefasst und überlegte mir, schon im voraus eine Flasche Baldrian zu trinken. Auf jeden Fall legte ich ruhige Musik in den CD-Player ein – man wusste ja nie.

Die Stadt war wie leergefegt. Kein Vergleich zu einem normalen Wochentag, kein Vergleich zum 23. Dezember. Es schien so, als schliefe sich ganz Karlsruhe am Heiligen Vormittag aus. Es waren Autos und Fußgänger unterwegs, aber deutlich weniger als sonst. Ich war verblüfft.

Meine Verblüffung legte sich, als ich Brötchen kaufen wollte. Ich spazierte zum »Bäcker Lörz«, wo die Schlange bis weit auf die Straße hinaus ging und die Menschen im Innern der Bäckerei dicht gedrängt standen. Da hatte ich dann wieder mein normales Weihnachtsempfinden zurück ...

23 Dezember 2016

Ein Filialist, der auf Niveau setzt

Das Klischee sitzt tief in den Köpfen, auch in meinem Kopf ist es verankert: Die großen Buchhandlungen setzen immer stärker auf »Schnelldreher« und Bestseller, also gängige Titel, die so platziert werden, dass sie auch vom Laufpublikum gekauft werden können. Das führe, so die Theorie, letztlich dazu, dass Buchhandlungen immer mehr die Einheitsware präsentieren.

Und das wiederum bringe es mit sich, dass der Kunde eben den neuen Dan-Brown-Roman oder sonst einen Bestseller auch direkt bei einem Internet-Versandhändler oder einem x-belebigen Kaufhaus erstehen könne. Die Massenmarkt-Buchhandlungen sorgen also durch ihre falsche Arbeit dafür, dass die Kundschaft abwandert – so eine gängige Klischee-Vermutung.

Erstaunlicherweise gilt das nicht immer. Ein schönes Beispiel ist die britische Ladenkette WH Smith. Vor vielen Jahren war das tatsächlich ein Filialnetz von Buchhandlungenm, läst aber verkaufen die einzelnen Läden vor allem allerlei Snacks oder sonstigen Krimskram. Jetzt aber scheint man auf »edel« zu setzen.

»The Bookshop by WH Smith« heißt das neue Konzept, das vor allem an den großen Flughäfen in Großbritannien verwirklicht werden soll. Die Läden sollen vorrangig Bücher anbieten, sie werden zwischen anderen Shops platziert, die hochpreisige Waren anbieten – man zielt also auf eine Kundschaft, die nicht auf den Cent oder Penny schaut –, und sie stellen nicht »Schnelldreher« in den Eingangsbereich, sondern klassische Literatur und Lyrik-Bände.

Lyrik? Das verkaufe sich doch nicht – zumindest erzählt man sich das in der Medienbranche seit vielen Jahren. Niemand will Lyrik lesen, die Auflagen von Gedichtsbänden sind erschütternd gering. Lyrik sei etwas für Kleinstverlage und darbende Dichter.

Schauen wir mal, wie lange WH Smith das Konzept durchhält. Bisher finde ich den Ansatz echt spannend. Flugreisende könnten in der Tat – weil sie ja die Muße haben –, während ihrer Reise auch etwas lesen, das den Kopf beschäftigt, anstatt ihn mit Massenmarkt-Lteratur eher einzulullen. Das wäre »in diesen Zeiten« ja nicht der dümmste Ansatz.

22 Dezember 2016

Ein halber Tag in Brancion

Es gibt Gemeinden in Frankreich – und auch in anderen Ländern der Welt, schon klar –, in denen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Eines dieser Dörfer besuchten wir im Sommer: Wir waren in Brancion, einer kleinen Landgemeinde in Burgund, einige Dutzend Kilometer von Dijon entfernt, wo wir für eine Woche eine Unterkunft bezogen hatten.

Brancion ist richtig klein, und es sieht auch richtig alt aus. So steht beispielsweise am Ortsrand eine Kirche, die aus dem zwölften Jahrhundert stammt, in der es alt und muffig riecht und von deren Vorplatz aus man einen tollen Blick über das Umland hat.

Die wenigen Häuser des Dorfes, das nach wie vor belebt ist, wirken alle wie ein Museum. Zwischen der Burganlage und der Kirche gibt es schmale Wege mit Kopfsteinpflaster, dazwischen stehen gewissermaßen die Häuser. Das wirkt manchmal wie eine Filmkulisse, ist aber wirklich sehr nett.

Selbstverständlich wird der Ort von Touristen komplett geflutet, wir machten keine Ausnahme. Aber wenn man ab und zu die Augen zukniff und an den Touristen vorbeisah, kam man sich vor wie in einem dieser französischen Historien-Comics. Das hatte was! (Gerne mal wieder ...)

21 Dezember 2016

Starke Erzählung vom Dirty Old Man

Es gab eine Zeit, in der mich Charles Bukowski ungemein faszinierte und auch inspirierte. Der amerikanische Autor schrieb über das Leben an der unteren Seite des amerikanischen Traums, über Saufen und Ficken, über die Pferderennbahn und grausige Jobs – und das beeinflusste mich sehr. Das war in den frühen 80er-Jahren, das ist lange her, und als ich zuletzt eine Bukowski-Geschichte lesen wollte, funktionierte sie für mich gar nicht.

Ich versuchte es dieser Tage erneut. »Der Andere« ist eine Bukowski-Erzählung, die in einem schicken Band zu Beginn der Nuller-Jahre im Maro-Verlag erschienen ist. Die großzügige Schriftgestaltung, die vielen Fotos und das extrem luftige Layout führen dazu, dass die Erzählung in einem 76 Seiten umfassenden Taschenbüchlein veröffentlicht wurde.

Mit zwölf Euro kostet das seinen Preis, die Auflage dürfte entsprechend gering sein – aber ich habe den Kauf nicht bereut. Das liegt sicher daran, dass ich die Geschichte gut fand, nicht umwerfend, nicht berauschend, aber in ihrer lakonischen Art überzeugend und für Phantastik-Fans sowieso überraschend.

»Der Andere« ist der Ich-Erzähler selbst. Er trifft einen anderen Mann, der ihm extrem ähnlich sieht. Der andere verhält sich sogar wie er, geht auf die Rennbahn, schläft mit derselben Frau, wirkt ähnlich zerknittert. Doch der Ich-Erzähler kommt nicht mit dem Doppelgänger klar und beschließt, etwas gegen ihn zu tun.

Die Geschichte ist schlicht erzählt, sie steuert konsequent auf einen Höhepunkt zu, sie verzichtet auf stilistischen Firlefanz und unnötige Erläuterungen. Wer von Bukowski nur »Saufen und Ficken« – also SF – erwartet, wird von der Geschichte enttäuscht sein, ebenso alle, die anspruchsvolle Literatur bevorzugen.

Für mich brachte es in gewisser Weise das alte Bukowski-Flair zurück. Vielleicht sollte ich doch einmal zu den alten Geschichten greifen und schauen, ob ich mit den Texten aus den 60er-Jahren heute wieder mehr anfangen kann ...

(Ach so, wer mag: Die ISBN ist 978-3-87512-255-8, und den Maro-Verlag hat auch einen Internet-Shop ...)

20 Dezember 2016

Der Terror und seine deutschen Freunde

Man mag es sich ja eigentlich nicht vorstellen, aber ich habe seit dem Montagabend eine schreckliche Vision: Ich sehe grinsende Angehörige einer Partei, deren dreibuchstabiges Kürzel ich jetzt lieber nicht schreibe, wie sie vor dem Fernseher sitzen und sich zuprosten, wie sie sich freuen, dass der Terror »jetzt endlich« wieder in Deutschland zugeschlagen hat. Ich krieg' das Bild nicht aus dem Kopf.

