Seit ich in den 80er-Jahren zum ersten Mal ein Gedicht von Georg Trakl gelesen habe, fasziniert mich dieser Lyriker. Deshalb griff ich auch zu, als ich das Buch »In den Nachmittag geflüstert« in einer Buchhandlung fand; erschienen ist es im Marix-Verlag, der sich auf schön gemachte, preisgünstige Hardcover-Bände mit Klassikern spezialisiert hat.
Im Zeitraum von gut einem Jahr las ich immer wieder in diesem Buch – ich war jedes Mal fasziniert und irritiert. Manche Gedichte las ich zwei- oder dreimal hintereinander. Und immer wieder blätterte ich durch das Buch, um einzelne Verse noch einmal zu lesen, mich an ihrem Sprachbild zu berauschen oder zu rätseln, was Trakl mit mancher Formulierung gemeint haben könnte.
Trakl war eine tragische Gestalt. Der Autor wurde 1887 geboren und starb bereits 1914 – das Grauen des Ersten Weltkriegs brachte ihn letztlich um. Doch schon zuvor hatte er sichtlich Probleme mit der Welt, was sich in starken Bildern und einer teilweise drastischen Sprachgewalt in seinen Gedichten zeigte.
Gerade Texte wie »Menschliches Elend« machen klar, wie düster seine Gedankenwelt gewesen sein musste: »Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt / Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen, / Im Abendgarten kahle Bäume sausen. / Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.« Selbst Gedichte, die im Wesentlichen aus Naturlyrik bestehen, sind düster und voller Sprachbilder, die irritieren und auch verschrecken können.
Dass man diesen Stil als expressionistisch bezeichnet, weiß ich auch nur aus irgendwelchen Lexikonartikeln; von Lyrik verstehe ich nicht wirklich etwas. Aber Trakls Werk ist faszinierend und eindrucksvoll, die von ihm gewählte Sprache wirkt kraftvoll und rhythmisch. Das kann kein Mensch jeden Tag lesen – aber wenn ich in dem Buch blättere, stoße ich immer wieder auf Verse, die mich beeindrucken.
Gut an dem Buch ist nicht nur, dass es Gedichte aus den Jahren 1909 bis 1914 enthält, sondern ebenso eine Einführung von Katharina Maier. Diese macht noch einmal klar, wie Trakl lebte und welche Hintergründe es für seine Texte gibt.
Ein lohnenswertes Buch, absolut! Und für 222 Seiten im Hardcover und mit Schutzumschlag ist der Preis echt »wie geschenkt«. (Okay, die Texte sind rechtefrei, das reduziert die Kosten für den Verlag natürlich. Aber trotzdem ...)
Das zitierte Gedicht lässt mich vermuten, dass er depressiv war. Ich kann mich natürlich irren, aber diesen Eindruck erweckt es bei mir.
AntwortenLöschen