31 Juli 2014

Alte Punks mit vollem Dampf

Zu den Konstanten in der internationalen Punkrock- und Hardcore-Szene zählt die kanadische Band D.O.A.; seit 1978 gibt es sie, wobei innerhalb der Band ja eigentlich auch nur der Sänger als Konstante über all die Jahre geblieben ist. Vor allem die Platten in den frühen 80er-Jahren sind Klassiker, mit ihrem bollernden Sound setzte die Band damals Maßstäbe.

Als ich am Mittwoch abend, 30. Juli 2014, in der »Alten Hackerei« ankam, hatte ich es zeitlich gut erwischt. Kaum hatte ich mein Bier in der Hand und stand am Bühnenrand, legte die Band los. Anfangs verhielt sich das Publikum in der angenehm gefüllten Kneipe ein wenig zurückhaltend, ab der Hälfte kam Bewegung in den Saal.

Die Band schaffte es tatsächlich, dass der Funke übersprang. Das lag sicher daran, dass sie irgendwann eine Reihe von 80er-Jahre-Klassikern abfeuerte; bei Stücken wie »World War III« fange ich automatisch zu hüpfen an.

Die drei Männer auf der Bühne, von denen der Sänger mit 58 Jahren mit Abstand der älteste war, zeigten keinerlei Müdigkeit, knallten einen Hit nach dem anderen raus. Es war absolute Klasse, und der ganze Auftritt hatte keine Sekunde lang den Charakter einer Oldie-Show. Die Ansagen von der Bühne herunter waren meist trocken, und wenn sie politisch waren, wirkten sie nie aufgesetzt, sondern glaubhaft.

Irgendwann herrschte ein ausgelassener Hüpfpogo in den ersten Reihen vor; niemand kümmerte sich mehr darum, am nächsten Tag zur Arbeit gehen zu müssen. Auch ich hüpfte ein wenig, altersgerecht am Rand, aber immerhin – am Ende war mein T-Shirt durchgeschwitzt, und ich musste mir von der Band prompt ein neues Kleidungsstück kaufen.

Der Abend endete angenehm: Mit alten Freunden und Bekannten stand ich noch gut eineinhalb Stunden lang in der lauen Sommernacht, bis ich endlich mein Fahrrad in Richtung Heimat lenkte.

30 Juli 2014

Driver und Gewalt

Als der Film »Drive« im Jahr 2012 in die deutschsprachigen Kinos kam, verpasste ich ihn. Mittlerweile habe ich ihn auf einer DVD angeguckt und war völlig begeistert – hier nur einige Impressionen dazu.

Hauptperson des amerikanischen Thrillers ist Ryan Gosling, der sich in jüngster Zeit zu einem der neuen Stars des internationalen Kinos entwickelt hat. »Drive« selbst wurde von einem dänischen Filmemacher umgesetzt und ist tatsächlich eine Literaturverfilmung. In seiner unterkühlten Art, in der Gewalt geradezu explodiert, wirkt der Film auch sehr künstlerisch, und das meine ich hier positiv.

Es geht um einen Fahrer – also einen Driver –, der in Los Angeles sein Geld als Stuntman und Automechaniker verdient. Der schweigsame junge Mann, der absolut harmlos wirkt, hat ein »zweites Leben«: Nachts bietet er seine Dienst als Fluchtfahrer an, ist also bei Einbrüchen und Überfällen dabei und sorgt dafür, dass die Täter nie geschnappt werden.

Dann aber lässt er sich mit den falschen Leuten ein, gleichzeitig verliebt er sich in die Frau eines inhaftierten Gangsters. Es entwickelt sich eine Abfolge von weiterführenden Problemen – am Ende sind eine Reihe von Leuten tot. Das klingt jetzt oberflächlich, wird aber in diesem Film richtig klasse präsentiert.

Die Gewalt ist realitätsnah und derb zugleich; Menschen werden erstochen und erschossen. Oftmals aber werden die gewalttätigen Auseinandersetzungen künstlerisch gebrochen; eine Messerstecherei wird also nicht direkt gezeigt, sondern nur über die Schatten der Kämpfenden.

Beleuchtung, Musik und andere Effekte sind in dem Streifen kein Selbstzweck, sondern haben stets ihre Bedeutung und werden sinnvoll eingesetzt. Wenn der »Held« allein in seinem Wagen sitzt und durch die Nacht fährt, wirkt das sehr stilisiert – als ob es darum ginge, den endlosen Straßen von Los Angeles ein Denkmal zu setzen.

(Viele Szenen spielen übrigens beim Echo Park um die Ecke. Dort war ich sogar mal auf einem Punk-Konzert. Aber ich erkannte natürlich nichts wieder ...)

29 Juli 2014

Nur eine Sonnenblume

Wer sie gepflanzt hatte, erfuhr ich nie – aber auf einmal wuchs eine einsame Sonnenblume auf dem Grünstreifen unweit von unserer Wohnung. Sie wuchs und gedieht, und nichts geschah ihr. Kein Wind fegte sie um, kein Fußball von einem spielenden Kind traf sie; ab und zu schien sie sogar jemand zu gießen.

Wann ich mit dem Rad vorbeifuhr, freute ich mich über ihren Anblick. Im »öffentlichen Raum« einer kleinen Großstadt war sie ein echt »heller Fleck«.

Ab und zu hielten Menschen vor ihr an, sie ließen sich mit der einsamen Sonnenblume fotografieren. Mit den alten Gebäuden im Hintergrund sah das bestimmt schick aus.

Bis zu diesem Wochenende: Jemand schnitt sie ab. Es war ein sauberer Schnitt, etwa auf der Höhe des Stiels. Kein Vandalismus, kein Besoffener also, der die Blume im Verstolpern knickte. Es war jemand, der mit Sorgfalt ans Werk ging: Mit einer Schere oder einem scharfen Messer wurde die Blume sauber abgetrennt.

Ich war echt fassungslos.

28 Juli 2014

Atemloser Schlager

»Er ist so sexy wie eine Bahnhofsdurchsage, dass ein Regionalzugabteil auf einem geänderten Gleisabschnitt hält.« Das schreibt die Journalistin Johanna Adorján auf der Internet-Seite der Frankfurter Allgemeinen über das Lied »Atemlos durch die Nacht« der deutschen Schlagersängerin Helene Fischer. Es ist ein brillanter Artikel über ein Phänomen, das man sich kaum selbst erklären kann.

Bis vor einem halben Jahr kannte ich von Helene Fischer nur den Namen. Ich wusste, dass sie Schlager singt und viele Platten verkauft. Das ist völlig in Ordnung; weder muss ich mich mit Schlagersängern auskennen, noch muss ich wissen, wer an welcher Oper die Starsängerin ist. Andere Leute wissen ebensowenig, welche Band »Waiting Room« gespielt hat.

Eines Abends musste ich Geld abheben und stand mit meiner Plastikkarte in einer der örtlichen Sparkassen-Filialen. Einige junge Leute kamen herein – »jung« bedeutet aus meiner Warte, dass sie irgendwie um die 25 Jahre alt zu sein schienen. Ein junger Mann mit blondgefärbten Haaren rief die ganze Zeit »Atemlos«, worauf die anderen ein »in die Nacht« hinzufügten. Das fand ich seltsam, dachte mir aber nichts dabei.

Später erfuhr ich, dass es sich bei dem, was hier gerufen wurde, um den großen Hit der Sängerin Helene Fischer handelte. Zum ersten Mal hörte ich ihn im Sommer 2014 – übrigens noch vor der Fußballmeisterschaft. Ich stand in der Dusche, das Radio plärrte vor sich hin, und irgendwann kam so ein Stück, das aus Synthie-Gestampf, einer dünnen Stimme und deutschen Texte bestand.

Das war »Atemlos durch die Nacht«, ich hörte es mir zum ersten und seitdem zum letzten Mal an und war irritiert. Dieses Lied begeistert die Leute? Das finden junge Leute gut? Ich stellte fest, dass ich »Ein Bett im Kornfeld« von Jürgen Drews auf einmal als subversiv und musikalisch gut gemacht empfand – das aber kann auch meinem Alter geschuldet sein.