Wie sonst sind die Tweets und Facebook-Postings mancher Politiker zu erklären? Da werden die Toten von Berlin – ohne jegliches Schamempfinden, ohne jegliche Rücksicht auf die Opfer und die Hinterbliebenen – zu »Merkels Toten« erklärt. Da wird die Bundesregierung mit ihrer angeblich so liberalen Flüchtlingspolitik (was ist an brutalem Abschieben in Kriegsgebiete eigentlich »liberal«?) zu Paten eines Terroristen erklärt.

Mich schüttelt es, wenn ich im Fernsehen mitbekomme, wie hilflos Journalisten versuchen, den ungeheuerlichen »Vorfall« in Berlin einzuordnen, wie sie versuchen, so seriös wie möglich über den Schrecken zu berichten. (Ich hoffte übrigens lange, dass es sich tatsächlich um die Unfallfahrt eines besoffenen polnischen Lastwagenfahrers handelte. Man entschuldige diese rassistische Sicht auf die Bürger unseres östlichen Nachbarlandes.)

Mich schüttelt aber vor allem der ungeheuerliche Zynismus, den nicht irgendwelche rechtsradikalen Stammtischbrüder verbreiten, sondern sogenannte Politiker. Ich bekomme das Bild nicht aus dem Kopf: Sie freuen sich über die Toten, sie jubeln über den Terror, sie sind die klammheimlichen Freunde der islamistischen Terroristen.

19 Dezember 2016

Ein Jahresrückblick am Jahresende

Dieser Tage ist mein Jahresrückblick erschienen. Das klingt erst einmal nicht sonderlich aufregend: Das Jahr geht zu Ende, und jeder Mensch scheint irgendwelche Jahresrückblicke zu veröffentlichen. Ich gehöre also zu einer regen Minderheit in diesem Land.

Der kleine, aber feine Unterschied: Mein Jahresrückblick bezieht sich auf das Jahr 2015. Das ist zwar schon lange vorüber – aber mein Artikel wurde im Sommer 2016 verfasst und im »PERRY RHODAN-Jahrbuch 2015« veröffentlicht. Verantwortlich dafür ist der aktive Science-Fiction-Club Universum, kurz SFCU.

Der Artikel bezieht sich also auf meine Arbeit und die damit zusammenhängenden Romane.Warum das Jahrbuch so spät erschienen ist – und damit auch mein Artikel –, weiß ich nicht. Vielleicht ist das aber gar nicht schlecht: Schaut man mit dem Abstand von einem Jahr auf ein abgelaufenes Jahr zurück, werden einem manche Dinge im Nachhinein vielleicht wichtiger oder unwichtiger. Je nach dem ...

18 Dezember 2016

Niger, Baumwolle und Partnerschaften

Mahamadou Issoufou war zu Besuch in Berlin, nachdem Angela Merkel den Präsidenten des Niger kürzlich in Niamey besucht hatte. Es ging dabei um eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Niger, einem der ärmsten Länder der Welt. Wobei die Partnerschaft wohl vor allem darin besteht, dass Niger künftig seine Grenzen für Migranten dicht machen soll, damit diese erst gar nicht versuchen, bis zum Mittelmeer zu reisen.

Niger ist ein Beispiel dafür, wie doppelbödig die Moral bei all diesen Diskussionen ist. Wann immer es heißt, man solle die »Fluchtursachen bekämpfen«, wird die Entwicklungshilfe ins Feld geführt. Hier investiere man schließlich sehr viel Geld, und das diene dazu, die Leute in ihren jeweiligen Ländern zu halten.

Ich bin alles andere als ein Experte für den Niger. Ich war einmal in diesem Land: im Dezember 1987 und einige Tage im Januar 1988. Ich fuhr dort Fahrrad und Buschtaxi, ich aß und trank, ich diskutierte in meinem schlechten Schulfranzösisch, und ich schaute zu.

Zumindest damals hatte Niger außer Sand und Dreck nicht viel zu bieten. Das Land liegt in der Sahelzone; im Norden beginnt die Sahara, im Süden beginnen dann die Tropen. Sieht man von dem Fluss Niger und seinen Ufern ab, gibt es wenig fruchtbare Gebiete.

Zur großen Freude der französischen Partner gibt es im Norden des Landes allerdings Uran. Als wir an Arlit vorbeifuhren, sahen wir die Abraumhalden, die man irgendwo ins Land geschüttet hatte. Das Uran wird ausgeführt, die Leute in den Dörfern ringsum haben nichts davon.

Ein anderes wichtiges Ausfuhrprodukt damals war Baumwolle. Die wurde an den Ufern des Niger angebaut – das bringt ja schließlich Devisen. Grundahrungsmittel für die eigene Bevölkerung, für die man auch fruchtbaren Boden gebraucht hätte, erbringen keine Devisen.

Man muss weder viel von Politik noch von Entwicklungshilfe verstehen, um zu erkennen, dass wir in Europa diese Länder in Nord- und Westafrika gnadenlos ausbeuten. Wenn wir also versuchen wollten, die Fluchtursachen ernsthaft zu bekämpfen, müssen wir einige Aspekte unserer grundsätzlichen Politik ändern. Und unsere Wirtschaft. Und und und ...

Aber es es klingt natürlich dynamischer, über Sichtsheitspartnerschaften zu verhandeln, Grenztruppen zu bewaffnen und – idealerweise – auch noch lange Zäune durch die Wüste zu ziehen. Helfen kann man damit weder den Leuten vor Ort noch den regierenden Parteien bei uns. Aber letzteres ist eh wieder eine ganz andere Geschichte ...

17 Dezember 2016

»Arrival« überzeugte mich voll und ganz

Auffallend war, wie still es im Kino war und blieb ... Diesen Eindruck nahm ich mit, als ich den Saal verließ, noch wie betäubt von dem spannenden und emotionalen Science-Fiction-Film. »Hammer«, sagte ich, als ich draußen war, und mehr fiel mir anfangs nicht ein.

Ja, ich sah jetzt auch endlich »Arrival« und bin völlig begeistert von diesem Streifen, der gute Aussichten hat, in meinen persönlichen SF-Top-Ten ganz weit vorne zu landen. (Nachdem ich »Arrival« gesehen habe, ist mir noch bewusster geworden als zuvor, dass ich die neue »Star Wars«-Schmonzette nicht anschauen möchte.)

Die Handlung wurde mehrfach in diversen Blogs sowie in allen möglichen Medien erzählt. Ich muss das hier sicher nicht wiederkäuen: Aliens landen auf der Erde – oder schweben knapp über ihr –, der Kontakt erweist sich als sehr schwierig, und eine junge Linguistin übernimmt die Aufgabe, in Diensten der US-Army mit den Aliens zu »sprechen«.

Dabei verändert sich nicht nur ihre Sicht der Dinge, sondern sie selbst verändert sich. Und als am Ende die Außerirdischen abziehen, hat sich auch die gesamte Welt verändert.

Bekanntlich ist der Ausgangspunkt für den Kinofilm eine Erzählung von Ted Chiang – sowieso ein bewundernswerter Autor. Um daraus einen Kinofilm zu machen, wurde der ursprüngliche Kern der Geschichte stark verändert und ergänzt; das war in diesem Film aber sinnvoll und störte nicht im geringsten.

