31 Januar 2017

»La Prima« ist prima

In Karlsruhe genießt der Name Jörg Hammer unter Feinschmeckern einen guten Ruf. Mit seinem »Hammer's« sorgte er schon vor Jahren für Aufsehen; mittlerweile hat er mit seiner »Oberländer Weinstube« bewiesen, dass sich gehobene Küche und »alter Ruf« nicht ausschließen müssen.

Ich war in den vergangenen Wochen einige Male in seinem Restaurant »La Prima«, das er quasi nebenbei eröffnet hat und in dem er einfache Gerichte zu einem vernünftigen Preis in eher bescheidenem Ambiente anbietet. Was heißt das konkret?

Schon die Einrichtung kommt ohne jeglichen überkandidelten Kram aus: schlichte Tische, schlichte Stühle, wenig Dekoration. Ähnlich ist die Speisekarte, die sehr überschaubar ist, fast schlicht. Es gibt wenige Hauptgerichte, wenige Getränke, an der Wand stehen die Menüs der Woche, und wer mag, kann dem Koch bei seiner Arbeit zusehen. (Ich habe allerdings nie mitbekommen, dass das einer macht.)

Die Weine sind gut, wobei ich bislang nicht viel probiert habe – beim Mittagstisch bot sich das irgendwie nie so an ... –, und die Speisen sind schlicht, aber stets von sehr angenehmer Qualität. Wenn man ein Menü aus Suppe, Hauptgericht und Nachtisch nimmt, ist man zu einem vernünftigen Preis dabei.

Klar ist das »La Prima« von den Preisen her nicht mit der Kantine zu vergleichen, in der ich unter der Woche täglich mein Mittagessen zu mir nehme. Aber das wäre auch ein falscher Vergleich. Ich freue mich, dass es ein solches Lokal »in der Nähe« gibt, das ich mit dem Rad sehr schnell erreichen kann. Dort kann ich an einem Arbeitstag zu Hause immer richtig gut essen, und auch abends schmeckt es dort.

Für ein elegantes Abendessen oder ein »Date« ist es mangels romantischer Stimmung nicht geeignet. Aber dazu würde »La Prima« wohl auch niemand aufsuchen ...

30 Januar 2017

Terranauten in aller Munde

Manchmal verstehe ich die Welt nicht. Da veröffentlicht der amerikanische Bestsellerautor T. C. Boyle ein neues Buch, und alle überschlagen sich vor Begeisterung. Ich kenne von ihm nur »Wassermusik«, was ich großartig finde, und halte ihn ansonsten für eine Spur zu großkotzig – aber ich kenne ihn ja auch nur aus Interviews.

Und dann sitzt er im Fernseh-Interview mit Denis Scheck und erzählt von seinem neuen Roman. Er sagt allen Ernstes, er habe den Begriff »Terranauten« erfunden; darauf ist er sichtlich stolz, und niemand widerspricht ihm. Dann muss es halt ich tun ...

Mag sein, dass Boyle selbst auf den Begriff kam. Aber zu Beginn der 80er-Jahre erfreute die deutschsprachigen Science-Fiction-Fans eine Heftromanserie mit eben diesem Titel. Ich mochte »Die Terranauten« sehr und las die Serie bis zum bitteren Ende, über alle Schwächen hinweg. In irgendwelchen Kisten habe ich sie bis heute auch aufbewahrt.

Vielleicht ist T. C. Boyle daran schuld, dass ich im Keller meines Elternhauses nach der Kiste mit den alten »Terranauten«-Heften krame. Weil ich natürlich lieber das Original lese als die amerikanische Version davon ...

29 Januar 2017

Die ach so einfachen Leute

Wenn mich in jüngster Zeit ein Begriff nervt, der häufiger aufzutauchen scheint, dann ist es der der »einfachen Leute«. Gern wird er von Journalisten und Politikern benutzt, häufig kommt er mir im Fernsehen entgegen, und immer wieder werden die »einfachen Leute« in Zusammenhang mit einem Wahlverhalten genannt, das eher nach rechts tendiert. Anders gesagt: Die ach so einfachen Leute sind schuld daran, dass die AfD in Deutschland und viele Rechtspopulisten sonstwo in Europa oder in Amerika im Aufwind sind.

Sieht man mal davon ab, dass das sowieso nicht stimmt (in der AfD beispielsweise scheint es von Professoren und weiteren Intellektuellen nur so zu wimmeln; auch ehemalige Geschichtslehrer mischen da mit), wirkt diese Begrifflichkeit so arrogant, dass es mich schüttelt. Es kommt einem so vor, als müssten sich manche Leute von der ach so einfachen Bevölkerung abheben. »Die da unten« sind also schuld, und mit »unten« ist gemeint, dass sie unter dem eigenen Intelligenzquotient stehen.

Ich komme aus einer Schicht von einfachen Leuten, wir waren alle einfach: Die Mutter war Putzfrau, der Vater war zuerst Handwerker und später Arbeiter, alle Nachbarn und Verwandten schufteten in Fabriken, auf Baustellen oder in der Landwirtschaft, keiner trug einen weißen Kittel oder hatte einen Krawattenberuf. Sie waren mal so, mal so: Die einen waren rechts, die anderen links, manche waren blöd, dass es scheppert, andere steckten voller Weisheit – und sie alle würde man heute als »einfache Leute« bezeichnen.

Woher kommt dieses Reden von den »einfachen Leuten«? Ist eine gewisse Klasse von Menschen schon so weit weg vom normalen Arbeitsalltag der Bevölkerung, dass manche nicht einmal mehr merken, dass sie fast schon rassistisch reden? Müssen sich manche von den »einfachen Leuten« abheben, um sich nicht einmal solidarisch die Finger schmutzig machen zu müssen?

Ich kann verstehen, dass man im wissenschaftlichen Diskurs mit Texten um sich wirft, die mit Fremdwörtern gespickt sind. Wenn aber Politiker und Journalisten einen Ton anstimmen, den jemand, der für sein Geld wirklich arbeiten muss, schlichtweg nicht versteht, liegt es nicht an den »einfachen Leuten«, sondern daran, dass manche Menschen offenbar abgehoben sind.

Die »einfachen Leute« sind nicht schuld daran, dass die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind oder die Ausländerheime brennen. Schuld daran sind die Arschlöcher aller Schichten – und ob die einen hohen oder einen niedrigen Bildungsgrad haben, ist mir völlig gleichgültig.

28 Januar 2017

Dryas? Ich gratuliere!

Dass ich den Dryas-Verlag so sympathisch und korrekt finde, liegt nicht nur daran, dass dort mein Buch »Das Tier von Garoua« erschienen ist. (Ein Werk, das weit davon entfernt war, »erfolgreich« zu sein. Mit solchen Büchern geht ein Verlag immer ein großes Wagnis ein.) Ich mag an dem Verlag, dass er die eine oder andere Abweichung gegangen ist, seit einiger Zeit aber ein klares Profil gewonnen hat.