Und bis heute wusste ich nicht, wie ich meine Irritation über Helene Fischer zum Ausdruck bringen konnte. Bis heute ... bis ich den famosen Artikel auf der FAZ-Seite las.

26 Juli 2014

Sauna bei den Generatoren

Als ich am Freitagabend, 25. Juli 2014, in der »Alten Hackerei« ankam, spielte die Band bereits – und zwar nicht erst seit zehn Minuten. Ich hatte, weil ich so lange gelabert hatte, gut die Hälfte des Konzerts verpasst. Trotzdem drängelte ich mich nach vorne, um mir die Generators aus Kalifornien aus der Nähe anzugucken.

Die Band kenne ich schon lange, ich hatte sie noch nie zuvor gesehen. An diesem Abend spielten sie sehr druckvoll und »punkig«, weg vom Glam der früheren Jahre, eher in die Richtung, mit der in den 90er-Jahren beispielsweise Social Distortion ihr Comeback eingeläutet hatten. Die Stücke saßen, der Sänger machte witzige Ansagen, in denen er immer wieder sein Kalifornien bejubelte, und das Publikum jubelte eifrig zurück.

Im Saal selbst herrschten saunaähnliche Temperaturen, es war unglaublich schwül. Ich trank recht viel Bier, die meisten anderen machten das ebenso – so ließ es sich aushalten. Trotz der Hitze tanzten viele Leute, und die Band bewegte sich ebenfalls. Erst nach mehreren Zugaben verschwanden die Kalifornier von der Bühne; ein richtig tolles Punk-Konzert war vorüber.

Danach saß ich mit alten Kumpanen noch lange im Biergarten, wo wir eifrig weiter Bier tranken und Unfug laberten. Als ich gegen drei Uhr nachts mit dem Rad durch die Innenstadt nach Hause düste, achtete ich dann auch prompt darauf, alle nur erdenklichen »Promillesträßchen« zu benutzen.

25 Juli 2014

Skurril und britisch

Der britische Schriftsteller Alan Bennett hat sich in den vergangenen Jahren auch hierzulande einen Fan-Kreis »erschrieben«. Vor allem »Die souveräne Leserin« trug zu seinem Erfolg bei. Und als mir vor einiger Zeit sein Buch »Schweinkram« in die Hände fiel, musste ich es einfach kaufen und lesen. Mit so einem Titel kann mich ein Verlag einfach »kriegen«.

Das 144 Seiten starke Buch enthält »zwei unziemliche Geschichten«, so ist es auch untertitelt; es ist also kein Roman, und die beiden Texte haben nicht direkt miteinander zu tun. Höchstens indirekt, denn es geht um nichts anderes als Sex – aber in der »guten Gesellschaft«. Wobei ich alle braven Menschen ebenso beruhigen kann wie diejenigen, die Pornos mögen: Geschlechtsverkehr wird nicht beschrieben, und darum geht es auch gar nicht.

»Mrs. Donaldson erblüht« ist die Geschichte einer älteren Dame, die sich ihre Pension damit aufbessert, dass sie in einer Klinik schauspielert – damit die Studenten lernen, richtig zu diagnostizieren, muss sie ihnen Krankheiten vorspielen. Ebenso bessert sie ihre Pension damit auf, dass sie Zimmer an Studenten vermietet. Und als diese auf die Idee kommen, sie bei ihrem Sex zuschauen zu lassen, um durch das »Eintrittsgeld« die Mietkosten zu verringern, wird die Geschichte so richtig skurril.

Ums Fremdgehen in allen möglichen Variationen geht es in der zweiten Geschichte: »Mrs. Forbes wird behütet« klingt ganz brav, geht aber in die Vollen. Nur ein Detail: Eine junge Frau betrügt ihren schwulen Ehemann mit ihrem Schwiegervater ... Das klingt merkwürdig, wird im Roman sehr amüsant geschildert und macht dabei richtig Spaß.

»Schweinkram« ist herrlich! Es ist keine Schenkelklopfer-Lektüre, keines der Bücher, bei dessen Lektüre man sich wegwirft. Bennetts Humor ist dezent, vor allem in den Formulierungen bleibt er ganz der britische Gentleman. Das wiederum macht die Sache zusätzlich spannend.

Ich bin mir sicher, dass »Schweinkram« nicht das letzte Buch war, das ich von diesem Autor gelesen habe. Mal schauen, ob und wie ich mal an einen Roman mache ... erschienen ist alles im kleinen, aber feinen Wagenbach-Verlag.

24 Juli 2014

Säbelgerassel

Noch vor einem Jahr hätte ich lauthals behauptet, in Europa werde es so schnell keinen großen Krieg mehr geben. Spätestens nach den Jugoslawienkriegen sollte die Europäische Union in der Lage sein, größere Auseinandersetzungen auf dem Halbkontinent zu verhindern. Derzeit bin ich nicht mehr so optimistisch.

Was in der gesamten Ukraine vor sich geht, vor allem in der sogenannten Ostukraine – und auch da nicht überall –, ist beängstigend. Noch beängstigender allerdings ist das Verhalten mancher Politiker und vor allem auch das durchaus heikle Vorgehen der Medien.

Ein Beispiel: die Tragödie des abgeschossenen Flugzeugs. Es ist nach wie vor nicht sicher, was genau passiert ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren es die sogenannten Separatisten, die nach allem, was man so hört, in erster Linie als eine Bande von Freischärlern und Gangstern agiert. Aber man weiß es nicht genau – ebensogut könnten irgendwelche Verbrecher in den Uniformen der ukrainischen Armee dahinterstecken.

Für die westlichen Medien und Politiker ist die Sache aber klar. Der böse Putin war's. Und während die einen noch mit Sanktionen drohen, rufen die anderen gleich nach dem Militär – und die russische Regierung warnt lauthals die Nato davor, ihre Truppen an ihre Grenzen zu schicken. Und schon haben wir eine Situation, die man vor einem Vierteljahrhundert noch als Kalten Krieg bezeichnet hätte.

Das Problem: Den Separatisten traue ich so ziemlich jedes Verbrechen zu, nach allem, was man sich aus den gefilterten und ungefilterten Nachrichten als Weltbild zusammensetzen kann. Der ukrainischen Regierung, in deren Reihen sich sehr wohl Rechtsradikale befinden, glaube ich allerdings auch keinen Millimeter weit. Dass die russische und amerikanische Regierung ihre eigenen Spielchen betreiben, leuchtet ebenfalls ein.

Es sind noch so viele Fragen offen, die mit dem »Regierungswechsel« in Kiew zusammenhängen. Wer hat die hundert Menschen auf dem Maidan erschossen? Wer ist für das grausige Feuer mit zahlreichen Toten in Odessa verantwortlich? Das scheint derzeit niemanden mehr zu interessieren.

Und so sitze ich da, gucke und lese Nachrichten und bekomme mit, wie ein ganzes Land in einen fiesen Bürgerkrieg steuert, während die Nachbarn nicht unbedingt verhandeln, sondern eher mit dem Säbel rasseln. Da ist mir die – wie immer – sehr zögerliche und zurückhaltende Kanzlerin ausnahmsweise sehr recht ...

23 Juli 2014

Bäcker in Como

Erinnerung an einen Italien-Trip im März 2014

Wir schlenderten durch Como, es war Mitte März 2014, und schauten uns in aller Ruhe die norditalienische Stadt an. Alte Mauern, gepflasterte Straßen und Gassen, eine gemütliche Stimmung und – für die Jahreszeit – sehr angenehme Temperaturen machten den Aufenthalt zum Vergnügen. Wir bummelten zum See, ließen uns treiben und kauften allerlei Krimskrams ein.

Als wir Hunger bekamen, steuerten wir eine kleine Bäckerei an, die an der Piazza Boldoni recht einladend aussah. »Beretta Il Fornaio« stand über der Eingangstür. Es durfte herrlich nach Brot und Süßigkeiten, die Verkäuferin überfiel uns mit einem italienischen Wortschwall, auf den wir kaum eingehen konnten, und nach einiger Zeit verließen wir die Bäckerei wieder.