Ganz im Gegenteil: Der Film ist jetzt emotionaler, die Story ist vielschichtiger, die Zeit mit all ihren Ausprägungen spielt eine größere Rolle. »Arrival« ist ganz großes Kino; sicher einer der besten Science-Fiction-Filme überhaupt. Wer noch nicht drin war: unbedingt anschauen!

16 Dezember 2016

Die »Comixene« mit Nummer 121

In den frühen 80er-Jahren war die »Comixene« eine unverzichtbare Lektüre für mich und viele andere Freunde der grafischen Literatur. Mittlerweile ist diese Zeitschrift wieder da, und wenn ich die Muße habe, sie komplett zu lesen, bin ich immer wieder von den vielen Informationen sowie dem journalistischen Niveau begeistert. Zuletzt las ich die Ausgabe 121 – und zwar ziemlich komplett.

Als Titelthema wählte die Redaktion den Zeichner Philippe Chappuis, der hierzulande mittlerweile auch bekannter wird – allerdings unter seinem Namen Zep. Zwischen Porno, lustigen Cartoons und dem schrägen Funny »Titeuf« bewegt sich dieser vielseitige Künstler, der ausführlich porträtiert wird.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Rezensionen und Informationen, alles in einem schönen übersichtlichen Layout und mit zahlreichen Bildern garniert. Gern las ich einen Beitrag über Hansi Kiefersauer, dessen ersten Comic-Hefte ich ebenfalls zu Beginn der 80er-Jahre kaufte und las. Interessant fand ich Rückblicke auf alte Comic-Zeiten, etwa von Peter Wiechmann.

Schwierig an dem Magazin finde ich halt echt, dass es auf 110 Seiten so viele Hinweise auf Comics gibt, die ich unbedingt lesen möchte, dass es mich fast erschlägt. Das ist halt der entscheidende Hinweis zu meiner ersten »Comixene«-Lesezeit: Damals hatte ich kein Geld, aber mehr Zeit ...

Trotzdem: sehr lesenswert, wieder einmal. Die 8,90 Euro für das Magazin sind gut angelegt, finde ich. Und wer sich dafür interessiert, findet es im Comic-Fachgeschäft oder im Internet.

15 Dezember 2016

Wenn Literaturkritik auf Science Fiction trifft ...

Weil ich zuletzt die Kurzgeschichtensammlung »Babys machen« von Laurie Penny gelesen habe, über die ich eine Rezension schreiben wollte, schaute ich im Netz, was zu diesem Buch bislang gesagt worden ist. Es ist teilweise absurd und belegt meine Vorbehalte gegen das sogenannte Bildungsbürgertum.

Keine Rezension kommt ohne ausführlichen Hinweis auf die politische Einstellung der Autorin aus. Immer werden ihre feministischen Bücher und Aufsätze erwähnt. Dass sie hier eine Sammlung mit gelungenen Science-Fiction-Geschichten vorgelegt hat, scheint weniger wichtig als ihre politische Arbeit zu sein.

Amüsant finde ich, dass die meisten Artikel ausschließlich und allein die Titelgeschichte inhaltlich beleuchten. Das könnte bedeuten, dass die Rezensenten eben die Titelgeschichte gelesen haben, mehr nicht. Es passt zudem ins Bild, dass eine Rezensentin die Kürze der Texte beklagt – seit wann müssen Kurzgeschichten denn lang sein und eine politische Botschaft ausformulieren?

Was bleibt, ist zweierlei: eine gelungene Sammlung von SF-Kurzgeschichten, die mich durchaus neugierig auf die politischen Texte der Autorin macht – und wieder einmal ein Kopfschütteln über die deutsche Presselandschaft. Wie so oft, bleibt als mögliches Fazit: Wir haben sicher kein Lügenpresse-Konglomerat, aber wir haben viel zu oft eine ausgeprägte Deppenpresse.

14 Dezember 2016

Der vierte Teil mit vielen Gesprächen

Ich gestehe es selbst: Der vierte Teil meines aktuellen Fortsetzungsromans »Der gute Geist des Rock'n'Roll« ist ein wenig spannungsarm. Ich merkte es, als ich die veröffentlichte Version las; beim Selbstschreiben fallen einem die eigenen Schwächen ja eher selten auf.

Im Prinzip sitzt der Ich-Erzähler lang mit seinem Kumpel auf einer Bank herum, trinkt Bier und hört Musik. Dann wird ein wenig uriniert und viel Scham empfunden, bevor es zu einer kleinen Fahrt mit dem Rad durch die nächtliche Stadt kommt. Das ist zwar eine recht angenehme Mini-Szene, aber ein Spannungskracher sieht tatsächlich anders aus ...

Hin wie her: In der Ausgabe 129 des OX-Fanzines ist dieser Text enthalten. Ich freue mich über die Veröffentlichung und amüsiere mich ein wenig darüber, wie alt die Herren von Neurosis auf dem Cover aussehen. Dass ich die Band mal wichtig fand, ist schließlich auch gut ein Vierteljahrhundert her – da passt dann meine Geschichte exakt zum Cover ...

13 Dezember 2016

Winfried Brand ist tot

Man kann nicht sagen, dass ich Winfried Brand gut kannte. Aber im Verlauf der Jahrzehnte, die ich mich mit Science Fiction und Fantasy beschäftige, bin ich ihm immer wieder über den Weg gelaufen. Umso schockierender war für mich heute die Nachricht, dass er im Verlauf der heutigen Nacht verstorben ist. Ich wusste, dass er krank war, und ich hatte gehört, dass er ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Winy war Jahrgang 1967 ...

Als Science-Fiction-Fan war mir Winfried Brand seit den frühen 80er-Jahren ein Begriff; er wirkte vor allem im Umfeld der Kölner Fans, war am SFC Die Terraner ebenso beteiligt wie an der Organisation der ColoniaCons. Wann genau er ins Fandom kam, kann ich leider nicht nachvollziehen – es muss zu Beginn der 80er-Jahre gewesen sein,

Zu seinen frühesten fannischen Aktivitäten zählte die Redakteurstätitgkeit für »Terraner Intim«, das Fanzine des SF-Clubs »Die Terraner« in Köln. Auch das Fanzine »Empire« wurde von ihm betreut, von der Erstausgabe im Herbst 1983 bis in die Mitte der 80er-Jahre.

Richtig aktiv war er vor allem in den 90er-Jahren, als er das Fanzine »Vurguzz« veröffentlichte; wie viele Ausgaben davon wirklich erschienen, weiß ich leider gar nicht. Sein wichtigstes Fanzine dürfte in dieser Zeit das »Flash« gewesen sein. Von 1997 bis 1999 veröffentlichte er es, brachte Rezensionen sowie Informationen über die Fan- und die Verlags-Szene und  erreichte insgesamt fünfzig Ausgaben. Parallel dazu brachte er mit »Abgelocht« ein weiteres Fanzine heraus.

Zu den Fanzines, die er mitbetreute, zählte aber auch die skurrile Horror-Serie »Warlock«, die in den späten 80er-Jahren entstand und bis in die zweite Hälfte der 90er-Jahre verlegt wurde. Auffallend war generell seine Freude für satirische Fan-Fiction. Von ihm stammt der Science-Fiction-Ulk »Die Nöte des Captains«, und er wirkte an der Serie »Dunkey De Silver« mit, die zwerchfellerschütternde Gags zu Hauf lieferte. Sogar an dem Fantasy-Fanzine »New Tales From The Die World« arbeitete er im Jahr 1996 mit.