Wann genau ich Sandra Thoms, die Verlegerin, kennengelernt habe, weiß ich gar nicht mehr. Es muss im Vorfeld zu meinem Afrika-Buch gewesen sein; schon damals fiel mir auf, dass sie sehr zielstrebig und gleichzeitig supersympathisch war. Das zeichnet irgendwie bis heute auch den Verlag aus.

Längst hat man einen Schwerpunkt auf Großbritannien gelegt; Romane und Sachbücher spielen dort. Wie sich das nach dem Brexit weiter entwickelt, wird sicher spannend. Deutschsprachige Leserinnen und Leser mögen Großbritannien, das werden unsereins auch nicht die Politiker verderben können. Mal schauen, wie ein Verlag wie Dryas darauf reagiert. Mit verstärktem Blick in die Vergangenheit?

Unter anderem beschäftigt man sich ohnehinmit Krimis, die in der »guten alten Zeit« spielen, Werke also, bei denen Vergleiche zu Mrs. Marple, Sherlock Holmes und anderen Krimi-Klassikern auf der Hand liegen. Die werden dann auch in einer Reihe namens »Baker Street Bibliothek« veröffentlicht.-Phantastik-Freunde kommen bei Dryas gelegentlich auch auf ihre Kosten. Die Romane werden ein wenig unter Romance oder Krimi versteckt, sind aber durchaus vorhanden.

Hin wie her: Der Verlag positioniert sich in der Geschäftswelt klar, und er zeigt auch politisch durchaus mal »Kante«. Nicht mit erhobenem Zweigefinger, aber eben durch die Unterstützung von Amnesty International.

Im Jahr 2017 kann Dryas seinen zehnten Geburtstag feiern. Dazu gratuliere ich artig und wünsche weiterhin viel Erfolg und – na klar! – viel Spaß mit Romanen und Sachbüchern. (Wer den Verlag nicht kennt, checke unbedingt seine Website. Da gibt es viel zu entdecken!)

27 Januar 2017

Ungewöhnlicher IndiePop

Die Band Much Better Thank You kommt aus der Gegend von Osnabrück; ich hatte vor eineinhalb Jahren schon einmal eine Platte von denen gehört und hatte zuletzt ihre aktuelle CD »... Just a Dream« in meinem CD-Player. Um es klar zu sagen: Ich muss in der richtigen Stimmung sein, um sie anhören zu können – dann aber finde ich sie ausgesprochen gut. Die Band macht nämlich IndiePop im wahrsten Sinne des Wortes, sehr ruhig gestaltet und teilweise fast ätherisch klingend.

Häufig werden die Stücke sehr sparsam instrumentiert, plunkern ruhig vor sich hin, mit zurückhaltenden Melodien. Trotzdem werden viele Instrumente eingesetzt, so zirpt auch mal eine Geige, und ab und zu wummert die Gitarre fast schon überraschend zwischen der unterkühlten Stimmung hervor, es wird ein wenig krachig.

Da kann ein Stück wie »ADHDis« schon zu schrammelig-lautem Pop mit krachenden Gitarren werden, während viele andere Stücke extrem ruhig bleiben. Da wird es auch mal schmissig, während ein anderes Stück an einen Walzer oder an klassische Musik erinnert. Die musikalische Bandbreite der vielköpfigen Band ist auf jeden Fall sehr hoch.

Die englischsprachigen Texte verzichten auf platte Aussagen, vermitteln aber immer wieder klare Inhalte – auch das aber auf eine gelassene Art, bei der man genau hinhören muss. Es geht beispielsweise um Flüchtlingskinder, die deutsche Vergangenheit oder einfach seltsame Nachbarn.

Die Sängerin bringt all das ausdrucksstark rüber, mit einer wandlungsfähigen Stimme, die mal zart zittert, mal wuchtig und energiegeladen klingt. Langer Rede kurzer Sinn: Wer intelligente Popmusik mag, die originell klingt und sich den Schemata von Radio-Gesinge verweigert, möge sich die Band mal anhören. Auf der band-eigenen Website stehen genügend Hörbeispiele zur Verfügung.

26 Januar 2017

Gedichte über Freudenstadt

Wann genau ich die Texte schrieb, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Mit Datum vom 14. April 1980 tippte ich zwei Texte auf ein A4-Blatt, die ich unter den Titel »Gedichte über Freudenstadt« stellte. Das ausgeleierte Farbband der Kofferschreibmaschine und das karierte Schulheftpapier, auf das ich tippte, machen das Papier kaum noch lesbar.

Der eine Text stand unter dem Titel »Kurgäste« und schilderte im Prinzip eine Begegnung des Ich-Erzählers – ein Schüler – mit einer als hochnäsig empfundenen Dame aus Norddeutschland. Der Text war sicher schwerst von der ersten Bukowski-Lektüre beeinflusst und spiegelt das Verhältnis zwischen schwäbisch redenden Einheimischen und hocheutsch sprechenden Touristen wieder.

Der andere Text ist lakonisch vom Titel und vom Ausdruck her: »Gehweg« ist eine in seltsamem Reimschema erstellte Schilderung der Verhältnisse an einem Einkaufstag. Der junge Autor hatte damit wohl seine Probleme – tröstlich ist es nicht unbedingt, dass ich mit dem Abstand von drei Dutzend Jahren noch ähnlich empfinde ...

25 Januar 2017

Lyrik vom Meister der Kurzgeschichte

Bisher kannte ich Raymond Carver ausschließlich als Autor von Kurzgeschichten; sie sind hierzulande in verschiedenen Storysammlungen erschienen und lohnen jederzeit die Lektüre. Als sein Metier betrachtete ich den klaren Blick auf die amerikanische Durchschnittsfamilie und die Verwerfungen, die das tagtägliche Leben mit Menschen anrichten kann. Dass er auch Gedichte schrieb, war mir tatsächlich nicht bekannt; dabei läge es auf der Hand.

Im MaroVerlag erschien bereits um 1992 erstmals der Gedichtsband »Gorki unterm Aschenbecher«, der seitdem mehrere Neuauflagen erlebte. Ich habe die Ausgabe aus dem Jahr 2010 gekauft, die ich im Verlauf der vergangenen Wochen endlich durchgelesen habe. Enthalten sind Texte, die in den Jahren 1970 bis 1989 in unterschiedlichen amerikanischen Gedichtsbänden veröffentlicht worden sind.

Meist ist die Sprache der Gedichte eher nüchtern; das ist bei den Kurzgeschichten des Autors nicht anders. Er schreibt unaufgeregt, und in seinen Texten verbinden sich Naturbeobachtungen mit Beschreibungen des täglichen Lebens: »Auf einer Rauchwolke treibe ich hinaus / folge der streifigen Spur einer Schnecke / durch den Garten zur Steinmauer.«

Häufig sind seine Texte nichts anderes als extrem verdichtete Kurzgeschichten, die er in klaren Beschreibungen und knappen Dialogen zusammenpackt. Damit erinnert er an andere amerikanische Autoren der 60er- und 70er-Jahre – oder noch früher! –, deren Texte ich durchaus gern lese. Er orientiert sich sogar an Charles Bukowski, den er zum Thema eines eigenen Gedichtes macht.