»Auf der Hand« hatten wir Focaccia und Süßigkeiten, die wir verspeisten, während wir zu unserem Auto zurückgingen. Fast hätten wir uns im Gewirr der kleinen Straßen verlaufen – aber natürlich ging alles gut.

Como ist die nächstgelegene Großstadt, wenn man von Karlsruhe aus nach Italien fährt; wenn es mich erneut in die Innenstadt verschlägt, steuere ich womöglich die kleine Bäckerei ein weiteres Mal an. Wobei es in der Nachbarschaft genügend andere Örtlichkeiten gab, aus denen es verführerisch duftete ...

22 Juli 2014

Conbuch mit Herz

In diesem Jahr schaffte ich es leider nicht, den ColoniaCon in Köln zu besuchen – es ging terminlich nicht. In den 80er-Jahren gehörte es für mich zum »guten Ton«, nach Köln zu fahren oder zu trampen, um dort im Kölner Jugendpark mit anderen Science-Fiction-Fans viel Bier zu trinken und mich über Science Fiction zu unterhalten. Immerhin aber gab's ein schönes Buch zum Con, das ich mittlerweile durchgelesen habe.

Einige Beiträge beschäftigen sich mit meinem Beruf, entsprechend kritisch guckte ich sie mir an. Ansonsten gab es Kurzgeschichten und andere Texte, allerlei Zeichnungen und insgesamt ein Sammelsurium unterschiedlichster Beiträge. Auch wenn das Taschenbuch mit hundert Seiten aufwartet und auch noch gebunden ist, entpuppt es sich durch seine Mischung als Fanzine klassischer Art: Beiträge von Fans, die sich zu einem gemeinsamen Thema summieren, alles in allem nicht gerade professionell, aber mit viel Liebe zum Genre gemacht.

Ich bedauere es ja eigentlich nicht, in diesem Jahr den Con nicht besucht zu haben. Wenn ich das gelungene Conbuch allerdings anschaue, zerdrücke ich dann doch eine Träne im Augenwinkel – vielleicht klappt es beim nächsten Mal wieder ...

21 Juli 2014

Dunkle Höhlen

Gelegentlich hilft es, sich bei anderen Menschen umzugucken und zu schauen, was die so denken und schreiben. Unter dem schönen Titel »In der dunklen Höhle. Zur Zukunft des Buches« verfasste die Autorin Petra von Cronenburg schon Ende 2012 einen klugen Beitrag in der Zeitschrift »Aus Politik und Zeitgeschichte«, den ich all jenen zur Lektüre empfehlen möchte, die sich für Bücher, Literatur und die Zukunft von alledem interessieren.

Teilweise fasst die Autorin nur das zusammen, was Ende 2012 gegolten hat und auch heute noch gilt: Die Buch- und Literaturbranche ist in einem großen Umbruch, weil die Digitalisierung alle bisherigen Geschäftsmodelle durcheinanderwirbelt. Es gibt in einer Reihe von deutschsprachigen Verlagen heutzutage immer noch »Entscheider«, die an dieser Tatsache zweifeln. Allein aus diesem Grund ist eine Zusammenfassung sinnvoll.

Vor allem schildert die Autorin, wie das sogenannte Selfpublishing den Buchmarkt weiter aufwirbeln wird. »Ob wir nicht vor einer neuen Bildungswelle stehen«, fragt sie beispielsweise und vergleicht das Selfpublishing mit der Revolution, die durch Gutenbergs Buchdruck ausgelöst wurde: Wenn künftig jeder seine eigenen Bücher veröffentlichen kann – die Argumente kenne ich von den Fanzines der 80er-Jahre her –, trägt das grundsätzlich zu einer Demokratisierung bei.

Petra von Cronenburg plaudert über den Gegensatz zwischen »networked books«, also um Bücher, die möglicherweise in Echtzeit von einer großen Gruppe gemeinsam geschrieben werden können, und dem »EinBuch«, dem extrem hochwertigen Buchobjekt, das zu einem Kunstgegenstand erhoben wird. Irgendwo in all diesen Spannungsfeldern muss die Zukunft des Buchgeschäfts liegen, irgendwo da müssen sich die Verlags positionieren.

Es bleibt spannend – und ich finde es schön, wenn unaufgeregt und auf positive Art intellektuell über ein solches Thema geschrieben wird. Hiermit empfohlen! (Ihr Blog ist übrigens ebenfalls lesenswert.)

20 Juli 2014

Fack ju im Film

Im Jahr 2013 sahen über fünf Millionen Menschen den deutschsprachigen Kinofilm »Fack ju Göthe«; ich war aus unterschiedlichen Gründen nicht dabei. Mittlerweile habe ich ihn mir ebenfalls angesehen, die DVD kann sehr einfach ausgeliehen werden. Tatsächlich habe ich mich gut unterhalten und würde den Film nicht nur Schülern und Lehrern empfehlen.

Die Handlung ist rasch zusammengefasst: Ein ehemaliger Bankräuber kommt aus dem Gefängnis, will seine vergrabene Beute bergen und stellt fest, dass sich an der Stelle ein Schulgebäude erhebt. Um an die Beute heranzukommen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als in der Schule anzufangen, um sich nachts durch das Erdreich zu graben.

Eigentlich will er Hausmeister werden, dann aber wird er Lehrer – und trifft auf eine spießige Referendarin. Die Lehrer sind zickig, die Schüler sind blöd und stressen. Mit seiner lockeren Art bekommt der Ex-Bankräuber alle auf seine Seite, auch die strenge Rektorin, und am Ende wird alles, aber auch wirklich alles so richtig gut.

Einen Betreuer hat der ehemalige Gefangene nicht, die Polizei scheint sich ebenso wenig für die Beute zu interessieren, die Nutten sind allesamt coole Bräute – über die Sicht des Produzententeams auf real existierende Dinge in Deutschland möchte ich nicht länger nachdenken. Das ist natürlich nicht Sinn des Films, der in erster Linie mit groben Sprüchen und Fäkalhumor unterhalten will.

Das schafft er; ich musste oftmals lachen. Selbstverständlich ist »Fack ju Göthe« ein echtes deutsches Trash-Kino, dessen Erfolg mich nicht überrascht ... zu viele Menschen dürften sich in den Hauptfiguren wiederfinden. Wer sich flach unterhalten lassen möchte, ist hier bestens beraten. Da hat sich im deutschen Humor seit den »Otto«-Filmen der frühen 80er-Jahre nicht so viel getan.

19 Juli 2014

Radeln in die Technologie-Natur

Als ich am Freitag gegen 18.30 Uhr endlich aus dem Büro kam, war ich reichlich erschöpft. Aber ich fühlte mich zappelig, also holte ich daheim mein Rad aus dem Keller, setzte mich in passender Kleidung – kein »Radsportler-Outfit«, bloß nicht! – auf das Stahlross und radelte los: zuerst entlang der Alb, die sich durch Karlsruhe schlängelt, dann durch den Ortsteil Daxlanden, hinaus nach Rappenwörth. Das Thermometer an einer Apotheke zeigte noch 34 Grad Celsius.

Dort umfuhr ich das Reinstrandbad und kam zum »Waldfenster«, einem schönen Weg durch die Natur. Was man eben so Natur nennt in der sogenannten Technologieregion Karlsruhe: Waldwege und naturbelassene Auenwälder, hinter denen unweigerlich das nächste Industriegebiet kommt. Immerhin sah ich ein Wildschwein, wenngleich nur in einem Gehege.

Über den Rheindamm fuhr ich nach Süden. Rechts und links erstreckte sich der Urwald – zumindest sieht es dort so aus –, die Luft war angenehm kühl. Am Zollhaus radelte ich direkt an den Rhein, dann durch schmale Wege wieder zurück zum Damm; auf den schmalen Wegen war die Luft angereichert von Insekten und beeindruckenden Düften.