Unvergessen bleibt sicher sein Engagement für den ColoniaCon, die traditionelle Fan-Veranstaltung in Köln. Er kümmerte sich vor allem zu Beginn der Nuller-Jahre um das Programm und um die Con-Informationen, war aber davor wie danach immer wieder als Akteur anzutreffen.

In den Nullerjahren verlor ich Winfried Brand aus den Augen; als E-Book-Produzent erlebte ich ihn wieder. Für unsere Redaktion digitalisierte er zahlreiche Romane und produzierte für uns Epub-Dateien, die wir als Grundlage für unser E-Book-Geschäft nahmen. Im Jahr 2015 startete er zudem den Wibra-Verlag, in dem er »Lesestoff aus dem reichhaltigen Schatz der Trivialliteratur des frühen zwanzigsten Jahrhunderts« zum kostenfreien Download anbot.

Jetzt ist er tot, und ich kann es kaum glauben.

12 Dezember 2016

Gedichte von Untergang und Tragik

Seit ich in den 80er-Jahren zum ersten Mal ein Gedicht von Georg Trakl gelesen habe, fasziniert mich dieser Lyriker. Deshalb griff ich auch zu, als ich das Buch »In den Nachmittag geflüstert« in einer Buchhandlung fand; erschienen ist es im Marix-Verlag, der sich auf schön gemachte, preisgünstige Hardcover-Bände mit Klassikern spezialisiert hat.

Im Zeitraum von gut einem Jahr las ich immer wieder in diesem Buch – ich war jedes Mal fasziniert und irritiert. Manche Gedichte las ich zwei- oder dreimal hintereinander. Und immer wieder blätterte ich durch das Buch, um einzelne Verse noch einmal zu lesen, mich an ihrem Sprachbild zu berauschen oder zu rätseln, was Trakl mit mancher Formulierung gemeint haben könnte.

Trakl war eine tragische Gestalt. Der Autor wurde 1887 geboren und starb bereits 1914 – das Grauen des Ersten Weltkriegs brachte ihn letztlich um. Doch schon zuvor hatte er sichtlich Probleme mit der Welt, was sich in starken Bildern und einer teilweise drastischen Sprachgewalt in seinen Gedichten zeigte.

Gerade Texte wie »Menschliches Elend« machen klar, wie düster seine Gedankenwelt gewesen sein musste: »Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt / Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen, / Im Abendgarten kahle Bäume sausen. / Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.« Selbst Gedichte, die im Wesentlichen aus Naturlyrik bestehen, sind düster und voller Sprachbilder, die irritieren und auch verschrecken können.

Dass man diesen Stil als expressionistisch bezeichnet, weiß ich auch nur aus irgendwelchen Lexikonartikeln; von Lyrik verstehe ich nicht wirklich etwas. Aber Trakls Werk ist faszinierend und eindrucksvoll, die von ihm gewählte Sprache wirkt kraftvoll und rhythmisch. Das kann kein Mensch jeden Tag lesen – aber wenn ich in dem Buch blättere, stoße ich immer wieder auf Verse, die mich beeindrucken.

Gut an dem Buch ist nicht nur, dass es Gedichte aus den Jahren 1909 bis 1914 enthält, sondern ebenso eine Einführung von Katharina Maier. Diese macht noch einmal klar, wie Trakl lebte und welche Hintergründe es für seine Texte gibt.

Ein lohnenswertes Buch, absolut! Und für 222 Seiten im Hardcover und mit Schutzumschlag ist der Preis echt »wie geschenkt«. (Okay, die Texte sind rechtefrei, das reduziert die Kosten für den Verlag natürlich. Aber trotzdem ...)

11 Dezember 2016

Im Weinkulturellen Zentrum

Das Tal der Mosel lag unter einer dichten Hülle aus Nebel. Die Weinberge verschwanden in einer grauen Suppe, und wenn man von der Brücke aus über den Fluss blickte, sah man bald keine weiteren Häuser mehr, sondern nur noch das Grau des Nebels. Wir waren in Bernkastel-Kues, mitten im Moselland, und das Wetter empfing uns eher herbstlich und weniger winterlich.

Aber das empfand ich nicht als so schlimm. Wir steuerten das Weinkulturelle Zentrum der kleinen Stadt an, das auch für die umliegenden Gemeinden gilt, und staunten im Keller über die Unmengen an Wein, die dort präsentiert und zum Verkauf angeboten wurden. Vor allem gab es haufenweise Riesling, aber in dem verwinkelten Gewölbe warteten zahlreiche andere Weine auf uns.

Jeder Wein wurde schön beschrieben, zu jedem Wein gab es weitere Angaben. Ich war gut eine Stunde lang damit beschäftigt, nur diese Dinge zu lesen und von den Beschreibungen her ins Träumen zu kommen.

Spontan überlegte ich mir, einfach von allen Weinen, bei denen in der Beschreibung ein »trocken« stand, eine Probierflasche einzupacken. Aber einfache Mathematik belehrte mich, wie unsinnig der Gedanke war: Für die Unmngen von Wein hätte das Auto nicht ausgereicht, und genügend Finanzen hatte ich auch nicht.

Also beließen wir es bei einer kurzen, sehr oberflächlichen Probe einiger weniger Weine, kauften dann doch ordentlich ein und schieden mit breitem Grinsen sowie großer Vorfreude. Ich bin sicher, dass Bernkastel eine hübsche Stadt ist, die vor allem bei Sonnenschein ihre »romantischen Reize« entblättert; mir genügte an diesem Tag allerdings das Weinkulturelle Zentrum vollauf.

09 Dezember 2016

Die Halbzeit von Punk

Weil ich eine Radiosendung über Lookout Records machte, hörte ich mir einige Male bewusst den Sampler »Heide Sez« an. Keine Ahnung, wann ich das zuletzt getan hatte – wahrscheinlich war es 15 Jahre her, und seither gammelte die CD in einer Kiste vor sich hin. Erschienen war der Sampler im Jahr 1996, in gewisser Weise bildete dieses Jahr die »Halbzeit des Punkrock«.

Zumindest von heute aus gesehen ... Punkrock begann irgendwann im Sommer 1976, die Gelehrten mögen sich gern über das exakte Datum streiten. Mittlerweile schreiben wir 2016 – da bildet 1996 tatsächlich die Halbzeit. Damals konnte es unsereins nicht fassen, dass es Punk schon zwanzig Jahre gab und immer noch neue Leute in diese Szene stießen, sie bereicherten und auch wieder verließen. Heute ist Punk für einige Leute endgültig museal geworden, andere leben ihn nach wie vor.

Diese Halbzeit-Phase spiegelt sich im Sampler wieder. Die Hardcore-Welle hatte ab Mitte der 80er-Jahre die amerikanische Szene komplett umgekrempelt, in der Mitte der 90er-Jahre gab es eine Gegenbewegung mit Bands, die sich auf den alten Sound beriefen. Nicht alles konnte dabei so richtig gut sein.

Aber so versammelten sich auf dem Sampler eben Bands wie The Crumbs, die rotzigen Punkrock spielten, der sich von den alten Säcken beeinflussen ließ, aber nicht altmodisch klang. Ebenso hörte man aber bewusst altmodisch klingenden 77er-Punk von Bands wie den Smugglers. Dazu kamen Pansy Division, die mit ihrer extreme poppigen Attitüde und Texten über schwules Lebensgefühl überraschten.

The Queers rotzten wie immer, Mr T Experience sowieso, Citizen Fish bildeten die Alte-Männer-Truppe, und Avail waren damals noch eine knackige junge Punkrock-Band. Und so weiter; insgesamt bot der Sampler eine hervorragende Mischung.