Mit »Gorki unterm Aschenbecher« hat mich Raymond Carver durchaus überrascht; die Texte zeigen, dass der Mann auch die Kürzestform der Literatur beherrschte. Seine Kurzgeschichten mag ich trotzdem lieber, bei den Gedichten hängt es von der Tagesform ab, ob ich sie gern lese oder nicht.

Das Buch selbst ist schön. Es kostet 12,50 Euro, und man bekommt ein schickes Paperback dafür. Und weil es sich um Gedichte handelt, lesen sich die rund 150 Seiten nicht so schnell – man braucht ein wenig Zeit. Wer Gedichte zu schätzen weiß, sollte es antesten. Wer Raymond Carver noch nicht kennt, sollte erst mal Kurzgeschichten von ihm lesen.

24 Januar 2017

Zwischen Ska-Schweiz und Dub

In den Nuller-Jahren sprudelten aus der Schweiz zahlreiche Bands hervor, die Ska und Reggae spielten. Zu ihnen zählten Open Season aus dem Großraum Bern, die ich sehr gern hörte – irgendwann verlor ich die Band aus den Augen, und live sah ich sie leider nie. Dieser Tage hörte ich ihre CD »Here We Go« mal wieder an, stellte fest, dass sie mir gut gefiel, und ließ sie als Sommermusik im Auto.

Das ist auch angebracht. Die Band mixt allerlei Sounds zusammen, und das machen die Schweizer durchaus geschickt. Da gibt es natürlich viel Reggae und Ska, dann gibt es aber ebenso Dub-Gewummer und einige Einsprengsel von HipHop. Das funktioniert nicht immer hundertprozentig, ist aber stets unterhaltsam und sehr abwechslungsreich.

»I Lost My Phone« ist ein echter Hit, den man schon nach dem ersten Anhören mitsingen kann. Mit »Hidden Agenda« zeigt die Band, dass man angenehm poppige Sommermusik auch mit intelligent-politischen Texten verknüpfen kann. Ob allerdings das mehr als zehn Minuten lange Dub-Stück mit dem passenden Titel »Dubway« wirklich nötig war, weiß ich nicht ...

Insgesamt ist »Here We Go« aber eine richtig gute Platte, wenngleich meilenweit weg von dem Punkrock, den ich meist höre. Aber wenn ich in diesen Tagen keine Lust mehr habe auf den Katastrophen-Sound, der einem politisch-gesellschaftlich auf allen Ebenen entgegenschwappt, ist so eine Reggae-Platte geradezu ideal.

23 Januar 2017

Hotel Of Usher

Dank der Seite »efanzines.com« ist es heute auch möglich, sich Fanzines genauer anzuschauen, die aus halb vergessenen Zeiten stammen. Im aktuellen Fall geht es im das kleine Fanzine »Hotel Of Usher«, das offenbar mithilfe eines Umdruckers hergestellt wurde – da dürfte die Papierqualität seit bald fünfzig Jahren nicht besser geworden sein. Ich habe es mir in den vergangenen Tagen immer mal wieder angeschaut.

Offenbar scheint es sich um ein frühes Exemplar eines typischen Con-Fanzines zu handeln; an solchen Publikationen habe ich vor allem in den 80er-Jahren selbst mitgemischt. Erstellt wurde es während des BayCons, des 1968er-WeltCons, der im Hotel Claremont in der kalifornischen Stadt Oakland veranstaltet wurde.

Schaut man sich das Fanzine an, scheint viel schiefgegangen zu sein: Nicht nur, dass eine fürchterliche Hitze herrschte und die Klimaanlage ausgefallen war; auch die Fahrstühle hatten ihre Ausfälle.

In dieser Situation wurde geschrieben und gezeichnet, gereimt und geblödelt, und heraus kam »The Hotel Of Usher«. Leute wie Vonda McIntyre sind bei den Mitarbeitern zu finden; in späteren Jahren wurde sie mit ihren Kurzgeschichten und Romanen berühmt. All das mit dem Abstand von so vielen Jahren nachzulesen, das macht mir als ollem Science-Fiction-Fan einfach großen Spaß ...

22 Januar 2017

Endlich Birdman!

Den Kinofilm »Birdman« hatte ich verpasst, als er hierzulande in den Kinos war; jetzt sah ich ihn endlich auf DVD. Ich glaube, ich habe einen neuen Lieblingsfilm, zumindest einen, den ich in künftigen Jahren immer als einen meiner Lieblingsfilme bezeichnen möchte. Der Film pendelt zwischen ernsthaftem Drama, schräger Komödie und phantastischem Streifen hin und her, nimmt den Zuschauer dabei stets so ernst, dass ich zumindest das alles gerne mitgemacht und angeschaut habe.

Die Handlung ist recht komplex, lässt sich aber erstaunlich gut zusammenfassen. Ein alternder Schauspieler wurde in jungen Jahren vor allem dadurch bekannt, dass er den Comic-Helden »Birdman« spielte. Weil er danach jahrelang nichts mehr auf die Reihe bekam, versucht er nun, ein Theaterstück an den Broadway zu bringen (erfreulicherweise nach einem Text des genialen Kurzgeschichtenautors Raymond Carver) – dabei geht ziemlich viel schief.

Wer es genauer wissen will, schaue sich entsprechende Berichte im Internet an; die sind teilweise sehr ausführlich. Mich verblüffte an diesem Film vieles: Beispielsweise gibt es als Soundtrack nicht das bekannte Orchester-Gedudel, sondern ein reines Schlagzeug-Gewitter. Atemlos und jazzig hetzt das Schlagzeug einen durch die Szenen, das ist mitreißend und ungewöhnlich.

Der Hammer ist die Kameraführung; für mich sah es aus, als seien unglaublich lange Szenen ohne einen einzigen Schnitt gedreht worden. (Wenn ich die entsprechenden Berichte lese, war's wohl vor allem gut eingesetzte Digitaltechnik.) Das Ergebnis ist verblüffend; so etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt.

Das gleiche gilt für die Schauspieler. Michel Keaton – der ja durch »Batman« bekannt geworden ist – spielt den Mann, der an »Birdman« gekettet ist, als gebrochenen Charakter, der in sich widersprüchlich ist Emma Stone macht eine unglaubliche rotzige Göre, Naomi Watts spielt eine verzweifelte Frau, und so weiter; zeitweise hatte ich das Gefühl, dass die bei ihrer Darstellung über sich selbst hinauswuchsen.