Radfahren heißt für mich auch Gucken – also fuhr ich nicht immer schnell, sondern hielt auch mal an, um eine Ente zu beobachten, Rehen beim Äsen zuzuschauen oder ein Schiff auf dem Rhein zu bestaunen. Wahrscheinlich steckt in mir ein fürchterlicher Rhein-Romantiker.

Bei Au am Rhein fuhr ich erneut an den Strom hinunter, der viel Wasser führte. Die Uferstraße war überspült, ich radelte ins Wasser hinein. Meine Räder durchschnitten das Wasser, kleine Fische rechts und links von mir; die Schatten schimmerten auf dem gebleichten Asphalt. Ich wendete, setzte meinen Schuh ins Wasser und fuhr – angefeuchtet – weiter durch die Auenwälder.

Auf der Höhe von Elchesheim verließ ich den Wald; ich hatte Hunger und Durst. Den Rückweg absolvierte ich über Streuobstwiesen und entlang der Schnellstraße – das war vergleichsweise langweilig, ging aber gut doppelt so schnell. Und dann musste ich schnell ein Bier trinken gehen ...


18 Juli 2014

Schockierende Demo-Bilder

Bei einer Demonstration, die am Donnerstag, 17. Juli 2014, mitten in Berlin stattfand, wurden eindeutige Parolen gegrölt – die Bilder und die Aussagen machen mich noch immer traurig, wütend und fassungslos. Bei diesen Demonstranten geht es nicht darum, Kritik an der Besatzungspolitik des Staates Israel zu üben, oder darum, auf das Leid der Zivilisten hinzuweisen, die von Raketen und Bomben getroffen werden – diesen Leuten scheint es darum zu gehen, ihren Hass auf Juden zum Ausdruck zu bringen.

Warum kann so etwas im Jahr 2014 in Deutschland stattfinden? In der Hauptstadt Berlin? Ich will da gar nicht mit der deutschen Vergangenheit anfangen – die ist für die meisten offensichtlich schon sehr lange her. Aber bei solchen Sprüchen läuft es mir heute kalt den Rücken hinunter.

Das Youtube-Video geht keine zwei Minuten, ab etwa Sekunde 59 wird es eindeutig:
https://www.youtube.com/watch?v=qc7o2_uKwyI

Sherlock als Fanzine-Thema

Wie lange der aktuelle Boom um den britischen Detektiv Sherlock Holmes nun anhält, kann ich gar nicht genau sagen: Die neuen Kinofilme mit Robert Downey jr. haben dazu sicher ebenso beigetragen wie die wunderbare Fernsehserie, von der es schon einige Kurz-Staffeln gibt. Dass es im deutschsprachigen Raum gleich mehrere Zeitschriften – oder Fanzines? – gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen, passt ins Bild.

Zuletzt las ich die Ausgabe 19 des »Sherlock Holmes Magazins«, die auch als »Frühlingsausgabe 2014« bezeichnet wird. Die Mixtur ist originell: Alte Titelbilder und Buchausgaben werden ebenso beleuchtet wie »Sherlock Holmes«-Verfilmungen oder aktuelle Neuerscheinungen.

Ein bisschen skurril wird's, wenn ein Autor dem exakten Datum einer speziellen Kurzgeschichte nachforscht – aber das ist einfach eine »echte« Fan-Arbeit. Darüber hinaus geht es um Hörspiele, die Musik in den Geschichten oder um ein Fort, das in einer Geschichte beschrieben wird.

Die Texte sind allesamt gut bis sehr gut lesbar, das Layout und die Fotos sind professionell. Für meine Begriffe handelt es sich bei dem 32 Magazinseiten starken Heft eindeutig um ein Fanzine, das vor allem den Menschen zu empfehlen ist, die mehr über den schräg-klassischen englischen Detektiv erfahren möchte. In diesem Heft finden sie haufenweise »Input«.

17 Juli 2014

Spielerfrauen und Gauchotänzer

Eigentlich bin ich ein schlichtes Gemüt: Kommt ein gutes Fußballspiel, muss ich hingucken. Und häufig ist mir völlig egal, wer spielt. Bin ich in der Stadt unterwegs und irgendein Fernseher an einer Sportkneipe flimmert, schaue ich kurz zu – wenn es machbar ist.

Bei der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft ging es mir ähnlich. Ich habe alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft gesehen und gut ein Dutzend weiterer Spiele komplett, dazu kamen einige, die teilweise geguckt wurden. Das war teilweise richtig spannend, und ich habe mich bestens unterhalten.

Dass die deutsche Mannschaft am Ende den Titel geholt hat, fand ich gut – die Jungs hatten ihn verdient. Wenn Argentinien gewonnen hätte, wäre ich nicht gestorben. Ich kann den antinationalen Reflex allerdings nicht verstehen, immer »gegen die Deutschen« zu sein. Ohne jetzt einen seitenlangen Patriotismus-Text aufzureißen: Ich bin nun mal in diesem Land geboren und aufgewachsen und fühle mich diesem Land eher verbunden als beispielsweise Argentinien.

Erst nach der Weltmeisterschaft bekam ich durch Gespräche in der Kantine mit, dass es offensichtlich eine zweite Meisterschaft gab: die der Spielerfrauen. Das wurde heftig diskutiert, das war anscheinend sehr wichtig – ich bekam davon nichts mit.

Und bis heute schaffte ich es, durchs Internet zu surfen, ohne Details über diese Damen mitzubekommen. Sie ärgern mich nicht, sie betreffen mich nicht – ich wollte Fußball gucken und nicht über Spielerfrauen diskutieren. (Über den sexistischen Hintergrund dieser Diskussionen mache ich mir andermal Gedanken ...)

Ähnliches gilt für die sogenannte Siegesfeier in Berlin. Davon bekam ich über die Nachrichten mit: Junge Fußballer tanzen auf der Bühne, einige hunderttausend »Party People« jubeln frenetisch. Das schaute ich mir nicht an, so etwas interessiert mich nicht. Und was der sogenannte Gaucho-Tanz sein soll, müsste ich mir erst einmal via Internet erklären lassen – es geht mir am Hintern vorbei.

Ich bin ein schlichtes Gemüt: Ich wollte vier Wochen lang Fußball gucken und mitfiebern. Das »Drumherum« war für mich drittrangig (Und bevor jetzt jemand zu kritisieren anfängt: Für die politisch-gesellschaftlichen Zustände in Brasilien kann ich mich ja jetzt wieder interessieren.)

16 Juli 2014

Erinnerung an Wolfgang Altendorf

Am 23. März 2006 wurde der Schriftsteller und Maler Wolfgang Altendorf stolze 85 Jahre alt – ich gratulierte ihm mit einem persönlichen Schreiben. In den frühen 80er-Jahren hatte er mich in gewisser Weise beeinflusst: nicht unbedingt stilistisch, aber durch seine Art: ein Querkopf, der sich schon während des Zweiten Weltkriegs nicht an die Regeln gehalten hatte (womit er ein Weindorf in der Pfalz vor der Vernichtung bewahrte), ein Autor, der seine Gedichte und Texte selbst veröffentlichte, ein Künstler, der einen sehr eigenwilligen Stil hatte.

Ich war zwei-, dreimal zu Besuch in seinem Haus, das in einem Nachbardorf stand. Damals fuhr ich mit dem Rad hin, ein Jugendlicher, der seine ersten Gehversuche als Amateurautor und Fanzine-Herausgeber wagte. Altendorf behandelte mich nicht als Jugendlichen, sondern sehr korrekt und gleichberechtigt, er war großzügig (die Weine ...) und stellte mir viele Leute vor.

Seine Antwort auf meinen Geburtstagsgruß bestand aus einem doppelseitig kopierten Blatt: Auf der einen Seite befanden sich zwei Sonette, auf der anderen Seite eine Grafik. Dazu kamen zwei handschriftliche Sätze und eine Unterschrift. Ich freute mich sehr darüber.

Ein halbes Jahr später starb der Künstler und Autor bereits. Das doppelseitige Blatt und die zwei Sätze sind seitdem eine meiner letzten Erinnerungen an ihn – ich fand sie dieser Tage, und ich werde sie in Ehren halten.