Das beste daran ist, dass man den auch zwanzig Jahre danach noch gut hören kann – das geht nicht mit allen Platten aus dem Jahr 1996 ...

08 Dezember 2016

Der Krieg und die Disruption

Sieht man von manchen martialischen Formulierungen ab, finde ich das Interview echt lesenswert, das die Redaktion von »Wired« mit dem Investor Frank Thelen führte. Man muss das jetzt sicher nicht alles glauben – was er über die mangelnde Digitalisierung deutscher Unternehmen sagt, ist zumindest bedenkenswert.

Für Science-Fiction-Fans sind manche Fragen durchaus spannend, weil man so etwas ja auch schon in der Literatur gelesen hat. Thelen sieht Zuwächse bei der Mobilität, spricht von E-Motoren und dem Self-Driving Car. Interessant: »Künstliche Intelligenz wird in fast alle Wirtschaftsbereiche eingreifen, nicht nur in der Kundenberatung.«

Weniger glaubhaft finde ich stets den Alarmismus. Wenn er vom Krieg fabuliert, finde ich Thelen bedenklich: »Die haben alle den Krieg noch nicht gesehen. Aber der Krieg kommt. Und zwar in jeder einzelnen Industrie.« Andererseits passt das zur Theorie der großen Disruption, die man neuerdings öfter zu lesen kriegt.

Langer Rede kurzer Sinn: lesenswertes Interview, bedenkenswerte Überlegungen, kritische Ansätze zu Hauf. Viele Bundespolitiker sollten sich das anschauen, nicht nur Firmenbosse.

Die erste Lesung im Jahr 2016

Mein Kurzgeschichtenband »Für immer Punk?« erschien bereits vor der Buchmesse in diesem Jahr. Es dauerte zwei Monate, bis ich es schaffte, eine erste Lesung abzuhalten; veranstaltet wurde sie am Mittwoch, 7. Dezember 2016, in den Räumen der »Alten Hackerei« in Karlsruhe. In dieser gepflegten Punkrock-Kneipe bin ich gelegentlich eh anzutreffen, wenn ich mir irgendwelche Bands anschaue – diesmal saß ich auf der Bühne, hatte eine schicke Lampe vor der Nase und las aus meinem Buch vor.

37 zahlende Gäste hatten sich eingefunden, was dazu führte, dass der ordentlich bestuhlte Konzertraum auch ordentlich gefüllt wirkte. Weil ich sehr nervös war, musste ich erst einmal ein Bier trinken, bevor ich mit der Lesung anfing. Und dann war’s so, dass ich anfangs viele Fehler beim Vorlesen machte, dann aber langsam fitter wurde; gegen Ende war ich halbwegs professionell.

Ich begann mit einer Geschichte, die in Freudenstadt spielte und mit der »Revolution vor dem Hotel Post« zu tun hat, wechselte dann mit einer etwas knalligeren Geschichte ins beschauliche Rastatt, um mit »Der Super-Diver« eine kurze Punkrock-Geschichte einzuschieben. Für einiges Gelächter sorgte die in Karlsruhe spielende Geschichte vom »Putzfrauen-Geschwader«.

Es schloss sich eine eher depressive Geschichte aus Freudenstadt an, gefolgt von einer amüsanten Geschichte, ebenfalls aus Freudenstadt. Ich hatte mich bewusst für Geschichte entschieden, die nicht unbedingt in Karlsruhe spielten – es waren immerhin Personen anwesend, die in den Geschichten »verarbeitet« worden waren.

Danach verkaufte ich eifrig Bücher und tauschte mit schreibenden Kollegen, redete mit Besucherinnen und Besuchern der Lesung und kam so erst gegen Mitternacht aus der »Alten Hackerei« heraus. Für mich war’s ein toller Abend; den meisten Besuchern hatte es wohl auch Spaß gemacht.

07 Dezember 2016

Mitten im modernen Bodenkrieg

Wie knallig und auch aggressiv die neuen Hörspiele der Serie »Mark Brandis – Raumkadett« sind, belegt die Folge sieben, die ich zuletzt gehört habe. Das Hörspiel trägt den Titel »Laurin« und spielt im heutigen Aserbeidschan.

In der nahen Zukunft des 22. Jahrhunderts ist die Stadt zwischen den Truppen der Union und der Republiken umkämpft. Der junge Mark Brandis und einige seiner Kameradinnen und Kameraden von der Akademie werden in die heftigen Gefechte verwickelt. Das ist ein ziemlich knalliger Einschnitt in der bisherigen Serie ...

Die eigentliche »Mark Brandis«-Serie spielt vor allem zwischen den Monden und Planeten des Sonnensystems, die Jugendabenteuer des Raumfahrers Mark Brandis sind zumeist auf der Erde der nahen Zukunft angesiedelt. Auf dieser geht es leider nicht sehr friedfertig zu. Das rundet die ursprünglichen Romane gut ab – für die Fans der Serie sind die Hörspiele auf jeden Fall von großem Interesse.

Bei »Laurin« kommt zudem eine Science-Fiction-Idee zum Tragen, die in Richtung Cyberpunk geht. Brandis und seine Freunde werden in riesige Roboter verfrachtet, die in den Bodenkämpfen eingesetzt werden; ihre Gedanken werden gekoppelt, sie interagieren mit Computern und Raketen. Das ist originell geschrieben und wird durch die Geräusche sehr gut umgesetzt.

Alles in allem entsteht so eine spannende Geschichte, die knallharte militärische Aktionen schildert. Tod und Vernichtung werden nicht direkt thematisiert, es wird stets klargemacht, dass bei den Gefechten viele Menschen sterben. Die harte Action passt dann allerdings nicht ganz zu den früheren »Brandis«-Geschichten.

Mir hat das gefallen, ich fand die Geschichte hervorragend umgesetzt und inszeniert. Balthasar von Weymarn und sein Team von Interplanar Produktion schaffen es auch bei »Laurin«, packende Science-Fiction-Unterhaltung zu liefern, die sich zwar an eine jüngere Zielgruppe richtet, bei der ein erwachsener Science-Fiction-Fan wie ich aber ebenfalls auf seine Kosten kommt ...

06 Dezember 2016

Mein Buch in den »BNN«

Im »Sonntag«, der kostenlosen Sonntagszeitung der »Badischen Neuesten Nachrichten«, erschien bereits Ende November ein schöner Artikel über mein Buch »Für immer Punk?«, den ich an dieser Stelle gern präsentiere. (Mit freundlicher Genehmigung der  »Sonntag / BNN«-Redaktion.)

Schön finde ich diesen Satz: »Man taucht ein in die spießige Sonntagnach-mittagswelt einer Kleinstadt, man leidet mit bei der Abi-Feier und man nimmt lebhaft teil am Erwachsenwerden eines jungen Mannes, der irgendwie anders ist als die meisten seiner Mitschüler.« Besser hätte ich es nicht ausdrücken können!

Meine erste Lesung aus dem aktuellen Buch

Der Mittwoch, 7. Dezember 2016, hat es in sich. Zumindest für sich, soviel kann ich schon jetzt sagen. Ich werde in der »Alten Hackerei« in Karlsruhe zum ersten Mal nicht im Publikum stehen, sondern irgendwo sitzen und selbst vor einem Publikum auftreten. Keine Ahnung, wie viele Menschen das interessieren wird – allein schon deshalb bin ich ein wenig sehr nervös.