Das liegt sicher an Alejandro González Iñárritu. Von dem Mann kannte ich bisher »bewusst« nur einen Film. Es war der absolut umwerfende »The Revenant« mit Leonardo Di Caprio. Was ich nicht wusste: Ich kannte von dem Regisseur auch »Amores Perros« (ein Episodenfilm über Hundeliebhaber), seinen Beitrag zum »9/11«-Episodenfilm sowie den Mainstream-Streifen »Babel«. Die Filme, die ich noch nicht von ihm kenne, werde ich jetzt wohl auch alle anschauen müssen ...

21 Januar 2017

Aktuelle Projekte 2017

Das Jahr 2016 wurde für mich unter anderem dadurch geprägt, dass ich einen voluminösen Fantasy-Roman geschrieben habe – voluminös für mich. Er wird im Herbst 2017 erscheinen; ich habe mittlerweile auch schon das Titelbild gesehen und freue mich sehr auf das fertige Buch. Weitere Details folgen, sobald ich Genaueres sagen kann.

Derzeit bastle ich immer wieder an »Der gute Geist des Rock'n'Roll«; das ist die aktuelle Fortsetzungsgeschichte, die im »OX«-Fanzine erscheint. Wer mag, kann es als Fortsetzung der »Peter Pank«-Trilogie betrachten ...

Was ich aber vorrangig behandeln möchte, ist das Buch, an dem ich mit einem Freund zusammen schon seit fünf Jahren doktere. Das liegt nicht an ihm, sondern an mir – zu viele Projekte, zu wenig Zeit. Aber es ist inhaltlich ein Knaller, behandelt er doch Dinge, von denen jeder ein wenig weiß, aber nicht so richtig viel.

Ich möchte die Rohfassung des Buches bis Februar abschließen; die Texte des Freundes liegen schon lang vor. Dann können wir beide ans Lektorat gehen, so dass wir hoffentlich die Endversion im Frühjahr an den Verlag schicken werden. Und dann hoffe ich, dass es in diesem Jahr noch was mit dem fertigen Buch wird.

Es hängt immer an der Zeit. Aber da ist alles Gejammer unnötig. Ich müsste einfach weniger Zeit auf eine gewisse Raketenheftchenserie ausrichten, dann hätte ich mehr Zeit für eigene Schreibprojekte ...

20 Januar 2017

Ein echter Krimi-Kracher

Bereits 2013 erschien in deutscher Sprache der Krimi »Der katholische Bulle«, zu dessen Lektüre ich leider erst vor einigen Wochen kam. Danach kaufte ich mir übrigens gleich alle anderen Romane, die es von dem Autor bislang in deutscher Sprache gibt – ich finde, das ist dann auch ein Statement ...

Der Mann heißt Adrian McKinty, ist Jahrgang 1968 und kommt aus Nordirland. Dort spielt auch sein Roman. Und weil sein Held ein wenig älter ist als der Autor und Journalist – der nach Zwischenstopps in New York und Denver heute in Melbourne in Australien lebt –, gehe ich davon aus, dass McKinty sehr genau weiß, wovon er schreibt ...

Sein Roman spielt nämlich im Nordirland des Jahres 1981. Sean Duffy, der Held des Krimis, ist Katholik, wohnt aber in einer protestantischen Gegend und ist in einer Einheit von Polizisten, die allesamt protestantisch sind. Der Mann hat also von morgens bis abends Probleme, während er versucht, seinen Job so gut wie möglich zu machen.

Kein Wunder, die Zeiten sind gefährlich. Will Duffy mit seinem Auto losfahren, checkt er es erst einmal, ob nicht ein Sprengsatz irgendwo befestigt ist. Explosionen von Bomben werden quasi nebenbei erwähnt, ständig kommt es zu Unruhen in den Straßen von Belfast. Neben all diesen politisch-religiösen Konflikten gibt es auch ganz gewöhnliche Morde, die Duffy aufklären möchte.

»Der katholische Bulle« ist ein beinharter und richtig starker Krimi. Er enthält Lokalkolorit – man lernt viel über den Nordirland-Konflikt – und zeitgenössisches Dekor, von der Musik bis zu den Klamotten. Duffy hört ständig Musik, das ist mal Punk, mal Pop, und die Musik sorgt schon dafür, dass man den Roman so richtig gut mitbekommt.

Manchmal wirkt er wie ein historischer Roman. Es werden viele Informationen über den Konflikt in Nordirland vermittelt, es gibt haufenweise historische Fakten. Was aber dabei richtig gut ist: Der Autor vermittelt sie unterhaltsam und niemals belehrend; hält sich auch mit einer eigenen Meinung sehr bedeckt.

Insgesamt ein echter Krimi-Kracher, der spannend erzählt ist, der einen manchmal den Atem anhalten lässt, der vor allem aber ein packendes Zeitgefühl vermittelt. Toller Roman, absolut empfehlenswert!

19 Januar 2017

Schnarchzapfen-Rock

Selbstbewusstsein kann man den Herren von Beggars Street Inn nicht absprechen. Ihre Platte, die im Herbst 2015 erschienen ist, taufte die Band aus Boston auf den hübschen Namen »Probably The Best Record In The World«. Schon klar, das ist Ironie – aber recht haben sie damit auf keinen Fall.

Ich bin sicher, dass es viele Leute geben wird, die den aufwendig produzierten Sound der Band mögen werden. Da tröten die Bläser, die fiedeln die Gitarren, dazu kommt die rockige Stimme des Sängers – das ist alles gut gemacht. Die Texte sind entsprechend; man will »get crazy« sein und singt viel »yeah«.

Mein Problem: Was anfangs recht schmissig klingt – das erste Stück heißt »Rip The Strip« und klingt nach einer Rock’n’Roll-Bigband –, wird immer lahmer. Schnell gerinnt alles zum Klischee, inklusive zäher Rock-Balladen, wie man sie aus den 80er-Jahren zu Genüge kennt.

Letztlich bleibt in meinen Ohren alles sehr klischeehaft: Von den Riffs über die Stimme bis hin zu den Texten, alles kommt einem irgendwie bekannt vor. Am Ende bringt die Band dann nur noch Balladen, was ich gruselig finde.

Für meinen Geschmack sind nur das erste Stück sowie »»I’m Waiting For My Man« – eine Coverversion also ... – gut genug, dass ich sie noch einmal anhören würde. Aber machen wir uns nichts vor: Es gibt glücklicherweise Menschen, die genau diese Art von Musik mögen, und für sie ist sie gemacht. Ich halt nicht.

18 Januar 2017

Der Schopf in der Talstraße

Die Talstraße verlief quer durch das Dorf, und nach dem Gottesdienst spazierte ich mit meinen Eltern häufig dort entlang. Die Talstraße begann an dem Platz, der keinen Namen hatte, an dem aber die evangelische Kirche, das Schulhaus und das Rathaus standen; im weiteren Verlauf kam man an der einzigen Tankstelle des Dorfes, an einem Ladengeschäft und einer Metzgerei vorbei. Die Straße hatte keine Gehsteige, man ging am Straßenrand und wich den seltenen Autos und Traktoren aus, indem man sich einfach auf die Seite stellte.