15 Juli 2014

Fragment von 1986

»Das nervtötende Klingeln des Telefons riß mich aus dem Schlaf.« So beginnt ein Manuskript von mir, das ich dieser Tage aus einem alten Ordner fischte. Sieht man davon ab, dass es eher flach ist, eine Geschichte damit beginnen zu lassen, dass der Ich-Erzähler aufwacht, gefällt mir der Text erstaunlich gut.

Den Helden schildere ich ziemlich klar, persönliche Erinnerungen kommen da eindeutig zum Tragen: »Mühsam drehte ich mich zur Seite, verklebte Augen, verschwitzter Körper, klebrige Haare; mein Blick richtete sich auf den Wecker auf dem Nachttisch. Halb zehn. Schon wieder verschlafen, schon wieder das verdammte Ding überhört. Ich stöhnte und machte die Augen wieder zu, drehte mich zur Seite.«

Der Text stammt aus dem Frühjahr 1986, ist also über 28 Jahre alt. Es sind wenige Skizzen dazu überliefert, eher eine Zweitversion – gehe ich davon aus, plante ich zu der Zeit, einen Krimi zu schreiben. Ich war von den »Hard-Boiled«-Romanen und ihren coolen Ermittlern begeistert und wollte einen ähnlichen Text verfassen.

»Zwecklos. Wer da anrief, mußte ein besonderes Exemplar deutscher Sturheit sein. Das Telefon klingelte weiter, ein Schrillen nach dem anderen.«

Zumindest die lakonische Sprache solcher Krimis hatte ich damals gut drauf. Der Text ist schon in der unredigierten Version ganz brauchbar – wie ich heute mit dem Blick aus einer anderen Warte beurteilen kann.

Das Fragment allerdings wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in einem Ordner verschwinden: aufbewahrt für eine sowieso nicht existente Ewigkeit, Resonanzraum für eventuelle spätere Geschichten, Notizen für den großen, nach wie vor ungeschriebenen Roman.

14 Juli 2014

Finale ohne Hupen

Ich wollte den Endspielabend mit einiger Gemütlichkeit angehen: Mit Freunden gingen wir gemütlich essen, schauten uns bei einer Pizza an, wie der Regen auf Karlsruhe herunterprasselte, und hatten großes Mitleid mit den Leuten, die das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft im Wildparkstadion angucken wollten. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn nahm ich aber meinen Stehplatz an der Theke des »fünf« ein, hatte ein Bier in der Hand und bewunderte den rammelvollen Innenraum der Kneipe.

Das Spiel begann, die Stimmung stieg, es war superspannend – die Deutschen und die Argentinier kämpften erbittert. Streckenweise entwickelte sich das Spiel zu einer heftigen Holzerei, einige Fouls hätten die Schiedsrichter härter ahnden müssen. Aber für die Zuschauer war's natürlich mitreißend.

Der Höhepunkt in der zweiten Halbzeit der Verlängerung bedeutete auch eine Erlösung; ich war danach fix und fertig, mein Herz pochte, als hätte ich selbst Sport getrieben. Die deutsche Mannschaft hatte am Ende zwar mehr Glück, hatte meiner Ansicht nach aber auch den Sieg verdient. Dass mir Messi am Ende leid tat, liegt einfach daran, weil der Mann einfach ein verdammt guter Spieler ist.

Danach war in Karlsruhe die Hölle los. Autokorso, Feuerwerk, Hupen und Schreien – ich beteiligte mich nicht daran, sondern schaute mir lieber im Fernsehen noch die Interviews mit den Spielern an. So bekam ich nicht mehr mit, dass einige Idioten offensichtlich bei uns in der Nachbarschaft bei einigen Autos die Spiegel zertraten ...

13 Juli 2014

Im XVA-Hotel

Wer den Medienberichten glaubt, denkt sicher, dass Dubai aus ganz viel Wüste besteht, an deren Rand eine gigantische Stadt aus Hochhäusern erbaut worden ist. Ich war zweimal in Dubai – dieser erste Eindruck stimmt auf jeden Fall. Begibt man sich jedoch in die Teile der nicht sehr alten Altstadt, stellt man fest, dass sich Dubai nicht sonderlich von anderen arabischen Städten unterscheidet.

Inmitten der kleinen Straßen der Altstadt ist das XVA-Hotel, das ein wenig wie eine alte Karawanserei anmutet: flaches Gebäude, helle Mauern, schöner Innenhof. Es gibt Tee zum Trinken, es ist vergleichsweise kühl, und die Zimmer machen einen richtig schönen Eindruck.

Was mir am besten während meines Aufenthalts gefiel: Das XVA-Hotel bietet auch Kunst. Es zeigt Kunstwerke von lokalen und von internationalen Künstlern, nicht nur Gemälde, sondern auch originellere Dinge, die aussehen wie eine Mischung aus Gemälde und Plastik. Die Gastfreundschaft des Personals und der Besitzer, das vergleichsweise schlicht und normale wirkende Publikum, die Bilder an den Wänden – das alles trug dazu bei, dass es mir im XVA-Hotel sehr gut gefiel.

Falls ich jemals für einige Tage nach Dubai reisen sollte, werde ich versuchen, in diesem Hotel – oder in einem der kleinen Hotels in der Nähe – ein Zimmer zu bekommen. Dort und in der Nachbarschaft gibt es auf jeden Fall noch richtige Menschen, nicht nur wohlhabende Touristen und jene, die unsereins bedienen müssen ...

12 Juli 2014

Munich Round Up 179

Zu den großen Fanzines, die es seit vielen Jahrzehnten gibt, zählt ohne Zweifel das »Munich Round Up« aus München. In meiner Sammlung finden sich Ausgaben aus den späten fünfziger Jahren – 1958 starteten Science-Fiction-Fans dieses ungewöhnliche Heft. Seit Anfang an dabei ist Waldemar Kumming, dessen Konterfei auch das Titelbild des Fanzines ziert.

Nach über fünfzig Jahren gibt Waldemar jetzt die Arbeit an seinem Fanzine auf; die aktuelle Nummer 179 ist die letzte Ausgabe des Traditionsblattes unter seiner Regie, das früher stets sarkastisch und ironisch war. Leider blickt Waldemar nur auf zwei Seiten zurück auf die vergangene Zeit – ich hoffe, dass irgend jemand die Geschichte einmal schön zusammenfasst und veröffentlicht. Eigentlich wäre das ein Thema für ein Buch.

Auf den 42 A4-Seiten der aktuellen Ausgabe bleibt man ein wenig schwach. Neben dem Vorwort und dem Rückblick gibt es nur einen ellenlangen Artikel von Jesco von Puttkamer.

Der Autor gehörte zu den Gründern von »MRU«, wie das Fanzine abgekürzt wurde, machte später eine Karriere als Autor und noch später bei der amerikanischen Raumfahrt-Agentur NASA; er starb Ende 2012. Der Artikel fasst aktuelle technisch-wissenschaftliche Entwicklungen rings um den Mars-Flug noch einmal zusammen – informativ, aber nicht weltbewegend.

Schön finde ich, dass die »MRU«-Geschichte noch nicht ganz zu Ende ist. Thomas Recktenwald führt das Fanzine fort – ich wünsche ihm dabei viel Glück! 

11 Juli 2014

Bernhard Schnur mit einprägsamer Stimme

Man kann mir mit originellen Sängern kommen, und ich mag das gelegentlich auch – bei der von mir bevorzugten Musik ist zwar vor allem entscheidend, ob die Band einen entsprechenden Druck auf der Bühne und auf den Tonträgern ausübt. Wenn der Sänger oder die Sängerin auch noch gut singt oder schreit, gefällt es mir doppelt.

Punkrock und Hardcore macht Bernhard Schnur überhaupt nicht – wenn ich für ihn eine Schublade finden wollte, müsste ich bei IndiePop oder »Liedermacher plus Band« fündig werden. Der Österreicher ist schon seit langem aktiv, hatte in den 90er-Jahren auch eine halbwegs bekannte Band und ist seit Ende der Nullerjahre solo unterwegs. Mit »Yol« hörte ich mir dieser Tage seine erste CD an, die im April diesen Jahres erschienen ist.