Der andere Grund, nervös zu sein, ist hoffentlich gut zu verstehen: Es ist die erste Lesung aus meinem neuen Buch, der Kurzgeschichtensammlung »Für immer Punk?«. Texte aus dem Buch habe ich in früheren Jahren immer wieder vorgetragen; im Buch sind sie aber so stark bearbeitet und verändert geworden, dass sie eigentlich allesamt neu sind und so betrachtet werden sollten. Und leider hat es bislang nicht geklappt, die Lesung im voraus so richtig zu proben.

Hin wie her, jetzt der Werbeblock: Die Lesung beginnt offiziell um 20 Uhr; und wir wollen nicht zu spät anfangen. Ich nehme an, dass es Bier an der Theke gibt – wen also mein Lesen und Erzählen stört, kann sich ja an seinem/ihrem Bier festhalten. Das gibt bekanntlich den entscheidenden Halt im Leben ...


05 Dezember 2016

Punk aus Europa gespielt

Manchmal kann es ja ganz gut sein, wenn man aus der Not eine Tugend macht. So bei mir und dem Querfunk: Weil ich nach wie vor nicht mit dem bescheuerten Notsystem arbeiten kann, spiele ich keinen Vinylscheiben ab. Also muss ich mit solchen CDs meine Radiosendung machen, die ich eben zur Verfügung habe und die noch nicht gelaufen sind.

Entsprechend grob verlief die Planung für die Radiosendung am Sonntag, 4. Dezember 2016. Recht spontan erklärte ich »Punk aus Europa« zum Motto, was erstaunlich gut funktionierte. Zumindest meine Musikauswahl fand ich nach der Sendung richtig gut.

Unter anderem spielte ich die irische Band OnOff, deren knackiger MelodiePunk echt gut kommt. Aus Italien brachte ich mal wieder NH3 mit ihrem Skapunk und Los Fastidios mit ihrem immer überzeugenden Streetpunk.

Aus Großbritannien stellte ich die göttliche Punkrock-Band HDQ vor, die ich seit vielen Jahren liebe, und die neuere Band Baddies, die so eine Art Wave-Punk spielen und ziemlich klasse klingen. Sad But True stammen aus Luxemburg und machen Deutschpunk, allerdings in Luxemburger Sprache.

Den Schluss bildeten Psychoterror aus Estland und Distemper aus Russland. Schon rein geografisch hatte ich damit eine schöne Europa-Mixtur hingelegt.

04 Dezember 2016

Phantastische Tierwesen

Es dürfte in diesen Tagen nur wenige Filme geben, über deren Inhalt man weniger erzählen muss, über die eigentlich schon jeder Bescheid weiß: Ich war in »Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind«, habe mir die IMAX-Version gegönnt und war sehr begeistert. Was hätte man bei diesem Film und bei diesem Thema alles kaputt machen können ... Mit welchen Gefühlen habe ich die Ankündigung damals wahrgenommen ...

Der Film spielt bekanntlich im selben Universum wie die »Harry Potter«-Geschichten, die als Film wie als Buch unglaublich erfolgreich waren. Diesmal geht es aber um den Autor Newt Scamander, der in den zwanziger Jahren nach New York reist, mit einem kleinen Handkoffer als einzigem Gepäck. Er stößt in New York auf andere Zauberer, lernt einen sympathischen Bäcker kennen und muss sich mit allerlei Monstern herumschlagen.

Ich fand den Film großartig! Er ist der Beweis dafür, dass Autorinnen nicht unbedingt schlechte Drehbuchschreiber/innen sein müssen. Er ist der Beleg dafür, dass man auch ein vorhandenes Universum weiter »ausschlachten« kann, ohne dass es doof ist. Und er zeigt zudem, dass man Aliens und Wunderwesen lebensnah, humorvoll und warmherzig zeigen kann.

Bei diesem Streifen freue ich mich schon auf die Fortsetzung. Gern auch mit denselben Schauspielern, die ich allesamt sehr sympathisch fand ...

02 Dezember 2016

Ein deprimierender Kriminalfall

Dass sich Georges Simenon bei seiner legendären »Maigret«-Krimis nicht gerade um die kontinuierliche Entwicklung seiner Hauptfigur kümmerte, störte mich noch nie. Irgendwann werde ich sicher nachlesen, warum er welchen Roman zu welcher Zeit verfasste – Literatur über den bekannten Autor und seinen Detektiv gibt es schließlich genug.

Bei »Maigret macht Ferien«, dem Band 28 der bei Diogenes erscheinenden Reihe, fällt das besonders auf. Der Autor verfasste ihn 1947 in Tuscon, Arizona, weit entfernt von Frankreich und seinen beschaulichen Gemeinden. Und doch siedelte er genau dort seinen Roman an: in der Kleinstadt Les Sables d'Olonne an der Atlantikküste.

Maigret und seine Frau machen dort Urlaub. Wie es der Zufall will, erkrankt Madame Maigret und muss ins örtliche Krankenhaus. Der Kommissar langweilt sich ziemlich und verbringt die Tage damit, durch die Kleinstadt zu schlendern, in die Restaurants und Bars zu gehen und viel zu viel Weißwein zu trinken. Als er auf die Spur eines unklaren Todesfalles gebracht wird, darf er zwar nicht offiziell ermitteln, steckt aber seine Nase in allerlei Familienverhältnisse.

Der Roman ist streckenweise amüsant: Maigret gilt als Berühmtheit, er kann nicht einfach durch eine Kleinstadt gehen, ohne dass ihn die Leute erkennen. Seine Gespräche mit örtlichen Polizisten oder gar Krimi-Fans haben etwas Eigen-Satirisches.

Ansonsten ist der Fall eher deprimierend. Zum wiederholten Mal muss Maigret feststellen, wie zementiert die gesellschaftlichen Verhältnisse in kleinen Städten sind, wie sehr Oberschicht und Arbeiterklasse voneinander entfernt leben. Der Autor zeichnet in klaren Bildern die Unterschiede der Lebenswelten, ohne in peinliche Arbeiterklasse-Romantik zu verfallen.

Dabei entwickelt sich der Roman spannend. Maigret als Ermittler ohne Auftrag hat seine komischen Elemente, ist zugleich aber sehr traurig – sein Schnüffeln trägt schließlich dazu bei, dass es einen Mord gibt. Das Stochern in Beziehungen, die vielen Gespräche mit örtlichen Wirten und Händlern oder Menschen der Oberklasse zeigen viel von der Wirklichkeit einer Kleinstadt.

Ich habe die Lektüre dieses Romans wieder einmal sehr genossen, nachdem ich lange Zeit eine »Maigret-Pause« eingelegt hatte. Jetzt freue ich mich schon darauf, bald einen weiteren Roman aus dieser Reihe lesen zu können.

01 Dezember 2016

Ein paar Sätze zur Rente

In diesen Tagen wird viel über die Rente geredet, auch und gerade in meinem sozialen Umfeld. Klar – viele in meinem Alter haben bereits die Rente im Blick und rechnen sich aus, wie viel oder wie wenig Geld sie in absehbarer Zeit erhalten werden. Die Politik diskutiert wachsweich herum, die Versicherungskonzerne verbreiten die übliche Panik, und niemand weiß so richtig Bescheid.

Ich auch nicht.

Aber ich weiß eines – und das, seit ich zum ersten Mal in die Rentenversicherung eingezahlt habe: Es ist keine »Versicherung«, da wird nichts angespart, und nichts von dem, was unsereins heute in irgendwelche Kassen legt, wird noch da sein, wenn unsereins irgendwann vielleicht die Rente erreicht.