In den späten sechziger Jahren war das Dorf eine beschauliche Welt. Die Leute grüßten sich, wenn sie sich auf der Straße begegneten; die meisten kannten sich und sprachen breites Schwäbisch. Im Neubaugebiet auf der »Rossweide« siedelten sich die Hochdeutschen an, die Kontakte der Zugezogenen zu den Alteingesessenen hielten sich aber in Grenzen. Und die Politik war eher konservativ, so viel bekam ich als Kind schon mit.

Am Anfang der Talstraße, eigentlich schräg gegenüber des Rathauses, erhob sich ein alter »Schopf«: ein einfacher Schuppen, dessen Außenwand aus schlichten Brettern bestand, der aber mit Dachziegeln gedeckt war. Was sich darin befand, wusste ich nicht; es war auch nicht wichtig. Aber eines Tages gab es eine große Schmiererei auf diesem Schopf.

Jemand hatte in riesengroßen, wenngleich etwas krakeligen Buchstaben »NPD« auf die Wand geschmiert, mit einem Pinsel und schwarzer Farbe. Weil der Besitzer des Schopfes offenbar den Aufwand scheute, entfernte er die Schmiererei nicht, sondern ließ sie. Jeder, der durch die Talstraße ging, musste an dem »NPD«-Schriftzug vorüber.

Irgendwann fragte ich meinen Vater, was das heiße. »Die NPD«, erklärte er in seiner direkten Art und in breitem Schwäbisch, »die den Hitler wiederhaben wollen.« Mehr musste man 1969, als die Partei im Landtag von Baden-Württemberg saß und in den Bundestag einziehen wollte, nicht über diese Partei sagen. Mehr Politik war nicht nötig – ist es manchmal auch heutzutage nicht.

(Ich erinnere mich an diese Szene übrigens mit unglaublicher Klarheit. Ich kann mich sogar an das Wetter erinnern und an das grelle Licht, das herrschte. Ob die Schmiererei jemals verschwand, habe ich aber vergessen. Wahrscheinlich wurde der Schopf irgendwann abgerissen ....)

17 Januar 2017

Sagittarius kam im Winter

In diesen Tagen beschäftige ich mich gelegentlich mit Sagittarius. Damit ist nicht das Sternbild Schütze gemeint – es geht um eine Zwerggalaxis, die unsere heimische Milchstraße umkreist. Und wie es der Zufall eben so will, wird es demnächst Romane geben, die dort spielen. Da fällt mir selbstverständlich sofort ein, wie das »damals« war.

Ende Januar 1980 kam die erste Ausgabe des Fanzines SAGITTARIUS heraus; es war mein erstes Science-Fiction-Fanzine. Ich war mächtig stolz auf das Heft, das einen Umfang von 48 Seiten und eine Auflage von 100 Exemplaren hatte.

Schaue ich mir das Heft heute an, erkenne ich die vielen Schwächen, die es hatte. Für einen Jungen, der gerade mal 17 Jahre alt geworden war und in einem Dorf im Schwarzwald wohnte, war es aber eine riesige Leistung, so ein Heft aus dem Boden zu stampfen. Dass ich damals unglaublich stolz darauf war, kann ich heute noch sehr gut verstehen.

Zuvor hatte ich an Schülerzeitungen mitgewirkt oder eine eigene Zeitung produziert, die eine Auflage von genau einem Exemplar hatte. SAGITTARIUS bedeutete den ersten Schritt zu all den Dingen, die mein Leben danach prägen sollten: Ich schloss mit allen möglichen Leuten meine ersten Kontakte, korrespondierte mit vielen Leuten in der ganzen Republik und traf auch bald die ersten Profis.

Über SAGITTARIUS kam ich zur Südwest-Presse und von dort aus weiter. Über SAGITTARIUS kam ich letzten Endes an den Verlag, in dem ich heute arbeite. Und ohne SAGITTARIUS und den Spaß, den ich damit hatte, wäre sicher auch kein ENPUNKT entstanden, keine Mitarbeit am »Zap«- und »Ox«-Fanzine und damit eben keine »Peter Pank«-Romane.

Dass ich mich in diesen Tagen wieder mit dem realen Sagittarius beschäftige, finde ich vor diesem Hintergrund sehr witzig. Ich schwöre, dass ich das den Autoren nicht eingeredet habe – die sind da selbst draufgekommen ...

16 Januar 2017

Regenwetter in Südafrika

Eine Erinnerung an das Jahr 1993

Der Sonntag, 26. Septeber 1993, war grau und fies. Es regnete und nieselte den ganzen Tag, so dass ich teilweise in einer verdrießlichen Stimmung durch die Gegend latschte. Ich hielt mich in Kapstadt auf, der Metropole an der Südspitze von Afrika, und mein Tagebuch verzeichnet zu diesem Tag wenig erfreuliche Sätze.

Eigentlich hatte ich über den Signal Hill spazieren wollen, um mich auf der anderen Seite des Berges an den Strand zu legen; noch später wollte ich an der Waterfront entlang bummeln, um vielleicht sogar einige Fotos zu schießen. Bei dem andauernden Regen fiel das allerdings flach.

Frustriert saß ich im Hostel herum, trank viel Wasser, um die Spätfolgen des Krachkonzertes auszugleichen, das ich am Vorabend besucht hatte. Ich war die halbe Nacht durch Kapstadt gestromert, hatte einer Grunge-Rock-Band gelauscht, war bei einer Party gewesen, war mit meinem frisch rasierten Iro einigermaßen aufgefallen und hatte mich mächtig betrunken.

Das rächte sich an diesem Sonntagmorgen. Ich quälte mich durch den Tag, konnte anfangs nichts essen und lümmelte vor allem im Gemeinschaftsraum herum. Immerhin war mir ein Buch in die Hände gefallen, das mich fesseln konnte: »Feuersturm« von Hermann Wouk, ein Roman über den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges aus amerikanischer Sicht.

Erst am frühen Nachmittag ging es mir langsam besser. Allerdings regnete es immer noch. Was sollte ich an einem Schlechtwettertag in Südafrika eigentlich anfangen ...?

15 Januar 2017

Die Phantastisch! wird 64

Mein Kollege Klaus Bollhöfener ist ein echter Tausendsassa – und er nimmt keinerlei Rücksicht auf mein Lesetempo. Dieser Tage drückte er mir bereits die Ausgabe 65 der Zeitschrift »Phantastisch!« in die Finger, die er redaktionell betreut, und ich hatte es gerade mal geschafft, die Ausgabe 64 zu lesen. Das ist schon hart ... aber ich räume ein, dass ich hier ein echtes Luxusproblem habe.