Und da ist die Stimme schon extrem eindrucksvoll. Mal nölt und knödelt der Mann herum, dass es eine wahre Freude ist, dann wieder singt er hoch und für meine Begriffe ganz schön anstrengend, fast quiekend. Das ist zwar sehr individuell, trifft meinen Geschmack aber überhaupt nicht.

Musikalisch ist Bernhard Schnur mit seinen Begleitmusikern extrem vielseitig. Mal kracht es durchaus rockig, dann wieder gibt es sehr ruhige Nummern. Immer wieder tönt eine Orgel durch die Gegend, zwischendurch setzen Bläser ein, dann wieder gibt es gutes Gitarrenspiel – das ist alles sehr gut gemacht, unterm Strich dann aber doch nicht meine Tasse Bier.

Für mich war's eine CD, die ich mehrmals im Auto angehört habe; viele Stücke empfand ich als gute Begleitmusik beim Autofahren (Popmusik eben, die besser ist als der Radioscheiß), einige nervten mich, andere fand ich cool. Ich bin sicher, dass die CD bei Leuten, die auf eigenständige »Indie-Mucke« stehen, gut ankommen wird.

Antesten! Reinhören in die Musik des Österreichers kann man übrigens auf seiner Bandcamp-Seite ...

10 Juli 2014

Erinnerungen der vergangenen Monate

Auf der PERRY RHODAN-Seite erzähle ich seit einigen Jahren in der Reihe »Der Redakteur erinnert sich« immer wieder von vergangenen Dingen: Mal geht es um Ereignisse aus meiner fannischen Vergangenheit, mal geht es um Planungen in den 90er-Jahren oder um Erlebnisse meines Redakteurslebens. Alles hat einen Bezug zu meiner heutigen Arbeit, allerdings ist alles auch ein wenig im »Egozine-Stil« verfasst. Heute mal wieder eine kleine Übersicht zu einigen Texten der jüngsten Zeit.

Unter dem Titel »Stapel von Heftromanen« geht es beispielsweise ins Jahr 1977, in eine Zeit also, in der ich deutlich weniger wog als heute und alles noch sehr neu war: Ich erzähle von meinen ersten Erfahrungen mit der PERRY RHODAN-Serie und deren Lektüre.

Bei »Wir blicken auf Band 1700« plaudere ich über das Jahr 1993 und erzähle von einer Exposébesprechung. Mit dabei war unter anderem der PERRY RHODAN-Autor Ernst Vlcek, der leider schon verstorben ist und an den ich oft zurückdenke. (Unsere skurrilen Abenteuer in Chotebor und Wien werde ich auch einmal beschreiben ...)

Nach Mannheim und ins Jahr 2011 führt der Text »Letzte Fahrt zum Rosengarten« – gemeint ist damit das gleichnamige Kongresszentrum in der Stadt, in dem 1980 und 2011 jeweils ein PERRY RHODAN-WeltCon veranstaltet wurde. Im Oktober 2011 hatte ich eine ungewöhnliche Mission zu bewältigen.

Ein heikles Thema berührt »Streit um Prozente«; es gibt Leute, die sagen, ich sollte solche Themen nicht erzählen. Gemeint ist ein kleiner Konflikt zwischen dem Buchverlag und der Redaktion, der sich im Jahr 2005 abspielte.

1995 hingegen entwickelte sich alles noch ganz anders; viele Dinge im Verlag waren für mich neu, und ich beschränkte mich als Redakteur ausschließlich und allein auf Redaktionsarbeiten. »Der Schwarm-Zyklus in der Planung« bezieht sich deshalb auf die Planung von neuen Büchern ...

09 Juli 2014

Halbfinale-Wahnwitz

Das Spiel der deutschen gegen die brasilianische Fußball-Nationalmannschaft schaute ich mir an diesem Dienstag, 8. Juli 2014, im »fünf« an. Weil ich zu lange in der Romanfabrik werkelte, kam ich erst nach 19 Uhr aus dem Büro, was mit dem Abendessen fast ein wenig knapp war – aber pünktlich vor dem Anpfiff hatte ich einen guten Platz an einem Stehtisch, mit angenehmer Gesellschaft und kühlem Bier. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich an diesem Abend das »WM-Studio« füllte – man merkte, dass das Regenwetter manchen Fan vom »Public Viewing« im Freien in die Kneipen trieb –, war das sinnvoll.

Das Spiel selbst brauche ich an dieser Stelle nicht zu kommentieren. Nach einer halben Stunde waren alle um mich herum im Freudentaumel. Ich rief mindestens zwanzig mal ein »Unfassbar!« in die Runde, andere äußerten sich drastischer oder ähnlich.

In der zweiten Halbzeit machte sich massives Mitleid mit den Brasilianern breit. »Die sollen auch einmal ein Tor schießen«, war ein Kommentar. »Fünf zu vier für Deutschland wäre auch ein spannendes Ergebnis«, lautete ein anderer. »Lasst doch noch den Neuer eins reinschießen«, kam als trockene Replik.

Am Ende kippte die Stimmung geradezu. Die meisten fieberten für Brasilien – man hält in meinem sozialen Umfeld dann doch gern zum »Underdog«. Und als in der neunzigsten Minute das einzige brasilianische Tor fiel, wurde sogar applaudiert. »Gott sei Dank«, sagte an der Theke jemand mit tiefer Inbrunst.

Was wir aus dem Ergebnis zu lernen haben, kann bitteschön jeder für sich selbst entscheiden. Nur so viel schließe ich daraus: Die deutsche Mannschaft kann tatsächlich Weltmeister werden – aber im Endspiel wird es nicht so einfach werden wie gegen die auseinander fallende Mannschaft aus Brasilien.

08 Juli 2014

Coole Jugendbuch-Fantasy

Seit vielen Jahren ist mir Boris Koch persönlich bekannt, als Autor ebenfalls. In all den Jahren las ich von ihm vor allem Kurzgeschichten, die er in Anthologien oder seinem eigenen Kleinverlag, der Edition Medusenblut, veröffentlicht hat. Jetzt endlich kam ich dazu, sein Fantasy-Jugendbuch »Der Drachenflüsterer« zu lesen – ich wurde sehr angenehm unterhalten.

Seine Hauptfigur ist Ben, der in der kleinen Stadt Trollfurt wohnt. Sein Lebensziel ist, einer der geheimnisvollen Drachenritter zu werden, für die er seit Jahren schwärmt. Doch sein aktuelles Leben ist eher trist: Er ist Waise, er schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten und Gaunereien durch, und er hat – wie man heute sagen würde – keine günstige Sozialprognose.

Doch dann kommen neue Mitbürger nach Trollfürt, die angeblich einen Drachen besitzen; es besucht sogar ein Drachenritter die Stadt, und Ben schöpft neue Hoffnung. Leider geht alles schief, und ehe er sich umschaut, wird er des Mordes beschuldigt und muss aus Trollfurt flüchten.

Während sein einziger Freund in Trollfurt sogar Probleme bekommt, weil er immer noch zu Ben hält, bleibt dem Jungen nichts anderes übrig, als sich durch die Wildnis zu schlagen. Dabei trifft er tatsächlich auf einen Drachen – und sein Leben verändert sich in einer Weise, mit der er nicht rechnen konnte.

Soweit eine kurze Inhaltsangabe für »Der Drachenflüsterer«; mittlerweile sind dem Buch zwei Fortsetzungen gefolgt, und wer mag, kann alle drei Bände in Form einer schicken Gesamtausgabe kaufen. Das lohnt sich – ich habe mich bei der Lektüre bestens unterhalten.

Selbstverständlich handelt es sich hier um ein Jugendbuch, Boris Koch erfindet die Fantasy nicht neu und fügt dem Genre keine frischen Aspekte hinzu. Seine Hauptfigur Ben und die kleine Stadt Trollfurt schildert der Autor aber mit viel Liebe und mit viel Freude an den Details, so dass man der Geschichte auch als Erwachsener mit wachsender Begeisterung folgen kann.