Das kapierte ich schon 1980, als ich meine Lehre antrat und zum ersten Mal irgendwelche Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt erhielt. In den vergangenen Jahren wurde das immer klarer, und man braucht keinen politisch-wirtschaftlichen Sachverstand dafür, um es zu kapieren: Was ich heute »einzahle«, fließt direkt an die Rentner von heute.

Das heißt logischerweise: Wenn ich in 15 Jahren oder so Rentner sein sollte, brauche ich genügend Leute, die dann in der Lage sind, für mich zu arbeiten. Letztlich läuft es ja stets darauf raus, dass Leute für andere Leute arbeiten – von dieser Arbeit und dem daraus resultierenden Gehalt werden die Sozialbeiträge und alles andere bezahlt.

Insofern sind alle Diskussionen, die heute geführt werden, ganz schnell völlig albern. Niemand weiß, was in der Zukunft passiert, und jeder, der ein wenig nachdenkt, muss feststellen, dass das jetzige System nicht so weiterlaufen kann. Anders gesagt: Ich mache mir über meine Rente derzeit keine Gedanken – das muss ich dann wohl machen, wenn es so weit ist.

Aber warum dann diese Diskussionen? Warum versucht man derzeit, die Gruppen von Rentnern gegeneinander auszuspielen? Die Beamtenpensionäre gegen die Angestelltenrentner, die derzeitigen Selbständigen gegen die abhängig Beschäftigten und so weiter?

Wollen die »Mächtigen« in diesem Land davon ablenken, dass das System grundsätzlich wackelt und auf die Dauer nicht mehr funktionieren kann? Wollen sie einfach noch so lange absahnen, wie es geht, und denken sich »um den Scheiß kümmere ich mich nicht mehr«?

Ich weiß es nicht, und ich werde es nie erfahren. Aber ich mache mich halt auch nicht wegen irgendwelcher Rentengelder in naher Zukunft verrückt. Vielleicht entdecke ich dann mit 65 noch einmal den Slogan »No Future« – nur dann völlig anders ...

30 November 2016

Die Disco-Punx

Wann genau wir mit den »Disco-Punx Karlsruhe« anfingen, verliert sich ein wenig im Dunkel der Geschichte. Es dürfte bald zwanzig Jahre her sein, irgendwann um 1996/97 herum. Und schuld daran sind die internen Streitereien in der ohnehin sehr überschaubaren Szene in Karlsruhe.

Eigentlich ist »Disco-Punk« ein Schimpfwort. Aber weil wir weder zu den »Autonomen-Punks« gehörten noch was mit den »Penner-Punks« zu tun haben wollten, hingen wir oft in der »Katakombe« herum, der »Indie-Disco« im Westen von Karlsruhe. Und irgendwann meinte Lars: »Eigentlich sind wir doch Disco-Punx.«

Er kannte jemanden, bei dem wir die tollen Aufnäher in Auftrag geben konnten. Ich kannte jemanden, der toll zeichnen konnte: Frans Stummer übernahm die Gestaltung des Logos, das sich bewusst an John Travoltas Disco-Posen anlehnt.

Wir ließen genau zwanzig Aufnäher machen. Nur »Auserwählte« sollten einen erhalten. Und so vergingen nur wenige Tage, bis einige Leute mit »Disco-Punx Karlsruhe«-Aufnähern in der Stadt zu sehen waren.

Ich fand das immer witzig, aber manche Leute meinten ernsthaft, wir wollten als »Gang« auftreten. Ernsthaft: Bei diesem Logo? Aber Missverständnisse blieben da nicht aus.

Die Jacke, auf die ich es genäht hatte, entsorgte ich unlängst; sie war zerschlissen und gefiel mir nicht mehr. (Es war eine Bundeswehr-Jacke, die ich für zehn Deutschmark gekauft hatte ...) Den Aufnäher entfernte ich sorgfältig, und er kommt in meine höchst private Punkrock-Sammlung.

Was bleibt, sind viele Erinnerungen zu den »Disco-Punx Karlsruhe«. Das gäbe glatt Stoff für noch ein Buch. Aber man sollte es nicht übertreiben!

29 November 2016

Rezensionen zum Storyband

Zwei neue Rezensionen sind zu meinem aktuellen Kurzgeschichtenband »Für immer Punk?« erschienen. Wie es sich gehört, bin ich stolz darauf und verweise an dieser Stelle kurz darauf.

Die »Klappe auf« ist in Karlsruhe ein durchaus relevantes Stadtmagazin, das ich seit einem Vierteljahrhundert gern lese. Mein Buch beschreibt die Redaktion als eine »Zusammenstellung von Begebenheiten, Erfahrungen und Empfindungen aus den wilden 80er und 90er-Jahren mit einem hohen Wiedererkennungswert für alle, die auch mal jung und wild waren«. Selbstverständlich vergisst man nicht, darauf hinzuweisen, dass der Autor »gar nicht wie ein Punk aussieht« ...

Im »Pressure Magazine«, das ich bislang nicht kannte, wird mein Buch recht positiv gewertet. Die Stärke liege daran, so der Rezensent, dass ich als Autor ein Bild zeichne, »das eben nicht dem einer Schablone entspricht und tausendfach kopiert werden kann«. Die Rezension geht teilweise schön auf die Details ein, lobt unterm Strich aber sehr. Darauf bin ich dann doch sehr stolz!

Goodreads und mein Kurzroman

Wer Julia Lizoyfane ist und wie sie wirklich heißt, weiß ich nicht; es ist aber auch nicht so wichtig. Wie ich feststellte, hat sie nämlich etwas über meinen Fantasy-Kurzroman »Der Schatten des Friedens« geschrieben, der im vergangenen Jahr als E-Book sowie als Hörbuch erschienen ist.

»Mein Rezensentenschwert ist dunkelfleckig von Rost und dem Blut alten Hasses«, schreibt sie gegen Ende ihrer Rezension auf Goodreads, aus der hervorgeht, dass sie mit meinem Text nicht viel anfangen konnte. »3 blasse Sterne liegen verweht unter dem Sand der Steppen.«

Damit muss ich wohl leben. Immerhin: Es sei die »düsterste Fantasy-Novelle«, die sie »je gelesen habe« ... Ich bin jetzt mal ganz selbstbewusst und betrachte diesen Satz als Kompliment.

28 November 2016

Melodien von Los Pepes

Melodischen Punkrock höre ich immer gern – auch und gern, wenn er ein wenig in die PowerPop-Richtung geht und für die beinharten Punks »kein echter Punk« mehr ist. Das ist so seit den 70er-Jahren, als ich die ersten Punkrock-Stücke hörte. Und bei den Buzzcocks und anderen Bands der frühen Jahre freue ich mich immer noch.

Deshalb kann mich auch eine Band wie Los Pepes begeistern – die spielt nämlich melodischen Punk mit ordentlichem Schwung. Die aktuelle Platte der Band trägt den schönen Titel »All over now« und spielt rein optisch mit Horror-Klischees. Inhaltlich bleibt sie allerdings vor allem den Melodien treu und verzichtet auf Horror-Klischees in den Texten.

Die Band stammt trotz des Namens aus London, ist allerdings international. Bei der Musik orientiert man sich in der Tat an der »guten alten Zeit«, frischt den klassischen 77er-Sound aber immer wieder gut auf. Die Band kopiert also nicht ideenlos, sie interpretiert frühere Ideen, vermengt sie mit dem Chorgesang der Beat-Ära und liefert so einen Hit nach dem anderen.