Ernsthaft: Die »Phantastisch!« lese ich immer komplett, und das dauert halt manchmal seine Zeit. So hat die Ausgabe 64 eben haufenweise lesbare Beiträge zu bieten, und solchen Texten möchte ich mich halt mit einer gewissen Muße widmen.

Ein Interview mit Andreas Eschbach ist immer spannend; der Autor schreibt gute Bücher und hat klare Meinungen. Die Buchserie »Mark Brandis« mochte ich schon in den 70er-Jahren, die aktuellen Hörspiele finde ich super – also interessiert mich ein längerer Beitrag dazu. Und was Hannes Riffel über den Start von »Fischer Tor« zu sagen hat, dem neuen Science-Fiction- und Fantasy-Programm des Fischer-Verlages, ist ebenfalls spannend.

Und so geht es weiter. Es gibt lesenswerte Kurztexte und Buchbesprechungen; es werden Klassiker der phantastischen Literatur präsentiert, und wer noch nicht wusste, was sich hinter »Kauder-Websch und Cyberslang« verbirgt, weiß es danach.

Langer Rede kurzer Sinn: Es lohnt sich stets, die »Phantastisch!« zu lesen. Ein gewisses Interesse an Science Fiction, Fantasy und artverwandtem Kram sollte man schon mitbringen.

14 Januar 2017

Dumm-Dumm-Geschosse zum ersten

(Der Text stammt aus einer alten ENPUNKT-Ausgabe und wurde 1998 oder 199 veröffentlicht. Aber eigentlich kann man so etwas ja auch mal aus der Schublade fischen ... Ich habe jetzt die schlimmsten Fehler und eine Beschimpfung gestrichen; ansonsten das meiste gelassen.)

Es gibt wahrscheinlich keine Dummheit, die von der Menschheit nicht ausgelassen wird. Und um die schlimmsten Dummheiten festzuhalten, wurde irgendwann eine sinnige Einrichtung erfunden und eingeführt, die sich »Guiness Buch der Rekorde« nennt.  Daran beteiligen sich offensichtlich alle nur erdenklichen Grenzdebilen dieser Republik mit möglichst großem Feuereifer.

So haben kürzlich einige hundert oder gar tausend Leute in der Fußgängerzone der wunderhübschen Stadt St. Ingbert (im Saarland, da bin ich beim Trampen auch schon gestrandet, würg!) die angeblich längste Briefmarkensammlung der Welt erstellt. Die längste Briefmarkensammlung?

Ich würde ja sogar die größte Briefmarkensammlung einsehen. Das ist ja völlig in Ordnung. Ich gehöre schließlich mit Platten, Comics und Fanzines auch zu den Sammlerdeppen und sollte über solche Menschen nicht mal harmlose Witzchen machen, schon gar keine ernsthaften. Das fände ich ganz schön uncool.

Die Wäscheleine durch St. Ingbert war einen Kilometer lang, und überall hingen Plakate. Auf jedes Plakat klebten irgendwelche Schwachköpfe zwischen 400 und 500 Briefmarken – da soll mir noch einer davon reden, dass Menschen nicht arbeitsgeil sein können. Dafür wurden Millionen von Briefmarken aus aller Welt benötigt. Und hinterher kommen die Aktivisten auch noch ins Guiness Buch der Rekorde.

Ich würde sie – mitsamt ihrer Briefmarken – postwendend in die nächste Klappse einliefern lassen. Alle miteinander. Und am besten diejenigen mit, die all die anderen sinnlosen Rekorde für das Guiness-Zeugs verbrechen. Wer dumm wie Brot ist, braucht solche Rekorde.

Vielleicht aber liegt es nur daran, dass ich mal wieder neidisch bin. Nur weil ich nicht ins Guiness-Buch kommen werde ... Oder soll ich’s doch mal versuchen? Mir fällt nur kein schlauer Rekord ein. Höchstens Disziplinen wie »schlimmster Gesichtsausdruck nach durchgezechter Nacht« oder »dickster Bierschiss nach Konzertbesuch« oder gar »größtmögliches Sendungsbewusstsein in Punkrock-Kreisen«. Ich weiß es nicht.

Aber eins weiß ich: Das Guiness-Buch ist definitiv der letzte Mist.

13 Januar 2017

Rezensiert vom Polytox

Nachdem meine Kurzgeschichtensammlung »Für immer Punk?« im vergangenen Herbst erschienen ist, sind auch einige Besprechungen veröffentlicht worden. Seit einiger Zeit hat die »Flut« der Rezensionen ein wenig nachgelassen, was ich bedauerlich finde. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass der Kollege Falk Fatal auf der Seite des Polytox-Zines mein Buch besprochen hat.

Die Rezension fällt sehr positiv aus. Der Rezensent bezeichnet das Buch als »fiktive Punkerbiografie, in der die wilden, naiven Jahre genauso vorkommen, wie die spätere Abgeklärtheit, in der gewisse Zweifel (und auch Verzweiflung) an der Szene thematisiert werden, wie auch die kleinen und großen inneren Konflikte, die man ab einem gewissen Alter und einer gewissen Bürgerlichkeit einfach verspürt«. Das hat mich unter anderem deshalb so gefreut, weil genau das ja auch das Ziel des Buches war.

Und schön ist natürlich der Schluss der Rezension: »Dafür müsst ihr nur noch das Buch kaufen. Also husch, husch in den nächsten Buchladen oder statt der Hirnkost-Website einen Besuch ab.« Diesem Hinweis kann ich mich nur anschließen ...

12 Januar 2017

Schrottgrenze machen Pop

In meiner Erinnerung ist die Band Schrottgrenze irgendwie noch Punkrock; das ist zwar lange her, aber die ersten Stücke der Band habe ich entsprechend im Ohr. Wenn am 20. Januar 2017 die neue Platte der Band erscheint, wird man davon nicht mehr so viel merken. Die Platte heißt »Glitzer auf Beton«, und ich habe heute das Titelstück gehört.

Um es klar zu sagen: Das ist natürlich kein Punkrock mehr, das ist angenehme Popmusik mit dezentem Gesang. Die Texte sind in deutscher Sprache und nicht blöd, damit ist die Band auf jeden Fall radiotauglich. Das ist nicht mehr Punk als beispielsweise Kettcar oder Pur.

Die Lobeshymnen, die das Label auf die Band singt, sind allerdings echt übertrieben. Weder handelt es sich bei dem, was die Band spielt, um »Power Pop« – ich empfehle da einen Blick auf die 70er-Jahre und den Power Pop jener Tage – noch empfiehlt sich ein Vergleich mit Hüsker Dü. Bei solchen Vergleichen verstehe ich die Labels nicht: Was soll so was?

Schrottgrenze machen angenehme Popmusik mit Gitarren, das Gespür für Melodien hat die Band nicht verloren, und die Musik geht gut ins Ohr. Die Texte klingen gut, ganz nebenbei macht die Band auch klar, dass sie – in punkto Mann-Frau-Konstruktionen – sehr klare und positive Ansichten hat.