Ganz ehrlich: »Der Drachenflüsterer« ist vor allem als Geschenk für jugendliche Leser zu betrachten. Wer also schon immer mal einen zwölf Jahre alten Jungen zur Fantasy bekehren wollte, tut mit dem Buch keinen Fehlgriff. Und wer sich selbst mal gut unterhalten möchte, kann sich ebenfalls über eine sehr gelungene Lektüre freuen

07 Juli 2014

Zahlenspiele für Selbermacher

Dass ich den Begriff »Selfpublisher« doof finde, habe ich schon gelegentlich gesagt; außer »Selbstveröffentlicher« habe ich aber bislang nichts gefunden, das passt – und das klingt nun mal alles andere als cool. Also bleiben wir beim englischsprachigen Begriff und machen uns anderweitig Gedanken darüber, warum Autoren, die in der deutschen Sprache schreiben, für ihre Tätigkeit keinen deutschsprachigen Begriff finden.

Rund 800 Selfpublisher wurden im Frühjahr 2014 von der Online-Seite Selfpublisherbibel befragt; die Zahlen, die dabei herausgekommen sind, finde ich interessant. 60 Prozent derjenigen, die an der Umfrage teilnahmen, sind weiblich, und im Schnitt ist man 45 Jahre alt. Gut die Hälfte hat ein Studium abgeschlossen.

Schauen wir uns an, was hauptsächlich publiziert wird, fällt zumindest in der Gruppe der Autorinnen und Autoren auf, die auf die Umfrage geantwortet haben: Fantasy landet bei 32 Prozent, die sogenannte Gegenwartsliteratur – also alles, was den Hauch hat, anspruchsvoll zu sein? – wird von immerhin 28 Prozent bevorzugt, dann kommen bereits Kinder- und Jugendbücher mit 23 Prozent sowie Krimis mit 20 und Thriller mit 20 Prozent.

Wer daraus schließt, dass Fantasy das erfolgreichste Selfpublishing-Genre ist, kann nicht richtig rechnen. Bei den meisten Lesern und Autoren sind Krimis und Thriller doch so gut wie deckungsgleich, also liegt das Genre der Spannungsliteratur mit 40 Prozent am weitesten vorne ...

Interessanter finde ich eh die Aussagen über die Einkünfte: Im Schnitt nehmen die befragten Selfpublisher 494 Euro pro Monat ein; nur drei Prozent kommen allerdings über 5000 Euro und können vom Schreiben leben. Das sind dann wahrscheinlich auch diejenigen, die Geld in ein professionelles Lektorat oder Korrektorat stecken.

Wenngleich diese freiwilligen Angaben mit Vorsicht zu genießen sind – sie wurden allesamt nicht überprüft –, zeigen sie doch zweierlei: Mit Selfpublishern ist weiterhin zu rechnen, und ihr Selbstbewusstsein steigt.

Punkiges Brasilien

Ordentlich ließ ich es krachen am gestrigen Sonntag, 6. Juli 2014: Es ging in meiner Radiosendung im Querfunk – passend zur Fußball-Weltmeisterschaft – diesmal um Punkrock und Hardcore aus Brasilien. Und da die Brasilianer, wie wir jetzt aus dem Viertelfinalspiel gegen Kolumbien auch wissen, gerne mal zur härteren Gangart neigen, ließ ich praktisch nur Geboller aus den Boxen dröhnen.

Mit Ratos de Porao und den Desordeiros ließ ich zwei krachige Klassiker aus den 80er-Jahren laufen, die heute noch einen ordentlichen Wumms machen. Mit B.U.S.H. gab's knalligen Hardcore aus den Nuller-Jahren, der eher nach New York als nach Sao Paolo klingt.

Einen Spritzer Streetpunk und Oi! versprühten die Flicts, einen Schuss Skapunk gab es bei Randal Grave, klassischen Punkrock wie aus den späten 70er-Jahren lieferten die Blind Pigs. Abgerundet wurde das ganze durch Statues On Fire, die ich erst kürzlich in Karlsruhe auf der Bühne gesehen habe, und Agrotoxico, die es auch schon seit einigen Jahren gibt.

Sanfte Töne gab es nicht, Filigranmusik ebensowenig; eigentlich ließ ich es die ganze Zeit bollern und krachen. Aber das muss ja auch mal sein ...

06 Juli 2014

Granada 74 und kein Fußball

Wie eine Band aus Köln ausgerechnt auf den Namen Granada 74 kommt, würde mich auch mal interessieren. Aber gut, schauen wir uns lieber die Musik an, die die Band auf ihrer selbstgemachten CD »Kontrollverlust« bringt. Das ist unterm Strich nämlich eine gut gemachte Mixtur aus IndieRock und einem Schuss Punk; recht gefällig präsentiert und auf der Bühne sicher gut anzugucken und anzuhören.

Für die benharte Punk-Fraktion ist das nicht, dafür ist die Musik zu poppig. Was die Band macht, ist musikalisch abwechslungsreich; die Jungs können mit ihren Instrumenten umgehen und spielen teilweise mit unterschiedlichen Stilrichtungen. Der Gesang des Sängers ist mir mamchmal zu nölig, dann aber klingt es wie Wir Sind Helden, nur eben mit männlichem Gesang.

Die deutschsprachigen Texte sind teilweise sehr originell, manchmal witzig, gelegentlich auch ganz schön banal. Politisch wird die Band nie, ganz flach allerdings auch nicht; auch hier gilt, dass man sich das jederzeit anhören kann. Alles in allem ist »Kontrollverlust« eine CD, die gut durchläuft, die man sich auch mehrfach anhören kann, bei der aber der große »Whow«-Effekt allerdings ausbleibt. (Wer deutschsprachige Rockmusik mag, sollte mal reinhören.)

05 Juli 2014

Viertelfinale 2014

Am Freitag, 4. Juli 2014, wollte ich mir endlich auch ein wenig »Sommermärchen«-Stimmung gönnen; also vertschüsste ich mich zu halbwegs vernünftigen Zeiten aus dem Verlag – der um diese Zeit gähnend leer war – und düste nach Hause, zog mich radfahrertechnisch und und düste ins »fünf«. Dort erzielte ich einen hervorragenden Platz an der Theke, mit direktem Blick auf die Leinwand und direktem Zugriff aufs Bier, und schaute mir das spannende und unterm Strich erfolgreiche Spiel der deutschen gegen die französische Fußballnationalmannschaft an. Das machte richtig Laune.

Im späteren Verlauf des Abends kam ich auch ohne Manuskripte, Computer und Exposés aus, konzentierte mich dann später auf das Spiel zwischen Brasilien und Kolumbien. Die Brasilianer überzeugten nicht völlig, gewannen aber verdient. Schön fand ich, dass am Ende der hervorragende Spieler James aus Kolumbien von den Torschützen aus Brasilien getröstet wurde – nach einem Spiel mit vielen Fouls war das doch ein gelungenes Ende.

Die Fußball-Weltmeisterschaft neigt sich langsam dem Ende zu. Wie jedesmal, so habe ich auch diesmal nicht alle Spiele angeschaut, aber einige packende Begegnungen im Fernsehen erlebt. Wer Weltmeister wird, vermag ich nicht zu sagen – nach dem Spiel gegen Frankreich halte ich die deutsche Mannschaft auf einmal wieder für sehr gut.

04 Juli 2014

Weltmeisterschafts-Radio

Zum ersten Mal seit langer Zeit kündige ich auch mal wieder eine Radiosendung an: Am Sonntag, 6. Juli 2014, kommt vom 22 bis 23 Uhr im Querfunk, dem freien Radio in Karlsruhe, eine Sendung, in der ich mich mit Brasilien beschäftige. Allerdings geht es weniger um Politik – von den Zuständen in Brasilien weiß ich nicht mehr als das, was in den Medien steht – oder um Fußball, wovon ich auch nicht sonderlich viel verstehe, sondern um Punkrock und artverwandte Klänge.