Alles in allem ist die Band auf dem richtigen Weg. An die Genialität der frühen Buzzcocks reicht sie noch nicht heran – aber wer würde das auch sonst schaffen? Wer aber Musik ebendieser Art mag, sollte mal reinhören. (Bei YouTube gibt’s haufenweise Stücke von denen, die von der Band legal eingestellt wurden.)

27 November 2016

Arcana zum dreiundzwanzigsten

Als »Magazin für klassische und moderne Phantastik« ist das Fanzine »Arcana« ein Heft, dessen Lektüre ich all jenen ans Herz legen möchte, die sich für phantastische Literatur interessieren, die sich nicht in die Grenzen von Fantasy und Science Fiction pressen lässt. Ich lese das Heft seit vielen Jahren, und die Ausgabe 23 habe ich mir diesmal wieder intensiv vorgenommen. (Manchmal klappt das aus Zeitgründen nicht ganz so gut.)

Zentrales Thema ist der Autor August Justus Mordtmann, der von 1839 bis 1912 lebte und zahlreiche phantastische Geschichten verfasste. Die aktuelle »Arcana«-Ausgabe präsentiert die Geschichte »Der Untergang des Carnatic« (eine Gespenstergeschichte, die auf hoher See spielt) und liefert darüber hinaus zahlreiche Anmerkungen zum Leben des Autors und seinem Werk.

Eine weitere klassische Geschichte ist »Die Augen des Hieronymus«, die ebenfalls einen unheimlichen Charakter aufweise. Als Autorin wird L. Andro genannt; dabei handelt es sich um das Pseudonym der Wiener Schriftstellerin Therese Rie, die von 1879 bis 1934 lebte. Ihre Geschichte weist kriminalistische Aspekte auf.

Allein diese Texte lohnen sich; ich mag die Verbindungen zur alten Phantastik, die »Arcana« herstellt. Mit den Autoren Horst-Dieter Radke und Jörg Petersen sind darüber hinaus auch moderne Texte enthalten. Es gibt zudem ein Nachruf auf den verstorbenen Schriftsteller Malte S. Sembten sowie einige Rezensionen.

Alles in allem bleibt sich »Arcana« mit seiner Nummer 23 treu. Das Heft ist unaufgeregt: Weder erstickt es in literaturtheoretischem Brimborium, noch verfällt es in moderne Flachheit. Die Autoren und ihre Werke werden sorgsam präsentiert, das Layout ist zurückhaltend und schlicht.

Eine lohnenswerte Lektüre ist so ein Magazin allerdings nur für Menschen, die Lust an der klassischen Phantastik haben. Für die birgt es genügend Interessantes. Die aktuelle Ausgabe umfasst 72 Seiten und kostet fünf Euro; zu beziehen ist sie beim Verlag Lindenstruth.

26 November 2016

Mal wieder wieder so ein Freitag ...

Der Freitag, 25. November 2016, hatte es in sich. Unter anderem war wieder einmal der regelmäßig stattfindende Nazi-Aufmarsch in der Innenstadt, dazu kamen Punkrock- und Hardcore-Bands, die auf den örtlichen Bühnen stehen würden. Ich musste mich also entscheiden, wohin ich ging.

Ich schaute mir zuerst ein wenig die Nazis an. Als ich auf dem Stephansplatz ankam, hielten sie bereits ihre Schlusskundgebung ab: höchstens zwei Dutzend Leute mit allerlei Fahnen, die einem Schreihals zuhörten. Einige gelangweilt wirkende Polizisten schirmten die Kundgebung ab, rund 120 bis 150 Antifas protestierten lautstark.

Irgendwie schien an diesem Abend die Luft rauszusein, auf beiden Seiten. Ich fürchte, wenn man diese Nazi-Aufmärsche aus der Stadt haben will, muss mehr passieren – aber solange es den meisten Bürgern offenbar egal ist, was da alle zwei Wochen durch die Innenstadt krakeelt, wird sich nicht viel ändern.

Ein wenig später radelte ich in die Oststadt, wo ich im AKK – nette Kneipe auf dem Uni-Gelände – die erste Band bereits verpasst hatte. Als ich eintraf, standen die Kawenzmänner auf der Bühne, stilecht in Unterwäsche gekleidet. Der bizarre Mix aus krachigem Punkrock, gröligem Gesang, schrägen Texten und noch schrägeren Ansagen brachte den gut gefüllten Laden zum Kochen. Das Publikum sang mit, es wurde gehüpft und geschwitzt. Großartig!

Danach enterten Telemark die Bühne; die Band aus Duisburg kannte ich bislang nur von ihren Platten her. Live hauten die fünf Männer mich komplett um: ein knalliger Sänger, eine kompetente Band, ein ratternder Rhythmus, kompakt und schnell, dazu Texte, die ich leider kaum verstand, die ich aber von den Platten her schon mag.

Wer unbedingt einen Vergleich sucht, nehme No Means No, kreuze das mit den alten Fehlfarben und lege eine große Schippe NoiseRock und Punk drauf. Ich fand's großartig und hüpfte sogar ein wenig herum. Die Leute, die noch da waren, feierten die Band ab; viele waren allerdings schon gegangen.

Danach spielte The Legendary Flower Punk, glaube ich zumindest. Die russische Band klang eher experimentiell: ein Gitarrist, ein Schlagzeuger, ein Basser, kein Gesang, aber intensive Musik.

Das passte für mich überhaupt nicht, auch wenn die Band eigentlich gut war – also ging ich hinaus in die Kälte, wo es am Bierstand noch Glühwein, weiteres Bier und viele witzige Gespräche bis sehr spät in die Nacht gab.

25 November 2016

25 Jahre mit der Wahrheit

Wann ich zum ersten Mal die »tageszeitung« aus Berlin gelesen habe, weiß ich nicht mehr. Es muss Ende der 70er-Jahre gewesen sein; das Blatt lag in unserem örtlichen Jugendzentrum aus, und weil ich mich politisch informieren wollte, zählte die »taz« zu den ersten Zeitungen, die ich so richtig durchschmökerte.

Irgendwann in den 80er-Jahren abonnierte ich die Zeitung sogar, seither bin ich ihr als Abonnent erhalten geblieben. Das war nicht immer einfach: Manche Texte trieben mich zur Weißglut, manche brachten mich allerdings zum Jubeln. Politische und gesellschaftliche Irritationen schlugen sich auch in der Zeitung nieder, ebenso bei mir – das konnte nicht immer zu einem hundertprozentigen Einklang führen.

Seit 25 Jahren hat die »taz« eine tägliche Satireseite, die den schönen Namen »die Wahrheit« trägt. Meist zählt sie zu den ersten Seiten, die ich mir genauer anschaue. Ich lese immer den täglichen Cartoon und die Kolumne, liebe den Wetterbericht und finde gelegentlich den »Haupttext« auf der Seite so richtig doof. Aber missen möchte ich die Seite nicht.

Heute wird in Berlin das Jubiläum gefeiert. Ich bin nicht dabei, weil ich in Karlsruhe genug zu tun habe. Aber ich wäre gern dabei und würde mich gern kreischend und sabbernd als Fan der »Wahrheit« outen.

Weil ich das nicht live und in Farbe machen kann, tu' ich es hier in diesem Blog: Ich bin ein Fan der »Wahrheit«, halte sie für eine wichtige Konstante in der »taz« und – jawollja! – in meinem Leben und wünsche heute eine rauschende Party sowie in Zukunft weitere Jahrzehnte erfolgreichen Satire-Journalismus.