»Glitzer auf Beton« klingt gut. Punkrock ist es nicht mehr. Aber wenn sich eine Band in eine Richtung entwickelt, die ich musikalisch lahm finde, textlich aber völlig richtig, kann das nicht mal einen alten Miesepeter wie mich so richtig verärgern.

11 Januar 2017

Comic Fandom Quarterly

Es gibt immer wieder ungewöhnliche Fanzines, bei denen ich mich freue, wenn ich sie in die Finger bekomme. Das amerikanische Heft »Comic Fandom Quarterly« ist so ein Beispiel; die sechste Ausgabe kam im vergangenen Sommer heraus und ist gerade mal 28 Seiten stark – die aber haben es in sich.

Wie der Titel schon andeutet, geht es um Comic-Fans. Also wird der Fanzine-Macher Bob Kline ausführlich interviewt. Der Name sagte mir nichts, es ist hoffentlich keine zu große Bildungslücke. Der Mann fing schon in den fünfziger Jahren mit Fanzines an und kann auf eine beeindruckende Bibliografie zurückblicken; zahlreiche Titelbilder belegen das.

Unter dem netten Titel »Before They Were Pros« geht es um Profi-Künstler, die in Fanzines angefangen haben. John Byrne dürfte der bekannteste der Künstler sein; aber dass Jim Starlin in den 60er-Jahren für Fanzines arbeitete, war mir ebenfalls nicht bewusst. Sogar Bernie Wrightson erlebte seine erste Veröffentlichung als junger Mann in einem Fanzine in den 60er-Jahren.

Für »Comic Fandom Quarterly« muss man sich schon sehr für das Genre interessieren. Tut man das, erhält man ein reichhaltig illustriertes Fanzine. Schick!

10 Januar 2017

Jörgle schippt Schnee

Wir schlidderten durchs Dorf, Kinder im Alter von sieben und acht Jahren, eine Bande, wie es sie damals mehrfach gab. Wir bauten Schneehäuser und Schneeburgen, bewarfen andere Banden mit Schneebällen, wurden nass und schmutzig, und wenn wir abends heimkamen, versohlten uns die Eltern den Hintern. Die frühen 70er-Jahre waren für mich eine paradiesische Zeit – ich liebte die Winter im Schwarzwald.

Wenn wir als Bande im Dorf unterwegs waren, sahen wir sehr häufig einen einzelnen Mann. Er trug den typischen »Blaumann«, wie er für Arbeiter normal war, darunter einen dicken Pullover. Unter seinem Hut hatte er graue Haare, er war also schön älter, sicher über fünfzig Jahre alt. Aber alle sagten nur »der Jörgle«, wenn man von ihm sprach.

»Der Jörgle« war geistig behindert – so erklärte man es uns Kindern. Niemand spottete über ihn, er gehörte zum Dorf, und jeder nahm seine Arbeit ernst. Er war nämlich »bei der Gemeinde« beschäftigt, was hieß, dass er im Sommer mit dem Besen unterwegs war und im Winter mit der Schneeschaufel.

Zwar rollte auch ein Schneepflug durch die Straßen und Wege des Dorfes, die »Ecken« blieben aber oft ausgespart. Um die kümmerte sich »der Jörgle«.

Unermüdlich war er in den schneereichen Wintern jener Jahre unterwegs, immer mit seiner Schaufel, nie mit einer Maschine. Er schaufelte die Stellen frei, die der Schneepflug nicht sauber geräumt hatte; er kümmerte sich darum, dass bei beginnendem Tauwetter das Wasser abfließen konnte, und wenn überall Eis lag, half er mit, die Eisplatten von der Straße zu hacken.

Wir Kinder hatten Respekt vor ihm. Wenn wir ihn sahen, sagten wir »Grüß Gott, Jörgle«, und er grüßte ernsthaft zurück. Längere Sätze konnte er nicht sprechen, sein Schwäbisch war vernuschelt und manchmal unverständlich – vernuschelter und unverständlicher als unser Dialekt für Außenstehende sowieso schon war. Er war höflich und zurückhaltend.

Manchmal plauderten die Erwachsenen mit ihm; sie nahmen ihn ebenfalls ernst. Manchmal steckte eine Hausfrau »a Schoklädle« zu, oder es gab – wenn der Wind besonders kalt pfiff – auch mal »a Schnäbsle« an einer Haustür. Ansonsten schien dem »Jörgle« das Wetter nicht viel auszumachen. Er zog seine Kreise, er arbeitete ununterbrochen.

Wenn heute die Städte und Gemeinden im Flachland, wo ich wohne, mit riesigen Maschinen dem bisschen Schnee zu Leibe rücken, denke ich oft an »den Jörgle«, der mit einer Schaufel und einem Eispickel in unserem Dorf unterwegs war. Hätte er die riesigen Schneemaschinen gesehen, hätte er wohl den Kopf geschüttelt, etwas gemurmelt und mit seiner Schaufel einfach weiter geschippt.

09 Januar 2017

Brickhouse aus Philadelphia

Denke ich an die Welle von Hardcore-Bands, die Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre aus den USA nach Europa herüberschwappte, fallen mir haufenweise Namen ein. Die Band Brickhouse taucht dabei nie auf. Kein Wunder: Die kurzlebige Hardcore-Band aus Philadelphia gründete sich 1989, brachte ein Demo-Tape und eine EP mit dem hübschen Titel »Frankford« heraus, die 1990 veröffentlicht wurde, und löste sich dann auch zackig wieder auf.

Insgesamt sechs Leute bildeten die Band, die live mit zwei Sängern auftrat. Ich habe die EP irgendwann in den 90er-Jahren für kleines Geld aus einer Plattenkiste gekauft und finde sie immer noch gut. Der Sound ist rotzig, gelegentlich gibt es schöne Mosh-Abschnitte, aber unterm Strich ist die Band ohne Metal-Allüren.

Für die damalige Zeit bieten Brickhouse einen sehr typischen Sound: schnell und energisch meist, zwischendurch ein wenig schleppend, um dann wieder Gas zu geben, dazu ein keifender Sänger, der sich gelegentlich unterstützen lässt. Das ist knallig, das kann ich mir immer anhören.

Textlich war die Band auf der sicheren Seite. Die Burschen verzichteten auf den patriotischen Pathos, der sich bei den Hardcore-Bands jener Tage gelegentlich einschlich. In »Enough« regt man sich über White-Trash-Idioten auf: »It's not just nazis echos that caused me to write this song« heißt es hier. Und: »You're not too tough.«

Ernsthaft: Die Platte ist klasse. Mir ist ein wenig unverständlich, warum diese Band in irgendwelchen »Hall Of Fame«-Listen nicht auftaucht. Vielleicht weil sie mit diesem Sound nicht aus der Lower East Side von New York, sondern aus dem Stadtteil Frankford in Philadelphia stammte?