Unter anderem spiele ich einige aktuelle brasilianische Punk-Bands, aber ich greife ebenso in die Klassiker-Kiste. Sagen wir's so: Wer sich richtig gut mit Punk auskennt, wird keine Hör-Überraschungen erleben – wohl aber diejenigen, die Brasilien vor allem mit Samba und anderem Kram assoziieren ...

03 Juli 2014

Gedanken zum Juli 1914

Ich wuchs mit Geschichten über den Zweiten Weltkrieg auf. Die Generation meiner Eltern war durch den Krieg geprägt, die Männer von ihren Fronterfahrungen, die Frauen von Bombenkrieg, Flucht und Vertreibung. Wenn die »Alten« zusammensaßen, kam oft das Gespräch auf »die Nacht, in der Pforzheim brannte und man das Feuer bis Freudenstadt sah« oder »als die Franzosen in Freudenstadt eingefallen sind« oder »wie mein Mann in der Gefangenschaft verhungert ist«. Es waren meist Geschichten von Menschen, die sich als Opfer fühlten.

Der Erste Weltkrieg war erstaunlicherweise nie ein Thema. Dabei war die Generation davor bei diesem Gemetzel dabei gewesen. Mein Großvater war an der Westfront; er musste in Frankreich kämpfen, als Angehöriger eines württembergischen Regiments. Ich habe ihn nie kennengelernt, er starb vor meiner Geburt.

Obwohl der Erste Weltkrieg in den siebziger Jahren noch nicht so lange zurück lag wie der Zweite Weltkrieg heute, war er damals kaum ein Thema. Damals wunderte ich mich nicht, heute kommt es mir seltsam vor. Man sprach über die Inflationszeit, über »die schlechte Zeit«, mit der man irritierenderweise die Zeit vor den Nazis meinte oder auch die Zeit nach dem Krieg, aber den Ersten Weltkrieg gab es nicht.

Egal, wie man es rechnet: Vor hundert Jahren ging es los. Im Juli mobilisierten die europäischen Mächte ihre Truppen, im Juli 1914 erfolgten die wechselseitigen Kriegserklärungen, und dann massakrierten sich Millionen von Menschen auf den Schlachtfeldern in Flandern und Frankreich, in Norditalien und Galizien, in Ostpreußen und im Nahen Osten, auf dem offenen Meer oder in den Steppengebieten Ostafrikas.

Heute legte der Bundestag dafür eine Gedenkstunde ein. Es ist Geschichte, es ist alles lange her – aber schaut man sich die aktuelle Politik an, kommt einem manches so vertraut vor ...

02 Juli 2014

Statues On Fire wie ein Phönix

Als die brasilianische Band Statues On Fire im April 2014 auch in Karlsruhe spielte, war der Saal fast leer. Das hatte die Band nicht verdient, denn die treibende Mixtur aus klassischem Punkrock, melodischem Hardcore und einem kleinen Spritzer kam zumindest bei den wenigen Leuten sehr gut an.

Ich habe endlich die Platte »Phoenix« gehört, die im März 2014 erschienen ist. Die Platte kam recht früh heraus, die Band hatte sich erst 2013 gegründet, aber das macht in diesem Fall nichts; man hatte jahrelang Gelegenheit, sich in anderen Bands zu betätigen und haufenweise Erfahrungen zu sammeln.

Die Platte wirkt, als sei sie aus einem Guss: sauber aufgenommen, gut abgemischt, musikalisch sehr ordentlicher Hardcore-Punk mit viel Melodie und Schmackes. Es fehlt der Hit, der einem hilft, sich die Band so richtig ins Ohr zu saugen – aber es ist eine Platte, die man sich sehr oft und sehr gern anhören kann. Die englischen Texte machen einen guten Eindruck, das passt alles.

Wer melodischen Punkrock mag, ist hier schon mal gut bedient. Das ist alles nicht unglaublich originell, aber einfach gut gemacht – und ein Beispiel dafür, wie international sich die Punkrock-Szene mittlerweile präsentiert.

Fußball-Gestresse

Wie ich wieder einmal versuchte, zwischen Romanen, allerlei Texten und Fußball mein Leben zu organisieren – diesmal ging's am Dienstag, 1. Juli, abends doch ziemlich rund, weil ich gespannt darauf war, die Spiele zu sehen. Dummerweise hatte ich ebenso einen Berg von Papier, den ich an diesem Abend unbedingt lesen musste.

Fußballgucken und unbezahlte Überstunden müssen in diesen Tagen in Einklang mit einem halbwegs vernünftigen Privatleben gebracht werden. An diesem Abend hieß das: nicht pünktlich nach Hause kommen, dann Abendessen, während Argentinien und die Schweiz spielten – ich drückte den Schweizern den Daumen und bedauerte es sehr, dass sie gegen Ende leider aus dem Turnier flogen.

Beim Spiel zwischen den USA und Belgien saß ich auf der Couch, das eine oder andere Manuskript in der Hand. Ich linste zwischen dem Anfang eines »Silberbandes« und dem Spiel hin und her, machte Notizen im Manuskript, guckte auf den Bildschirm und notierte wieder etwas. Zwischendurch balancierte ich den Laptop auf den Knien, um kurz eine Mail zu schreiben.

Es folgte eine STELLARIS-Kurzgeschichte, in der ich ebenfalls meine Anmerkungen hinterließ. Das funktionierte erstaunlich gut.

Und als das Spiel in die Verlängerung ging, verlagerten wir unseren Aufenthaltsort ins »fünf«; weitere Manuskripte ließ ich daheim. Ich verpasste nichts wesentliches: Mit einem Bier in der Hand sah ich dann die entscheidenden Szenen eines packenden Fußballspiels.

Im Gegensatz zu dem zwar spannenden, aber streckenweise nicht schön anzuschauenden Spieles zwischen Deutschland und Algerien waren die Amerikaner und die Belgier bis zum letzten Angriff kampfstark und aggressiv. Da hätte ich beiden Mannschaften gegönnt, dass sie in die nächste Runde kommen ...

01 Juli 2014

Bäcker, Dolche, Straßenkinder

Wieder einmal habe ich ein Hörspiel aus der Serie »Detektei Sonderberg & Co.« gehört; es war die vierte Folge. Mittlerweile ist die Serie bei Nummer sieben angelangt. Und wie bei allen anderen Folgen zuvor fühlte ich mich hervorragend unterhalten – ein wenig öffentliches Lob will ich dennoch loswerden.

Die Geschichte spielt im Düsseldorf des Jahres 1889. Fahrräder sind eine neue Erfindung, und dass Frauen damit auf den Straßen unterwegs sind, verwirrt so ziemlich jeden. Die Polizei ermittelt mies oder gar nicht, und Fingerabdrücke werden als »modernes Zeugs« abgetan. In dieser Zeit wird Dr. Sonderberg, der Detektiv, in einen Fall verwickelt, bei dem ein ermordeter Bäcker, einige Straßenkinder und einige Erpressungen zusammengehören.

Wie es sich gehört, gehen alle Ermittlungen anfangs in eine falsche Richtung. Sonderberg stöbert allerlei unruhige Geister auf und legt sich mit den Straßenkindern an. Seine Assistentin und sein Neffe helfen ihm auf ihre manchmal widerspenstige Art, die Polizei behindert ihn mehr – aber letztlich wird der Übeltäter gefunden und verhaftet.

»Detektei Sonderberg« ist eine Hörspielserie von Zaubermond Audio. Dennis Ehrhardt, der Verlagsgründer, ist hier Autor und Produzent in einer Person. Wo ich normalerweise eine solche Doppelposition als heikel empfinden würde, klappt hier alles: Die Dialoge sind pointiert, oftmals witzig, der Fall entwickelt sich folgerichtig, und alle Geräusche – inklusive eines unmusikalischen Polizeichors – passen hervorragend zur Geschichte.

Das ist große Hörspiel-Unterhaltung, die zu Recht gelobt wird. Kein intellektueller Krimi, aber eine muntere Geschichte mit vielen Wendungen und absolut nachvollziehbaren Hauptfiguren. Wer Hörspiele mag, sollte hier unbedingt reinhören! Auf der Zaubermond-Seite gibt es genügend Hörbeispiele.