Als der Roman »Ökotopia« im Jahr 1975 erstmals veröffentlicht wurde, erregte er in den damals neuen »Sozialen Bewegungen« großes Aufsehen. Viele schreiben ihm eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Öko-Gedankens und den damals aufkommenden Parteien wie den Grünen zu. Seit dem vergangenen Jahr gibt es diesen Roman in einer schönen Neuauflage im Hardcover-Format, die im Reclam-Verlag erschienen ist – die Lektüre lohnt sich immer noch.
Der Roman erzählt von einem amerikanischen Journalisten, der in die unabhängige Republik Ökotopie reist. Diese hat sich Ende des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet des Nordwestens der USA gebildet: San Francisco und die Umgebung sowie wesentliche Teile der Bundesstaaten Oregon und Washington.
Man erfährt nicht so viel über die Grenzen der neuen Republik, dafür umso mehr über die Spannungen, die zwischen ihr und den Vereinigten Staaten herrschen. Der Journalist ist auch der erste, der die Erlaubnis für eine solche Reise ins Nachbarland erhält.
Was er sieht und was er erlebt, verblüfft ihn auf Schritt und Tritt. Ökotopia ist ein Staat, in dem vieles anders ist als in den Vereinigten Staaten, und das wirkt auf ihn am Anfang befremdlich. Frauen sind gleichberechtigt, die Organisation in Betrieben ist partnerschaftlich, man nimmt Nahrung zu sich, die ohne Chemie auskommt, und man fährt mit Elektromobilen durch die Gegend.
Aus der Sicht des Jahres 1975, als das Buch geschrieben wurde, klang das sicher sehr utopisch. Heute mutet einem vieles davon wie ein Blick in die nahe Zukunft oder auch Gegenwart an.
Ernest Callenbach war ein Visionär. Ihm ging es darum, eine Utopie zu schreiben, die von einer lebenswerten Zukunft kündet. In den 70er-Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine Schrift »Die Grenzen des Wachstums«, was damals eine neuartige Diskussion anstieß. Die Umweltbewegung wurde aktiv, und der Roman »Ökotopia« lieferte hierfür wertvolle Impulse. Callenbach schrieb also Literatur, die aus der aktuellen Zeit heraus eine Vision ableiten sollte.
Sein Roman besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen, die sich kapitelweise abwechseln. Die eine Handlungsebene besteht aus journalistischen Beiträgen. Die Hauptperson informiert über Ökotopia und seine Besonderheiten. Sie zeigt die gesellschaftliche Entwicklung, sie erzählt von der Nutzung der Windenergie und von den modernen demokratischen Einrichtungen – das ist im Prinzip auch die Utopie, die der Autor schildern möchte.
Die andere Handlungsebene erzählt von den Begegnungen des Journalisten mit den Einwohnern von Ökotopia: wie er Freunde trifft, wie er eine Frau kennenlernt, wie er sich in seinen Gefühlen verliert und wie er am Ende nicht mehr weiß, ob er zu seiner Frau in die USA zurückkehren oder in Ökotopia bleiben möchte.
Man muss klar sagen: Die Berichte sind nicht spannend; es sind eher nüchterne Darstellungen einer möglichen Zukunft, die von einer echten Vision künden. Lesenswert sind vor allem die Teile, in denen die Innensicht der Hauptfigur und ihre Entwicklung gezeigt werden. Das packt den Leser dann auch – weil sie einen persönlichen Blick auf eine fremde Welt werfen.
So entsteht ein interessanter Gesamteindruck einer Utopie, die man sich richtig gut vorstellen kann. Als Action-Werk war das damals nicht gedacht, und so wird auch heute niemand diesen Roman verstehen.
»Ökotopia« ist einer der relevanten Science-Fiction-Romane des 20. Jahrhunderts. Man sollte ihn gelesen haben, wenn man sich für die utopisch-phantastische Literatur interessiert. Und man kann ihn sicher Menschen in die Hand drücken, die sonst keine Science Fiction mögen, sich aber für politische Gedankengänge und Visionen interessieren – für solche Leser wurde das Buch ja letztlich geschrieben. Empfehlenswert!
Informationen zu »Ökotopia« und den Hintergründen vermittelt übrigens in einem übersichtlichen Artikel die
Wikipedia. Der Besuch der Seite lohnt sich. Und wer sich ein wenig einlesen möchte, schaue sich die
Leseprobe auf der Internet-Seite des Reclam-Verlags an.
(Die Rezension habe ich im vergangenen Jahr auf der Internet-Seite der PERRY RHODAN-Serie veröffentlicht. An dieser Stelle wiederhole ich sie aus rein subjektiven Gründen.)