05 Januar 2017

Jesse Stone, die Frauen und der Alkohol

In der »Jesse Stone«-Reihe bildet der sechste Band einen typischen Fall: Robert B. Parker erzählt in »Mord im Showbiz« eine relativ normale Krimi-Ermittlung; fast spannender als der eigentliche Krimi sind allerdings die privaten Probleme, die der Polizist Jesse Stone, seine Exfrau Jenn und seine aktuelle Geliebte miteinander verbinden ...

Doch erst einmal der Reihe nach. Ein Fernsehmoderator stirbt. Zuerst wird angenommen, er habe sich selbst das Leben genommen; dann aber wird klar, dass es sich um Mord handelt. Schnell rückt die Presse an, und die kleine Stadt Paradise sonnt sich widerwillig in der Aufmerksamkeit, die der Tod eines prominenten Mannes mit sich bringt.

Die Polizei ermittelt gründlich und lässt sich dabei kaum durch irgendwelchen Stress von der Arbeit abhalten. Parallel dazu stellt sich heraus, dass die Ex-Frau von Polizeichef Stone von einem Stalker verfolgt wird. Und somit hat die Polizei zwei Fälle zu bearbeiten, die beide durchaus kritisch sind. Selbstverständlich kann Jesse Stone die Probleme lösen, das ist nicht die Überaschung – aber wie er das bewerkstelligt, ist wieder einmal sehr spannend.

Robert B. Parker war ein hervorragender Autor; mittlerweile mag ich seine Romane um den alkoholkranken Polizisten Jesse Stone fast lieber als die um den wortkargen Privatdetektiv Spenser. Bei den Jesse-Stone-Romanen spielt die zwischenmenschliche Ebene eine große Rolle; ständig hüpfen die Figuren des Romans miteinander ins Bett oder versuchen zumindest, jemanden fürs Bett abzubekommen.

»Mord im Showbiz« ist, was die Krimi-Elemente angeht, absolut klar und eindeutig. Der Autor lässt hinter die Glitzerwelt der »großen« Medien blicken; Menschen werden verhört, es gibt ein wenig Action, und zwischendurch plagt sich Jesse Stone mit dem Alkohol herum.

Der Autor schafft es auch hier, mit knappen Dialogen und ebenso knappen Beschreibungen die Spannung am Laufen zu halten. Selbst bei verwirrenden Gefühlen handeln seine Figuren glaubhaft und zielorientiert.

»Mord im Showbiz« konnte mich erneut begeistern; bei der Lektüre musste ich sogar gelegentlich grinsen. Der Roman ist spannend, er zog mich sofort in seinen Bann, und ich las ihn praktisch am Stück. Coole Sache.

(Ach ja: Erschienen ist der Roman – wie alle dieser Reihe – im Pendragon-Verlag. Das Taschenbuch umfasst 302 Seiten und kostet 11,99 Euro. Man kann es überall im Buchhandel kaufen, ebenso das E-Book.)

04 Januar 2017

Bei »Mary Poppins« in Stuttgart

Als Kind hörte ich gern Schallplatten, die meine Eltern in ihrem altertümlichen Medienschrank horteten. Darunter waren neben Marschmusik und uralten Schlagern auch Ausgaben von »Musik ist Trumpf«; die Fernsehsendung von und mit Peter Frankenfeld wurde offenbar auszugsweise auf Vinyl gepresst. Daher kannte ich einzelne Stücke aus dem Musical »Mary Poppins« – und die blieben mir all die Jahrzehnte im Gedächtnis.

Ich habe also eine eindeutig-biografische Entschuldigung dafür, dass ich am Dienstag, 3. Januar 2017, in Stuttgart im Musical-Theater saß und mir die deutsche Version von »Mary Poppins« anschaute. Wir hatten ordentliche Karten: Wenn man so eine Show besucht, sollte man nicht auf den Cent guckten ... und auch nicht auf den Zwanzig-Euro-Schein. Ich bereute es keine Sekunde lang.

Die Musik kannte ich teilweise schon; ich war selbst verblüfft, wie lange solche Sachen im Gedächtnis bleiben. Wer sich darunter nichts vorstellen kann: überdrehte Popmusik mit wechselndem Gesang, manchmal so gesungen und gespielt, als liefe eine Schallplatte ein wenig zu spät. Das ist flott und schnell, klingt immer verdammt nach den 60er-Jahren und geht gut ins Ohr.

Die Geschichte von den ungezogenen Kindern und dem witzigen Kindermädchen ist streng genommen ja eine Mixtur aus Fantasy-Kinderbuch und gesellschaftskritischen Einblicken – über manche inhaltliche Logik darf man natürlich nicht nachdenken. Banken kommen nicht gut weg, das »leichte Leben« im Park und die Arbeit von Schornsteinfegern wird positiv dargestellt.

Richtig gut sind die Show-Aspekte. Wie bei so einer Vorstellung nicht anders zu erwarten, wird viel getanzt, teilweise auch mit ein wenig Akrobatik. Auf der Bühne herrscht ununterbrochen Bewegung, das Bühnenbild wechselt ebenso wie die Kleidung der Darsteller.

Um es kurz zu sagen: »Mary Poppins« in der Stuttgarter Version ist groß gemachtes Effekt-Theater, das hervorragend gemacht ist und hervorragend unterhält. (Ja, ich weiß: Mit Punkrock hat das nichts zu tun. Aber das hat so manches in meinem Leben nicht ...)

01 Januar 2017

Mit dem Zirkus durch Silvester

Es war eine schöne Idee, eine spontane zugleich, und ich bereute sie an diesem Abend keinen Augenblick lang: Wir gingen am Abend des Samstag, 31. Dezember 2016, ins »Tollhaus« in Karlsruhe, schauten uns dort den Zirkus »La Putyka« an und amüsierten uns königlich. Auch wenn schwer vermittelbar ist, was mich da so faszinierte, möchte ich diese positive Erfahrung nicht missen.

Sechs Artisten bilden das Ensemble, sie stammen aus Prag und sind mittlerweile in gewissen Kreisen recht populär, sind mit ihrer Mischung aus Akrobatik, Comedy und Musik schon um die habe Welt gereist und kommen auf der Bühne mit einfachsten Mitteln aus. Es gibt keine echte Handlung – wie ich das von Cirque de Soleil kenne –, es gibt keine klar abgetrennten Nummern, sondern eine unaufhörliche Abfolge von Klamauk und Akrobatik.

Da werden Latten zu Akrobatik-Elementen umfunktioniert, da wird eine schlichte Schaukel mit zwei ebenso schlichten Aluminium-Leitern kombiniert, da wird gesprungen und getanzt, gealbert und geblödelt – eine witzige und staunenswerte Aneinanderreihung von witzigen Effekten. Der Beifall war laut und ausdauernd, und ich hatte das Gefühl, einen richtig schönen Jahresausklang erlebt zu haben.